Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

6 - Grauer Tag

Berge konnten ein Gefühl von Weite vermitteln, majestätisch hoch, unerreichbar. Sie konnten im Gegenzug auch einengen, immer dann, wenn die Wolken an ihnen hängenblieben und sich daran stauten. Es war ein trüber Tag im Emmental, aber zumindest blieb es trocken.

Patrizia und Ueli fuhren noch einmal zu den Bauern, zum Käser diesmal. Sie hatten erfahren, dass Zwygart auch in der Alpkäserei öfters gesehen worden war. Nun wollten sie hören, was man dort vom Grünen Politiker gehalten hatte. Patrizia lenkte den Wagen gekonnt über den schmalen Weg, der zu seiner Käserei führte, die weit hinten im Tal lag.

"Wann hast du mit Autofahren begonnen?", erkundigte sich Ueli bei ihr.

"Mit etwa vierzehn, wie alle hier. Zuerst Traktor, dann Jeep, Einachser, Schilter, Lastwagen - alles, was man auf dem Bauernhof so fahren kann. Wieso meinst du?"

"Du bist eine sehr sichere Fahrerin und hast keinerlei Probleme mit den engen Strassen."

"Danke. Ich nehme das als Kompliment. In Amerika habe ich das Autofahren lieben gelernt. Warst du mal da?"

"Nein. Weiter als bis Holland habe ich es bisher nicht geschafft."

"Das klingt traurig. Wieso nicht? Reist du nicht gerne?"

"Doch, früher schon, aber nachdem ich wieder allein war, zog es mich nicht mehr weg. Zudem hatte ich zu viel Arbeit."

"Typische Männer-Ausrede! Keine Zeit fürs Leben, weil die Arbeit vorgeht. Apropos Leben: Ich habe beschlossen, mit der jungen Kollegin von der Repol, Rebecca, eine Kajak-Tour durch das Räbloch zu wagen."

"Du wirst dir deinen schönen Hals brechen."

"Das könnte ich dir als Belästigung auslegen, aber danke für das 'schön'. Nein, das ist nicht gefährlich. Die Crew, die unsere Leiche gefunden hat, wird uns führen. Rebecca hat das eingefädelt. Ich glaube, der eine Guide gefällt ihr." Patrizia schmunzelte. "Da sind wir ja!"

Sie parkte den Wagen vor der Käserei. Es war ein frisch renoviertes Gebäude, einzelne Baumaschinen standen noch vor Ort. Der Vorplatz war noch nicht befestigt, es roch nach Baustelle, frischem Holz und feuchtem Zement. Suter stand draussen und betrachtete das Haus.

"Da ist er wieder, unser Architektur-Fan. Wie findest du es?"

"Sehr gelungen. Eine sanfte Mischung aus altem Wirtschaftsgebäude, Emmentaler Wohnhaus und modernster Käserei. Mir gefallen die grossen Fenster und die klaren Linien."

"Es ist ein Haus. Genug geschwärmt. Lass uns an die Arbeit gehen." Patrizia klingelte an der Haustür, kurz danach wurde diese geöffnet. Vor ihnen stand ein sehr grosser Mann, muskelbepackt, ein Schwinger, ging es Patrizia durch den Kopf.

"Ja, bitte? Was kann ich für euch tun?" Seine tiefe Stimme war erstaunlich sanft.

"Grüessech, ich bin Patrizia Stettler von der Kantonspolizei und das ist mein Partner, Kommissar Ueli Suter. Wir hätten einige Fragen zu Reto Zwygart. Hätten Sie kurz Zeit?"

"Aber natürlich. Ich bin Toni, der Locher Toni, der Käser hier. Kommt herein."

Die Polizisten wurden in den ersten Stock ins Wohnzimmer geführt. Vom grossen Tisch aus hatte man einen herrlichen Ausblick auf die Schrattenfluh und das enge Tal. Patrizia trat ans Panoramafenster. "Sie haben eine schöne Aussicht hier, wow!"

"Wir hatten Glück. Das Haus stand schon so. Wir mussten nur diese Wand öffnen und ein Fenster einbauen. Uns gefällt es auch."

"Sie wohnen mit Ihrer Frau hier?"

"Und den drei Töchtern, ja." Toni rief nach seiner Frau. "Setzt euch doch an den Tisch."

Ueli und Patrizia setzten sich. Durch eine Türe trat eine hübsche Frau mit südländischem Teint herein. "Hallo, ich bin Laura, Tonis Frau."

Wie immer in dieser Gegend ging es nicht lange und man sprach sich mit Du an. Laura tischte Tee und Gebäck auf. Dann setzte sie sich dazu.

"Wir würden gerne von euch hören, was ihr über Zwygart, den getöteten Politiker dachtet. Wir versuchen uns momentan ein Bild davon zu machen, was zu diesem brutalen Mord geführt haben könnte. Man sagte uns, er sei auch einige Male bei euch gewesen. Ist das richtig?" Ueli blickte beide an, Toni gab ihm eine Antwort.

"Ja, das stimmt. Zwygart arbeitete bei einer Solarfirma. Er hat uns beim Umbau beraten und dabei geholfen, eine möglichst effiziente Anlage zu planen. Er war sehr kompetent auf diesem Gebiet."

"Hatte er Feinde in der Gegend?"

Ein kleines Mädchen kam herein. Sie setzte sich mit zwei Büchern und Malstiften an einen niedrigen Tisch beim Sofa. Patrizia beobachtete sie.

"Das ist unsere Jüngste, Sophia. Sag hallo zu unseren Gästen." Das Mädchen winkte ihnen zu, widmete sich danach wieder ihren Malstiften.

"Feinde, fragst du. Ja, die hatte er. Er war gegen die Haltung fremder Rinder. Aber das wisst ihr sicher bereits. Auch mir wollte er vorschreiben, welche Milch ich verarbeiten darf und welche nicht. Dabei ist der Büffel-Mozzarella, den wir herstellen, ein richtiger Verkaufsschlager."

Patrizia erkannte, dass die Befragung wohl zu nichts führen wird. Sie setzte sich zu Sophia und half ihr beim Malen. Dabei warf sie einen Blick in das Buch. "Wer ist denn das? Der hat ja noch gar kein Gesicht. Soll ich eines zeichnen?"

"Nein. Das ist der Mann ohne Gesicht. Der sieht wirklich so aus."

"Was erzählst du denn da, Sophia? Menschen ohne Gesicht gibt es nicht", warf Laura vom Tisch aus ein.

"Doch, Mamma, wir haben ihn gesehen. Ich finde ihn gruselig."

Patrizia wurde sehr aufmerksam. "Wo hast du ihn denn gesehen? Ich möchte ihn auch einmal sehen."

"Vorne, beim Schulhaus und beim Bus."

Plötzlich wurden die Männer am Tisch etwas lauter. "Das war bloss Glück. Der Schiri stand auf deren Seite!"

"Eishockey! Bern hat gestern gegen Langnau verloren und Paps kann es nicht fassen", sagte eine grosse, schlanke Teenagerin, welche von der Küche aus zugehört hatte.

"Du verstehst nichts von Hockey, Lea. Der SCB ist der beste Club, den es hier gibt." Rügte sie ihr Vater. Weil Suter gleichzeitig mit den Augen rollte, musste das Mädchen lachen. Sie nickte dem Polizisten zu.

"Für mich klingt das nicht nach Gründen für einen Mord, um auf Zwygart zurückzukommen. Waren noch andere sauer auf ihn?"

"Ich werde niemanden anschwärzen, nur damit das klar ist. Fredi Bieri ist sicher zu konservativ. Der produziert alles einheimisch und biologisch. Aber vielleicht Köbi Bucher. Der hat mit seinem Internet sehr viel Geld gemacht und wollte hier eine G5-Antenne bauen lassen. Da war Zwygart dagegen."

Als der Name Bucher fiel, kicherte die kleine Sophia. Patrizia blickte sie fragend an. Sie rückte näher und flüsterte ihr ins Ohr: "Lea findet den Köbi hübsch."

Patrizia lächelte, stand auf und ging wieder zum Tisch. "Aber auch diese Antennengeschichte reicht nicht für einen Mord aus, denke ich."

Lea stopfte sich etwas Joghurt in den Mund, was ihre Aussage undeutlich werden liess: "Wenn ihr mich fragt, dann steckt eine Frau dahinter. In den Filmen geht es auch immer um eine Frau, wenn zwei Männer sich den Schädel einhauen."

"Lea! Also wirklich!"

"Ist doch wahr, Mamma. Ich muss ins Training. Bis heute Abend! Hat mich gefreut, Patrizia! Sälü!" Sie verschwand durch die Haustüre, bestieg ihr Bike und radelte davon.

"So ganz unrecht hat sie ja nicht, unsere Älteste", bestätigte Toni danach. "Man munkelt, der Zwygart hätte was mit Klara Gruber gehabt. Es werden auch noch andere Namen genannt. Die Lehrerin, zum Beispiel."

"Und Lea?", fragte Ueli vorsichtig. Damit stach er in ein Wespennest.

Der Käser wurde sehr laut. "Dem hätte ich die Leviten gelesen, wenn der sich an meine Tochter herangemacht hätte. Ich hätte ihn in der Luft zerrissen! Das fehlte noch. Sie ist siebzehn."

"Sie ist hübsch und Zwygart war ein Mann. Wir werden uns auf jeden Fall auch in dieser Richtung weitere Informationen holen. Danke Toni, für den Hinweis." Patrizia musste die Haut ihres Partners retten, was er ihr mit seinem dankbaren Blick bestätigte.

"Danke für den Tee. Wenn euch noch etwas in den Sinn kommt, dann wisst ihr ja, wir unser Büro haben."

Laura begleitete sie nach unten. "Ihr dürft das Toni nicht übelnehmen. Lea ist ihm heilig; er ist unglaublich stolz auf sie."

"Das ist in Ordnung, Laura. Ich würde wohl gleich empfinden, wenn ich drei so hübsche Töchter hätte. Ich bin sicher, er hat es nicht böse gemeint. Das war mehr so daher gesagt." Ueli lächelte sie an, dann folgte er Patrizia zum Auto.

Als sie an den wenigen Bauernhöfen vorbeifuhren, sahen sie Leas Fahrrad an einem Gartentor lehnen. "Sieh an, das Training kann wohl doch noch etwas warten", schmunzelte Patrizia, hielt den Wagen jedoch nicht an.

"Was jetzt, Chef? Ich habe nicht den Eindruck, dass die Befragungen uns weitergebracht haben."

"Leider ja. Brugger erwartet Ergebnisse, die wir ihm nicht liefern können. Was denkst du von dieser Geschichte mit dem gesichtslosen Mann?"

"Das könnte ein Hinweis sein, oder es handelt sich um einen Typen anderer Gefährlichkeit, der gerne Kinder beobachtet."

"Das wäre ein Fall für die Sitte. Wir sollten die Kollegen informieren und diesem Hinweis gemeinsam nachgehen. Das kann ich tun. Könntest du dich unterdessen mit der Lehrerin unterhalten?"

"Aber sicher. Soll ich dich zuerst ins Büro fahren?"

"Nein, ich nehme das Postauto. Das hilft mir manchmal beim Denken. Du kannst mich an der Haltestelle in Bumbach absetzen."

Nachdem Suter ausgestiegen war, fuhr Patrizia zum Schulgebäude. Sie parkte vor der neuen Turnhalle, stieg aus und betrachtete den Bau aus Holz und Glas; als sie sich selbst dabei ertappte, wie sie das Gebäude musterte, musste sie schmunzeln, schüttelte den Kopf und trat in das daneben liegende Schulhaus.

Das Schulzimmer von Denise Kalberer lag hinten links in der Ecke. Das helle Zimmer hatte grosse Fenster und bot einen unbezahlbaren Ausblick auf den Hohgant, den Schangnauer Hausberg. Die Lehrerin hatte ihr kastanienbraunes Haar mit den blonden Mashes zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie sass am Schreibtisch und korrigierte Hefte. Patrizia klopfte vorsichtig an den Türrahmen.

"Oh, hallo. Ich habe Sie gar nicht hereinkommen hören. Ich bin Frau Kalberer. Sind Sie eine Mutter eines neuen Schülers?"

Patrizia lachte. "Nein, nicht dass ich wüsste. - Ich bin von der Kantonspolizei. Wir untersuchen den Mord am Politiker und es könnte sein, dass Sie mir helfen können."

"Polizei? Das ist hier selten. Ich bin Denise, hallo."

"Patrizia. Freut mich."

"Setz dich doch. Aber Achtung, die Stühle sind klein." Patrizia setzte sich auf einen niedrigen Schülerstuhl. Als sie zu Denise aufschauen musste, erinnerte sie sich an ihre eigene Schulzeit. "Hier könnte ich nicht lernen. Ich müsste immer den Berg ansehen. Das ist unbezahlbar."

"Da wärst du nicht die Einzige", lachte Denise, "einige Jungs tun genau das. Also, wie kann ich dir helfen?"

"Wir haben gehört, dass einige Schülerinnen hier einen Mann ohne Gesicht gesehen haben wollen. Weisst du etwas darüber?"

"Ihr habt mit Sophia Locher geredet. Ja, mir hat sie das auch gesagt. Tatsächlich reden einige Mädchen und auch Jungs davon, den Mann gesehen zu haben. Wir haben die Pausenaufsicht verdoppelt, damit immer jemand die Umgebung beobachten kann. Warum denkst du, er könnte mit dem brutalen Mord zu tun haben?"

"Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Wir gehen momentan jeder Spur nach. Es will einfach nichts ins Bild passen."

"Wenn ihr bei den Lochers wart, dann hat euch der Toni sicher erzählt, Zwygart hätte eventuell mit mir Kontakt gehabt."

Patrizia mochte die wache und clevere Lehrerin. Ihr konnte man nichts vormachen. Sie war im Denken schneller als die meisten Menschen, die Patrizia kannte. "Ja, dein Name ist gefallen."

"Sonst wärst du kaum hier, schon klar. Was möchtest du wissen?"

"Was willst oder kannst du mir sagen? Muss ich mir Sorgen machen, dich mitnehmen zu müssen?"

Denise stand auf und ging zum Fenster, Patrizia stellte sich neben sie.

"Nein, das musst du nicht. Zwygart war hier, mehrmals. Anfänglich hat er uns beim Neubau der Turnhalle beraten, wegen der Solaranlage. Dort haben wir uns kennengelernt. Ich mochte ihn und ich glaube, er mich auch."

Es entstand eine Pause. Die zwei Frauen betrachteten schweigend den noch schneelosen Berg. "In wenigen Wochen wird er weiss sein", sinnierte Denise plötzlich.

"Kannst du mir mehr über Reto sagen?"

"Du kanntest ihn auch?" Denise drehte ihren Kopf und blickte Patrizia an. Ihre Augen waren feucht.

"Ja. Wir kannten uns von der Schule. Nimm es mir nicht übel, aber du scheinst deutlich jünger zu sein."

"Warum haben wir Schweizer bloss solche Probleme damit, wenn man mehr als drei Jahre auseinander ist? Ja, ich bin siebenundzwanzig, acht Jahre jünger und trotzdem schon erwachsen."

"Es sollte kein Vorwurf sein, entschuldige. Toni hat uns gesagt, Zwygart sei eventuell an jüngeren Mädchen interessiert gewesen."

"Typisch für den Käser. Wenn einer seine heiligen Töchter, allen voran Lea, bloss anschaut, dreht er durch. Nein, Reto stand nicht auf Junggemüse, wie er die Mädchen nannte. Er war bestimmt kein Kind der Traurigkeit, bei Gott nicht, aber in dieser Richtung war er sauber."

"Kennst du alle Locher-Mädchen?"

"Ja. Lea ist die Sportliche. Sie spielt Volleyball und kann auch alles andere. Sie ist der Wirbelwind. Der gute Toni wird noch einiges zu verdauen haben mit ihr - und ich finde das gut. Die Mittlere, Clarissa, spielt in einer Ländlerkapelle. Sie ist die Musikalische, steht eigentlich auf Blues und traut sich kaum, das ihren Eltern zu sagen. Die kleine Sophia zeichnet gern und kann unglaublich gute Geschichten schreiben. Sie kommt am stärksten nach ihrer Mutter."

"Das heisst, sie hat eine blühende Fantasie?"

"Bestimmt. Laura Rizzo hat früher in Italien Bücher geschrieben, bevor sie hier im Emmental landete und Toni Locher heiratete. Aber bevor du fragst: Wenn Sophia sagt, sie habe diesen Mann gesehen, dann solltet ihr dem Hinweis nachgehen. Wir wären euch dankbar, denn auch wir machen uns Sorgen."

"Ich verspreche dir, dass wir das tun werden. Hoffen wir, dass der Kerl bloss verrückt ist. Wir bleiben in Kontakt. Ich danke dir für deine Offenheit."

"Was soll's. Der Mann, der mir gefallen hätte, ist umgebracht worden. Hier, im heilen Emmental. In welcher Welt leben wir bloss?"

Patrizia verabschiedete sich von der Lehrerin. Mit sich nahm sie die Traurigkeit, die sie beim Gespräch gespürt hatte, nach draussen. Sie blieb einige Minuten im Wagen sitzen, bevor sie den Motor startete und zurücksetzte. Erst im letzten Moment bemerkte sie den grossen schwarzen Wagen, der zu schnell hinter ihr durchrauschte. "Schnäbiprotz!", fluchte sie auf die Bremste tretend, tadelte sich aber gleichzeitig dafür, gedanklich abwesend gewesen zu sein. Adrenalingesättigt trat sie anschliessend die Fahrt ins Büro an.

***

Im Postauto hatte es nur wenige Leute. Suter wusste, dass er in Schangnau umsteigen musste. Sein Bus fuhr nicht nach Eggiwil, sondern nach Entlebuch, in die entgegengesetzte Richtung. Beim Restaurant Löwen wartete er auf den anderen Bus, der vom Hügel herunter bereits zu hören war. Das typische Dreiklanghorn vermittelte ihm ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit.

Was hatte seine heile Welt bloss angestellt, dass ausgerechnet hier ein solch brutaler Mord geschehen konnte? Suter setzte sich weit vorne hin, damit er besser hinausblicken konnte. Kurz nach Abfahrt fuhren sie über die neue Emmenbrücke, die gleich neben der alten Holzbrücke errichtet worden war. Im Hintergrund konnte man den Anfang der Räbloch-Schlucht erkennen. Danach schlängelte sich die Strasse auf die ehemalige Moräne, einige hundert Meter hoch. Suter konnte die Schlucht als mäandrierende Waldschlange erkennen, die sich durch die Weiden wand.

Er stellte sich die Situation an jenem Abend im Gewitter vor. Da rannten zwei Männer durch das kniehohe Gras, rutschten aus, rappelten sich wieder hoch. Einer holte den anderen ein und schlug ihn tot, wahrscheinlich mit einem Ast, den er wohl absichtlich dazu mitgeschleppt hatte, denn am Tatort lagen keine Äste herum.

Mit dem Ast in der Hand konnte der Täter jedoch unmöglich schneller gerannt sein. Suter erkannte auf einmal, dass es sich mit Sicherheit um einen einheimischen Täter handeln musste, denn nur ein solcher hätte die Abkürzung über das kleine Bächlein gekannt, auf der er sein Opfer hätte überholen können. Suter beschloss, sich den Wanderweg und den Tatort noch einmal genauer anzusehen.

Im Büro wurde er bereits von seinem Chef erwartet. "Hoi Ueli, da bist du ja. Was gibt es Neues?"

"Nicht viel, leider. Wir verfolgen momentan zwei Spuren. Die eine führt uns zu einem verdächtigen Mann, der offensichtlich mit einer Gesichtsmaske rumläuft, in der Nähe des Bumbacher Schulhauses. Die Kinder haben Angst. Patrizia ist dort und spricht mit der Lehrerin. Dann haben wir auch Hinweise, dass Zwygart offenbar ein Frauenheld war und sich gleich mit mehreren Frauen in Bumbach angefreundet hatte. Das wäre für die Männer bestimmt ein Grund, den Typen gehasst zu haben."

"Das ist tatsächlich nicht viel. Ich hätte mir mehr erhofft. Die Presse und das Bundeshaus verlangen nach schnellen Ergebnissen."

"Du weisst, wie das läuft. Die Mörder melden sich selten freiwillig, damit die Presse und die Politiker zufrieden sind. Wir tun, was wir können, Rolf."

"Das glaube ich dir ja. Bleibe an den Frauengeschichten dran, ich kümmere mich um den Kerl, den wir wohl der Sitte melden sollten."

"Danke. Sobald Patrizia zurück ist, kommen wir in dein Büro, in Ordnung?"

"Das passt, macht das."

Suter setzte sich an den Computer und recherchierte über Reto Zwygart; er suchte die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen, die sie vielleicht bisher übersehen hatten.

***

Das Lachen war hämisch. "Ha! Beinah hätte es die Polizisten-Schlampe erwischt. Was fährt sie auch wie ein Huhn auf die Strasse, die dämliche Ziege! Hübsches Köpfchen und wenig drin. Typisch Bullen."

Der schwarze Wagen raste über den Waldweg auf den Hügel, wo er ordentlich unter die mächtige Tanne geparkt wurde, damit man ihn vom Tal nicht erkennen konnte.

Massige Bergschuhe aus festem Leder stapften durch das Gras. Beim kleinen Plateau unter der etwas niedrigeren Tanne landete die Tasche beim Wurzelstock des Baumes. Der Feldstecher, die Flasche mit dem warmen Tee und ein Paar Handschuhe fanden Platz auf der Schaumstoffmatte, die vor Nässe und Kälte schützte und sorgfältig ausgerollt wurde.

Danach begann ein weiterer Beobachtungsabend, hoch über den Höfen und doch erst am Fuss des mächtigen Berges, der die Bauern beschützen sollte.

"Worauf wartest du, meine schöne Bäuerin? Komm endlich auf deinen Berg, er ruft dich. Hörst du nicht, dass ich dich rufe? Du gehörst nicht zu diesem Versager. Er ist ein Bauer. Du bist zu Höherem geboren. Der Himmel ist das Limit, erinnerst du dich? Dein Lover ist nicht mehr, nun gibt es bloss noch den Berg, dich und mich. Ich warte auf dich."

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro