Die Sache mit dem Sex ist seltsam. Man fühlt sich so erwachsen, wenn man damit anfängt, und kann eigentlich nicht schnell genug alles ausprobieren, was damit zusammenhängt.
Aber vielleicht ging das bei mir tatsächlich etwas zu schnell.

Als ich 15 war und mit meiner damaligen Freundin begonnen habe, sexuelle Erfahrungen zu sammeln, war es aufregend und neu. Wir trafen uns fast jeden Tag in der Woche, und fast jedes Mal kam es zu Sex. Wir waren durch Fanfictions und das Internet schnell auf den Geschmack von Fesselspielen oder BDSM gekommen, und wollten am Liebsten gleich alles auf einmal ausprobieren. Es blieb nicht viel Zeit, um sich in dem sicher zu werden, aus dem Sex eigentlich besteht: dem Bedürfnis, dem Partner nah zu sein und sich gegenseitig gut fühlen zu lassen.

Für mich war das nie ein Problem. Ich war älter als sie, und damit wog die Rolle der Dominanz schwerer auf meinen Schultern. Irgendwie musste ich ja sagen, wo es lang ging. Ich entwickelte einen seltsam pathetischen Bezug zu Sex, der sich erst änderte, als der Schwung ein Jahr später raus war und wir anfingen, tatsächlich Sex zu haben. Es war eine späte Erkenntnis, dass wir, wenn wir uns Zeit dafür nahmen, viel leichter herausfinden konnten, was uns gefiel, aber die Erkenntnis traf uns mit der Wucht eines Lastwagens mit 60 km/h.

Ich hatte nie bemerkt, wie unsicher ich im Umgang mit Brüsten eigentlich wirklich war. Nach fast einem Jahr sexueller Aktivität hätte ich darin vermutlich schon Übung haben müssen, fand mich aber verloren-fasziniert wieder. Wir hatten auch nie gelernt, uns dabei nicht weh zu tun, oder einander Zeit zu geben, um alles tatsächlich spüren zu können. Es begann also eine Zeit, in der die Angst vor dem Sex von mir abfiel und ich das Gefühl bekam, Sicherheit zu gewinnen.

Und dann begann das Weinen.

Sie sagte zu mir, dass sie nicht wisse, wieso sie nach dem Sex zu weinen begann. Und wir versuchten, Dinge zu ändern, Rücksicht zu nehmen. Aber in meinem Kopf drängte sich mir das Gefühl auf, dass ich sie irgendwie vergewaltigte.
Auch wenn das natürlich eigentlich das Gegenteil von dem war, was passierte. Sie schwor darauf, keinen Grund zu wissen, beruhigte meine Bedenken, initiierte anfangs noch Sex. Aber irgendwann hörte auch das auf, wodurch sich mein schlechtes Gefühl dabei nur noch verschlimmerte. Vielleicht hat sie ja wirklich die Wahrheit gesagt - ich habe sie im Nachhinein nie danach gefragt- aber die Tatsache, dass sie nach dem Sex weinte, veränderte das ganze Erlebnis für mich.

Ich bekam nicht nur das Gefühl, sie zu schänden, sondern auch, unglaublich schlecht darin zu sein. Nach beinahe zweieinhalb Jahren sexueller Aktivität war ich also an einem Punkt angekommen, der noch tiefer lag, als in der Jungfräulichkeit: ich hatte nicht mehr nur Angst vor Sex, sondern vor allem davor, zu versagen und meiner Freundin zu schaden.

Im Nachhinein betrachtet habe ich manchmal das Gefühl, dass diese erste Beziehung toxischer für mich war, als ich mir gerne eingestehen würde, und dass ich vor allem auch ein gesundes, vertrauensvolles Sexleben brauchen kann. Und trotzdem drängt sich mir manchmal die Frage auf, ob meine jetzige Exfreundin bei ihrem neuen Freund auch nach dem Sex weint, oder ob es wirklich an mir lag. Mit dieser Assoziation im Hinterkopf ist es schwierig, in eine neue Beziehung mit Vorfreude auf den Sex hineinzugehen, vor allem, wenn ich mir nicht sicher sein kann, dass meine nächste Freundin keine Jungfrau mehr ist.

Vielleicht sollte ich mir aber such eingestehen, dass ich, bevor ich überhaupt sicher war, wer ich überhaupt bin, nicht gewusst haben muss, wie Sex am Besten funktioniert. Und ob er nun gut oder schlecht war - der Sex in dieser Beziehung war immer freiwillig und beidseitig einvernehmlich.

Also muss ich mir keine Schuld geben, die ich nicht tragen muss.

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