part four
»Ich habe mich mit den anderen gestritten. Ziemlich heftig und deshalb bin ich abgehauen.«
Jisu rührte sich nicht, sondern wartete, ob er noch etwas hinzufügen möchte. So etwas hatte sie sich schon gedacht. Es aber von ihm bestätigt zu kommen, hatte sie trotzdem nicht gehofft. Streit war etwas, mit dem Soobin nur schwer umgehen konnte. Sie erinnerte sich an früher, als sie eine Auseinandersetzung gehabt hatten. Sie hatten sich angeschrien. Es war auch das erste Mal, dass sie erlebt hatte, dass er laut geworden war. Der Grund für diesen Streit sorgte noch immer dafür, dass sie ein schlechtes Gewissen bekam. Sie war so dumm gewesen und vor allem hatte sie Soobin die Schuld an allem gegeben. Kein Wunder, dass er damals auch einfach abgehauen war. Aber das war eine andere Geschichte.
»Es war dumm von mir, einfach zu gehen. Aber ich war einfach so wütend. Wütend und enttäuscht. Zum Teil wegen den anderen, aber auch wegen mir. Ich habe mich gefragt, ob es das Richtige ist. Ob ich zum Idol geeignet bin und ob ich die nächsten Jahre so weitermachen kann und möchte.« Er seufzte tief, als er seine Gedanken so offen legte. Es fiel ihm eindeutig schwer, darüber zu reden. Jisu kaute auf ihrer Lippe herum und griff nach seiner Hand, weil er damit nervös an seinem Shirt herumfummelte. Auch wollte sie ihm damit sagen: Ich bin da. Sprich weiter. »Es hat eigentlich banal begonnen. Wir haben die neue Choreografie für unseren Auftritt bei den MMAs geübt und ich habe ein paar Fehler gemacht, weil ich nicht gut geschlafen habe und nicht völlig konzentriert war. Eigentlich nicht schlimm, aber aus irgendeinem Grund war Taehyun ziemlich genervt deswegen. Ich hab dann gesagt, dass es mir leidtut und ich heute irgendwie nicht bei der Sache bin. Hueningkai hat dann gemeint, dass es nicht das erste Mal ist, dass ich so viele Fehler mache. Ich glaube, ich hätte das nicht hören sollen, denn er hat es eigentlich zu Beomgyu gesagt.« Soobin schien sich in die Situation zurückzuversetzen, denn seine Miene war angespannt. Jisu drückte seine Hand und drehte sich zu ihm. Sie hatte ein ungutes Gefühl bei dieser Geschichte.
»Ich habe ihn dann aufgefordert, das noch mal laut zu sagen. Schließlich hat sich auch Yeonyun eingemischt und gemeint, dass wir uns beruhigen sollen. Dann habe ich etwas Dummes gesagt.« Er kniff die Augen zusammen. »Ich...Ich bereue das so sehr. Ich habe gesagt, dass er sich nicht einmischen soll, weil er sowieso perfekt ist und nie Fehler macht. Ich bin so ein Idiot. Yeonyun arbeitet so hart für die Gruppe und was mach ich? Wie konnte ich so etwas sagen? Natürlich habe ich mich sofort entschuldigt, doch was mich wirklich verletzt hat, waren Beomgyus Worte.« Er verstummte und legte seinen Arm über seine Augen. Jisu kam nicht umhin, selbst dieses beklemmende Gefühl in ihrer Brustgegend zu spüren. In den Worten selbst lag so viel Reue und Schmerz, dass es ihr das Herz zerriss. Sie richtete sich halb auf und schob seinen Arm auf die Seite. Wie zuvor auch glänzten seine Augen in dem schwachen Mondlicht. Mit aller Kraft wollte er seine Tränen zurückhalten. Das hatte er schon immer getan, doch dafür gab es keinen Grund. Tränen waren kein Zeichen von Schwäche, sondern von Akzeptanz.
»Es ist okay, Soobinie«, murmelte sie und rutschte näher an ihn heran. Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, löste sich eine Träne aus dem Augenwinkel und ran seine Schläfe herab.
Er brauchte einen kurzen Moment, um weitere zusprechen. »Beomgyu sagte, dass ich lieber daran arbeiten sollte, ein guter Leader zu sein, bevor ich andere für deren harte Arbeit kritisiere. Es hat mich nicht nur deshalb verletzt, weil es ausgerechnet von ihm kommt, sondern weil er absolut recht hat.« Oh nein. Von all den Dingen, die er sagen konnte, musste er ausgerechnet das ansprechen? Jisu wusste, dass Soobin immer mit seiner Position als Leader zu kämpfen hatte. Stundenlang hatte sie versucht, ihm Mut zu machen. Das war bei Soobin nicht so einfach. Auch wenn er ein Idol war, gut aussah, singen, tanzen und rappen konnte, war er doch in so vielen Dingen unsicher. Eine dieser Dinge war die Verantwortung als Leader. Er hatte immer daran gezweifelt, dass er dafür geeignet war. Er konnte weder gut Englisch, noch konnte er gute Reden halten. Er war nicht so selbstsicher. Das waren seine Ansichten und deshalb waren Beomgyus Worte so niederschmettern. Jisu bezweifelte, dass er von Soobins Zweifel gewusst hatte. Sonst hätte er so etwas nie gesagt. Da war sie sich sicher. »Soobin, du-« »Nein, Jisu. Ich weiß, was du sagen willst. Er hat recht. Er und die anderen. Ich mache ständig Fehler, bin oft unkonzentriert und bin ein schlechter Leader. Ich denke, dass ich auch kein gutes Idol bin.«
Jisu stockte bei den Worten, presste ihre Kiefer aufeinander und holte mit ihrer Faust aus. Fest schlug sie ihm auf die Brust und erntete ein ernsthaftes »Au« von ihrem besten Freund. Wütend richtete sich Jisu auf. Soobin beobachtete sie verwirrt, während sie sich abermals links und recht neben seiner Hüfte kniete und sich mit ihren Armen abstützte. »Du hörst mir jetzt genau zu und wehe du wagst es, mich zu unterbrechen.« Natürlich wollte er sofort etwas sagen, doch sie hielt ihm einfach den Mund zu. »Du bist der größte Idiot dieses Universums!«, begann sie und sah nur Verwirrung in seinen Augen. »Hörst du dir eigentlich zu, wenn du redest? Ständig Fehler, unkonzentriert, schlechter Leader? Fuck! In erster Linie bist du ein Mensch. Du...mir fällt nicht mal ein passendes Schimpfwort für dich ein, so wütend bin ich.« Jisu pustete sich eine Strähne aus ihrem Gesicht und griff nach Soobins Handgelenk als er Anstalt machte, nach ihr zu greifen. Wie er zuvor auch, drückte sie seinen Arm nach unten. »Menschen machen Fehler, denn Fehler sind menschlich, Soobin. Na und? Dann bist du mal unkonzentriert. Kann passieren. Das Wichtigste daran ist aber, dass dich nichts davon zu einem schlechten Leader macht. Ein schlechter Leader sorgt sich nicht um seine Freunde. Ein schlechter Leader steht nicht für sie ein und denkt nur an sich selbst. Du hingegen sorgst dich um deine Freunde, du verteidigst sie bis zum Schluss und du würdest für jeden Einzelnen sterben. Du bist vieles Soobin, aber kein schlechter Leader. Wenn du noch einmal daran zweifelst, dass du kein gutes Idol bist, dann bekommst du es mit mir zu tun.« Jisu atmete tief ein und starrte Soobin, der fast schon geschockt über ihren Ausbruch war, nieder. Langsam nahm sie seine Hand vom Mund. »Verstanden?«, hakte sie sicherheitshalber noch mal nach. Als er nickte, seufzte sie erleichtert. Ihr Puls war auf 180, so wütend hatte sie es gemacht, dass er wieder an sich gezweifelt hatte, obwohl es keinen Grund dazu gab. Ihr war bewusst, dass noch viele weitere solcher Momente kommen würden, wo er seine Existenz hinterfragte. Wenn es so weit war, dann würde sie an seiner Seite sein. Selbst wenn dies bedeutete, nach Seoul zu fahren und Big Hit Entertainment niederzumachen.
Jisu wollte wieder auf ihren Platz zurückkehren, doch Soobin hatte andere Pläne. Er griff nach ihrer Hüfte und hielt sie so fest. Ihr entkam ein überraschter Laut, als er nach ihrer Hand langte und sie zu sich hinunter zog. Seine Arme schlangen sich besitzergreifend um ihren Körper. Hitze stieg in ihren Kopf, als ihr bewusst wurde, dass sie nichts weiter trug als den Hoodie, der gefährlich hochgerutscht war. Doch Soobin wirkte nicht so, als würde er sie so schnell wieder loslassen wollen. Stattdessen drückte er sie gerade unbewusst fester an ihn. »Soobin«, murmelte sie atemlos, als sich auch ihr Becken näher an ihn schob. Sie war sich nicht sicher, ob es an seiner unschuldigen und naiven Art lag, aber er verstand tatsächlich nicht, was sie hier wegen ihm gerade durchmachte. »Könntest du mich bitte loslassen?«
»Wieso?«, nuschelte er gegen ihren Hals und verursachte eine Gänsehaut bei der Rosahaarigen. Wie konnte sie diesem naiven Jungen klarmachen, dass diese Position für zwei beste Freunde nicht ideal war? "Ich will gerade nicht. Du bist so schön warm und riechst so gut."
Jisu seufzte tief. Das war absolut typisch für ihn. Eigentlich sollten sie solche Aussagen nicht stören. Soobin sagte ständig so etwas Kitschiges. Aus irgendeinem Grund war es dieses Mal aber anders. Ihr Körper reagierte anders als sonst auf ihren besten Freund und ihre Gefühle spielten verrückt, sobald er ihren Namen murmelte, während er sie fest im Arm hielt. Was hatte sich in dem letzten Jahr verändert? Was? "Du bist auch warm und riechst gut", und wie!, „aber deshalb können wir nicht ewig so bleiben." Sie drückte sich langsam hoch, um ihm in die Augen sehen zu können. Sie waren sich so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten.
„Du hast recht." Er lockerte seinen Griff, sodass Jisu von ihm rutschen konnte. Soobin rieb sich indes über die Augen und schien sich langsam wieder zu fangen. »Vielleicht sollten wir schlafen gehen.«
»Guter Vorschlag.« Sie seufzte erleichtert. Sie war nicht nur müde, sondern fühlte sich richtig schlapp. Die ganzen Emotionen hatten sie aufgewühlt. Jisu schlüpfte unter die Decke und starrte nach oben.
»Jisuya?«, kam es kurze Zeit später leise von ihrem besten Freund. Er hatte sich zu ihr gedreht und starrte sie mit seinen dunklen Augen an. Gerade jetzt sah er so unheimlich schön aus, dass ihr warm wurde. Wie sehr sie ihn vermisst hatte, wurde ihr wieder einmal schmerzhaft bewusst.
»Hm?«
»Danke, dass du meine beste Freundin bist und meine Zweifel immer verschwinden lässt.« Er streckte seinen Arm aus und legte seine Hand auf ihre Wange, während er beinahe einschlief. »Danke, dass es dich gibt.« Er lächelte, zog seine Hand zurück und es dauerte nicht lange, da vernahm sie nur noch seinen ruhigen Atem. Zurück ließ er eine Jisu, deren Wangen vor Hitze glühten.
🐢🐇🐨
Als Jisu am nächsten Morgen wach wurde, stand ihr Körper in Flammen, obwohl es Winter war. Der Grund dafür war aber nicht die Heizung in ihrem Zimmer. Nein, sondern der Arm, der sich irgendwann um sie gelegt hatte und sie nun dicht an den dazugehörigen Körper gezogen hatte. Jisu brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass Soobin wirklich hier war und all das von gestern Nacht keine Einbildung gewesen war. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie drückte ihr Gesicht tiefer in das Kissen und rutschte näher an den äußerst durchtrainierten Oberkörper. Ihr war zwar viel zu warm, aber es war auch zu gemütlich, um aufzustehen. Außerdem wollte sie Soobin nicht wecken. Er konnte jede Minute Schlaf gebrauchen. Jisu musste lächeln. So ganz konnte sie noch immer nicht glauben, dass er hier war. Bei ihr. In ihrem Zimmer. Sie war glücklich. Glücklich darüber, endlich wieder ihren besten Freund sehen zu können. Wie von selbst suchte ihre Hand jene von Soobin. Sie verschränkte die Finger mit seinen und verdrängte den Gedanken, dass er in wenigen Stunden wieder auf den Weg nach Seoul sein würde.
»Ich werde dich vermissen, Soobin«, murmelte sie leise und erhielt prompt eine Reaktion. Er rutschte dichter an sie heran, wenn dies überhaupt möglich war. Kurz fürchtete sie, ihn geweckt zu haben, doch als sie weiterhin den gleichmäßigen Atem in ihrem Nacken spürte, atmete sie erleichtert auf. Die Erleichterung hielt aber nicht lange an. Er zog seinen Arm zurück und legte seine Hand stattdessen auf ihr Bein. Weil er schon immer jemand gewesen war, der einfach nicht ruhig schlafen konnte, machte sich diese auf den Weg nach oben. Jisu erstarrte mit geweiteten Augen. Ein tiefes Seufzen ertönte hinter ihr, während sich seine Finger unter ihren Hoodie schoben. Hastig stoppte die Rosahaarige seine Bewegung, indem sie sein Handgelenk ergriff. Nervös schob sie diese nach unten und entschied sich, dass es besser war, doch jetzt schon aufzustehen. Widerwillig, denn prompt verließ sie das warme Gefühl sowie die Geborgenheit, die sie dank seiner Nähe verspürt hatte.
Langsam bewegte sie sich aus dem Bett und machte sich daran, dass Zimmer zu verlassen. Man. Sie hatte echt vergessen, dass er so...aktiv während des Schlafs war. Sie holte tief Luft und streckte sich. Die Sonne, die durch die Vorhänge drang, spendete genug Licht, um Soobins Konturen zu erkennen. Jisu musste lächeln. Er sah so friedlich aus. Keine Zweifel waren ihm ins Gesicht geschrieben. So wie es eigentlich sein sollte. Vorsichtig schloss Jisu die Tür und ging hinunter in die Küche, um sich eine Tasse Tee zu machen. Sie saß auf der Theke und genoss die Ruhe, die in dem kleinen Haus herrschte. Es war kurz vor sieben, weshalb selbst auf den Straßen noch nicht viel los war. Jisu war eine Frühaufsteherin.
Sie wollte gerade ihre Tasse mit beiden Händen umklammern, als ihr Handy klingelte. Normalerweise wartete sie immer, bevor sie abhob. Sie wollte den Klingelton, Crown, so lange wie möglich genießen. Als sie aber den Anrufer sah, hätte sie beinahe ganz klischeehaft die Tasse fallengelassen. Stattdessen verschluckte sie sich heftig an ihrem Tee, sodass sich Tränen in ihren Augen gesammelt hatten. Soobinie leuchtete mitsamt eines peinlichen Bildes provokant auf ihrem Bildschirm auf.
to be continued
✗
Kurze Anmerkung: Ich hoffe, dass sich niemand nach dem Kapitel getriggert fühlt. Ich weiß, dass die anderen Mitglieder nie so etwas sagen würden. Soobin ist der beste Leader, den man sich vorstellen kann. Fakt! :D
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