∆ Jeder hat sein Päckchen
Im Klassensaal angekommen richtet sich mein kurz auf Alex. Mit seiner blutigen Nase macht er Rudolf dem Rentier Konkurrenz.
Natürlich verdreht er die Augen, als ich rein komme. Bryden hingegen schaut mich nicht an, sondern starrt weg.
Als ich mich neben ihn setze fühlt es sich unangenehm an. „Em...motionen überfordern mich als Mal",gebe ich zu. War eigentlich kaum übersehbar. „Ich kann mit Wut nicht umgehen. Das mit meinem Bruder hat ein Trauma in mir ausgelöst. Jeder hat sein Päckchen", meint er und sieht mich immer noch nicht an.
Ich äußere auch nichts mehr dazu. Wieso sollte ich? Außerdem sollte ich aufhören mir Hoffnung zu machen. Vielleicht ist es auch besser wenn ich mich von ihm fern halte. Bei ihm habe ich keine Ahnung, wie ich mit ihm umgehen sollte. Meine Gefühle spielen einfach komplett verrückt und meine Angst vor ihm etwas Falsches zu sagen ist immens.
Bis nach Unterrichtsschluss fließt kein einziges Wort über unsere Lippen. Danach aber spricht mich Bryden nochmals an. Eigentlich will ich nicht mit ihm reden, doch Andernseits möchte ich nicht unhöflich wirken. „Alles Ok? Geht es dir nun besser?", fragt er.
Ziemlich gleichzeitig stehen wir auf. Verdammt ist er riesig. Neben ihm fühle ich mich wie ein Zwerg.
„Alles gut", antworte ich und grinse leicht, um freundlich zu wirken. Das Gespräch am Laufen zu halten, dafür habe ich jedoch keine Lust. Nichts gegen ihn, aber ich schätze eh nicht, dass ich überhaupt eine Chance bei ihm habe. Und mir eine Chance auszumalen macht kein Sinn, da man eh nur enttäuscht wird.
Heute Nachmittag habe ich aber endlich einen Grund zur Freude- mein Vater wurde endlich aus der Suchtklinik entlassen.
Seit dem er, als ich 13 Jahre alt war, seinen Job verloren hatte, rutschte er allmählich immer mehr in die Alkoholsucht. Doch aus der Alkoholsucht würde irgendwann eine Sucht nach Gras und anschließend nach härteren Drogen.
Anschließend stellte Mama ihn vor die Entscheidung- entweder er lässt sich helfen oder er wird uns nie wieder sehen. Er entschied sich für uns und machte einen Entzug, welcher lange andauerte. Eine Sucht zu bekämpfen ist hart und zeitaufwendig.
Umso fröhlicher bin ich ihn nach neun Monaten wieder zu sehen.
Die letzten zwei Jahre vor der Einweisung habe ich ihn kaum gesehen. Er war nie Zuhause und wenn war er seltsam, nicht er selbst. Bevor er der Sucht verfiel war er ein toller Vater, wir haben immer etwas unternommen und ich hatte eine schöne Kindheit.
Er hat nicht Mal mein Outing mitbekommen. Es gab einfach kein passender Zeitpunkt.
Schätzungsweise hat er eh wenig von meinen Teenagerjahren mitbekommen. Das Schönste wäre für mich aber, wenn er nüchtern an meinem 18. Geburtstag und an meinem Abiball nächstes Jahr ist.
Der heutige Tag verläuft vielversprechend. Mein Vater geht es wieder gut, zumindest hat es den Anschein. Ein breites Lächeln trägt er im Gesicht als wir uns umarmen. Vorher war er abgemagert durch den Drogenkonsum. Mittlerweile sieht er gesund aus, hat Farbe wieder im Gesicht, seine Hände zittern weniger und er wirkt wieder, wie neu.
Es macht mich glücklich ihn so zu sehen und ich hoffe, dass dieser Zustand bei ihm auch länger anhält. Selbst Mama wirkt total glücklich. Sie hat lange nicht mehr gelacht. Ihr hat es viel zu schaffen gemacht, vor allem gab sie sich selbst die Schuld und wirft sich vor nicht genug für ihn da gewesen zu sein, als er seinen Job verloren hat.
Arzthelferin, Ehepartnerin und Mutter sind drei harte Tätigkeiten, die man nicht unterschätzen darf. Sie war einfach selbst überfordert. Wir sind halt Menschen und wir machen Fehler.
Den ganzen Tag erzählt mir Papa Geschichten aus der Klinik, macht mir Versprechungen, dass nun alles besser werden würde.
Wäre es nur so leicht, wie es im Moment zu sein scheint.
Abends ist Papa sogar noch so top motiviert Bewerbungen für mögliche zukünftige Arbeitsplätze zu schreiben.
Ich wünsche es ihm, dass er es schafft...
Wie Bryden sagte:„Jeder hat sein Päckchen zu tragen."
Das Gefühl seinen Bruder zu verlieren muss hart sein. Mir tut er irgendwie leid. Wahrscheinlich habe ich heute ein wenig überreagiert, denn schließlich wollte er mir nur helfen.
Ich muss endlich lernen härter zu werden und mich mehr im Griff zu haben...
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Hi
Ja dieses Kapitel ist einmal etwas kürzer, aber dafür ist das nächste Kapitel länger.
Christella will ich absichtlich am Anfang als unsicher, noch kindlich, noch leicht naiv darstellen und sie dann langsam reifer werden lassen.
Ich habe eh einiges zur Version vorher abgeändert, beziehungsweise schreibe ich es sozusagen komplett neu. Mich hat einfach zu viel gestört, dass ich es nicht mit einer Bearbeitung hinbiegen hätte können.
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