Licht und Dunkelheit 10
„Alice, was machst du hier?" fragt Ryan genervt. „Ständig tauchst du an Orten auf, wo du nicht hingehörst!"
Ich habe die Handschellen hinter meinem Rücken versteckt. Plötzlich spüre ich einen kühlen Luftzug im Nacken und ich bekomme eine Gänsehaut. Kalte Finger berühren mich und Ben nimmt mir sanft die Handschellen aus der Hand. Ryan guckt mich immer noch fragend an und ich räuspere mich.
„Ich arbeite hier! Ich wollte einen Klienten treffen, er ist leider nicht aufgekreuzt."
„Mitten in der Nacht?" fragt er und McCollough grinst immer noch.
Natürlich wandert sein Blick mal wieder zu meinen üppigen Vorbau. Ich könnte ihm echt eine reinhauen!
„Ja, ich arbeite auch zu später Stunde." antworte ich und spüre, dass der kühle Hauch in meinem Nacken verschwindet.
Plötzlich blickt sich McCollough irritiert um. Dann sehe ich, wie sein rechter Hosenträger hochschnellt und ihn im Gesicht trifft. Ich schmunzele und blicke zu Boden. Ich dachte, du kannst nur mit mir interagieren? denke ich.
„Au, verdammt. Lass uns gehen, Ryan. Das war mal wieder Fehlalarm." mault McCollough und dreht sich um. „Verdammte Junkies!"
Zack, der linke Träger trifft ihn ebenfalls! Ich pruste los und McCollough flucht. Plötzlich ist Ben wieder hinter mir. Ich schließe die Augen.
„Alles Übungssache! Hatte ja genug Zeit." höre ich.
Seine Stimme ist nicht hörbar, aber auch nicht in meinem Kopf. Ziemlich schräg!
„Du bist eben ein Ghost Whisperer." raunt Ben und ich lächle.
„Alice, komm jetzt! Das ist kein Ort für hübsche Frauen und schon gar nicht um diese Uhrzeit. Denk daran, was dir hier beim letzten Mal passiert ist!" knurrt Ryan.
„Ich bin die Treppe runtergefallen. No big deal." entgegne ich und zucke mit den Schultern.
„Ich spreche nicht von dem Unfall, sondern von deinem misslungenem Date mit dem toten Junkie."
Was? Er weiß es? Dean, dieses Arschloch! Warum druckt er es nicht gleich im St. Louis Tribune?
„Ich mach ihn fertig!" zischt Ben hinter mir.
Ruhig, Ben. Wir kriegen das hin.
„Ach, das!" sage ich lapidar und winke ab. „Hast du das wirklich ernst genommen? Ich war einfach völlig übermüdet und habe Quatsch geredet. Weißt du noch, als du gedacht hast, du wärst einem Ausserirdischem auf der Spur, der ständig sein Aussehen wechseln würde? Er hätte sich vor deinen Augen in einen nackten Christian Bale verwandelt. Ich hatte dir damals gesagt, du solltest mal kürzer treten."
Ryan wird rot. Ich weiß, er stand damals auf Bale.
„Er ist n Homo?" höre ich.
Bi. Und er war ziemlich angetan von deinem besten Stück.
„Ich kill ihn..."
Ben, calm down. Freu dich doch, das jemand dich sogar noch sexy findet, wenn du halb verwest in der Leichenhalle liegst.
Ryan brummt irgendwas und verabschiedet sich. Er zieht McCollough hinter sich her. Nun, McCollough weiss nix von Ryans Neigung und das wird Ryan jetzt super peinlich sein! Eins zu Null für die Emotante, yes! Und ich werde mir morgen gleich mal Dean vorknöpfen. Ich weiß schon, wie das gelaufen ist...er hat sich bei seinem besten Freund über unsere Trennung ausgeheult und schön alles verraten!
„Ich dachte, ihr wolltet heiraten?"
Der hübsche Kerl steht wieder hinter mir. Ich meine, er stand die ganze Zeit da, aber jetzt spüre ich seinen Körper. Er strahlt immer noch Kälte aus. Ich drehe mich um. Seine dunklen Augen schauen mich hoffnungsvoll an. Wie, bitte? Er ist ein Geist, nein, ein NoGo!
„Na und? Ich kann dir alles geben, was du brauchst. Äh, außer Dates, natürlich." lächelt er süß.
„Du hast mir schon viel zu viel gegeben, vielen Dank!" brumme ich. „Und ehrlich...Hallo, das ist Ben, mein Verlobter. Was, sie sehen ihn nicht? Nun, er ist bei Fremden etwas schüchtern. Aber im Bett legt er los, er steht total auf Gewalt und Erniedrigung." schließe ich zynisch.
Ben verzieht sein Gesicht. Oh. Ich greife nach dem Salbei in meiner Tasche.
„Du bist echt gemein." knurrt er.
„Ach, und was warst du?" brülle ich.
Oh, je. Was ist nur los mit mir? Ich bin plötzlich wahnsinnig wütend geworden. Aber ehrlich, wie kann er nur denken, dass...Ben schliesst die Augen. Dann verschwindet er.
„Ja, mach dich nur aus dem Staub! Ich soll dir vergeben? Dann musst du mich auch aushalten können!" rufe ich.
„Ich bin nicht weg." höre ich aus einer dunklen Ecke. „Dein Gebrüll tut nur weh. Und macht bestimmt gleich die anderen aufmerksam."
Hm. Da hat er mal recht. Ich atme tief durch.
„Ich fahre heim, bin müde und kann kaum noch klar denken. Sorry."
„Es tut mir alles wahnsinnig leid. Ich wünschte, ich könnte zurück und alles anders machen." murmelt er.
„Ich auch...aber wie gesagt, vorbei ist vorbei. Ich komme morgen um die Mittagszeit wieder, okay? Dann bin ich vielleicht besser drauf."
„Bis morgen." sagt er leise.
Plötzlich fällt mir ein, dass seine Mutter ihn bestimmt immer so angebrüllt hat und ich ihn wahrscheinlich gerade super getriggert habe. Mist! Ich gehe langsam auf ihn zu und hocke mich vor ihn. Er schaut immer noch auf seine Knie und sagt:
„Nein, hast du nicht. Du bist nicht meine Mutter. Du bist keine gierige Schlampe. Du darfst mich anschreien, nach dem, was ich mit dir gemacht habe." murmelt er.
„Nein, darf ich nicht. Das ist wahrscheinlich das, was Esmeralda gemeint hat..." überlege ich.
Ich denke kurz an das Telefonat und er nickt.
„Halt dich lieber von mir fern."
Ich schüttele den Kopf.
„Nein, Ben. Nur weil du tot bist, heisst das für mich nicht, dass du nicht mehr mein Klient bist. Jetzt mehr denn je."
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