27. März 2017
"Es war zwölf Uhr Mittags. Keine Chance, dass die Potters sie um diese Zeit noch besuchen, da ist ja fast schon Mittagsschlafzeit für Leo.", beschwerte sich Rain bei Natasha. Während sie geredet hatte, war sie immer wütender geworden. "Die haben mich eiskalt angelogen, weil sie nicht mehr mit mir reden wollten!"
Natasha saß ihr schweigend gegenüber und hatte sich ihre Erzählung ruhig angehört. Es war auch nicht das erste Mal, dass Rain sich über ihre Eltern aufregte. Bereits gestern und vorgestern hatte Rain dieses Thema mehrere Male wieder angeschnitten. Jetzt nahm sie einen Schluck von ihrem Tee und sah Rain dann erwartungsvoll an.
"Ich finde, du verurteilst sie zu schnell.", erklärte sie dann geduldig. Rains Miene verfinsterte sich weiter, wie jedes Mal, wenn sie an dieser Stelle des Gesprächs ankamen.
"Was kann man daran denn zu schnell verurteilen?", fragte sie verärgert. "Ich habe ihnen erzählt, dass ich mit dir zusammen bin und sie haben erst so getan, als hätten sie mich nicht gehört und dann ganz schnell aufgelegt. Und das mit einer billigen Ausrede, von der sie wussten, dass ich weiß, dass sie Bullshit ist."
"Du hast sie ganz schön überrumpelt.", gab Natasha, noch immer die Ruhe in Person, zu bedenken. "Gib ihnen einfach ein paar Tage Zeit. Vielleicht brauchen sie auch nur ein wenig, um sich darauf einzustellen."
Rain schwieg und griff zur Tasse, die vor ihr auf dem Tisch unschuldig dampfte. Sie war sich bewusst, dass sie dieses Gepräch schon mehrfach geführt hatten und sie war Natasha dankbar, dass sie sich ihr Gejammer immer wieder anhörte. Aber sie konnte es einfach immer noch nicht glauben.
"Das waren jetzt aber schon ein paar Tage.", sagte sie leise und blies in die Tasse, um den Tee abzukühlen. Es war eine Angewohnheit, die sie sich von ihrer Mutter abgeschaut hatte und über die sich ihr Vater immer lustig machte. Sie wischte den Gedanken an die beiden unwirsch fort. Die konnten ihr im Moment wirklich gestohlen bleiben. "Was ist, wenn sie wirklich nicht damit klar kommen?", ergänzte sie unsicher und sprach damit erstmalig die Angst aus, die sich unter der ganzen angestauten Wut verbarg.
Sorgsam setzte Natasha ihre Tasse ab, stand auf, umrundete den Tisch und setzte sich neben Rain.
"Gib ihnen Zeit.", beruhigte sie ihre Freundin. "Von dem, was du erzählt hast, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie dich wirklich langfristig nicht mehr sehen wollen. Und sie haben uns für die Osterferien ja auch nicht ausgeladen.", versuchte sie ihr Mut zu machen. "Vielleicht ändern sie ihre Meinung, wenn sie dich wiedersehen. Und merken, dass es vielleicht doch nicht so schlimm ist."
Rain lehnte sich gegen sie und kuschelte sich an ihre Brust.
"Ich wollte aber, dass sie es gar nicht erst schlimm finden.", murmelte sie in Natashas Pullover. "Warum können sie mich nicht einfach akzeptieren, wie ich bin? Ich weiß einfach nicht, was ihr Problem ist."
Natasha strich ihr über den Rücken und drückte sanfte Küsse auf ihren Scheitel.
"Du hast mir nie erzählt, wie es war, als Grischa dir erzählt hat, dass ich mehr oder weniger deinetwegen nach Hause gefahren bin.", wechselte sie das Thema und Rain war ihr dankbar dafür. Sie musste lächeln und drückte ihr Gesicht noch weiter in Natashas Bauch, um es zu verstecken.
"Ich glaube, ich mochte dich damals schon und wusste es nur selbst noch nicht.", gestand sie und wiederholte es noch einmal außerhalb des Pullovers, weil Natasha ihr Genuschel nicht verstanden hatte. "Ich habe da die ganzen Ferien drüber nachgedacht, hab sogar mit meiner Grandma darüber geredet."
"Hast du mir nie erzählt.", wunderte sich Natasha und auch Rain war überrascht, dass sie nie daran gedacht hatte, ihr davon zu berichten. "Wie hat sie es aufgenommen?"
"Sie war total aufgeschlossen dem Thema gegenüber.", erinnerte sich Rain und drehte sich, dass sie jetzt auf dem Rücken lag, mit dem Kopf in Natashas Schoß. "Vermutlich habe ich deshalb insgeheim gehofft, dass es bei meinen Eltern genauso sein würde."
"Und nach dem Gespräch mit deiner Großmutter war dann alles klar?", erkundigte sich Natasha interessiert. Rain schüttelte den Kopf.
"Absolut nicht. Ich war eher noch verwirrter.", erzählte sie. "Ich musste mich halt erst an den Gedanken gewöhnen, möglicherweise mit einem Mädchen..." Sie hielt inne, als ihr auffiel, worauf diese Überlegung hinaus führte. Dann richtete sie sich empört auf. "Du hast mich reingelegt!"
"Schuldig im Sinne der Anklage." Natasha grinste und sah kein bisschen so aus, als würde sie irgendetwas bereuen.
"Du hast mich ausgetrickst, damit ich mich nicht weiter über meine Eltern aufrege!", beschwerte sich Rain.
"Ich wollte ja bloß, dass du zugibst, dass du selbst eine ganze Weile gebraucht hast, um dich mit dem Thema abzufinden.", erklärte Natasha. "Und dass es unfair ist, von deinen Eltern zu erwarten, dass sie das in wenigen Sekunden schaffen."
Rain sah mehr als unzufrieden aus.
"Du bist ein böser Mensch.", maulte sie und ließ sich wieder zurück in Natashas Schoß sinken. Die lachte nur und griff nach ihrer Teetasse.
"Wenn du dir so große Sorgen machst, wie sie reagieren, dann schreib doch deiner Grandma, dass sie mal mit ihnen reden soll.", schlug sie vor. "Ist sie die Mutter von deiner Mum oder von deinem Dad?"
"Von meinem Dad.", sagte Rain. Die Idee gefiel ihr gar nicht mal so schlecht.
"Siehst du, dann müsste sie doch zumindest auf ihn einen gewissen Einfluss haben.", sponn Natasha ihre Idee weiter. "Und von dem was du erzählt hast, würde sie das bestimmt machen. Sie klingt wie eine prima Grandma."
"Ist sie auch." Rain rollte sich auf den Rücken, sodass ihr Kopf immer noch in Natashas Schoß lag, sie aber jetzt ihre Freundin ansehen konnte. "Sie ist die beste Grandma der Welt. Bis auf meine andere Granny.", ergänzte sie dann schnell. "Die natürlich auch die beste ist."
Natasha musste lachen.
"Deine anderen Großeltern sind Muggel, oder?", fragte sie neugierig. Rain nickte.
"Ich glaube nicht wirklich, dass die ein großes Problem damit haben. Ich weiß noch, dass meine Granny sich vor vier Jahren wahnsinnig darüber aufgeregt hat, dass ein paar von ihren Freunden gegen ein Gesetz waren, was homosexuellen Paaren erlauben sollte, zu heiraten.", erzählte sie. Ihr kam ein Gedanke und sie musste trocken lachen. Natasha sah sie fragend an. "Schon ironisch, dass meine Großeltern fast kein Problem sind, aber dafür meine Eltern."
Natasha zuckte mit den Schultern.
"Können bei den Muggeln wirklich zwei Frauen heiraten?", fragte sie interessiert. Rain nickte.
"Nicht überall.", wandte sie ein. "Aber in England schon."
"Wusste ich gar nicht.", meinte Natasha. "Zu Hause war ich ja doch viel in der Kirche unter Muggeln, und da wird es immer als Sünde gesehen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal heiraten könnte. Also, jemanden, den ich tatsächlich heiraten will, meine ich."
"Hättest du vielleicht einen Mann geheiratet, den du vielleicht nicht einmal magst?", fragte Rain erstaunt. Natasha zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht.", sagte sie. "Keine Ahnung, wenn ich dich nicht getroffen hätte, hätte ich vermutlich noch eine Weile länger verleugnet, wie ich bin."
"Und deine Eltern?", fragte Rain. "Wir reden die ganze Zeit über meine, aber ich weiß nicht mal, was deine dazu sagen."
Natasha seufzte.
"Naja, sie haben ja bemerkt, was ich im Dezember versucht habe. Und ich glaube, es ist ihnen lieber, dass ich eine Beziehung mit dir habe, als dass ich so etwas noch mal versuche. Keine Ahnung, ob sie das jemals vollständig annehmen, auch in den gesellschaftlichen Kreisen, in denen sie sich bewegen." Sie lächelte ein wenig. "Vielleicht werden wir eine neue Geschichte, die meine Babushka dann bei der nächsten Familienfeier zum Besten geben kann, wenn sie zu viel Punsch getrunken hat. So wie mein Onkel Michail."
"Meinst du, ich lerne sie kennen, wenn wir Ostern bei dir sind?", fragte Rain. Natasha zuckte mit den Schultern. "Denn du kannst dich schon mal drauf gefasst machen, dass du Ostersonntag um ein Treffen der gesamten Familie Weasley nicht drumrum kommen wirst."
"Das ist das schöne an Familientreffen bei uns - sie sind immer sehr spontan." Sie lächelte. "Warten wir es ab. Es sind ja nur noch ein paar Wochen. Und im Moment ist die Situation mit deinen Eltern viel wichtiger. Und dein Geburtstag nächste Woche."
Rain schämte sich ein bisschen, dass Natasha sich offenbar so viele Gedanken um ihren Geburtstag machte, während sie ihren am 1. Januar vollkommen verpeilt hatte. Zugegeben, die Situation war nicht zum Feiern gewesen, aber irgendwie wäre wenigstens ein Glückwunsch angemessen gewesen. Auf ihren eigenen Geburtstag konnte sie sich im Moment nur mäßig freuen. Und das ärgerte sie noch mehr an dieser Situation: Seit Jahren freute sie sich auf ihren siebzehnten Geburtstag und jetzt so kurz davor war die Stimmung irgendwie unten. Und das alles wegen ihrer blöden Idee, sich zu outen. Naja, immerhin würde sie dann volljährig sein.
Sie kuschelte sich wieder etwas mehr in Natashas Schoß und diese begann wieder, durch ihre Haare zu streichen.
"Was würde ich nur ohne dich machen.", nuschelte sie und sie spürte, wie ein leises Lachen Natashas Körper zum Vibrieren brachte.
"Ohne mich hättest du einige Probleme weniger.", erinnerte sie sie. Rain gab einen "Pfft"-Laut von sich.
"Dann sind sie es das allemal wert."
Rain hat also doch ein bisschen zu kämpfen mit der ganzen Sache. Kein Wunder. Aber sie hat ja wenigstens Natasha an ihrer Seite, die ihren Eltern doch einiges an Verständnis einräumt. Ist jetzt halt die große Frage, wie viel Verständnis Narzissa für das Verhalten ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter aufbringen kann, wenn Rain ihr wirklich schreibt (was sie tut). Was meint ihr, wie wird dieses Gespräch so verlaufen? Spekuliert gerne, ihr erfahrt es dann morgen.
Es geht übrigens wirklich aufs Ende zu: noch sechs Kapitel. Nur als Warnung.
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