Licht und Dunkelheit 4
Völlig übermüdet komme ich zuhause an und füttere meine Ratten Bianca, Bernhard und Remy. Dean hat sie immer gehaßt und einen großen Bogen um sie gemacht. Einmal hatte ich Dean mit Absicht nicht gesagt, dass Remy unter meinem Pulli saß, und als Dean darunter griff und das schlafende Fellbündel berührt hatte, war er komplett ausgetickt. Was hatte ich nur an Dean gefunden? Ja, er war immer zuverlässig. Aber irgendwie war das auch das Einzige. Oft hatte ich Überstunden gemacht, wollte nicht heim gehen, weil ich keinen Bock auf seine Anwesenheit hatte. Das Telefon klingelt. Ach, Mann!
„Hey, Darling. Wieso antwortest du nicht auf meine Nachrichten?" fragt Mason. „Ich wollte dich vorhin im Gericht schon fragen, ob du dein Handy nicht dabei hast, weil ich den ganzen Morgen versucht hatte, dich zu erreichen..."
Mein Handy! Ich habe es nicht mehr gesehen, seit ich aus dem Junkie- Haus geflohen bin. Mein Herz rast.
„Mason...Ich muss es wohl im Haus verloren haben. Ich hole mir morgen gleich ein Neues, schicke dir dann sofort die Nummer."
„Was? Das war ein iPhone 6, du kannst es doch nicht einfach da lassen!" kreischt sie.
„Das haben sich bestimmt schon ein paar Junkies unter den Nagel gerissen..." murmele ich.
Ich gehe garantiert nicht in dieses Haus zurück! Der Anblick von Bens Leiche war schlimm genug! Und doch, zieht mich irgendwas dahin...Mason flötet:
„Honey, komm schon, lass uns nachsehen. Wäre schön, ein paar alte Freunde zu treffen..."
Ich kichere.
„Sagtest du nicht mal, unter Junkies gäbe es keine Freundschaften?"
„Ja, genau. Aber es gibt noch den einen oder anderen, der mir was schuldet!" lacht sie. „Gut, ich hole dich in einer halben Stunde ab."
„Mason...es wird bald dunkel...ich weiß nicht..."
„Ich habe Dads Knarre dabei. Mit der er mich erschiessen wollte." lacht sie. „Du häßliche, abartige Missgeburt!" äfft sie ihn nach.
Dabei fand sie es damals nicht wirklich witzig und hat sich mit Drogen vollgepumpt! Ich seufze:
„Schön, dass du jetzt drüber lachen kannst. Dein Dad ist ein echter Mistkerl! Okay, dann bis gleich..."
Sie wird sowieso nicht locker lassen. Ich hätte sie vor zwei Tagen schon mitnehmen sollen, als ich Ben gesucht hatte. Denn sie ist ne echte Powerfrau und überragt mich mit fast zwanzig Zentimetern! Sodass sie nicht nur meine Assistentin ist, sondern wohl auch mein Bodyguard.
Beim Anblick des alten Gebäudes fängt mein Herz an zu rasen und mir bleibt die Luft weg. Ich bleibe stehen und Mason, die hinter mir her trippelt, rennt in mich hinein.
„Honey, was ist? Da drinnen beisst doch niemand. Und falls es jemand versuchen sollte, kriegt er es mit Sandor zu tun." sagt sie.
Ich schaue auf ihren schwarzen Riesenköter. Er ist nicht hübsch, aber macht enorm Eindruck! Benannt nach Sandor Clegane, dem „Mountain" aus Game of Thrones, unserer absoluten Lieblingsserie. Sandor knurrt das Haus an.
„Baby, was hast du?" fragt Mason verwundert.
„Lass uns lieber wieder gehen. Wir kommen morgen im Hellen zurück." bitte ich meine Freundin und will mich abwenden.
Sie hält mich am Arm fest.
„Nein, wir sind jetzt hier und ich will, dass du später mit deinem Handy nach Hause fährst. So ein Ding überlässt man nicht einfach irgendwelchen Junkies."
Sie zieht mich und ihren Hund hinter sich her. Sandor gibt Gas und überholt, steht vor der Tür und kläfft.
„Er riecht Menschenfleisch!" kichere ich und Mason stimmt mit ein.
Ich mache Witze, obwohl mir der Arsch gerade auf Grundeis geht. Aber das war schon immer meine Strategie, mit angsteinflößenden Situationen umzugehen. Im Haus dröhnt von irgendwo her Musik, aber das ist nicht das, was Sandor interessiert. Er läuft direkt zur Kellertür. Ich schlucke. Nein, ich kann da nicht runter! Doch Mason folgt zielstrebig ihrem Hund und öffnet die Tür für ihn. Er fiept. Ja, die Treppe ist steil und hart, ich habe es selbst erlebt!
„Hey, was macht ihr denn hier?" lallt hinter uns jemand.
Wir drehen uns um, Sandor knurrt. Der rastagelockte Jamaikaner Julien, ein stadtbekannter Dealer, grinst uns breit an.
„Yo, Mason! Long time no see! Und du hast deine Chefin mitgebracht... sorry wegen dem Arm, sieht nasty aus." begrüßt er uns und zwinkert mir zu.
Ich nicke nur, Mason grinst zurück.
„Hi, Ju. Wie geht es dir?" fragt sie.
„Echt fett, Man. Wir feiern oben ne kleine Party, wollt ihr dazu kommen?"
„Nein, danke. Wir suchen hier etwas. Habt ihr zufällig ein Mobiltelefon gefunden?"
„Was für eines?"
„Ja oder nein?"
Er stöhnt.
„Nein. Aber da unten würd ich nicht hingehn, Babe. Da isses mega- creepy ! Der gute Ben ist da vor sich hin gerottet. Tja, die Besten erwischt es zuerst, wa?"
„Ja, schade um ihn. Wir gehen trotzdem. Mach's gut, Ju, bleib sauber."
Mason nimmt mich an die Hand und steigt mit mir die Treppen hinunter, Sandor folgt langsam. Mit Hund und Freundin fühle ich mich etwas sicherer. Obwohl mir doch nichts passieren kann, oder? Mir fällt ein, dass ich gelesen habe, wie man Geister wieder los wird- indem man sie wegschickt und verleugnet. Also, sollte tatsächlich einer auftauchen, werde ich genau das tun! Wir suchen die Gänge ab, endlich habe ich meinen „Folterkeller" gefunden. Sofort kommen die Bilder wieder und ich atme tief durch. Vor dem Raum hängt ein Polizeiband. Natürlich! Wenn mein Telefon hier wäre, hätte Ryan es längst gefunden! Der Leichengestank ist tatsächlich widerlich. Komisch, dass ich ihn damals nicht gerochen habe... Plötzlich knurrt Sandor wieder und schaut in eine dunkle Abseite. Ich zucke zusammen. Mason lacht.
„Was ist, hast du Angst vor Geistern?"
Ich starre sie entsetzt an. Erwischt! Sandor macht ein paar Schritte in die Dunkelheit hinein, ich zittere am ganzen Körper. Dann jault er leise. Todesmutig leuchtet Mason die Ecke aus.
Ich sehe einen Sicherungskasten. Na, sehr gruselig! Ein paar Spinnen, und das war's. Ich atme erleichtert auf. Dann fällt mir auf, das der Kasten ein wenig offen steht. Ich gehe hin und öffne ihn ganz. Da liegt mein iPhone! Und die Gaspistole. Nun, viel Mühe haben sich die Polizisten wohl nicht gegeben. Und Ryan hatte mir versprochen, sich dieses Mal anzustrengen! Denn für Drogentote tut die Polizei immer nur das Nötigste.
„Sandor, du Wahnsinnshund, du hast das iPhone gefunden!" quietscht meine Freundin und umarmt ihn. Dabei falle ich aus dem Lichtkegel und stehe plötzlich im Dunkeln. Mein Herz bleibt fast stehen, schnell greife ich nach meinen Sachen und will ins Licht, da spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich schreie auf und Mason leuchtet wieder zu mir.
„Was ist?" fragt sie.
Ich drehe mich um. Nichts, nur die kahle Wand.
„Ach, ich...hab nur einen Schatten gesehen. Lass uns bitte schnell verschwinden, ja?" keuche ich.
Mason nickt und wartet, bis ich bei ihr bin. Sie steckt meine Sachen in ihre Handtasche und nimmt meine Hand.
„Hey...was ist nur los mit dir? Sonst bist du doch auch nicht so schreckhaft..." flüstert sie sanft.
Ich zittere am ganzen Körper.
„M...mir ist kalt. B...bin noch groggy von gestern..." stottere ich und Mason legt ihren Arm um mich.
„Na komm, ich bring dich nach Hause. Oder wollen wir noch mal in die Empire Bar?"
„Bloss nicht!" lächle ich.
An der Treppe drehe ich mich instinktiv noch einmal um. Ich kneife die Augen zusammen, denn mir war, als hätte ich eine Gestalt am Ende des Ganges gesehen. Sie trug eine Lederjacke.
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