Prolog
Schweißgebadet und erschrocken reißt der junge Mann namens Karl die Augen auf. Es bedarf einiger Augenblicke der Realisierung, ehe er sich seines nun wachen Zustandes gewahr wird. Mehrere tiefe Atemzüge holend, streicht sich der eben noch Schlafende unter der Bettdecke über seinen schweißbenetzten Körper. Es ist ein schrecklicher Albtraum gewesen, was für Karl allerdings bei Weitem keine Seltenheit mehr darstellt. Für ihn fühlt es sich so an, als wäre die letzte Nacht, ohne solche Bilder bereits unsagbar lange her. Als er dann endgültig realisiert, dass das vorher gesehene lediglich ein furchtbarer Traum gewesen ist, schiebt sich der junge Mann mit einem geübten Ruck an die Kante seines mit schwarzen Bettlaken bespannten Doppelbettes. Brummend richtet er sich kerzengerade auf. Das Handy, welches auf Karls hölzernen Nachtisch über Nacht geladen hat,zur Hand nehmend, versucht der junge Mann sich an die Bilder des Albtraumes von vorheriger Nacht zu erinnern. Da sind Wissenschaftler gewesen, die an Menschen Experimente durchgeführt haben. Schwerbewaffnete Wachen, die eben jene Versuchskaninchen von A nach B transportiert haben. Und da ist eine Farbe gewesen. Karl könnte schwören, dass ihm etwas in Orange aufgefallen ist. Je weiter die Minuten voranschreiten, desto mehr der inneren Bilder verschwimmen im Bewusstsein des jungen Mannes. Zerfallen in immer winziger werdende Fragmente.
„Ach komm", murrt Karl achselzuckend und überprüft sein Smartphone auf etwaige Nachrichten, die ihn eventuell über Nacht erreicht haben. Fehlanzeige.
„Nicht verwunderlich", denkt sich Karl, streckt seinen Oberkörper und steht herzhaft gähnend vom Bett auf.
„Schließlich ist Montag. Sonntag Nacht ist kaum einer meiner Leute unterwegs", führt Karl seinen Gedankengang zu Ende und kleidet sich vor seinem mannhohen Spiegel für den Tag ein. Danach sieht er sich einem kahlrasierten jungen Mann mit grünen Augen, schwarzem Vollbart und Snakebite-Piercings gegenüber. Die beiden Piercings sind sauber links und rechts unter der jeweiligen Unterlippenspitze platziert. Seine breite, sportlich trainierte Gestalt, steht im krassen Kontrast zur offenherzigen Ausstrahlung seines Gesichtes. Einige schlichte Lachfältchen zeichnen sich rechts und links neben seinen Mundwinkeln ab. Die großen offenen, farblich an Smaragden erinnernden Augen, haben nicht selten für fasziniertes Starren innerhalb der Damenwelt gesorgt. Sich selbst mit einem offenen Lächeln verabschiedend, verlässt Karl sein Schlafzimmer. Während er in der Küche den Bestand des Kühlschrankes nach potentiell köstlichem Frühstück überprüft, lauscht der junge Mann nebenher, ob seine Freundin, Evelina, noch Zuhause ist. Keine Geräusche, welche darauf hindeuten würden. Die weiße Wanduhr in der kleinen, lediglich zum Kochen geeigneten Küche, zeigt 09.33 Uhr an.
„Stimmt ja. Sie hat Frühschicht", ruft sich Karl ins Gedächtnis und gibt sich mit zwei gekühlten Bananen zufrieden. Alles in allem verläuft der Morgen des jungen Mannes im perfekten Einklang zu seinem bisherigen Leben. Man könnte behaupten, Karls Leben ist klischeehaft normal. Zumindest fast. Intakte Familie. Eine kleine Schwester. Abitur in der Tasche. Nun inmitten seines Psychologiestudiums, worin die nächste Vorlesung, wie Karl mit einem leichten Schrecken, als er auf die Wanduhr schaut, feststellt, in weniger als einer halben Stunde beginnt. Die zweite Banane hinunterschlingend, sammelt der Student in verhältnismäßiger Windeseile seinen Rucksack. Schlüsselband, Kopfhörer und Geldbörse zusammen und verlässt schnellstens die Wohnung. Glücklicherweise liegt die Universität nur ungefähr 20 Minuten zu Fuß entfernt. Murrend setzt sich Karl die In-Ear-Kopfhörer ein und untermauert seine Hast mit Musik von Rammstein.
Währenddessen
„Was soll das heißen, der Kontakt ist abgebrochen?", blafft die hörbar gereizte seines Meisters durch das Telefon. Sein Herz bleibt für einen unangenehmen Augenblick stehen. Mit wachsender Angst sucht der Angesprochene nach einer passenden Antwort, oder Entschuldigung. Irgendetwas, das ihn aus dieser unangenehmen Situation rettet. Der Meister am anderen Ende der Leitung fährt unbeirrt, jedoch ruhiger fort: „Junger Akolyth. Muss ich Sie daran erinnern , dass dieses Projekt noch nicht unseren Zwecken gemäß stabilisiert wurde?" Der Akolyth antwortet nicht sofort. Er wägt seinen nächsten Worte sehr vorsichtig ab und lehnt sich auf der hölzernen Parkbank zurück. Der sommerlich warme Vormittag, steht durch den blanken Sonnenschein im ziemlichen Kontrast zu der Problematik, die sich durch seinen Fehler, zu einer Gefahr für die Organisation entwickelt.
„Er kann noch nicht sehr weit sein. Ich werde ihn finden", versichert der innerlich verzweifelte Akolyth mit versucht zuversichtlicher Stimme. Stille wird erwidert. Der Mann mittleren Alters betrachtet währenddessen den kleinen grünen Park , welcher sich mitten in der Stadt befindet. Eigentlich ist der Begriff „Park" ziemlich falsch gewählt, da der Platz vielleicht so groß ist wie ein halbes Fußballfeld. Eine handvoll gepflasterte Fußgängerwege unterbrechen die auf einheitliche Länge gestutzte Rasenfläche, in deren Mitte sich ein steinerner, runder Springbrunnen befindet. Ein Jugendlicher, den der Akolyth so unter 19 Jahre alt schätzt, geht eiligen Schrittes und rhythmisch mit dem Kopf nickend an seiner Parkbank vorbei, ohne ihn anzuschauen. Ansonsten gibt es kaum Leute, die sich einer Betrachtung eignen würden.
„Akolyth Dunkel?", meldet sich die Stimme des Meisters erneut. Der Angesprochene schreckt kurz zusammen, bevor er seine Anwesenheit mittels eines knappen Ja's bestätigt.
„Ziehen Sie sich zurück", befiehlt die Stimme knapp.
„Aber, Herr Ra-"
„Ich weiß um Ihre Bedenken. Es werden auch die Reinen in Mitleidenschaft gezogen. Es widerstrebt mir ebenso wie Ihnen, doch wenn wir zu auffällig agieren, rufen wir die Unerwünschten auf den Plan, Außerdem", der Meister holt Luft, ehe er fortfährt:" können wir die Eindämmung ruhig den „Profis" überlassen", beendet der Meister seine Erklärung mit bedeutungsschwerer Betonung auf das Wort „Profis". Überrascht weitet Akolyth Dunkel die bernsteinfarbenen Augen.
„Der Foundation!? Die würden unsere Schöpfung nur quälen und wegsperren. Die ganze Arbeit, die ich in dieses Proje-"
„Akolyth Dunkel, widersprechen Sie mir etwa?" Die Stimme des Meisters bleibt ruhig, jedoch schwingt darin etwas so unheilbringendes mit, dass der Akolyth zutiefst erschaudert.
„N-Nein. Ich bin l-lediglich frustriert, d-dass ich die Arbeit nicht fortsetzen kann", gibt der eingeschüchterte Untergebene kleinlaut zurück.
„An dieserlei Banalität, brauchen Sie keinen Ihrer wertvollen Gedanken verschwenden. Ihr Projekt können Sie jederzeit von Neuem beginnen. Und nun kommen Sie zurück. Es gibt viel zu tun"
„Jawohl, Herr Rass", antwortet Akolyth Dunkel und beendet den Anruf. Er schaut in die Richtung, in die der Jugendliche vorhin gegangen ist.
„Noch einmal jung sein und keine Ahnung von der wahren Hässlichkeit dieser Welt haben", denkt sich das Mitglied des vierten Reiches und verlässt den „Park" in die entgegengesetzte Richtung.
Währenddessen
„Echt wenig los", bemerkt Karl gedanklich, der es vorhin durchaus noch rechtzeitig in die Universität geschafft hat. In der Mathematik-Vorlesung befinden sich mit ihm zusammen elf Kommilitonen. Während der hagere Dozent, dessen Haare ein schütteres Graz aufweisen, den Studenten den Sinn von statistischen Berechnungen und deren Funktionalität in der späteren Praxis versucht zu erklären, geht Karl auf seinem Smartphone die Tagesnachrichten durch.
„Politik-Kram, Gewaltverbrechen, Wetter und Sport. Das Übliche also", murrt der Student sichtlich gelangweilt. Die monotone, dünne Stimmlage des Mathematik-Dozenten trägt nicht sonderlich viel zur Verbesserung der Situation bei. Es ist einer dieser Tage, die vermuten lassen, sie würden nicht enden. Dabei läuft die Vorlesung noch keine Stunde. Bei diesem Start, ist es auch nicht verwunderlich, dass Karl nach der Vorlesung genervten Blickes den Hörsaal verlässt und sich mit einigen Kommilitonen in die gut besuchte Mensa begibt.
„Professor Rüst ist echt die größte Schnarchnase an der Uni", beschwert sich das einzige Mädchen am Tisch, Pia. Eine ziemliche junge Frau mit straßenköterblondem Löckchenhaar. Ihre rehbraunen Augen schweifen durch das Allerlei der Mensa. An den mehr als 15 gräulichen Tischen, worunter einige die Länge einer Tafel aufweisen, sitzen, essen und unterhalten sich eine Menge anderer Studenten aus verschiedener Studiengänge. Ab und an nickt Pia einigen ihrer Freunde lächelnd zu. Sie hat die schweigende Zustimmung ihrer Leute nicht mitbekommen.
„Typisch", denkt sich Karl kopfschüttelnd. Wenn es eines gibt, was man über die junge Studentin sagen kann, so ist sich Karl bewusst, dann dass Pia zwar Leute anspricht, dann jedoch im selben Augenblick von anderen Dingen abgelenkt wird. Trotz alldem mag er sie sehr gern. Sie ist wie eine kleine Schwester für ihn, seit Pia ihn durch einige recht schwierige Zeiten begleitet hat. Doch auch Adrian, der etwas stämmige beste Freund von Karl, hat einen nicht unerheblichen Teil dazu beigetragen, dass der junge Mann heute die Kraft hat, seine Ziele durchzuziehen.
„Adrian, steht unser Treffen morgen eigentlich noch?", fragt der Psychologiestudent mit einem breiten Lächeln. Der Angesprochene, welcher sich just in diesem Augenblick an seinem Eierbaguette gütlich tun will, hebt fragend seinen Blick. Er braucht einige Sekunden, um zu realisieren, was sein bester Freund von ihm möchte. Dann sieht man in Adrians Blick, dass ein Schalter umgelegt wird und die Erwiderung folgt ebenso grinsend. Die Antwort wird aufgrund markerschütternder Schreie, die von außerhalb in die Mensa dringen, überschattet.
Epilog
Klopfen. Klopfen. Schnitzelchen klopfen. Haha... alles klopft. Alles klatscht. Bewegung nach vorne. Hündchen. Hündchen. Platscht hinfort. Huch? Drauf getreten. Plitsch. Platsch. Plitsch. Platsch. So viele Unreine. Un...Rei...Ne...? Rei...Ne...Un...?
Klopfi. Klopfi. Menschi. Menschi. Nicht rennen. Nein. Nicht rennen. Knalli. Knalli. Huch? Unreines Menschi ganz rot. Nicht mehr bewegen. Licht ist aus. Hihi. Noch mehr Menschis. Laufen weg. Nicht weglaufen. Kommen her! Ohh... Das Haus – groß. Großes Haus. Viele Menschis. Alle unrein? Alle unrein. Oh Menschi kommt her. Menschi schreit. Brüllt. Wütet. Wütend. Auf mich? Ohje. Ich böse? Ich töten? Nein, nein. Ich helfen. Menschis unrein. Hat Rassi gesagt. Polo helfen Menschis. Menschi schreit. Huch? Jetzt nicht mehr schreien. Menschi jetzt ruhig. Und rot. Viel rot. Unrein ist weg. Juhu! Ganz viele Menschis im Haus. Polo muss rein. Polo geht rein. Ganz viele Menschis dort. Alle unrein. Polo will helfen... ihnen allen...
Fortsetzung folgt...
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