Chapter 27
(Sicht: Mimi)
Langsam aber sicher steigt Angst in mir auf. Warum ich? Hier?
Die Umgebung, die ich an den Seiten erspähen kann, kommt mir bekannt vor, doch der jemand der vor mir steht, versperrt die Sicht.
"Du wirst dich hier wie Zuhause fühlen", sagt die Stimme. Eine vertraute Stimme.
"Denn du bist ja Zuhause!", kichert sie weiter.
Ich verziehe das Gesicht.
Es ist Park Jongsoo. Und jetzt realisiere ich auch wo ich mich befinde.
Der Schrank, in dem ich sitze, steht in einem Waschkeller. Um genau zu sein, in dem Waschkeller unter meiner Wohnung, in dem ich öfters meine Wäsche wasche.
"Kommen sie doch bitte aus dem Schrank", weist mich Jongsoo an und greift nach meinen Schultern.
Aber bevor ich irgendwas tue, will ich wissen was er vorhat. Deshalb drehe ich mich zur Seite, um seinen Händen auszuweichen und versuche ihm durch mehrere Laute klar zu machen, dass ich etwas sagen will.
"Ach Jaemin, kommen sie doch einfach raus", versucht er es weiter.
Die Augen geschlossen drücke ich mich fester an die Innenwände Schrankes. Ich will einfach nur wissen was hier los ist!
Leider scheint Jongsoo andere Pläne zu haben. Kurzerhand packt er meine Arme und zieht mich mit Leichtigkeit ins Freie.Dafür, dass er so zerbrechlich dünn ist, hat er ganz schön viel Kraft.
"Sie kommen jetzt mit", zischt er, doch ich strampele hektisch mit den Beinen und treffe ihn mit Wucht im Bauch.
Er lässt mich los, wodurch ich mit Wucht auf den kalten Fliesenboden falle und mir den Kopf an der Schranktür stoße. Jongsoo hält inne.
Ich sehe angespannt zu wie er sich aufrichtet und langsam den Blick hebt. Ich kauere vor ihm auf dem Boden und sehe ängstlich zu wie er mich wütend anstarrt.
Mein Kopf pocht und ich wünsche mich sofort zurück in den Schrank.
Kann mir nicht irgendjemand helfen?
(Sicht: Chanyeol)
Selbst als das graue Tageslicht die Stadt in eine trostlose Landschaft verwandelt, ist keine Spur von Mimi zu finden.
Wie lange haben wir jetzt gesucht? Vier, fünf Stunden?
Mit leeren Händen kehre ich zurück zur Hausnummer 9, neben dessen Eingang Soyeon mich erwartet. Ihre Wangen sind gerötet von der Kälte und sie hat die Arme nachdenklich vor der Brust verschränkt.
"Nichts?"
"Nichts. Ich habe bei fast allen Nachbarn nachgefragt, aber keiner von ihren hat sie gesehen und die aus diesem Haus scheinen alle weg zu sein."
Soyeon legt die Stirn in Falten. "Es kann doch nicht sein, das niemand mitbekommen hat, wie sie verschwunden ist."
"Anscheinend schon", meine ich zerknirscht. Ich habe das Bedürfnis auf den Gartenzaun einzutreten, unterdrücke das Gefühl jedoch und schlage vor: "Lass uns wieder reingehen."
Wir betreten das stille Treppenhaus und haben schon den ersten Absatz gemeistert, da bleibe ich abrupt stehen. Was war das?
Soyeon, die hinter mir gegangen ist, läuft fast in mich rein.
"Was ist?", fragt sie.
Ich horche ich die Stille hinein. War das gerade ein Klopfen?
Ich schüttele den Kopf und sage: "Kann sein das ich mich verhört habe, aber da war gerade ein Geräusch-..."
"Nagut, kümmere du dich um das Geräusch. Ich gehe schonmal vor und sehe nach Kira. Die arme war jetzt ganz schön lange alleine", unterbricht mich Soyeon.
Energisch stapft sie an mir vorbei. "Außerdem brauche ich jetzt wirklich einen Kaffee."
Sie lässt mich stehen und ist kurz darauf in der Wohnung verschwunden.
Wie sie meint.
Ich sehe mich um, als das dumpfe Klopfen erneut erklingt.
Es erinnert mich an den Brand vor einem Jahr und daran wie hilflos Mimi vor unserer Wohnung gelegen hat. Und an das Klopfen von damals, Mimis versuch nach Hilfe zu rufen.
Dong.
Dong.
Dong.
Hoffnung keimt in mir auf. Mein Blick fällt auf eine schlichte Tür, gegenüber der Eingangstür.
Ohne mir weitere Gedanken zu machen, gehe ich darauf zu, drücke die Klinke runter und stelle fest das sie offen ist.
Neugierig betrete ich einen engen Flur, von dem aus eine Treppe weiter nach unten führt. Es scheint sich um den Eingang eines Kellers zu handeln.
Das Klopfen ist mittlerweile verstummt, aber ich könnte schwören, dass die Quelle irgendwo dort unten ist, deshalb dringe ich weiter in das kalte Kellergeschoss des Hauses ein.
An den Wänden hängen kleine LED-Lampen, die grell leuchten und die Dunkelheit erhellen. Jemand muss vergessen haben, sie auszustellen, woraus ich schließe, dass vor kurzem jemand hier unten gewesen sein muss.
"Hallo?", frage ich stumpf. Wie erwartet antwortet mir niemand, aber dafür setzt das Klopfen wieder ein. Es ist zaghaft, fast so als hätte jemand Angst auch nur ein leises Geräusch zu machen.
Dem Geräusch folgend gelange ich bald an eine Holztür, die zu meiner Verwunderung nicht abgeschlossen ist. Sie öffnet sich mit einem ohrenbetäubenden Quietschen.
Der Raum dahinter ist weitgehend leer, bis auf ein paar Waschmaschinen, einer Stehlampe, einem Schrank, ein paar Stühlen und… einer gefesselten Person.
Erschrocken mustere ich das Mädchen vor mir, welches zusammengekauert auf einem der Holzstühle sitzt.
Sie trägt eine Jogginghose und einen langen Pulli, wahrscheinlich die Kleidung, die sie trug als sie entführt wurde, und ihre Haare wurden zu einem unordentlichen Dutt zusammengefasst.
Mimi.
Ihre Hände sowie Beine wurden zusammengebunden, ihr Mund mit Panzertape vollgeklebt. Kaum, dass sie mich erblickt, gibt sie einen hohen Laut von sich.
Erleichtert mache ich mehrere Schritte auf sie zu. "Mimi!"
Aber anstatt glücklich zu sein, dass sie jemand gefunden hat, steht in ihren Augen ein ängstlicher Ausdruck.
"Was ist los?", will ich wissen. Ich greife nach ihren Armen, um sie zu befreien, aber sie schüttelt sich energisch und versucht mir etwas mitzuteilen.
Verwirrt mache ich mich daran ihr das Tape vom Mund zu reißen, damit ich sie verstehen kann. Es dauert eine Weile, bis ich es geschafft habe und ihre Bewegungen werden immer hektischer.
Als das Klebeband endlich vollständig entfernt ist, holt Mimi flüchtig Luft und ruft mit aufgerissenen Augen: "Achtung hinter dir!"
Gerade rechtzeitig ducke ich mich zur Seite, da zerscheppert etwas laut über mir. Splitter fliegen über meinen Kopf hinweg und auf meinen Rücken. Vor Schock kann ich mich nicht rühren.
"Wie ist der denn hier hergekommen?", fragt eine gereizte Stimme.
Ruckartig drehe ich mich um.
In der Tür steht ein kahler Mann. Die dürren Gliedmaßen, dunklen Augenringe und der schäbige Sportanzug, lassen ihn jämmerlich schwach wirken, wären da nicht die spitzen Überreste einer zerschlagenen Vase in seiner rechten Hand. Diese lassen ihn eindeutig gefährlicher aussehen.
Es scheint so als er hätte eine Karaffe Wasser nach mir geworfen, denn auf dem Boden sind mehrere Pfützen zu sehen und der gläserne Griff liegt nur einige Zentimeter von meinem Fuß entfernt. Der Boden ist von Glasscherben bedeckt.
Mimi schnappt hörbar nach Luft. Ich schaue zu ihr hoch.
Wir sind beide erstarrt.
Hätte ich mich nicht geduck, wäre ich wohl anstatt der Wand getroffen worden.
Der Mann, den ich als komischen, lochbuddelnden Typen in Unterhemd und Jogginghose, wiedererkenne, hebt drohend eine Faust. Seine Augen leuchten wütend, wenn nicht sogar irre.
"Ich glaube du hast dich verlaufen", wendet er sich scharf an mich.
Ich richte mich auf.
"Ich denke sie haben sich hier unten verirrt“, gebe ich zurück und greife unauffällig nach dem Griff eines Wäschekorbs neben mir.
Mimi und ich tauschen Blicke aus.
Der Mann lacht heiser. "Sie haben hier unten nichts verloren."
"Und sie haben nicht das Recht hier unten jemanden gegen seinen Willen festzuhalten", entgegne ich.
"Sie sind wirklich das Letzte!", zischt Mimi.
Ein gekränkter Ausdruck schleicht sich auf das Gesicht des Mannes.
"Meine Liebe, sie-…"
"Nennen sie mich nicht so!", ruft Mimi empört.
Der gekränkte Ausdruck wechselt zu Trauer, zu Enttäuschung und schließlich wieder zu Wut.
Er ruft: "Sie verstehen mein Handeln nicht, weil sie nicht wissen, wie es ist, sein ganzes Leben alleine zu sein."
Er grinst freudlos.
"Niemanden zu haben, der einen liebt! Immer nur von anderen weggestoßen zu werden!"
Er klingt verzweifelt und verbittert und in mir kommt Mitleid auf.
War Mimis Entführung ein kläglicher Versuch sich aus der Einsamkeit zu befreien?
Mimi schnaubt. "Sie haben recht, ich weiß nicht, wie das ist. Aber was ich weiß ist, dass man Liebe nicht erzwingen kann. Und das was sie tuen ist nicht richtig."
Unser Gegenüber bleckt die Zähne. "Ach ja? Hätten sie ein auch nur ansatzweise so langes Gespräch mit mir geführt, wie jetzt, wenn ich sie nicht nicht entführt hätte?"
Stille.
"Für sie bin ich ein Nichts, das weiß ich, aber ich hatte wenigstens die letzten Stunden jemanden zur reden. Jemand der mir zugehört hat. Und sie werden mir das nicht einfach wegnehmen!"
Ohne Vorwarnung streckt er die zerbrochene Vase vor sich und stürmt überraschend auf mich zu, als wolle er mich damit aufspießen.
Er ist schnell und ich reagiere keine Sekunde zu früh, als ich den schweren Wäschekorb hochreiße und nach vorne schleudere.
Er trifft den Mann am Kopf und dieser geht auf der Stelle zu Boden.
Die zerbrochene Vase fliegt ihm aus der Hand.
Er stöhnt schmerzvoll auf, bewegt sich aber nicht mehr.
Misstrauisch beäugen wir ihn, doch er rührt sich nicht. Seine rechte Gesichtshälfte färbt sich leicht rot.
Ein Rinnsal Blut läuft mir über die Wange, tropft auf den Fliesenboden und ich bemerkte, dass sich ein brennender Schnitt quer über meine Wange zieht.
Die Vase hat mich wohl doch nicht ganz verfehlt.
Ich sehe Mimi an. Ihr Blick ist starr auf den Mann am Boden gerichtet.
Wortlos befreie ich sie von den Panzertape Fesseln und sage schließlich: "Keine Sorge, er lebt noch. Er wird bald wieder aufstehen."
Mimi schüttelt den Kopf, steht auf und überrumpelt mich mit einer Umarmung.
Ihr Körper zittert etwas und sie wirkt unglaublich zerbrechlich. Zögernd erwidere ich die Umarmung.
"Ich glaube wir haben einiges zu Besprechen", sage ich leise.
Sie nickt und murmelt undeutlich: "Stimmt."
Fast so leise, dass es mir entgangen wäre fügt sie hinzu: "Danke, Park Chanyeol."
Dann sackt auch sie zusammen.
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