027
Seit ich aufgewacht bin ist nun über eine Woche vergangen, in der ich Harry gottseidank dazu bekommen habe, wieder zu Vorlesungen zu gehen. Er hat zwar auch im Krankenhaus gelernt, aber trotzdem wollte ich nicht, dass er noch mehr verpasst. Es hat ihn letztendlich überzeugt, dass ich ihn gebeten habe, für mich mitzuschreiben, denn dann tut er das ja quasi für mich. Leider hat das auch zur Folge, dass er wieder deutlich zu wenig schläft. Denn das tut er aufgrund der Entfernung zur Uni nun wieder zuhause und ich kann nicht dafür sorgen, dass er genug Schlaf bekommt. Ich merke es ihm direkt an, dass er wieder deutlich erschöpfter ist. Umso glücklicher bin ich, dass ich heute endlich entlassen werde. Denn dann kann ich eigenhändig dafür sorgen, dass er genug Ruhe bekommt.
Der letzte Check meines Zustands ist gerade vorbei und ich stopfe den Rest der Klamotten, die Harry mir direkt zu Beginn hergebracht hat, in die Tasche zurück. Etwas wundert es mich schon, dass er noch nicht wieder hier ist. Er wollte nach der Vorlesung eigentlich direkt wieder herkommen um mich abzuholen, aber bisher ist er nicht aufgetaucht. Ich versuche, mich nicht verrückt zu machen und den Gedanken, ihm könnte etwas passiert sein, von mir zu schieben.
Gottseidank kommt in diesem Moment Rose herein, da sie sich noch von ihrem Schützling verabschieden möchte. "Ich weiß, dass sollte man bei einer Entlassung aus dem Krankenhaus nicht sagen, aber... ich bin echt traurig, dass du schon gehst, mein Lieber." sagt sie, als sie mich vorsichtig in den Arm nimmt. Schmunzelnd streiche ich ihr über den Rücken, bevor ich mich wieder von ihr löse. "Ich wäre auch gerne noch geblieben, ganz ehrlich. Hätte nie gedacht, dass ich mal so gerne mit einer Frau duschen gehe." Sie beginnt laut zu lachen und schlägt mir vorsichtig gegen den Arm. "Du bist doof, Louis William Tomlinson!" kichert sie, als sie kopfschüttelnd mein Grinsen begutachtet. "Wo ist denn dein Göttergatte? Wollte er dich nicht abholen?" Prustend halte ich mir die Hand vors Gesicht. "Göttergatte? Rose, dein Ernst?" Wieder schlägt sie sanft nach meinem Arm. "Ach was weiß ich denn, wie Ihr jungen Leute das heute nennt! Dein Freund halt, der Typ der dir dein hübsches Köpfchen verdreht hat."
Besagtes 'Köpfchen' läuft etwas rosig an, als ich es schüttle. "Wir sind nicht zusammen, Rose." halte ich noch einmal fest. "Ja, aber warum denn nicht?! Ich versteh's nicht, wo liegt das Problem? Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass Ihr komplett vernarrt ineinander seid." Erwartungsvoll sieht sie mich an. "Das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst, Rose..." murmle ich. "Warum nicht? Ihr jungen Leute macht Euch das immer so kompliziert, meine Güte. Er will dich, du willst ihn - das reicht doch, alles andere ist irrelevant." Ich seufze leise, denn ich wünschte, sie hätte Recht. Aber leider ist es nicht so leicht.
"Harry ist... es fällt ihm manchmal schwer, aus sich herauszukommen und Dinge einfach passieren zu lassen." versuch ich ihr zu erklären, was ich meine. "Er ist einfach sehr... ängstlich und unsicher, weißt du? Ich will ihn zu nichts drängen, auch wenn ich weiß, dass er Gefühle für mich hat." Kopfschüttelnd zieht sie die Augenbrauen zusammen. "Aber ich denke, ihr habt nie darüber geredet, was da genau zwischen Euch ist?" Seufzend lasse ich mich aufs Bett fallen. "Ja ich-... das ist kompliziert." Sie nickt. "In der Tat." Ich lache auf und entscheide mich, ihr zu erzählen, was passiert ist. Sie ist niemand, die ihn für irgendwas verurteilen würde, das weiß ich.
Den Anfang unserer Geschichte lasse ich bewusst aus, sage schlichtweg, dass er mich anfangs nicht an sich heran lassen wollte, weil er Angst hat, sich zu öffnen. Auch die Depressionen lasse ich aus, denn nur er darf entscheiden, wer davon erfährt und wer nicht. Ich erwähne einfach, dass er eine schwierige Zeit hatte, in der ich für ihn da war, wir uns etwas näher gekommen sind und Vertrauen aufgebaut haben.
"...ja und dann war da halt sein Buch und er hat gesagt, ich soll reingucken. Und... auch wenn da nirgendwo expliziert mein Name stand, war es sehr offensichtlich, das von mir die Rede ist. Es ging ziemlich deutlich daraus hervor, dass ich mehr für ihn bin, als nur ein platonischer, guter Freund." Sie nickt nachdenklich und kaut sich auf der Lippe herum. Sie hat sich mittlerweile neben mich aufs Bett gesetzt und ich hoffe einfach, sie wird gerade nirgendwo sonst gebraucht. Ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn sie mein Liebesleben analysiert, während nebenan grade ein Patient verhungert.
"Und du sagst, er hatte noch nie eine Beziehung?" Ich schüttle den Kopf. "Soweit ich weiß nicht, nein." - "Und geoutet ist er auch nicht?" Wieder Kopfschütteln. "Wenn, dann hat das auf jeden Fall an der Uni noch niemand mitbekommen. Ich glaube ja, dass er das auf der Chaos-Party von der ich gerade erzählt habe, vorhatte - vor mir zumindest. Aber ich weiß es nicht genau. Er hat so wirres Zeug geredet und ich... war angetrunken." Sie schmunzelt leise. "Lass es einfach auf dich zukommen und lass ihm Zeit. Ich habe das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauert, bis ich ihn wirklich deinen Freund nennen darf." Sie piekst mir in die Seite und lächelt mich liebevoll an. "Er ist in der Zeit, in der du hier warst, schon deutlich offener geworden als am Anfang, finde ich. Ich kann mir vorstellen, dass er es nicht mehr lange aushält, dich nicht nieder zu knutschen, sobald ihr mal etwas Zeit für Euch habt... und nicht ständig die neugierige Alte reinkommt." Ich muss lachen, in das sie direkt mit einsteigt.
Dann schlägt sie sich auf die Oberschenkel und steht auf. "So, mein Herzblatt. Meine Pause ist seit 5 Minuten vorbei, ich glaube, ich sollte mich langsam wieder im Pflegerzimmer blicken lassen." Ich mache große Augen. "Du hast deine Pause bei mir verschwendet?! Bist du bekloppt?" sage ich aufgebracht. Sie legt mir ihre Hand an die Wange und flüstert "Zeit mit dir ist nie eine Verschwendung, Darling." Ein gerührtes 'Aaaaaaw' verlässt meinen Mund, bevor ich sie nochmal in den Arm nehme. "Ich werd' dich vermissen, Rose. Wirklich." flüstere ich. "Ich dich auch, mein Hübscher." Sie lächelt mich sanft an, als ich meine Tasche schultere. "Du kannst ja demnächst nochmal vorbei kommen. Aber dann bitte aufrecht und ohne Atemnot, hörst du?" Sie legt mir ihre weiche Hand an die Wange. Ich nicke schmunzelnd. "Ich bring dir ein paar Blümchen vorbei." sage ich, weshalb sie trocken "Bitte keine Rosen." erwidert. "Hahaha, keine Angst. So 'witzig' bin ich nicht." versichere ich ihr.
"Außerdem gibt es nur einen Menschen, dem du Rosen schenken darfst." Sie zwinkert mir zu, als ich auf dem Flur in Richtung Ausgang verschwinde, während sie sich auf zur Abendessensausgabe macht. Ich werfe ihr noch ein Luftküsschen hinterher, dass sie 'auffängt' und in ihre Hosentasche steckt, bevor sie schnell ins Schwesternzimmer huscht.
Was eine wundervolle Frau. Ich glaube, ich weiß auch, warum ich sie so mochte. Sie erinnert mich an meine Mutter.
Unten angekommen halte ich Ausschau nach meinem Lieblingslockenkopf, aber der ist nirgends zu sehen. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass er bereits vor einer Stunde hier sein wollte. Er reagiert auch nicht, auf meine Anrufe genauso wenig wie auf meine Nachrichten. Ich versuche nicht auszurasten, sondern kontaktiere erstmal meine Freunde. Vielleicht wissen die ja, wo er rumspringt. Niall hat keine Ahnung, meint, er hätte bloß gesagt, er wolle noch kurz zu mir und Liam nach Hause, bevor er mich abholt. Irritiert darüber, was er dort wollte, wähle ich nun die Nummer meines Mitbewohners.
"Hey, alles gut?" begrüßt er mich, als er abhebt. "Hey, weißt du wo Harry rumspringt?" frage ich unruhig. "Ist er nicht bei dir?" Er klingt überrascht. "Nein, er wollte eigentlich vor über einer Stunde hier sein aber... er ist nicht hier." Nervös knibble ich an der Naht meiner Tasche herum. "Er ist vorhin bei uns vorbei gekommen und ich hab ihn reingelassen, er meinte er wollte irgendwas vorbereiten. Aber ich gehe gerade unten rein, warte. Vielleicht hat er einfach die Zeit vergessen?" Ich höre seinen Schritte zu, die im Treppenhaus hallen, während ich über seine Worte nachdenke.
Er wollte irgendwas vorbereiten? Ich beginne zu grinsen, bei der Vorstellung, dass er mir tatsächlich eine 'Willkommen Zuhause'-Überraschung gebastelt haben könnte. Wie süß wäre das bitte?
Das Knacken des Wohnungstürschlosses ist zu hören, kurz darauf sein Schlüsselbund, der auf die Kommode im Flur gepfeffert wird. "Und?" frage ich ungeduldig. Er brummt zufrieden. "Seine Stiefel stehen noch hier im Flur..." murmelt er. Erleichtert atme ich aus und höre währenddessen, wie er durch die Wohnung läuft. Ich höre das Knarzen meiner Zimmertür, dann ein leises "Naaaaaaaw." von Liam. "Was ist passiert?" frage ich. "Ich finde, das solltest du dir selbst angucken. Soll ich dich abholen?" fragt er dann leise.
"Nein, alles gut, ich nehm' mir ein Taxi, dann bin ich in 10 Minuten da." Schnell winke ich eines der Taxen herüber, die vorm Krankenhaus stehen. "Ich hoffe, dann ist es noch nicht zu spät." höre ich ihn flüstern. "Hä?" Komplett verwirrt reiche ich dem Taxifahrer meine Tasche. "Bis gleich, Louis. Beeil dich!" Ohne mich noch etwas sagen zu lassen, legt er auf und lässt mich mit großem Fragezeichen im Kopf zurück. Was zur Hölle? Warum sagt er mir nicht einfach, was in meinem Zimmer los ist? Aber Harry scheint ja vermutlich da zu sein, sonst wären seine Schuhe es nicht. Aber was fand er so süß? Etwa wirklich eine Überraschung von Harry? Aber warum hofft er dann, dass ich nicht zu spät da bin? Ich verstehe gar nichts mehr.
Eilig schließe ich unten die Haustür auf und laufe die Stufen hinauf, so schnell es irgendwie mit dieser kaputten Rippe möglich ist. Oben angekommen kommt Liam aus seinem Zimmer in den Flur und hält sich den Finger vor den Mund. Fragend hebe ich die Arme, doch er schüttelt bloß den Kopf und zeigt in Richtung meines Zimmers. "Ich glaube, du hast Glück. Ich hab noch nichts gehört." Komplett verwirrt mache ich mich, wie von Liam befohlen leise, auf den Weg in mein Zimmer. Vorsichtig schiebe ich meine Tür ein Stück auf und verstehe direkt, was er meinte.
Harry liegt auf meinem Bett, mein Kopfkissen in seinem Arm und die Nase darin vergraben, neben ihm das Bild, dass er von uns gezeichnet hat, auf dem er in meinen Armen liegt. Ich hatte es nicht übers Herz gebracht, es zurück in sein Buch zu legen, es hat mich einfach zu glücklich gemacht, um es nicht zu behalten.
Er scheint eingeschlafen zu sein, als er tatsächlich eine kleine Überraschung für mich vorbereiten wollte. Ich sehe eine Packung meines Lieblingstees und einen Haufen Kekse daneben auf meinem Schreibtisch stehen. Außerdem steht dort eine der Duftkerzen, über die wir letzte Woche gesprochen haben.
Ich muss schmunzeln. Ich habe ihm gesagt, wie gerne ich sein Parfüm mag und er hat daraufhin bloß trocken erwidert, dass es eine Duftkerze gibt, die genauso riecht. Ich meinte, dass ich die dann wohl unbedingt brauche, weshalb er nur genickt hat. Dann mussten wir beide Lachen, was in meinem Brustkorb echt weh tat, aber das war mir egal.
Leise gehe ich rüber zu meinem Bett, setze mich auf die Bettkante und beobachte den schlafenden Jungen vor mir einen Moment. "Ich lasse Euch mal alleine, ich sage schon mal gute Nacht." flüstert Liam, der noch im Türrahmen steht und mir vielsagend zugrinst. "Dir auch." antworte ich, bevor er die Tür schließt.
Nachdenklich seufze ich. Einerseits will ich ihn gar nicht wecken, denn ich bin froh, dass er endlich schläft. Vielleicht sollte ich mich einfach neben ihn kuscheln? Die viele Bewegung in den letzten Stunden, gepaart mit den starken Schmerzmitteln machen auch mich ganz schön müde. Aber andererseits... ich will auch nicht, dass er sich erschreckt, wenn er irgendwann wach wird und ich liege einfach kommentarlos neben ihm. Gedankenverloren streiche ich ihm eine Locke aus der Stirn, wodurch er leise zu grummeln beginnt.
Okay, dann hat sich die Frage ja erledigt.
Vorsichtig streichle ich ihm über die Wange und flüstere "Hallo, Sunshine...", um ihn nicht zu erschrecken. Blinzelnd dreht er sich zu mir und murmelt verschlafen "Lou?" - "Schlaf ruhig weiter." sage ich und lächle ihn sanft an, doch natürlich schreckt er hoch. "Oh mein-... Lou, was...?" Er blickt auf seine Armbanduhr und realisiert, was passiert ist. "Fuck... es tut mir so Leid!" Er richtet sich auf und wischt sich durchs Gesicht. "Ich wollte mich nur kurz hinsetzen, weil ich das Bild gesehen habe... ich fand so süß, dass du das hier behalten hast und... dann hab ich mich angelehnt und alles roch nach dir und..." Schmunzelnd halte ich ihm den Mund zu. "Ssssh, Love. Alles gut, du brauchst dich nicht entschuldigen. Ich bin einfach froh, dass es dir gut geht." Er lässt den Kopf hängen.
"Ach Mist, du hast dir bestimmt voll Sorgen gemacht, weil ich nicht da war... weil ich Idiot einfach einschlafe... es tut mir so Leid, Lou, wirklich..." Ich lege ihm die Hand an die Wange. "Hör auf dich zu entschuldigen, Hazza. Ich bin froh, dass du endlich mal wieder etwas geschlafen hast. Dein Körper sagt dir, dass du dir zu viel aufhalst, ich will nicht, dass du demnächst derjenige bist, der im Krankenhaus landet, hörst du?" Kopfschüttelnd winkt er ab, doch ich lasse mich nicht abwimmeln. "Nichts da. Du hast die letzten Tage für 2 gearbeitet und warst in jeder freien Minute im Krankenhaus. Jetzt wird es Zeit, dass du mal etwas runter kommst. Und wenn ich dich dazu zwingen muss." Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus, als ich vorsichtig aufstehe.
Er folgt mir direkt und stellt sich neben mich. "Ich wollte dir eigentlich einen schönen Empfang bereiten..." murmelt er, als er den Tee hochhebt. "Glaub mir, dich in mein Kissen sabbern zu sehen war der schönste Empfang den du mir hättest bereiten können." Er sieht mich entgeistert an, muss dann allerdings selbst etwas schmunzeln. "Sehr witzig." Verwundert sehe ich ihn an. "Das war ernst gemeint. Das Bild war verdammt süß." flüstere ich und stupse ihm gegen die Nasenspitze. Er zuckt leicht zurück, lächelt dann aber verlegen und kratzt sich am Hinterkopf. "Wie geht's deiner Rippe?"
"Ich denke soweit ganz gut. Mit drei Tonnen Schmerzmitteln geht alles." Kritisch beäugt er mich. "Guck nicht so, ich kann nichts dafür, dass ich so unter Drogen stehe. Fühlt sich alles etwas flauschig an, aber so schlecht ist das gar nicht. Ich weiß aber nicht, ob ich wirklich zurechnungsfähig bin, ehrlich gesagt. Vermutlich könntest du alles mit mir anstellen, ohne das ich mich wehre..." Ich lege den Kopf schief, hebe mit dämlichem Grinsen eine Augenbraue und sehe ihm tief in die Augen. Für einen Moment sieht er aus, als hätte ich ihn schockgefrostet, bevor er zittrig einatmet. Ich muss schmunzeln, löse den Augenkontakt und flüstere "Tschuldigung, es war zu verlockend, dich verlegen zu machen." Ein nervöses Lachen kommt aus dem Mann neben mir, bevor er leise "Du bist doof..." murmelt. "Du bringst mich dazu, doof zu sein." schmunzle ich. "Gar nicht..." schmollt er weshalb ich ihn grinsend mit der Schulter anstupse.
Er sieht zaghaft auf und ich lächle ihn an. "Wollen wir uns..." ich hebe den Teller mit Keksen an, "...damit ins Bett kuscheln und einen Film gucken?" Er nickt lächelnd und sieht auf den Schreibtisch vor sich. "Guck mal was ich gefunden habe." grinst er mit der Duftkerze in der Hand. "Dann riecht bald mein ganzes Zimmer nach dir. Selbst wenn du nicht hier bist." sage ich glücklich. "Darf ich trotzdem noch herkommen?" flüstert er. Ich sehe ihm lächelnd tief in die Augen und antworte "Ehrlich gesagt bin ich mir noch nicht mal sicher, ob ich dich überhaupt wieder gehen lasse." Ich sehe ihn schlucken, bevor er rosige Wangen bekommt und sich auf die Lippe beißt. Dann wendet er verlegen grinsend den Blick ab, greift nach dem Tee und verschwindet mit den, zugegebenermaßen sehr zittrigen, Worten "Ich mach uns eben 'nen Tee, du kannst ja schon mal einen Film aussuchen..." aus dem Zimmer.
Grinsend lasse ich den Kopf sinken. Ich muss gestehen, ich habe viel zu viel Gefallen daran gefunden, ihn etwas aus der Reserve zu locken. Ich will ihn natürlich nicht zu sehr 'bedrängen', aber ich mag es irgendwie zu sehen, wie er drauf reagiert, wenn ich offensichtlich mit ihm flirte. Es ist einfach so niedlich, wie verlegen er jedes Mal wird und ich hoffe, er taut dadurch etwas auf. Ich will, dass er sich wohl damit fühlt, wenn ich ihm Komplimente mache oder ihm nah bin.
Vielleicht hoffe ich aber auch ein bisschen, dass ich damit das Gespräch umgehen kann. Ich finde es irgendwie schöner, wenn sich das zwischen uns von alleine entwickelt, ohne dass ich ihm ins Gesicht schreien muss, dass ich das Gleiche für ihn fühle, wie er offenbar für mich. Andererseits wäre es für ihn vielleicht einfacher, loszulassen, wenn er es weiß.
Ich versuche, mich aus meinem Pulli zu schälen, denn so langsam wird es mir hier drin echt zu warm. Leider ist das eine Bewegung, die noch immer ziemlich unangenehm ist, denn ich merke vor allem die OP-Narbe enorm, wenn ich den Arm hebe. Als ich gerade versuche, meinen Kopf durch den Stoff zu bekommen, höre ich, wie ein Tablett abgestellt wird und wenige Sekunden später merke ich zwei Hände, die mir zu Hilfe eilen. Vorsichtig zieht er mir den Pulli vom Kopf, steht dann damit in der Hand etwas hilflos deutlich näher als üblich vor mir. Er beobachtet mich, wie ich mein T-Shirt, das ein Stück mit hochgerutscht ist, gerade richte und bleibt auf den Weg nach oben mit dem Blick kurz an meinen Lippen hängen.
Tu es, verdammt!
Leider zuckt er stattdessen zurück, wirft den Hoodie auf den Schreibtischstuhl und greift nach dem Tablett. Ich versuche, so leise zu seufzen, wie möglich, denn ich will nicht dass er sich unwohl fühlt. Aber, ganz ehrlich, was würde ich dafür tun, noch einmal von ihm geküsst zu werden...
Das erste Mal war... atemberaubend. Aber ich fürchte, er erinnert sich nicht daran, sonst hätte er sicherlich keine so hohe Hemmschwelle. Ich weiß, ich will ihm die Zeit geben, die er braucht... aber ich sehne mich so sehr nach seinen wunderschönen Lippen, das mir das mit der Geduld wirklich schwer fällt. Verdammt schwer.
Ohne mir etwas anmerken zu lassen, kuschle ich mich stattdessen neben ihn ins Bett und drücke auf den Startbutton. Wir kennen die Aufzeichnung von dem Hamilton Musical beide schon, aber da wir beide Fans des Soundtracks sind, entscheiden wir uns trotzdem dafür, es zumindest anzufangen. Bei meiner heutigen Verfassung weiß ich nicht, ob ich die fast 3 Stunden durchhalte, aber Disney+ merkt sich ja netterweise wo man war.
Knapp eine halbe Stunde ist vorbei, als ich auch seine Tasse zur Seite stelle. Ich kann mir das kleine Grinsen nicht verkneifen, noch bevor das Lied überhaupt losgeht, denn ich weiß genau, welches jetzt kommt.
Helpless.
Es ist der Song den er in seinem Buch zitiert hat. Und ich bin mir sicher, dass er genau weiß, dass ich mich daran erinnere. Kurz überlege ich, mich einfach an ihn zu kuscheln, doch dann kommt er mir plötzlich zuvor. Er rutscht, mit dem Laptop auf dem Schoß, ein Stück tiefer und kommt etwas näher und dann... legt er den Arm um mich. Obwohl ich überrascht bin, dass er das von sich aus tut, reagiere ich schnell, damit er sich nicht unwohl fühlt. Sofort rutsche ich ebenfalls näher, lege meinen Kopf auf seiner Brust ab und kuschle mich dicht an ihn.
Sein Herz rast wie verrückt, das höre ich ganz genau, aber trotzdem traut er sich, seine Hand ein Stück unter mein T-Shirt zu schieben und mir zaghaft über den Rücken zu streicheln. Ich schenke ihm dafür ein genießerisches Brummen, wodurch er sich offenbar wohler dabei fühlt. Anstatt nur vorsichtig seine Fingerspitzen über meine Haut streichen zu lassen, übt er nun sogar leichten Druck aus, was meinen, vom Dauer-Liegen strapazierten Rücken mehr als glücklich macht.
Seine andere Hand liegt auf seinem Bauch, nur knapp neben meiner. Ich lege meine stattdessen darauf, streiche ihm behutsam darüber, bis er sie auf einmal anhebt und seine Finger zwischen meine schiebt.
Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass wir Händchen halten aber irgendwie... fühlt es sich dieses Mal noch ein bisschen besser an. So... richtig. Als müsste es genau so sein.
Knapp 15 Minuten später, sein Herz hat sich mittlerweile zumindest ein kleines bisschen wieder beruhigt, merke ich, wie mich die Müdigkeit langsam übermannt. Das ganz leichte Wiegen seiner Brust, während er atmet, gepaart mit seinem Duft in der Nase sorgt dafür, dass meine Augen ganz automatisch zu fallen. Der Song, der im Hintergrund spielt macht das Ganze perfekt - dachte ich zumindest. Denn dann wird es plötzlich doch noch ein ganz kleines bisschen perfekter.
Ganz leise beginnt Harry den letzten Part mitzusingen und obwohl ich kaum noch wirklich anwesend bin, schleicht sich ein Lächeln auf mein Gesicht.
»...in the story they will right some day, let this moment be the first chapter, where you decide to stay... and i could be enough, and we could be enough... that would be enough.«
Die letzten 4 Worte flüstert er nur noch und mit dem letzten Rest an Energie in meinem Körper kuschle ich mich noch etwas enger an ihn. Ich merke, dass er sich etwas bewegt, er scheint sich zu mir runter zu beugen. Als ihm bewusst zu werden scheint, dass ich schlafe - oder zumindest kurz davor bin, einzuschlafen - stoppt er die Wiedergabe und klappt den Laptop zu. Er legt ihn zur Seite und versucht ganz vorsichtig sich ebenfalls hinzulegen, hält mich dabei fest, damit ich nicht von ihm rutsche.
Ich merke noch, wie er die Decke über uns zieht und dann ganz leise etwas flüstert, bevor Stille einkehrt.
"Bitte lass mich wirklich nie wieder gehen..."
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3621 Words
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