2.0 - "Weil es mir genau so geht."
16:39 Uhr
Nummer Zwei: Xavier
Es war der Tag nach der Hausparty und ich lag gelangweilt auf meinem Bett herum. Mit dem Bauch voraus, ausgespreizt wie ein Seestern. Meine melancholische Playlist spielte im Hintergrund. Es war so ein Tag.
Gestern nahm ich den Nachtbus und war um 5 Uhr morgens wieder zu Hause. Jasper wollte zwar, dass ich einfach bei ihnen schlafe aber ich sehnte mich nach meinem eigenen Bett, in meinem eigenen Zimmer. Alleine mit meinen Gedanken, welche gerade ziemlich laut waren.
Es herrschte regelrecht ein Krieg in meinem Kopf, da ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich nach einer Ashley auf Instagram suchen sollte oder das viel zu komisch wäre. Eigentlich müsste zumindestens Clementine ihr folgen, oder? Dann würde das ja gar nicht so aufdringlich rüberkommen, wir hatten schließlich die gleichen Freunde.
Aufeinmal öffnete sich mit einem Schwung, die Tür zu meinem Zimmer.
"So du Hund, Daddy's Home!", ertönte die Stimme meines besten Freundes, als er in mein Zimmer stürzte, "Ich habe Schokohafermilch und Taschentücher mitgebracht."
Jasper legte seinen Autoschlüssel und die Hafermilch auf meinen Schreibtisch, so als hätte er es bereits hunderte Male getan, was wohlmöglich auch stimmte. Ich hatte nach 82 aufgehört mitzuzählen.
"Du hättest mich vorwarnen können man.", erwiderte ich und setzte mich auf, "Ein Kommentar auf Instagram reicht nicht!"
Er ignorierte meine Aussage komplett, sagte stattdessen: "Wie ich höre hast du schon mit den ultra traurigen Songs angefangen."
"You know me, dude.", lächelte ich gelassen, "Immer einen Schritt vorraus."
Lachend warf er sich auf mein Bett und musterte mich dann mit seinen zweifarbigen Augen.
"Wie geht's?", wollte Jasper wissen.
Der ernste Ton war so ein starker Kontrast zu seinem vorherigen Verhalten.
"Kann mich nicht beklagen.", ich zuckte mit den Schultern und versuchte die Aufmerksamkeit von mir wegzulenken, "Wer hat dich eigentlich reingelassen? Ich habe kein Klingeln gehört."
"Deine Mutter.", antwortete er, doch lies nicht nach, "Bist du dir sicher, dass du nichts zu beklagen hast?"
Ich schnaubte: "Bro, ich habe zwei Mütter. Magst du genauer sein?"
Jasper rollte seine Augen: "Deine schwarze Mutter."
Lustig, beide meiner Mütter waren schwarz.
Bloß ich nicht, dank der Magie von Adoption.
Genau als ich meinen besten Freund eine liebevolle Beleidigung an den Kopf werfen wollte, fragte er: "Was ist los, Xavier?"
Ich seufzte tief, dieser Junge kannte mich eindeutig viel zu gut: "Ich weis es nicht, mein Kopf ist ein Chaos."
Nun setzte er sich auf, sodass wir gegenüber von einander saßen.
Jasper zog besorgt seine Augenbrauen zusammen: "Seid wann?"
"Seid der Party. Nein- also ja, aber-", ich stöhnte genervt auf, "Vergiss es, es ist dumm."
"Xavier, alles was du sagst ist dumm und du sagst es normalerweise trozdem.", entgegnete er und schnappte sich mein Smartphone, um die Musik etwas leiser zu stellen.
Daraufhin musste ich lachen: "Wow, danke!"
Er grinste selbstgefällig: "Habe ich unrecht?!"
"Nicht wirklich. Es ist bloß-", mit meinen Händen fuhr ich mir aus Frust durch die Haare, "Auf der Party habe ich jemanden kennen gelernt und es ist jetzt nicht so, als sei ich verknallt aber sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf!"
Ein Pfeifen verlies seine Lippen, danach fragte er: "Weist du wie sie heißt?"
"Sie meinte ihr Name sei Ashley aber irgendwie habe ich das Gefühl sie hat gelogen.", beichtete ich.
Mein Gegenüber zog scharf Luft ein: "Das ist gar nicht gut man. Wenn sie dir einen falschen Namen gesagt hat, will sie wahrscheinlich nicht von dir gefunden werden."
Ich schmollte.
Cinderella hatte einen Glasschuh für den Prinzen hinterlassen, damit er sie finden konnte. Ob sie mir wohl auch Etwas hinterlassen hatte?
Was wenn Cinderella den Schuh gar nicht verlieren und in Wirklichkeit genau so wenig gefunden werden wollte?
"Was genau an ihr geht dir denn nicht aus dem Kopf?", wollte Jasper anschließend wissen, entriss mich dabei aus meinen märchenhaften Gedanken.
"Hauptsächlich ihre Art. Sie war cool, eigen, interessant.", ich starrte Löcher in die Luft, als verschiedene Szenarien mein Gedächtnis füllten, "Ihre Augen waren so ein helles braun, das habe ich vorher noch nie gesehen."
"Witzig.", kam es daraufhin stumpf von Jasper.
Ich sah ihn verwirrt an: "Was? Das ich es irgendwie schaffe, jedes weibliche Wesen in meinem Leben zu vergraulen?"
"Nein, ich-", er entwich meinem Blick, "Ich habe an dem Abend auch jemanden kennengelernt. Eigentlich befand sich diese Person schon die ganze Zeit unter meiner Nase, aber erst auf der Feier habe ich den ersten richtigen Schritt gewagt."
"Oh.", perplex schüttelte ich meinen Kopf, "Bist du deswegen plötzlich verschwunden?"
Er nickte wortlos und mit einem schüchternen Lächeln auf den Lippen.
Ich grinste ihn aufmunternt an: "Und? Kennst du wenigstens ihren echten Namen?"
Sein Lächeln verschwand, er kämpfte mit den Worten: "Uhm, ja- ich-"
Nichts verständliches kam aus seinem Mund, bloß nervöses Stottern.
So verzweifelt hatte ich meinen besten Freund noch nie erlebt.
Ich legte daraufhin vorsichtig eine Hand auf seine Schulter und sprach: "Jasper, atme durch. Ist alles in Ordnung?"
Nach genau drei regelmäßigen Atemzügen, sah er mich wieder an: "Entschuldigung, das kommt wahrscheinlich unerwartet aber es war kein Mädchen."
Wow.
"Okay.", erwiderte ich ruhig, "Das ist vollkommen okay, Jasper."
Er schien unglaublich ehrleichtert zu sein und erklärte: "Ich weis, dass du nicht homophob bist oder so, ich meine deine Eltern sind lesbisch. Trozdem hatte ich irgendwie Angst, dass du es bei mir viel zu seltsam finden würdest, weil ich ja noch nie zuvor auf irgendeinen Typen stand und ich denke auch nicht, dass ich schwul bin? Ich weis es nicht, es ist so-"
"Dude, entspann dich!", ich lächelte und hielt dabei kleine Tränen zurück, "Liebe ist Liebe. Sexualität ist fluid. Solange du seinen echten Namen kennst, habe ich nichts dagegen!"
"Eyas. Er heißt Eyas.", erwiderte Jasper dann, "Warte, Xavier, weinst du gerade?"
Lachend erhob ich mich vom Bett: "Junge, na klar! Ich freue mich so heftig für dich gerade."
Ich hatte halt eine Schwachstelle für Selbstfindung, meinen besten Freund und war sowieso gewaltig nah am Wasser gebaut.
"Wegen dem Namen oder", er wedelte planlos mit seinen Händen herum, "der anderen Sache halt?"
"Beides, Bruder, beides.", antwortete ich und nahm währenddessen den Hafer Kakao in die Hände, "Überspringe aber bitte dieses Lied, sonst weine ich nochmehr."
Anstatt meinen Wunsch zu erfüllen, holte er eine Packung Taschentücher aus seiner Hosentasche und warf mich damit ab: "Hier, du Softie."
Amüsiert präsentierte ich ihm meinen Mittelfinger und trank die Milch aus der Packung.
Er wusste ganz genau, dass wann auch immer ich Hangover war oder einfach einen schelchten Tag hatte, Schokomilch mich tausendmal glücklicher machte. Ganz besonders die Hafer Variante.
"Du weist, dass du mein Lieblingsmensch bist, oder?", kam es auf einmal von Jasper, "Dass ich ohne dich Nichts wäre?"
Langsam senkte ich die Packung und lächelte: "Ich weis, weil's mir genau so geht."
Er holte sein eigenes Smartphone aus der anderen Hosentasche heraus.
"Wir können Clementine nach deiner mysteriösen Ashley fragen, wenn du willst.", schlug Jasper vor, "Auf diese Weise findest du auch heraus, ob sie dir jetzt einen falschen Namen gegeben hat oder nicht. Wenn nicht, dann finden wir sie."
Ich drehte den Deckel von der Milch wieder zu, dabei sprach ich mehr mit mir selbst als mit ihm: "Und wenn ja, dann sollte ich sie lieber vergessen."
"Am besten schon. Einfach aus Respekt.", erwiderte Jasper und tippte bereits auf dem Handy herum.
"Okay, schreib Clementine und dann spielen wir 'ne verdammte Runde Smash Bros bevor ich wirklich anfange zu heulen."
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