27. Dezember 2016 (2)
Sie kamen im Malfoy Manor an und da sie sich ja gestern gerade gesehen hatten, blieben Hermine und Draco nicht lange, sondern machten sich sogleich wieder auf den Weg.
Rain und Leo blieben währenddessen bei ihren Großeltern, was keinen der vier jetzt noch Anwesenden wirklich störte, im Gegenteil. Rain liebte es, bei ihren Großeltern zu sein. Leo und Grandpa Lucius machten etwas zusammen, Granny Narzissa und sie spielten Scrabble. Sie erinnerte sich noch gut an die Zeit, als sie mit acht Jahren zum ersten Mal hier war, da war das alles ein bisschen gruselig gewesen, aber auch aufregend. Und je älter sie wurde, desto öfter war sie hier, anfangs nur mit ihren Eltern, später dann auch mal alleine. Und während das Gruselige mit der Zeit verschwand, blieb das Aufregende.
Die ersten Jahre war sie immer alleine hier gewesen, aber irgendwann durfte auch Vicky mitkommen und sie hatten stundenlang in den alten Gemäuern Verstecken gespielt. Jetzt, mit sechzehn, wusste Rain, warum es so lange gedauert hatte, bis Fleur und Bill ihrer Tochter erlaubten, mit nach Malfoy Manor zu kommen, damals hatte sie es nicht verstehen können.
Rain mochte aber nicht nur den Ort, sondern sie mochte auch ihre Großeltern. Grandpa Lucius hatte eine ganze Weile gebraucht, bis er mit ihrer Mum und ihr selbst warm geworden war. Das war aber ein Jahr nach dem ersten Treffen schließlich besser geworden. Ihre Mum hatte ihr irgendwann erzählt, dass es daran lag, dass ihr Urgroßvater Abraxas gestorben war. An den erinnerte Rain sich aber kaum, da sie ihn nur einmal getroffen hatte und das war keine wirklich schöne Erinnerung. Gleichzeitig war es aber auch das erste Treffen mit ihren Großeltern gewesen und das war ja grundsätzlich etwas Gutes.
Grandpa Lucius war ihr am Anfang oft unheimlich gewesen, und bis heute war sie sich nicht ganz sicher, ob er sie wirklich gern mochte. Aber sie sah, wie er mit Leo spielte und sprach, ihm Geschenke machte und einmal sogar mit ihm ein Fußballspiel angeschaut hatte, weil Leo es sich gewünscht hatte. Ihr Dad hatte ihr irgendwann erklärt, dass es daran lag, dass Grandpa Lucius zum einen Jungen einfach lieber mochte als Mädchen, außerdem mit ihnen viel mehr anfangen konnte, weil er ja selbst nie eine Tochter gehabt hatte und drittens auch nach dem Tod seines Vaters recht lange gebraucht hatte um seine Vorurteile gegenüber Mums Blutstatus abzulegen. Dazu hatte ihn wohl erst Leos Geburt gebracht, und da war Rain ja dann recht schnell nach Hogwarts gekommen.
Aber wo ihre Beziehung zu ihrem Großvater aufhörte, da begann sie mit Granny Narzissa. Sie gingen gemeinsam Einkaufen, kochten und buken zusammen (mit fröhlicher Unterstützung der Hauselfen, die Rain immer mehr ans Herz wuchsen) und spielten, eben wie sie es jetzt gerade taten, stundenlang Scrabble. Rain hatte wirklich das Gefühl, dass es sich gelohnt hatte, die Muggelspiele immer und immer wieder mitzubringen, bis sich ihre Großeltern irgendwann bereiterklärt hatten, sie auch einmal auszuprobieren. Sie war sich sehr sicher, dass ihre Großeltern, auch wenn sie es nie zugeben würden, wenn sie allein waren auch gelegentlich Scrabble spielten, denn niemand war so gut wie Granny Narzissa ohne regelmäßig zu trainieren. In Hogwarts gab es nur wenige, die das Spiel kannten und Rain täte es vermutlich auch nicht, wenn ihre Mutter nicht muggelstämmig wäre. Sie hatte es einige Male mit ihren Freundinnen versucht, aber Asha spielte nicht gern, Vicky schon, aber nicht das und Sophia fand Zahlen einfach besser als Buchstaben (Rain musste unbedingt daran denken, ihr Rommé mitzubringen). Jetzt fragte sie sich, warum sie nie überlegt hatte, es mit Natasha zu spielen. Aber irgendwie hatten sich ihre Gespräche immer von selbst ergeben. Sie hatte nie darüber nachdenken müssen, was sie machen könnten, wenn sie sich trafen.
Kaum dass Natashas Name in Rains Gedanken gefallen war, begannen diese wieder um sie zu kreisen. Seit ihrem Gespräch mit Grischa vor einigen Wochen dachte sie immer wieder über die ganze Situation nach und kam doch nirgendwo an. Selbst vorgestern bei der Bescherung waren ihre Gedanken in diese Richtung abgeschweift. Sie seufzte. Sie wusste einfach nicht, was sie tun sollte, wie sie sich verhalten sollte, wenn sie Natasha nach den Ferien wiedersah.
"Spielst du, Liebling?", riss die Stimme ihrer Großmutter sie aus ihren Gedanken. Richtig, das Spiel. Sie war dran.
"Ähm, ja klar." Rain konzentrierte sich auf die Buchstaben auf ihrem Brettchen. Zu wenig Vokale um irgendein sinnvolles Wort daraus zu basteln, mehr Ns als man jemals in ein Wort einbauen konnte (außer nennen, aber dafür fehlten ihr Es) und ein Q ohne entsprechendes U. Nicht gerade erfolgsversprechende Buchstaben. Seufzend legte sie SINN an eines von Granny Narzissas Is und kassierte die grandiosen vier Punkte.
"Alles ok bei dir?", erkundigte sich ihre Gegenüber beinahe beiläufig, während sie ihre eigenen Buchstaben betrachtete. Rain nickte.
"Es ist nur...Schulzeug.", winkte sie ab. Ihre Großmutter sah sie kurz prüfend an, dann nickte sie und legte SPHINX an das N, was Rain ihr gerade präsentiert hatte, das X elegant auf dem dreifachen Buchstabenwert.
"Wenn du reden willst, höre ich dir gerne zu.", meinte Granny Narzissa und es wirkte immer noch wie nebenbei. Es war kein Drängen, keine Neugier, kein Überreden, sondern ein einfaches Angebot. Vielleicht war das der Grund, warum Rain gestand:
"Ich habe kurz vor den Ferien etwas über jemanden erfahren und jetzt weiß ich nicht, wie ich mich der Person gegenüber verhalten soll, wenn wir uns im neuen Jahr wiedersehen." Sie sah dabei die ganze Zeit auf ihre Buchstaben, zu denen sich jetzt immerhin ein U gesellt hatte. Ihr Blick schweifte über das Brett und als sie ein freies E ausmachte, das auch noch in bequemer Nähe zu einem Doppelten Wortwert war, schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.
"Ist es was Gutes oder was Schlechtes, was du erfahren hast?", erkundigte sich ihre Granny. Rain dachte über die Frage nach. War es jetzt etwas Gutes? Oder etwas Schlechtes?
"Ich denke, eigentlich ist es etwas Gutes.", meinte sie. "Aber ich weiß nicht, was es jetzt bedeutet." Sie schob ihr Q, ihr U und ein R um das E herum und blickte ihre Großmutter triumphierend an.
"Vielleicht muss es ja gar nichts bedeuten?", schlug diese vor und notierte mit anerkennendem Blick 26 Punkte auf ihrer Liste.
Rain runzelte die Stirn. Das verstand sie nicht. Also warf sie alle Vorsicht in den Wind.
"Ich habe erfahren, dass jemand in mich verliebt ist. Aber wir sind eigentlich gut befreundet und ich weiß nicht, ob das jetzt nicht alles verändert.", platzte sie heraus. Ihre Großmutter legte jetzt Stift und Papier beiseite.
"Und du erwiderst die Gefühle nicht?", stellte sie jetzt mehr fest, als dass sie fragte.
"Keine Ahnung.", meinte Rain hilflos. "Nein. Vielleicht. Was ist, wenn ich es möchte, aber mir nicht sicher bin? Was ist, wenn ich so sehr will, dass wir uns weiter verstehen, dass ich mir nur einrede, dass ich auch verliebt bin und es aber gar nicht bin?"
"Hast du mal überlegt, dass du das genau so sagen könntest?", fragte ihre Großmutter interessiert. Rain runzelte irritiert. Nein, das hatte sie nicht.
"Ist das nicht verletzend? Jemandem zu sagen: Hey, ich mag dich vielleicht, können wir einfach noch ein bisschen Zeit miteinander verbringen, bis ich es weiß?", entfuhr es Rain. "Sowas kann man doch nicht machen!"
"Warum nicht? Es gibt wenige Dinge, die man nicht so formulieren kann, dass sie nicht verletzend sind. Und es gibt noch weniger Dinge, die man nicht so formulieren könnte, dass sie verletzend sind.", erklärte Narzissa und auf den verwirrten Blick ihrer Enkeltochter hin, ergänzte sie: "Was ich damit sagen will ist, dass du fast alles, was du sagst so sagen kannst, dass es nicht verletzend ist. Solange es die Wahrheit ist." Sie hielt kurz inne und sah auf die Uhr. "Ich denke, wenn wir zusammen das Mittagessen kochen wollen, sollten wir so langsam mal anfangen. Was meinst du?"
Rain nickte, rührte sich jedoch nicht. Eine kurze Weile sah sie ihr hinterher, als sie in der Küche verschwand. Dann sprang sie auf und folgte ihr schnell.
"Ich meine, ich weiß ja nicht einmal, ob eine Beziehung für uns überhaupt in Frage kommt. Selbst wenn ich irgendwann merke, dass ich das gern hätte.", meinte sie, als sie die Küche erreichte. Immerhin hatte Natasha sich ja von ihrer Verliebtheit heilen lassen wollen. Es war also vielleicht sogar so, dass sie zurückkam und Rain überhaupt nicht mehr mochte. Was für eine furchtbare Vorstellung!
"Warum nicht?" Granny Narzissa holte gerade ein Schneidebrett und ein Messer aus einigen Schubladen. Rain gab ihrer liebsten Hauselfe, Daisy, ein High-Five und hüpfte auf die Arbeitsfläche.
"Naja, sagen wir mal, die Person hält die Art Beziehung, die wir führen würden für...unnatürlich." Rain wusste, dass sie sich auf dünnem Eis befand. Sie wusste, dass ihre Großeltern eher traditionell eingestellt waren und obwohl sie zumindest die Reinbluttheorie mittlerweile größtenteils abgelegt hatten, hatte Rain keine Ahnung, wie ihre Großmutter mit dem Thema Homosexualität umgehen würde.
"Tja, wo die Liebe hinfällt.", seufzte diese und begann, die Zucchini zu schneiden, mit denen sie nachher einen Auflauf machen würden. "Ihr habt jetzt das Glück, dass ihr euch frei aussuchen könnt, mit wem ihr zusammen sein wollt. Ihr solltet euch nicht selbst einschränken, indem ihr euch veralteten Vorstellungen anpasst."
Rain verzog beeindruckt die Mundwinkel. Ihre Großmutter drehte sich zu ihr herum und zeigte mit dem Messer auf sie.
"Erwachsene werden euch sagen, dass früher alles besser war, aber sie haben unrecht. Es war anders und wir sind daran gewöhnt. Ihr seid eine neue Generation, ihr macht Dinge anders und das ist gut so. Und nach euch wird die nächste Generation kommen, die alles wieder ganz anders macht, aber das ist dann nicht mehr eure Sache, genauso wie es jetzt nicht unsere Sache ist, zu entscheiden, was für euch gut oder schlecht ist."
Rain war begeistert. Wie lange hatte sie darauf gewartet, dass das einmal jemand sagen würde. Es jetzt aus dem Mund ihrer konservativen Großmutter zu hören, erschien surreal.
"Wirklich?", fragte sie, einfach um sich zu vergewissern, dass sie sich das alles nicht eingebildet hatte. Granny Narzissa nickte.
"Auf jeden Fall." Sie schwang ihren Zauberstab und des Messer begann, die Zucchini zu schneiden, während Narzissa einige Schränke öffnete und dies und jenes herausholte.
"Aber wenn jetzt doch noch jemand in meiner Generation diese Vorstellungen hat und deshalb denkt, dass bestimmte Menschen sich nicht lieben dürfen.", führte Rain ihre Gedanken weiter. "Was mache ich denn dann?"
"Sind das vielleicht Vorstellungen, die derjenige von seinen Eltern gelernt hat?", erkundigte sich ihre Großmutter, während sie einige Töpfe und Pfannen dirigierte, die sich daraufhin zum Herd begaben. Rain schüttelte den Kopf. Dann fiel ihr auf, dass ihre Großmutter mit dem Rücken zu ihr stand.
"Ich denke nicht. Ich habe mit dem Bruder...der Person gesprochen und er denkt nicht so.", erklärte sie. Granny Narzissa drehte sich seufzend zu ihr um, die Küchenutensilien hinter ihr unterbrachen ihren Tanz jedoch keine Sekunde.
"Also erstens, dann solltest du vielleicht mal fragen, warum die Person so denkt, wie sie es tut.", meinte sie. "Und zweitens...können wir bitte aufhören, um die Pronomen herumzureden?" Sie warf ihrer Enkelin, deren Miene erschrocken wie versteinert wurde, ein aufmunterndes Lächeln zu. "Rain. Es ist in Ordnung, wenn es ein Mädchen ist."
Rain klappte ein wenig der Mund auf und sie musste sich schwer zurückhalten, nicht noch einmal "Wirklich?" zu fragen. Sprachlos starrte sie ihre Großmutter einige Augenblicke an, die daraufhin lachen musste.
"Habe ich dich jetzt überrascht?", fragte sie belustigt. Rain blinzelte.
"Schon.", antwortete sie und jetzt war es ihr peinlich, ihrer Großmutter Homophobie unterstellt zu haben. "Ich hätte nicht gedacht, dass du das so...unproblematisch siehst."
"Ach Rain." Ihre Großmutter kam zu ihr herüber und nahm sie in den Arm. "Wenn man einmal anfängt, die Vorurteile seiner Familie in Frage zu stellen, dann kommt man irgendwann an einen Punkt, wo man alles hinterfragt, was einem von ihnen jemals beigebracht wurde."
Rain schloss sie ebenfalls in die Arme und sie spürte, dass eine Anspannung von ihr abfiel, von der sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie da war. Es war wunderbar, zu wissen, dass es jemanden gab, auf den sie sich zu hundert Prozent verlassen konnte. Und auch wenn sie sich sicher war, dass das auf ihren Vater und vermutlich auch ihre Mutter ebenfalls zutraf, erleichterte es sie, dass ihre Großmutter sie liebte, egal was in nächster Zeit passieren würde.
Als sie abends in ihrem Bett lag und das Gespräch Revue passieren ließ, kam sie zu mehreren Schlüssen: Sie wusste immer noch nicht, ob sie Natasha auf diese Art mochte. Aber sie wusste, dass sie nach den Ferien mit ihr reden würde. Und sie hoffte, dass Natasha ihr Zeit geben würde, sodass sie das alles auf sich wirken lassen konnte.
Sie war sich nicht sicher, es war bei weitem nicht genug, um eine endgültige Entscheidung zu treffen, aber sie stellte fest, dass ihr die Vorstellung gefiel, sich in Natasha zu verlieben. Auch wenn das jetzt noch nicht der Fall war.
So, das war jetzt ja mal einiges an Info. Wie findet ihr Narzissas Tipps? Meint ihr, das war ein guter Rat oder geht das eher nach hinten los?
Findet ihr Narzissas Umgang mit dem Thema unrealistisch oder passt es zu ihr? Und werden Draco und Hermine ebenso positiv reagieren, wenn sie es irgendwann erfahren? Was denn erfahren - noch ist ja noch gar nichts passiert, was Rain ihnen gestehen müsste.
Nächstes Mal gibt es ein Kapitel, das von Hermines und Dracos Tag erzählt - wie das wohl ausgeht?
Und dann springen wir mal schnell knapp 3000km nach Nordosten - kommt ihr mit?
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