Ginnys Plan
Hermine:
Nach meinem Gespräch mit Dumbledore wusste ich nicht so ganz, was ich machen sollte, also beschloss ich das zu tun, was jeder normale Mensch morgens machte: Frühstücken. Sobald ich diesen Gedanken gefasst hatte, merkte ich erst wie hungrig ich eigentlich war.
Immer noch mit gemischten Gefühlen machte ich mich auf den Weg in die Große Halle. Die vier Haustische waren schon gut besetzt, doch nach einigen unschlüssigen Schritten erspähte ich Ginnys leuchtendrote Haare. Sie hatte mir anscheinend mit ihrer Schultasche einen Platz freigehalten und als ich auf sie zuging, erwartete sie mich schon mit einem schuldbewussten Lächeln.
"Oh mein Gott, Hermine, ich muss mich entschuldigen. Das tut mir so leid... ich- hätte ich das gewusst, dann hätte ich unseren Plan auf keinen Fall laut verkündet. Du hast jedes Recht wütend auf mich zu sein, aber ich konnte ja nicht wissen wie viel Malfoy dir bedeutet. Hättest du nur mal mit mir geredet..."
Sie raufte sich die Haare und beendete ihre Entschuldigung mit einem Seufzer.
"Alles gut. Du konntest das ja nicht ahnen", beruhigte ich sie matt lächelnd.
Dankbar strahlte sie mich an und deutete auf einen Teller. "Komm, iss was. Du musst doch bestimmt Hunger haben."
Ich nahm ihre Schultasche von dem Platz und setzte mich. Wahllos tat ich mir etwas von den zahlreichen Köstlichkeiten auf den Teller, doch sobald ich das Essen vor mir sah, verging mir der Appetit. Die Leere, die der gestrige Abend in mir hinterlassen hatte, füllte mich voll und ganz aus und ließ keinen Platz mehr für Glück oder so etwas banales wie Frühstück. Eine alles ausfüllende Leere; ein paradoxer Gedanke, der doch irgendwie Sinn machte. Dracos Zurückweisung hatte ein Loch in mir hinterlassen, das so tief war, dass sich der Versuch es zu füllen gar nicht erst lohnte.
"Ich habe keinen Hunger", murmelte ich und schob den noch vollen Teller ein Stück von mir weg.
Besorgt runzelte Ginny die Stirn. "Wenn du meinst", sagte sie, doch es klang nicht überzeugt.
In diesem Moment betraten Harry und Ron die Große Halle. Ginny erblickte sie und winkte wild um ihnen zu zeigen, dass sie zu uns konmen sollten.
"Ist das okay für dich?", fragte sie mit einem besorgten Blick zu mir.
"Klar." Ich lachte leicht um ihre Sorgen zu zerstreuen, aber das Lachen fühlte sich falsch und unecht an. Es war aufgesetzt. Eine Farce um meine Freunde davon zu überzeugen, dass es mir gut ging, während ich innerlich zerbrach.
Als die beiden bei uns ankamen, schlich sich doch ein kleines Lächeln auf mein Gesicht. Es tat gut meine beiden Chaoten wieder bei mir zu haben. Glücklicherweise standen gerade Angelina Johnson und eine ihrer Freundinnen neben uns auf, sodass Harry und Ron sich setzen konnten.
"Wir haben gerade Malfoy gesehen, stimmt's Harry?", fing Ron schadenfroh an. Bei dem Namen Malfoy verkrampfte sich meine Hand auf der Tischplatte schlagartig zu einer Faust und eine eisige Hand schien nach meinem Herzen zu greifen. "Dieses miese Frettchen sah miserabel aus. Anscheinend lief sein Abend gestern richtig beschissen, na ja. Ich hoffe, ihm geht's echt schlecht." Er grinste, bis er gleichzeitig von Ginny und Harry unterm Tisch getreten wurde. "Aua, verdammt nochmal. Was soll das? Habt ihr nicht mehr alle Quaffel beisammen?! Das tat weh", beschwerte Ron sich lauthals.
Behutsam lockerte ich die Muskeln in meiner Hand wieder. Meine Fingernägel hatten halbmondförmige Spuren auf der Handinnenseite hinterlassen. Mein Herz schlug schneller als normal. Draco ging es nicht gut. War irgendetwas passiert? Oder... lag es vielleicht daran, dass es ihm doch nicht völlig gleichgültig war, was zwischen uns vorgefallen ist?
Nein, Hermine, nein! Es ist ihm egal. Vollkommen egal. Mach dir keine Hoffnungen. Klar, die Hoffnung würde dich vorerst glücklich machen und dir Flügel verleihen. Doch diese Flügel wären zu fragil um dich längere Zeit zu tragen. Irgendwann würden sie versagen; die Flügel würden brechen und du würdest fallen. Bis du hart auf dem Boden, in der Realität, ankommst. Du würdest dir alle Knochen im Leibe brechen. Nein, keine Hoffnung.
Ginny:
Ich lag im Bett und konnte nicht schlafen. Die Gedanken an und Sorgen um Hermine hielten mich wach. Seit der schicksalhaften Party waren einige Tage vergangen, doch Hermine ging es immer noch nicht besser. Sie aß kaum etwas, sprach nicht viel und geisterte oft ziellos durchs Schloss. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst, verschlossen und gebrochen. Wenn ich ihr in die Augen sah, erblickte ich eine Fremde. Der aufgeweckte, kluge Blick meiner besten Freundin war verschwunden. Es war, als hätte sie Türen hinter ihren Augen verschlossen und das Licht ausgesperrt.
Ich musste etwas ändern. So konnte es nicht weitergehen. Was für eine Freundin wäre ich, wenn ich zusah, wie es Hermine immer schlechter ging ohne zu handeln.
Der Grund für Hermines Leid war Malfoys Zurückweisung. Ich musste also dafür sorgen, dass er sich zusammen riss und sich bei ihr für das Gesagte entschuldigte. Dann würden die beiden sich glücklich in die Arme fallen und alles wäre gut. Ich seufzte resigniert. Einfacher gesagt als getan. Aber ich durfte nicht aufgeben, nur weil Hermine das schon gemacht hatte oder weil meine Aufgabe unmöglich war.
Nein, nicht unmöglich. Ein Bild schlich sich vor mein inneres Auge. Die Party. Hermine und Malfoy tanzen miteinander. Ihre Lippen nur Zentimeter voneinander entfernt. Ein Ausdruck puren Glücks auf den Gesichtern der beiden. Glück, wenn nicht sogar...
"...Liebe", flüsterte ich. Wenn Malfoy Hermine wirklich liebte, dann war meine Aufgabe gar nicht so unmöglich. Mit dieser Annahme machte alles Sinn. Malfoy hatte sich in Hermine verliebt. Der Slytherinprinz und die Gryffindorprinzessin. Schlange und Löwe. Das Einzige, was ihnen im Weg stand war sein Stolz. Ich war mir relativ sicher, dass er Hermine nur von sich geschoben hatte, weil er nicht der Narr sein wollte, der auf unseren Plan reingefallen ist. Von diesem Stolz geblendet hat er nicht sehen wollen, dass Hermine den Plan schon längst zu seinen Gunsten verworfen hatte.
Es war Zeit für eine Rettungsaktion à la Ginny Weasley und ich hatte auch schon eine genaue Vorstellung davon, wie ich dieses Fiasko retten konnte. Und wenn nicht jetzt, wann dann?
Diesem Motto folgend sprang ich aus meinem Bett und zog mir rasch einen Cardigan über meinen Schlafanzug. Nachts konnte es im Schloss kalt werden, vor allem jetzt im Winter. Das Malfoy sich um diese Zeit logischerweise in seinem Schlafsaal oder im Gemeinschaftsraum der Slytherin aufhalten würde und ich keine Möglichkeit hatte da rein zu kommen, war mir im Moment egal. Darüber würde ich zu gegebener Zeit noch mal nachdenken.
Ich schlüpfte in meine Schuhe und verließ meinen Schlafsaal. Ohne zu zögern ging ich die Treppe hinunter und betrat den Gemeinschaftsraum. Glücklicherweise war er um diese Zeit leer, was mir unangenehme Fragen ersparte. Als ich durch das Portrait der Fetten Dame nach draußen kletterte, erntete ich einen fragenden Blick und ein empörtes "Du kannst doch nicht so spät noch aus dem Gemeinschaftsraum" von ihr. Ich ignorierte das Portrait vollkommen und konzentrierte mich auf den Weg.
Wenn man mit Fred und George verwandt ist, kennt man sich zwangsläufig gut im Schloss aus, weshalb ich, anders als die meisten Gryffindor, genauere Angaben zum Aufenthaltsort des Slytheringemeinschaftsraum hatte als 'irgendwo im Keller'. Fred, George umd ich hatten in meinem zweiten Jahr auf Hogwarts nachts zusammen Stinkbomben vor ebenjenem Raum platziert, was dazu führte, dass ich den Weg auch im Dunkeln gut fand.
Es stellte sich jedoch heraus, dass ich den Weg wohl doch nicht mehr ganz so gut im Gedächtnis hatte, denn einmal bog ich falsch ab und landete darauf hin in einer Sackgasse. Einige Zeit später stand ich trotz allem vor der Tür zur Schlangengrube und wurde nach dem Passwort gefragt.
"Verdammt!", fluchte ich und verschränkte wütend die Arme. Wie sollte ich jetzt da rein kommen? Bei der Stinkbomben-Aktion mit meinen Brüdern war das nicht nötig gewesen und ich hatte keine Lösung parat. Auf gut Glück versuchte ich einige Wörter, die mir passend erschienen: "Salazar Slytherin, Schlammblut, Reinblut, Todesser, Folter." Keines passte.
"Folter? So schlecht denken Gryffindor also über uns", hörte ich eine amüsierte Stimme hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum und sah mich Blaise Zabini gegenüber. "Musstest du mich so erschrecken?", fuhr ich ihn an und blickte ihn abschätzig an. Er sah gut aus, wirklich gut. Aber er war ein Slytherin und deswegen war er schon gleich zehnmal weniger attraktiv. Zu meinem Bedauern musste ich feststellen, dass er trotzdem überdurchschnittlich gut aussah. Verdammt.
Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er bemerkte, dass ich ihn eingehend musterte.
"Was willst du hier unten?", fragte er schließlich.
"Ich muss zu Malfoy, dringend", erklärte ich.
"Eine Angelegenheit von Leben und Tod?", wollte er spöttisch wissen.
"Sozusagen", lächelte ich. "Nein, jetzt mal im Ernst. Ich muss wirklich dringend mit Malfoy reden."
"Was bekomme ich dafür, dass ich ihn hole?", wollte er mit funkelnden Augen wissen. Das offene Lächeln behielt er bei.
"Alles", erwiderte ich und verdrehte grinsend die Augen.
"Hmm... verlockend", stellte er fest, "aber ich könnte mir ja einfach nehmen, was ich will. Immerhin hast du ja eben selbst festgestellt, dass wir Slytherin uns hervorragend mit Folter auskennen." Er zwinkerte mir zu und mein Grinsen wurde noch breiter.
Dann machte er einen Schritt an mir vorbei, flüsterte ein Passwort und die Tür öffnete sich lautlos.
"Weil du's bist mache ich es sogar ohne Bezahlung", lächelte er und wollte gerade in seinen Gemeinschaftsraum verschwinden, als ich ihn zurück hielt.
"Warum hilfst du mir?"
"Du kannst doch nicht dein Leben lang glauben, dass alle Slytherin sadistische Folterknechte sind. Irgendjemand muss dich ja vom Gegenteil überzeugen."
Sein Ton war immer noch heiter und leicht spöttisch, doch sein Lächeln verriet Traurigkeit. Mit einem letzten Blick auf mich trat er durch die Tür.
Es dauerte nicht lange bis Malfoy an seiner Stelle hinaus kam.
"Was willst du hier?", fragte er schlecht gelaunt und gähnte.
"Ich muss mit dir reden", erklärte ich.
"Mach schnell. Ich habe nicht ewig Zeit für eine Blutsverräterin wie dich."
"Es geht um Hermine", fing ich an, doch er unterbrach mich barsch, sobald ihr Name fiel.
"Granger? Wenn du hier bist um über sie zu reden, kannst du gleich wieder gehen. Ich bin fertig mit ihr."
Ich zog eine Augenbraue hoch und stemmte die Arme in die Hüfte. Sein Stolz und seine Ignoranz Hermines Schmerz gegenüber sollten ihrer Liebe im Weg stehen? Nicht mit mir!
"Jetzt hör mir mal zu, Malfoy. Hermine geht es schlecht, wirklich schlecht. Sie isst seit Tagen nicht mehr richtig, spricht kaum noch. Dir kann doch nicht entgangen sein, dass sie durchs Schloss läuft wie eine wandelnde Leiche. Und weißt du warum? Weil sie dich liebt! Sie liebt dich und du sie auch, nicht wahr? Ich habe keine Ahnung, warum du nicht zu ihr stehst. Ist dir dein Ruf wichtiger, als sie? Stört es dich, was andere denken könnten; was dein Vater denken könnte?"
Er seufzte. "Nein, das ist es nicht." Seine Stimme klang matt und kraftlos. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn so einfach erreichen könnte, aber ich war noch nicht fertig.
"Was ist es dann? Dein Stolz? Gefällt es dir nicht, dass sie dich zu erst nur benutzen wollte um an Ron heran zu kommen? Wenn das der Fall ist kann ich dich beruhigen: Sie hat sich für dich entschieden. Schon lange."
"Es ist zu kompliziert", sagte er, doch ich merkte, dass er sich nicht mehr so sicher war.
"Was ist daran denn kompliziert? Du liebst sie, sie liebt dich. Es ist doch alles perfekt", rief ich aufgebracht.
"Es ist alles andere als perfekt." Auch er geriet jetzt langsam in Rage. Man sah ihm an, dass es ihn einige Mühe kostete ruhig zu bleiben.
"Das stimmt", sagte ich, jetzt plötzlich ganz ruhig, "Es ist nicht perfekt. Was ist das schon? Aber du könntest es perfekt für euch machen indem du über deinen Schatten springst und ihr sagst, was du empfindest."
In seinen Augen spiegelte sich Verzweiflung. "Ich kann nicht. Ich kann ihr das nicht antun. Sie weiß nicht auf was sie sich einlässt. Sie weiß nicht, wer ich wirklich bin."
"Malfoy, ich glaube, sie weiß besser als jeder andere, wer du wirklich bist", versicherte ich ihm.
Ein Teil der Verzweiflung in seinen Augen verwandelte sich in Hoffnung.
"Okay. Ich werde mit ihr reden." Nach dieser Entscheidung schien ihm eine unendliche Last von den Schultern zu fallen. Er lächelte leicht.
"Danke."
"Nichts zu danken." Ich lächelte zurück. "Oh, und Malfoy, sag Zabini, dass er mich überzeugt hat."
Ich hoffe, ihr hattet alle schöne Weihnachten und ich wünsche euch, einen guten Rutsch und ein wunderbares Jahr 2018🌹❤
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