On the storm
„Haben alle den Plan verstanden?"
Die energiegeladene Stimme von Scott dringt nur langsam zu mir durch und ich brauche ein paar Sekunden um meine Aufmerksamkeit blinzelnd zurück auf die Gruppe an Teenager zu richten, die sich in diesem Moment im Wohnzimmer des Hauses versammelt haben. Lydia, Malia, Stiles, Theo und Liam. Alle, die die Ghostrider bis jetzt überlebt haben, sind gekommen. Corey, Mason, Hayden. Melissa. Gwen. Sie alle sind in einem grünlichen Nebel verschwunden. Doch im Gegensatz zu mir, konnten wir uns aus irgendeinem Grund an den Erinnerungen an sie festhalten. Ich frage mich, was das für mich - für uns - bedeutet. Ist es ein gutes Zeichen? Ein Zeichen, dass wir Chancen darauf haben sie zu retten? Oder ist genau das Gegenteil der Fall und die Erinnerungen an sie bedeuten, dass auch wir bald ausgelöscht werden. Gedankenverloren richtet sich mein Blick auf Lydia. Sie hatte gesagt, wir beide würden die letzten hier sein. Das die Ghostrider uns nicht auslöschen würden. Vielleicht hat sie Recht. Bei sich selbst. Mich würden die Reiter wahrscheinlich auch ein zweites Mal mitnehmen. Lydia wäre alleine. Wir alle wären dann irgendwie alleine.
„Charlotte?"
Ich muss so in Gedanken versunken gewesen sein, dass ich den allgemeinen Aufbruch überhört habe. Theo, Stiles und Liam stehen im Durchbruch. Ich vermute dass Liam mich gerufen hat. Theo ignoriert mich schon den ganzen Morgen und alles was ich von Stiles bekomme sind misstrauische Blicke. Scott versucht diese so gut wie möglich vor mir zu verbergen, doch auch bei ihm habe ich das Gefühl, dass er das einstige Vertrauen in mich anzweifelt. Nur Lydia scheint noch irgendwie auf meiner Seite zu sein. Ich glaube, auch sie wird sich gegen mich stellen, sobald sie herausfindet, dass ich in Wirklichkeit keine Banshee bin. Ich frage mich, was ich hier überhaupt noch mache. Meine Freunde verlieren das Vertrauen in mich. Ich scheine keine Chance darauf zu haben, dass sie sich langsam an mich erinnern und nach dem gestrigen Telefonat mit meinem Bruder, zweifele ich auch daran, jemals wieder von ihm hören. Ich habe ihn verschreckt und kann es ihm noch nicht einmal übel nehmen, dass er den nächtlichen Anruf ohne ein weiteres Wort beendet hat.
„Charlotte?"
„Alles okay?"
Die Stimmen von Liam und Lydia mischen sich und reisen mich erneut aus meinen Gedanken. Blinzelnd kehre ich in die Wirklichkeit zurück und langsam nicke ich. „Alles gut," ich versuche mich in einem mutigen Lächeln, schaffe es jedoch nicht ganz meine Mundwinkel nach oben zu ziehen. Stattdessen senke ich peinlich berührt den Kopf und lasse mir meine dunklen Haare ins Gesicht fallen. „Dann lasst uns gehen," Stiles hört sich genervt an, ein Gefühl, das ich eigentlich nicht von ihm kenne. Normalerweise ist er geduldig. Jetzt jedoch wippt er unruhig mit den Füßen und lässt seinen Blick immer wieder von mir zu der Haustüre schweifen. „Charlotte du kommst mit uns," informiert mich Liam mit einem schwachen Lächeln und zustimmend nicke ich. Stiles ist schon längst aus der Türe gestürmt, dicht gefolgt von Theo, der mir noch immer keinen zweiten Blick schenkt. Ich nicke Scott, Malia und Lydia kurz zu, bevor ich mich zögerlich in Bewegung setze und Liam nach draußen folge. Ich glaube sie haben einen Plan. Trotzdem traue ich mich nicht, diesen zu hinterfragen, weil das bedeuten würde, zugeben zu müssen, dass ich die letzten Minuten in meinen Gedanken versunken war. Sicherlich hat Scott alles ausführlich erklärt. Schon jetzt kann ich mir Stiles genervten Gesichtsausdruck vorstellen, wenn ich den Plan ein weiteres Mal hinterfrage.
„Wir fahren mit meinem Jeep," sagt Stiles in diesem Moment und hält demonstrativ seine Schlüssel in die Luft. Mein Blick wandert zu dem blau-schwarzen Jeep, den Stiles schon seit Ewigkeiten fährt. Das Auto ist schon mehrere Jahre alt und der Motor besteht in der Zwischenzeit wohl schon mehr aus grauem Tape, als aus mechanischen Teilen. Trotzdem möchte Stiles das Auto nicht aufgegeben und in der Zwischenzeit gehört der Jeep irgendwie zu der Persönlichkeit des Teenager. Genauso wie sein Baseballschläger und das dunkelrote Lacrosse Trikot, obwohl er damit meistens nur auf der Ersatzbank sitzt. Erneut stelle ich fest, wie gut ich den Jungen kenne. Umso mehr schmerzen die kurzen misstrauischen Blicke, die er mir immer wieder zuwirft. Ich dachte, unsere Freundschaft könnte alles besiegen. Auch die Ghostrider.
„Kommst du Charlotte?"
Die unruhige Stimme von Liam dringt an mein Ohr und ich kann sehen, dass er sich bei der Beifahrertüre locker an die Wagenkarosserie lehnt und dabei unruhig mit den Fingern auf das Blech trommelt. Stiles sitzt schon im Wagen, wirft jedoch noch einen kurzen Blick auf sein Handy. Theo steht ebenfalls noch neben dem Auto und beobachtet mich. Ihm scheint aufzufallen, dass ich heute gedanklich überraschend abwesend bin. An seinem Blick erkenne ich, dass er herauszufinden versucht, wieso. Doch ich glaube, dass er mich nach seinem gestrigen Geständnis nicht darauf ansprechen wird. Dass er mich überhaupt noch einmal ansprechen wird. Erneut schweifen meine Gedanken ab und ich erwische mich selbst dabei, wie ich mein Dasein ein weiteres Mal anzweifele. Stiles vertraut mir nicht mehr, seit dem er erkannt hat, dass ich von Dingen weiß die nur enge Freunde wissen können. Scott ist aus denselben Gründen misstrauisch, auch wenn er es besser zu verstecken weis. Clay habe ich mir der Wahrheit verschreckt und mich seit dem letzten Anruf nicht mehr getraut über unsere Beziehung nachzudenken. Da auch er sich nicht noch einmal gemeldet hat, glaube ich meine einzige Chance mit ihm verspielt zu haben. Und Theo...er hat sich mit seinem emotionalen Geständnis gestern Nacht selbst überrascht und scheint nun Angst zu haben, dass ich das intime Wissen über ihn einsetze um ihm zu schaden. Nur der Gedanke an Lydia erfüllt mich wenigstens noch ein bisschen mit Hoffnung. Sie ist noch immer im Glauben, dass ich eine Banshee bin, wodurch sie mir instinktiv vertrauen zu scheint. Ich frage mich, wie lange ich dieses Geheimnis noch vor ihr waren kann.
„Charlotte!"
Liam's Stimme klingt genervter. Er wartet, bis ich meinen Blick hebe und auf ihn richte, bevor er eine Geste in Richtung Auto macht und anschließend selbst einsteigt. Die Türe fällt hinter ihm laut ins Schloss und kurzzeitig richte ich meinen Blick auf Stiles, der das Telefonat in der Zwischenzeit beendet hat, eingestiegen ist und sich nun Liam zuwendet. Sie verfallen in ein kurzes Gespräch. Als ich bemerke, dass sie mir zwischen ihren Worten immer wieder Blicke zuwerfen, setze ich mich peinlich berührt in Bewegung. Sie reden über mich und in diesem Moment verwundert es mich noch nicht einmal. Ich versuche ihre Blicke so gut wie möglich zu ignorieren und steuere stattdessen das Auto an. Dabei bemerke ich Theo, der noch immer neben dem Wagen steht. Er hat sich noch immer nicht die Mühe gemacht dem Beispiel der zwei anderen Jungen zu folgen und einzusteigen. Ich frage mich wieso.
Der Kies raschelt unter meinen Sohlen und tief atme ich durch. Der Himmel hat sich zugezogen und ich spüre den kalten Wind, der unter meine Jacke krabbelt und mich leicht erzittern lässt. Ich laufe an Theo vorbei und spüre für wenige Sekunden die Wärme, die sein Körper ausstrahlt. Dann bin ich am Auto angekommen und meine Hand legt sich auf den Türgriff. Kurzzeitig schweift mein Blick zu den Vordersitzen. Liam und Stiles haben ihre Augen auf mich gerichtet, wenden ihre Köpfe jedoch schnell von mir ab, als sie meinen Blick bemerken. Ich frage mich, was sie dieses Mal über mich erzählen.
Plötzlich legt sich eine Hand auf meine Schulter und erschrocken zucke ich zusammen. Ich kann Theo dicht hinter mir spüren. Seine Körperwärme umhüllt mich und tief atme ich durch. Seine Finger streichen sanft über meinen Nacken und ich kann spüren, wie er den Kragen meiner Jacke leicht zur Seite schiebt.
„Was ist passiert?"
Es ist das erste Mal, dass Theo seit gestern Nacht mit mir spricht. Seine Stimme klingt rau, als hätte er sie in der letzten Nacht überstrapaziert. Seine warmen Fingerkuppen streichen sanft über meine Haut und ich erzittern unter seiner vorsichtigen Berührung. „Was meinst du," in meiner Stimme schwingt ein angespanntes Zittern mit und widerwillig winde ich mich aus seiner Berührung. Seine Finger rutschen von meiner Haut und langsam drehe ich mich zu Theo um. Er steht nur wenige Zentimeter von mir entfernt und ich muss meinen Blick leicht anheben, um in seine Augen schauen zu können. Ein leichter Bartschatten hat sich über sein Kinn gelegt und seine dunklen Haare sind ordentlich nach oben gekämmt. Er sieht besser aus als gestern Nacht und doch muss ich automatisch an den verletzlichen Jungen und sein Geständnis denken. Eine Bewegung reist mich aus meiner Beobachtung. Theo hat meine Hand umgriffen und wo er noch Sekunden zuvor meinen Blick erwidert hat, hat er seine Augen nun auf meinem Arm gerichtet. Erneut legen sich seine Finger auf meine Haut und mit einer geschickten Bewegung schiebt er den Ärmel meiner Jacke wenige Zentimeter zurück.
„Es ist schlimmer geworden," seine Finger fahren vorsichtig über die schwarzvernarbte Haut und für wenige Sekunden richte ich meinen Blick auf sein Gesicht. Er hat die Augen auf meinen Arm gerichtet und wirkt nachdenklich. Ich spüre seine kreisenden Bewegungen auf meiner Haut und realisiere, dass Theo die vernarbte Haut an meinem Nacken entdeckt haben muss. Ich muss schwer schlucken und lasse meinen Blick zurück auf meinen Arm schweifen. Das Narbengewebe hat sich ausgebreitet. Es zieht sich nicht länger nur über meinen Unterarm. Es hat sich auf meiner Handinnenfläche ausgebreitet und Theos Blick beweist mir, dass es meine Schulter hochgeklettert sein muss. Es hat sich auf mein Schlüsselbein gelegt und selbst die Haut in meinem Nacken befallen. Ich fühle mich unwohl. Schlecht. Und doch beruhigt mich Theos sanfte Berührung.
„Ich habe Clay die Wahrheit gesagt," murmele ich jetzt leise vor mich hin und beobachte Theos Hand, die sich nun langsam von meinem Arm zurückzieht. Mit seiner Berührung verschwindet auch seine Wärme und die Kälte des Tages ergreift erneut meinen Körper. Mein Blick bleibt auf meinem Unterarm liegen, während Theo einen winzigen Schritt von mir zurücktritt. Plötzlich bereue ich meine Ehrlichkeit. „Er hat dir nicht geglaubt oder?" Ich schüttele als Antwort leicht mit dem Kopf und hebe den Blick. Theo wirkt nachdenklich und ich frage mich, wieso er automatisch vermutet, dass mein Bruder mit Unverständnis auf mein Geständnis reagiert hat. Immerhin war es doch er gewesen, der mir anfangs dazu geraten hatte, bei dem Kampf um meine Existenz auf meinen Zwillingsbruder zu setzen.
„Du fängst an dich aufzulösen."
„Aufzulösen?"
Theo hebt den Blick und schaut mir direkt in die Augen. Ich habe das Bedürfnis seinem drängenden Blick zu entkommen, halte ihm jedoch stand. „Die Ghostrider haben dich ausgelöscht. Es gibt dich nicht mehr," ich ziehe verwundert die Augenbrauen zusammen und falle dem Jungen widersprechend ins Wort: „Aber ich stehe hier." Er schüttelt leicht mit dem Kopf, wodurch sich eine einzelne Strähne aus seiner perfekten Frisur löst und ihm wirr ins Gesicht fällt: „Irgendetwas ist schief gelaufen. Du dürftest gar nicht mehr hier sein," seine Augen bohren sich in meine und ich glaube eine Entschuldigung in seinem Gesicht ablesen zu können, „Du dürftest gar nicht mehr existieren." Mein Kinnladen fällt herab und automatisch möchte ich dem Teenager widersprechen. Im selben Moment ertönt jedoch ein dumpfes Klopfen hinter mir und überrascht fahre ich herum. Stiles hat sich ans Fenster gelehnt und mit dem Knöcheln gegen das Glas geklopft. Jetzt, wo ich und Theo unsere Aufmerksamkeit auf den Jungen richten, macht er eine demonstrative Handbewegung in Richtung Auto. Er möchte dass wir einsteigen und sein genervter Blick zeigt mir, dass er endlich los möchte. Wir stehen nun schon seit mehreren Minuten hier und ich kann seine Unruhe verstehen. Ich nicke ihm kurz zu, bevor ich mich an Theo vorbeidrücke und die Autotüre öffnen möchte. Seine hervorschnellende Hand hindert mich daran.
„Du musst aufpassen Charley," mein Blick fährt zu dem Jungen, der mich besorgt mustert. „Du wirst langsam zu einem von Ihnen und das bedeutet, dass wir nicht mehr lange haben, um dich zu retten."
Er drückt sich an mir vorbei, öffnet die Autotüre und lässt sich auf die Rückbank fallen. Fassungslos starre ich ihm nach, unfähig mich zu bewegen. Seine Worte hallen unheimlich in meinem Kopf nach und lassen meinen gesamten Körper erzittern. Erst ein erneutes Klopfen an das Autofenster lässt mich zusammenzucken und zurück in die Wirklichkeit kommen. Ich richte meinen Blick auf Stiles, der mit einem Tippen auf sein Handgelenk andeutet eine Uhr zu tragen und Zeit zu verlieren. Ich nicke ihn zu. Fahre mir aufgewühlt durch die Haare, bevor ich mit überhasteten Bewegungen in das Auto einsteige und mich wortlos neben Theo auf die Rückbank fallen lasse.
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Tut mir leid dass ich er so spät Update aber im Urlaub hatte ich nur sehr bedürftiges WLAN. Dafür bekommt ihr heute gleich zwei neue Kapitel und mit diesem Spirit wünsche ich euch allen ein schönes neues Jahr.
Lg CoolerBenutzername
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