This man
Die Jugendlichen haben sich aufgeteilt. Theo schlendert alleine durch die Gegend und lässt seinen Blick aufmerksam über die verlassene Nachbarschaft schweifen. Nicht weit von ihm entfernt laufen Malia und Stiles. Das braunhaarige Mädchen führt das Duo an, während Stiles leicht versetzt hinter ihr läuft. Ich hingegen habe mich Scott und Lydia angeschlossen, die sich in diesem Moment jedoch ebenfalls von einander trennen. Scott steuert ein verlassenes Einfamilienhaus an und ich zögere damit, ihm zu folgen.
Keiner der Teenager hatte etwas zu der blutverschmierten Pferdeskulptur gesagt und keiner hatte auch nur ein Wort darüber verloren, wie unmöglich es ist, dass sich das Karussell nach so vielen Jahren von selbst anschaltet. Auch wenn der Motor bereits nach wenigen Sekunden erneut den Geist aufgegeben hatte und die fröhliche Zirkusmus dadurch blechern in der gruseligen Stille der Nachbarschaft verklang. Keiner hatte dazu etwas gesagt und ich weiß noch immer nicht was mir mehr Angst machen sollte. Das blutverschmierte Karussell, dass sich wie auf magische Weise von selbst an- und ausschalten kann oder die verdächtige Stille der gesamten Stadt. Oder die Schweigsamkeit meiner fünf Begleiter.
„Komm," Lydias Stimme ist überraschend sanft und so leise, dass ich sie fast überhört hätte. Doch sie berührt mich gleichzeitig zaghaft an der Schulter und deutet auf das Haus, in das Scott verschwunden ist. Sie setzt sich in Bewegung und ich bemerke ihren aufmerksamen Blick, in dem ich glaube so etwas wie Misstrauen sehen zu können. Lydia steigt die Treppe zur Veranda hoch und verschwindet durch den Türrahmen im heruntergekommenen Familienhaus. Ich möchte ihr folgen, werfe jedoch zu erst noch einen letzten Blick über die Schulter. Theo tritt in diesem Moment etwas Holz aus dem Weg, bevor er ebenfalls in einem kleinen Haus verschwindet. „Malia," Stiles besorgte Stimme hallt zu mir herüber und augenblicklich suche ich nach den beiden Teenager. Malia finde ich liegend im Gras. In diesem Moment richtet sie sich scheinbar unverletzt, jedoch sichtbar verwundert auf. Stiles kommt besorgt auf sie zugeeilt und nachdem ich mich versichert habe, dass er die Lage im Griff hat, folge ich Lydia in das Innere des Hauses.
Die Dielen knarren unheilvoll unter mir und überrascht lasse ich meinen Blick über das Innere des ersten Raumes schweifen. Es ist vollkommen leer. Die Wände haben keine Tapete, die Ecken sind mit Spinnennetze behangen und auf den Fenstern liegt eine dicke Staubschicht. Ein Schauer läuft mir über den Rücken und unsicher trete ich weiter in das verlassene Zimmer. Es erinnert mich erschreckend fest an mein eigenes Zuhause, was nur eine Sache bedeuten kann. Die Ghostrider waren hier. Ich bemerke aus dem Augenwinkel eine eilende Bewegung und sehe noch im letzten Moment wie Lydia durch eine zweite Türe nach draußen verschwindet. Im selben Moment höre auch ich die fassungslose Stimme von Scott.
„Mum?"
Ich setze mich in Bewegung, ungläubig darüber, Melissa hier zu finden. Doch Scotts Stimme klingt ehrlich fassungslos und ich beeile mich so sehr, dass ich bereits vor der Türschwelle stolpere und nur dank ihr einen Sturz verhindern kann. Ich kralle mich an den Türrahmen und werfe einen Blick nach draußen. Scott steht mit dem Rücken zu uns. Er starrt ins Nicht und scheint vollkommen gebannt von etwas, dass wir nicht sehen können. Lydia steht nur wenige Zentimeter von ihm entfernt und beobachtet ebenfalls die Szene die sich uns in diesem Moment bietet. Melissa ist nirgends zu sehen, trotzdem scheint Scott sich sicher. Er scheint so überzeugt, dass die Einbildung seiner Mutter sogar seine übernatürlichen Sinne getäuscht haben muss. Er muss seine Mutter nicht nur gesehen haben. Er muss sie gehört, gerochen, gefühlt haben und als Lydia ihre Hand sanft auf Scotts Arm legt, glaube ich zu wissen, was hier vor sich geht.
Erst das blutverschmierte Karussell.
Die verlassene Stadt.
Malia.
Und jetzt Scott.
Die Ghostrider müssen hier gewesen sein und haben Canaan schon vor Jahren in eine Geisterstadt verwandelt. Doch die Stadt scheint sich auch auf uns auszuwirken. Ich stelle die Vermutung auf, dass sie sich besonders auf die übernatürlichen Wesen auswirkt. Wesen wie Scott und Malia. Bei diesem Gedanken, kann ich die zustimmende Worte von Stiles hören. Er würde ebenfalls das Muster erkennen und dieselbe Schlussfolgerung ziehen. Irgendetwas stimmt hier nicht und das macht mir tierisch Angst.
Lydias Berührung scheint meinen Freund ruckartig aus seiner Vorstellung zu reisen. Er zuckt zusammen und fährt erschrocken zu uns herum. Mit großen Augen starrt er erst Lydia, dann mich an und aus dem Augenwinkel nehme ich Stiles und Malia war, die plötzlich neben mir auftauchen. „Schon okay, deine Mum ist nicht hier," redet Lydia jetzt einfühlsam auf unseren Freund ein und lässt ihre Hand langsam von seiner Schulter rutschen. Scott starrt das Mädchen kurz an, als würde er ein paar Sekunden brauchen um ihre Worte zu verstehen. Dann richte er seinen Blick ungläubig zurück auf die leere Stelle, an der seine Mutter das letzte Mal gesehen zu haben scheint. „Geht es dir gut?" fragt das rotblonde Mädchen jetzt verunsichert nach und ich kann sehe, wie sie unseren gemeinsamen Freund besorgt mustert. Auch in ihrer Stimme schwingt die Vermutung mit, dass hier gerade etwas schrecklich schief läuft.
„Ich habe sie gesehen," Scott zeigt verzweifelt auf die leere Stelle, „Ihr Kopf," er schüttelt ungläubig mit dem eigenen Kopf und ich kann nicht überhören, wie verzweifelt er klingt, „es sah so aus, als hätte jemand ein Stück herausgebissen."
Malia drückt sich leicht an mir vorbei und wirft einen kritischen Blick in die Leere des Gartens. Sie scheint Scotts Worte überprüfen und gleichzeitig nicht glauben zu wollen, dass er die Wahrheit sagt. „Das war nicht echt," wendet Lydia jetzt sanft ein und schüttelt leicht mit dem Kopf. Ihre Stimme klingt unglaublich sanft, wie eine Mutter, die ihr ängstliches Kind beruhigen möchte. Doch erneut schüttelt Scott ungläubig mit dem Kopf, bevor er widersprechend antwortet: „Es hat sich aber echt angefühlt." Ich sehe den Schmerz in seinen Augen. Diesen brennenden Schmerz den einen wie eine Welle begräbt, wenn man im Glauben ist, dass ein geliebter Mensch stirbt.
Ich hatte diesen Ausdruck bisher zweimal in meinem Leben an ihm gesehen.
Das erste Mal, nach Allison's Tod. Scott wollte es nicht wahrhaben und damals konnte ich nicht verstehen, was genau mit ihr passiert war. Offiziell hieß es, sie wäre bei einem Unfall gestorben, doch dass schuldbewusste Verhalten von Scott und Stiles hatte mich anderes vermuten lassen. Ich hatte wenige Jahre später erfahren, wie Allison wirklich gestorben war.
Das zweite Mal, indem ich diesen tiefsitzenden Schmerz in den braunen Augen von Scott erkennen konnte, war nach dem Tod von Clay. Nicht sein Tod direkt hatte ihn dermaßen aus der Spur gebracht, sondern mein zurückgezogenes Verhalten. Ich habe erst Wochen später verstanden, dass es ihm weh tat, mir nicht helfen zu können.
„Die Energie hier," Lydia schüttelt leicht mit dem Kopf und setzt sich in Bewegung. Mit schnellen Schritt kehrt sie zurück auf die Hauptstraße und wir fühlen uns gezwungen, ihr zu folgen. Beim Laufen greift sie ihren angegangenen Satz auf und spricht besorgt weiter: „verursache Halluzinationen. Wir sollten gehen." Ich weiß, dass ich etwas zustimmendes einwenden sollte. Um meine Tarnung, ebenfalls eine Banshee zu sein, aufrecht zu erhalten. Doch noch bevor ich ein Sehe ich auch so einwerfen kann, hat Scott bereits das Wort ergriffen: „Wir können nicht gehen," er holt das rotblonde Mädchen mit schnellen Schritten ein, „Zumindest nicht solange wir nicht wissen, warum du diese Stadt in dem Spiegel gesehen hast."
„Wen sollen wir denn fragen?" Lydias Stimme klingt leicht aufgebracht und ihr kurzer Schulterblick beweist genau das, „Ist ja niemand hier." Ihre Schritte werden schneller und ich habe Mühe, mit ihr mitzuhalten, während es für Malia und Scott eine Leichtigkeit zu sein scheint. Nur Stiles scheint auch Probleme mit ihrem schnellen Tempo zu haben. Er fällt etwas weiter zurück, was außer mir jedoch niemand zu bemerken scheint.
„Fragen wir doch ihm," wendet Malia in diesem Moment ein und hebt ihre Hand. Lydia wirft ihr einen kurzen Blick zu, folgt dann jedoch ihrer Handbewegung und dreht ihren Kopf wieder nach vorne. Gleichzeitig bleiben alle drei Jugendlichen stehen und etwas überrumpelt stolpere ich in Scott. Er bemerkt es jedoch noch nicht einmal. Stattdessen starrt er wie die Anderen gebannt nach vorne und als ich einen Schritt zur Seite trete, erkenne ich auch den Grund für ihr fassungsloses Schweigen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht ein kleiner Junge. Er steht mit dem Rücken zu uns und scheint uns noch nicht bemerkt zu haben. Er trägt ein blaues Shirt, dass in dem hohen Bund seiner beigen 3/4 Hose steckt. Seine weißen Socken sind bis zu seinen Knöcheln hochgezogen und die Schuhe die er trägt, wirken selbst aus dieser Entfernung veraltet und aus der Mode. Seine braunen Haare reichen ihm bis in den Nacken und alles an ihm erinnert mich an ein vergangenes Zeitalter. Ich beiße mir auf die Lippe und drängele mich etwas näher an Scott.
„Hey!"
Der Teenager neben mir erhebt plötzlich seine Stimme und tritt wenige Schritte nach vorne. Dabei streift seine Hand meine und kurzzeitig kann ich die Wärme seiner Haut spüren. Doch mit seinem Ausfallschritt, verschwindet nicht nur sie sondern auch das Gefühl der Sicherheit. Mein Blick fährt zu dem kleinen Jungen, der sich angesichts des lauten Rufes aufgeschreckt zu uns herumdreht. Selbst aus dieser Entfernung kann ich ihm sein junges Alter problemlos ansehen. Jedoch wendet er seinen Blick nur für wenige Sekunden zu uns. Bereits im nächsten Moment hat er sich wieder von und weggedreht und stürmt mit schnellen Schritten die Straße entlang.
„Was sollen wir tun?" fragt Lydia in diesem Moment ratlos und starrt dem Jungen überrascht hinterher. Er verschwindet hinter ein paar Bäumen und seine rennenden Schritte hallen laut durch die verlassene Stadt. „Ihm folgen," antwortet Scott automatisch auf die Frage seiner rotblonden Freundin und setzt sich in Bewegung.
Lydia passt sich sofort seinen Schritten an. Auch Stiles drängelt sich an mir vorbei und stürmt seinem besten Freund hinterher. Ich habe den Impuls dasselbe zu tun, werde jedoch am Handgelenk zurückgehalten. Im ersten Moment mache ich Malia dafür verantwortlich. Doch als ich einen verwunderten Blick über meine Schulter werfe bemerke ich Theo, der seine Finger fest um mein Handgelenk geschlungen hat und mich damit daran hindert meinen Freunden zu folgen. Er scheint plötzlich aus dem Schatten des Hauses aufgetaucht zu sein und selbst Malia wirkt im ersten Moment überrascht über sein spontanes auftauchen. Auch sie war kurz davor ihren Freunden zu folgen.
„Wir bleiben hier," gibt Theo jetzt erklärend zu und wirft mir einen kurzen Blick zu. Ich weiß nicht, was er mir damit sagen möchte und schweige deshalb. „Warum?" fragt Malia sofort kritisch nach und zieht ihre Augenbrauen misstrauisch zusammen. Sie stemmt die Arme in die Hüfte und starrt den Teenager mit sichtbarem Todeswunsch an. Ich verbessere meine eigene Einschätzung.
Malia misstraut dem Jungen nicht nur, sie scheint ihn regelrecht zu hassen.
„Wir können dem Jungen nicht alle blind ins Haus folgen," argumentiert Theo mit einer überraschenden Ruhe und für wenige Sekunden lasse ich meinen Blick zu Scott und Lydia schweifen. Sie sind kurz darauf unbedacht ein verlassenes Haus zu betreten, so wie es Theo gerade vorausgesagt hat. Nur Stiles ist in Mitten der Straße stehen geblieben und beobachtet nun wartend unsere kurze Diskussion.
„Ich und Charlotte stehen Schmiere," Theo lässt mein Handgelenk los und tritt vor mich. Somit steht er nur noch wenige Zentimeter von Malia entfernt und baut sich herausfordernd vor ihr auf, „und retten euch euren Arsch wenn da drin," er zeigt demonstrativ auf das Haus, in dem der fremde Junge verschwunden ist, „was schiefgehen sollte."
„Malia!"
Stiles Ruf hallt durch die gesamte Straße und Malia wirft ihrem Freund einen kurzen Blick zu. Stiles wippt unruhig mit dem Fuß und lässt seinen Blick abwechselnd von seiner Freundin zu Scott und Lydia schweifen. Diese sind inzwischen verunsichert vor einem kleinen, heruntergekommenen Vorgarten stehen geblieben und starren verunsichert auf ein einstöckiges Haus. Selbst aus dieser Entfernung glaube ich für wenige Sekunden sehen zu können, wie sich eine der Gardinen zur Seite bewegt und Scotts, in diese Richtung, schellender Kopf beweist mir die Richtigkeit meiner Beobachtung.
„Jetzt geh schon," Theo klingt gelangweilt, „Ich glaube deine kleinen Freunde brauchen Hilfe." Obwohl er mit dem Rücken zu mir steht, kann ich das herablassende Grinsen in seiner Stimme hören. Was natürlich auch Malia tut. Bedrohlich macht sie einen Schritt auf den Teenager zu, wodurch er sich jedoch nicht einschüchtern lässt. Ich bin mir sicher, dass Malia beim nächsten Wort das seine Lippen verlässt, zuschlägt und trete deshalb bereits wenige Zentimeter von Theo zurück. Doch bevor dieser noch etwas zu seiner herausfordernder Aussage hinzufügen kann, ertönt erneut die Stimme von Stiles.
„Malia!"
„Malia," Scott wiederholt den auffordernden Ruf seines Freundes und winkt dem braunhaarigen Mädchen zu. „Das solltest du dir ansehen." Kurz scheint Malia zu zögern. Sie wirft erst uns einen kurzen Blick zu, bevor sie ihre Augen nachdenklich auf Scott richtet. Dieser beobachtet in dieser Sekunde aufmerksam das Fenster und macht einen Schritt auf das Haus zu. Malias Blick schellt ruckartig zurück auf Theo und der Hass in ihrem Gesicht ist selbst für einen Menschen nicht länger schwer zu erkennen.
„Wenn ich auch nur das Gefühl habe, dass du uns hintergehen möchtest," sie baut sich bedrohlich vor Theo auf und selbst ich bemerke, wir mir bei ihrem Anblick unwohl wird, „Dann wirst du mich suchen, finden und umbringen," Theo fällt dem Mädchen locker ins Wort und ich bin kurz davor ihn deswegen anzuschnauzen. Doch er spricht einfach weiter: „Jaja schon klar."
„MALIA!"
Scotts Stimme wird drängender und endlich scheint Malia zu verstehen, wie wenig Zeit sie haben um dem Jungen zu folgen. Ein bedrohliches Knurren verlässt ihren Mund, bevor sie sich von uns wegdreht und mit schnellen Schritten in Richtung Scott und Lydia verschwindet. Auf dem Weg rempelte sie noch kurz Stiles an und scheint ihm etwas zu sagen. Dann joggt sie weiter und kommt erst neben dem Alpha zum Stehen.
Theo lehnt sich derweilen locker zu mir herüber und flüstert mir mit einem Grinsen ins Ohr: „Sei schon Mal dankbar dafür, dass ich dir die Freakshow da drin erspart habe." Ich möchte genauer nachfragen. Immerhin scheint er etwas zu wissen. Mehr zu wissen. Doch in diesem Moment verschwindet Malia, Scott und Lydia im Haus, während Stiles mit schnellen Schritten auf uns zu gelaufen kommt und ich ihm buchstäblich ansehen kann, wie blöd er es findet den Babysitter für mich und den gutaussehenden Werwolf zu spielen.
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