An actor
„Das kannst du ihnen nicht verraten," meine Hand umfasst den Arm von Theo und mit all' meiner Kraft ziehe ich den großen Jungen mit mir den Gang entlang. Somit entfernen wir uns von der Umkleidekabine, in der Stiles und Scott wahrscheinlich noch immer über mich reden. Ich würde mich wesentlich besser fühlen, wenn wenigstens noch Lydia mit ihnen im Raum wäre. Auch sie würde wahrscheinlich nicht sofort meine Partei ergreifen, aber sie würde die beiden Jungen beschwichtigen können. Sie würde sie wahrscheinlich davon überzeugen, mir eine Chance zu geben.
Ich bin mir inzwischen sicher, dass Theo nicht die beste Beziehung zu den Freunden hat, doch ein Wort von ihm, könnte meinen ganzen Plan gefährden. Scott und Stiles würden ihm vielleicht nicht sofort vertrauen, aber ihr Misstrauen wäre da. Bittend richte ich meinen Blick zurück auf den braunhaarigen Teenager und versuche ihn nur durch meinen Augen anzuflehen.
„Warum nicht?"
Theos lockere Frage überrascht mich. Nicht, weil es etwas wäre dass nicht zu dem groß gewachsenen Teenager passen würde, sondern viel mehr weil ich nicht darauf vorbereitet bin. Ich hatte einen ganzen Tag Zeit um darüber nachzudenken, was ich Scott und Stiles erzähle. Doch auf die Frage von Theo habe ich keine Antwort.
Denn auch hier hat mein Instinkt schneller eingesetzt als mein Kopf und das einzige getan, das mir in diesem Moment logisch erschienen ist: mein Geheimnis um jeden Preis zu wahren. Ich habe nach einem Impuls gehandelt, wie nur wenige Stunden zuvor als ich den Teenagern meinen richtigen Namen verheimlicht habe.
„Weil," ich versuche mir möglichst schnell eine gute Erklärung einfallen zu lassen und mir nicht anmerken zu lassen, dass ich bisher noch selbst keine habe, „weil es nicht funktionieren würde."
„Du bist mit ihnen befreundet richtig?"
„Ja," ich nicke zustimmend, „Nein," mein Nicken wird zu einem abrupten Kopfschütteln, „Sie können sich nicht mehr daran erinnern."
„Dann sag es ihnen."
Seine Lösung klingt lächerlich einfach. Viel zu einfach um Erfolg zu haben. Die Ghostrider sind gefährlich. Sie sind unaufhaltsam und die Wahrheit würde mir in dieser Situation nur bedingt weiterhelfen. Langsam schüttele ich mit dem Kopf und erst jetzt löse ich meine schwitzige Hand von seinem durchtrainierten Arm. Gleichzeitig bemerke ich Theos fragenden Blick und nachdenklich fahre ich mir durch die Haare, bevor ich mich räuspere und dem Teenager versuche zu erklären: „Wenn ich ihnen von unserer Freundschaft erzähle, würden sie nur so tun als würden sie sich an mich erinnern. Aber sie müssen sich wirklich an mich erinnern, damit wieder alles normal wird. Sie müssen sich von alleine an mich erinnern, damit sich auch meine anderen Freunde, meine Eltern, wieder an mich erinnern."
„Erinnerungen allein werden aber nicht ausreichen, um dich zurückzuholen."
Theos Worte überraschen mich. Er klingt nachdenklich. Bedacht. Wissend. Ich lege meinen Kopf leicht schräg und mustert den Teenager, der scheinbar mehr über meine Situation zu wissen scheint, als es anfangs den Anschein gemacht hat. „Wie meinst du das?" „Gwen erinnert sich nur noch an ihre Schwester, weil sie eine emotionale Bindung zu ihr hat. Nur wenn diese stark genug ist, könntest du es schaffen dein altes Leben zurückzubekommen." „Und du glaubst meine Beziehung zu Scott und Stiles ist nicht stark genug?"
Meine Stimme klingt fast schon höhnisch. Es stört mich, dass der Junge mir meine einzige Hoffnung rauben möchte. Es macht mich gerade zu wütend. Dabei kennt er weder mich, noch meine beiden Freunde.
Jedoch scheint Theo meinen plötzlichen Gefühlsumschwung bemerkt zu haben. Er hebt die Hände verteidigend vor seine Brust und wendet beschwichtigend ein: „Ich sage nur, dass es vielleicht einfacher wäre diese emotionale Bindung bei deiner Familie zu finden," er zuckt locker mit den Schultern, „Vielleicht solltest du mit deinem Bruder anfangen. Clay? Ihr seit Zwillinge, richtig?"
Seine Worte klingen überraschend einleuchtend. Nur habe ich keine Ahnung wo meine Familie ist. Ob mein Bruder überhaupt noch am Leben ist.
Ich nehme mir vor, mich nicht von einer kindlichen Hoffnung übermannen zu lassen, solange ich keine sicheren Informationen über meinen Bruder haben.
Mein Herz macht bei diesem Gedanken einen nervösen Sprung und ich schlucke schwer. Gleichzeitig spüre ich jedoch Theos Blick auf mir. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und die Augenbrauen abwartend nach oben gezogen. Mir fällt seine Frage wieder ein und ohne zu Zögern antworte ich: „Ausgelöscht," ein tiefer Atemzug, „Er wurde ausgelöscht. So wie ich."
Theo nickt.
Ich bin mir nicht sicher, ob er meinen Worten glauben schenkt. Ob er mir glaubt. Doch in diesem Moment geht er nicht weiter auf meine Aussage ein, worüber ich unglaublich erleichtert bin. Stattdessen entschränkt er die Arme und wirft mir einen langen Blick zu. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken und mit verbissenem Blick versuche ich seinem Blick standzuhalten.
„Du willst Scott also die ganze Zeit anlügen?"
Ich schaue Theo in die Augen und versuche in seinem Gesicht irgendetwas abzulesen. Ich möchte herausfinden, welche Antwort er in diesem Moment von mir hören möchte. Doch erneut lässt sich keine Gefühlsregung in seinem Gesicht ablesen. „Wenn ich genügend Zeit mit ihnen verbringe, werden sie sich wieder an mich erinnern," ich nicke mir selbst zu, um meine Worte glaubhafter wirken zu lassen, „Und dann werde ich Ihnen alles erzählen. Aber dafür müssen sie sich erst an mich erinnern."
„Und du musst dafür noch besser werden," Theos Einwand bringt mich aus dem Konzept und verwundet richte ich meinen Blick auf den braunhaarigen Jungen. „Was?"
„Im lügen. Ich konnte vorher 10m gegen die Windrichtung riechen, dass du Scott nicht die Wahrheit erzählst."
Es ist die Art wie er redet.
Die Art wie er sich ausdrückt.
In meinem Kopf macht es plötzlich 'Klick' und ich starre den Jugendlichen vor mir mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Du bist wie Scott." Theo versteht sofort was ich mit meinen Worten meine. Er legt den Kopf leicht schräg und verzieht seine Lippen zu einem überlegenen Lächeln. „Natürlich bin ich wie Scott," mit diesen Worten blinzelt er und beim nächsten Augenaufschlagen hat sich die Farbe seiner Pupillen verändert. Sie strahlen in einem unnatürlichen gelb und ich bilde mir für wenige Sekunden ein, dass sich sogar seine Eckzähne minimal in die Länge ziehen. Ich möchte instinktiv von dem Jugendlichen zurückweichen. Nicht weil mich seine wahre Gestalt überrascht. Auch Scott hatte sich schon vor mir verwandelt. Mit ihm Derek und ein mir damals noch unbekannter Junge namens Isaac. Ich weiß, wie es aussieht wenn sich ein Mensch in einen Werwolf verwandelt und doch rät mir mein Instinkt in diesem Moment zur Flucht. Es kostet mich Überwindung, diesem menschlichen Fluchtinstinkt zu widerstehen und den Blick des Teenagers standhaft zu erwidern. Das scheint Theo positiv zu überraschen. Er blinzelt kurz und die unnatürlich gelbe Färbung seiner Augen schwindet.
„Heute Abend, kurz vor elf," er nickt mir kurz zu, „wir treffen uns hier."
Mit diesen Worten dreht er sich von mir weg und macht Anstalten den dunklen Gang und somit mich hinter sich zu lassen. Jedoch bin ich schneller. Ich mache einen Schritt auf ihn zu und rufe ihn fragend nach: „Uns?" Wie erwartet lässt meine Frage den Jungen kurz innehalten und obwohl er sich nicht zu mir umdreht, frage ich genauer nach: „Du willst mir helfen?"
Theos Schultern heben und senken sich. Er scheint einen tiefen Atemzug zu nehmen, bevor er sich erneut zu mir umdreht. „Ja," er macht eine kurze Pause um seinen Wort mehr Aussagekraft zu verleihen, „ich werde dir helfen."
„Wieso?"
Diese Frage kommt mir schneller über die Lippen, als ich über sie nachdenken kann und doch scheint Theo nicht sonderlich überrascht über mein misstrauisches Nachfragen. „Scotts Freunde sind auch meine Freunde," der Junge zuckt locker mit den Schultern, als würden diese Worte jedes Misstrauen verschwinden lassen. Doch wieder spreche ich schneller, als ich darüber nachdenken kann.
„Ich kenne Scott und Stiles nun schon fast mein ganzes Leben lang. Sie können dich nicht ausstehen und vertrauen tun sie dir auch nicht," ich stemme die Hände in die Hüften, in der Hoffnung dem Teenager dadurch die Wahrheit entlocken zu können, „Also warum möchtest du mir helfen."
Ich sehe wie sich Theos Kiefermuskeln anspannen und er sich ein Lächeln erzwingen muss. Scheinbar hat er nicht damit gerechnet, dass ich seine Lüge durchschaue. Ich sehe, dass er kurz zögert, bevor er antwortet: „Du brauchst Hilfe," bevor er weitersprechen kann, falle ich ihm wissend ins Wort, „Und du brauchst jemanden, dem Scott vertraut." Ich lache humorlos auf und verschränke die Arme vor der Brust. Ich sehe in Theos Haltung, dass ich mit meiner Vermutung recht habe und plötzlich durchfährt mich eine Welle voller Selbstbewusstsein.
„Du möchtest mir helfen, damit ich dann ein gutes Wort für dich einlegen kann," ich lege den Kopf leicht schräg, „Du möchtest Scotts Vertrauen."
Theo zieht angesichts dieser Schlussfolgerung die Augenbrauen nach oben. Obwohl er mich unbeeindruckt mustert, habe ich das Gefühl, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege. Er möchte meine jahrelange Freundschaft mit den Jugendlichen ausnutzen, um erneut in Scotts Gunsten zu stehen. Zum ersten Mal stellt sich mir die Frage, was zur Hölle der Jugendliche verbrochen haben muss, um das Misstrauen meiner Freunde auf sich zu ziehen.
„Du hast Recht," wendet Theo in diesem Moment nachgebend ein, was mich ehrlich gesagt überrascht, „Ich und Scott hatten ein paar," er macht eine nachdenkliche Pause, „sagen wir mal Schwierigkeiten. Und nun weiß ich ein paar Dinge über die Ghostrider und du hast gewisse Beziehungen," er legt den Kopf leicht schräg und mustert mich mit einem angedeuteten Lächeln, „Also...warum helfen wir uns dann nicht gegenseitig?"
Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken als Theo seine Zähen entblößt und mir ein schmales Lächeln schenkt. Etwas bedrohliches, böses, schwenkt in seiner Haltung mit und doch kann ich in diesem Moment nur an eins denken: dem Bann der Ghostrider entkommen. Mit Theos Hilfe könnte es mir tatsächlich gelingen. Ich habe keine Ahnung, was an dem Teenager so besonders ist, doch er kann sich noch immer an mich erinnern. Er kennt mich, obwohl ich auch für ihn eine Fremde sein müsste...und er scheint Informationen über die Ghostrider zu besitzen, an die ich sonst nie gelangen würde.
„Heute um kurz vor elf hier?"
Ich weiß das meine Frage und mein gleichzeitiges Nicken Antwort genug ist. Ich willige ein mit dem Jungen zusammen zu arbeiten, ohne ihn wirklich zu kennen. Doch in diesem Moment kann ich keinen Gedanken an Vorsicht verschwenden. Stattdessen spüre ich das nervöse Kribbeln in meinem Bauch und das unruhige Zucken meiner Muskeln. Ich werfe einen kurzen Blick an mir herunter, um mich zu versichern, dass meine Glieder nicht in einer Wolke grünen Rauch verschwinden. Alles bleibt normal und als ich meinen Blick wieder hebe, ist Theo bereits wortlos aus dem abgelegenen Gang verschwunden.
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