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04. Mood swings

Jess

Wir saßen noch bis um kurz nach zwölf am Abend zusammen, nachdem Tante Greta und Onkel Pit gegen halb zehn verschwanden, weil sie am nächsten Tag wieder frisch und ausgeruht zur Arbeit gehen mussten. Jedenfalls drückte Greta sich so aus, als sie sich verabschiedeten.

Ich war heilfroh, dass ich noch ein bisschen Zeit mit meinem Bruder und meinen Eltern alleine, ohne die nervenden Gäste, verbringen konnte. Immerhin war es Malcolms Geburtstag, und er hatte diesem schon lange entgegen gefiebert. Volljährig zu werden war ja auch etwas Besonderes.

Ich konnte mich noch sehr gut an meinen achtzehnten Geburtstag erinnern, den ich groß gefeiert hatte. Zwar würde Malcolm das auch tun, aber erst am Wochenende, damit auch jeder seiner Freunde daran teilnehmen konnte. Alle drückten kräftig die Daumen, dass das Wetter mitspielte, denn die Party sollte in unserem Garten stattfinden. Im Sommer standen die Chancen dafür recht gut, also brauchte Malcolm sich nicht unbedingt Sorgen deswegen zu machen.

Nachdem ich meiner Familie eine gute Nacht gewünscht hatte, zog ich mich in das Badezimmer zurück, um die Zähne zu putzen und mein Gesicht einzucremen. Mittlerweile hing im Bad ein zusätzlicher Spiegel, der so tief angebracht war, dass ich in meinem Rollstuhl sitzend, hineinschauen konnte. Anders wäre es auch etwas schwierig geworden, all diese Dinge allein zu bewältigen, aber wir hatten für so Vieles eine Lösung gefunden, an welche ich mich auch recht schnell gewöhnte.

Dazu gehörte auch das selbstständige An-und Ausziehen, das ich in der Reha Klinik gelernt hatte. Jeder, der im Rollstuhl saß, musste damit zurechtkommen, da nicht immer jemand in seiner Nähe sein würde, der ihm dabei helfen konnte. Und ich war weiß Gott nicht darauf versessen, anderen Menschen zur Last zu fallen, schon gar nicht meiner Familie, die ich über alles liebte.

Deswegen ließ ich sie auch nicht an meinen dunklen Gedanken teilhaben, wenn ich in ein tiefes Loch fiel und nicht mehr weiter wusste. Ich hatte es mir angewöhnt, jene Tage einfach in meinem Zimmer zu verbringen und keinen näher an mich herankommen zu lassen. Das schien mir die beste Lösung zu sein.

Nachdem ich meine Zähne geputzt, und das Gesicht eingecremt hatte, rollte ich in mein Zimmer und schloss die Tür leise hinter mir. Meine Eltern waren bereits zu Bett gegangen, Malcolm war zwar bestimmt noch wach, um sich Horror Filme anzuschauen, doch ich wollte nicht mehr Lärm verursachen, als unbedingt nötig.

An meinem Bett angekommen, hievte ich mich aus dem Rollstuhl und griff nach meinem kurzen Schlafanzug mit dem Mickey Mouse Print, der auf dem Kopfkissen lag, um mich dann bettfertig herzurichten. Dies dauerte ganze fünf Minuten, aber schneller ging es nun mal nicht. Ich war froh, dass ich das alleine bewerkstelligen konnte und da ich Zeit im Überfluss besaß, konnte es mir auch egal sein, wie lange ich brauchte, um Klamotten gegen einen Schlafanzug zu tauschen.

Nach dieser anstrengenden Prozedur legte ich mich jedoch nicht schlafen, sondern setzte mich erneut in den Rollstuhl, um zu meinem Schreibtisch zu fahren, auf welchem der Laptop stand. Ich hatte heute Nachmittag, als ich mein Stück von Malcolms Geburtstagstorte verspeiste, meinen E-Mail Posteingang zum letzten Mal überprüft und festgestellt, dass sich keine einzige darin befand.

Eigentlich konnte ich davon ausgehen, dass der Typ, der Tims E-Mail Adresse für sich beansprucht hatte, einem Job nachging, denn wenn er mir um fünf Uhr morgens eine Nachricht schickte, würde er bestimmt anschließend zur Arbeit gehen. Kein Mensch stand freiwillig um diese Uhrzeit auf, ich jedenfalls nicht! Da die Uhr aber bereits nach Mitternacht anzeigte, standen die Chancen auf eine eingegangene Nachricht auf jeden Fall besser. Gespannt darauf, ob ein gewisser Jemand mir vielleicht geantwortet hatte, öffnete ich den Posteingang, um frustriert festzustellen, dass dem nicht so war.

Wieso war ich plötzlich so enttäuscht von jemandem, den ich überhaupt nicht persönlich kannte, und der mir bisher nur eine einzige E-Mail geschickt hatte? Heutzutage checkte doch jeder seine E-Mails mindestens fünfmal, wenn nicht sogar öfter, pro Tag durch. Bestimmt hatte er sie gelesen, oder ich hatte mich mal wieder in der Adresse vertan, was aber nicht sein konnte, da ich einfach auf den Reply Button gedrückt hatte, als ich ihm antwortete.

Sicherheitshalber schaute ich trotzdem nach, mit dem Ergebnis, dass ich die Mail an die richtige Adresse versendet hatte. Die Uhr am Laptop zeigte bereits kurz vor halb eins, er lag wahrscheinlich schon im Bett. Wie hatte ich auch erwarten können, dass ein total Fremder sich für meine Probleme interessieren würde? Wahrscheinlich handelte es sich bei seiner freundlichen E-Mail um eine einmalige Angelegenheit. Damit musste ich nun klarkommen, ob ich wollte oder nicht.

Unmotiviert klickte ich mich noch ein wenig durch das Internet, ohne Plan und ohne Ziel. Irgendwann landete ich schließlich wieder auf der Youtube Seite, um mir dort Ballettvideos anzuschauen. Ich hätte es besser nicht tun sollen, denn es zog mich total herunter. Meine psychische Verfassung glich sowieso einer Müllhalde, doch sich diese Videos anzuschauen, machte es nur noch schlimmer.

Ich spürte, wie Tränen über meine Wangen liefen, die ich jedoch nicht wegwischte, sondern einfach auf meine Arme tropfen ließ. Sie machten mir bewusst, dass ich noch lebte, oder besser gesagt, mein Körper auf dieser Erde verweilte, während ich gleichzeitig seelisch dahinvegetierte.

Mir wurde kalt, ich begann zu zittern, innerlich und äußerlich. Ein leises Schluchzen entfuhr meiner Kehle, als ich mich endlich dazu durchringen konnte, das Video weg zu klicken. So sehr ich auch dagegen anzukämpfen versuchte, mein Innerstes trieb mich in regelmäßigen Abständen dazu, diese Ballett Videos anzuschauen. Es war wie ein Zwang, dem ich nicht entfliehen konnte.

Mit einer fahrigen Handbewegung wischte ich mir nun die Tränen von den Wangen, um dann nach meiner Maus zu greifen. Ich musste mich jetzt irgendwie ablenken und öffnete zu diesem Zweck erneut meinen E-Mail Posteingang, obwohl das eigentlich gar keinen Sinn ergab.

Überrascht starrte ich genau zwei Sekunden auf den Absender der E-Mail, die ich vor wenigen Minuten erhalten hatte. [email protected] NJ hatte mir zurückgeschrieben!
Mein Herz raste vor Freude, voller Spannung öffnete ich die Mail und begann nun zu lesen.

Hallo Jess,
danke, dass du meine Frage warum du ihm Rollstuhl sitzt, so ausführlich beantwortet hast. Es muss schlimm sein, von einem auf den anderen Tag seine Beine nicht mehr spüren zu können, geschweige denn, seinen Traum vom Tanzen aufgeben zu müssen. Seit wann hast du denn getanzt? Du warst bestimmt noch sehr jung, als du damit begonnen hast. Ich finde Ballett sehr schön anzusehen, obwohl ich natürlich überhaupt keine Ahnung davon habe. Wie oft hast du trainiert und wolltest du das beruflich machen? Bitte entschuldige meine vielen Fragen, du musst sie nicht beantworten, wenn es dir zu persönlich ist. Ich möchte dich nur ein wenig besser kennenlernen und über deine Situation Bescheid wissen, denn ich denke, das erleichtert unsere Korrespondenz ein wenig.

Nun möchte ich auch deine Fragen an mich beantworten, damit es nicht so rüberkommt, als ob ich alles von dir wissen will, selbst jedoch nichts preisgebe. Ich muss dir sagen, dass ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man seinen großen Traum aufgeben muss, auch wenn ich dieses Gefühl nur für eine kurze Zeitspanne auskosten durfte. Spürst du meinen Sarkasmus? Ich finde eine Brise davon schadet nie, denn oft macht er das Leben leichter. Es ist ein beschissenes Gefühl, das dir fast den Atem nimmt, und ich habe geheult wie ein Schlosshund. Du denkst, dass deine Welt zusammenbricht und es nichts mehr geben wird, was sie jemals wieder aufbauen kann. Ich durfte diese Emotion genau zweimal durchleben, wobei sich jedes Mal ein neuer Weg fand, den ich weitergehen konnte und auch wollte.

In deinem Fall erweist sich das sicher als sehr schwierig, denn ich vermute, es gibt keinen Plan B, der das Tanzen ersetzen könnte.

Darf ich fragen, seit wann du dieses Kribbeln in deinen Beinen spürst? War es bereits kurz nach dem Unfall da, oder ist es erst später eingetreten? Keine Angst, ich bin kein Medizinstudent, der eine Diagnose stellen will, sondern einfach nur ein Mensch, der an deinem Schicksal interessiert ist. In diesem Zuge möchte ich auch erwähnen, dass ich kein 51 jähriger perverser Sack bin, der Nacktfotos von dir sehen will, im Gegenteil. Es wird keine Webcam Session zwischen uns geben, und ich werde dir auch keine Bilder schicken, auf welchen mein Gesicht zu sehen ist. Ich bin tatsächlich 21 Jahre alt, werde dieses Jahr im September aber 22. Verrätst du mir, in welchem Monat du Geburtstag hast?

Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass mir, als der Name Tim fiel, sehr wohl bewusst geworden ist, dass diese E-Mail nicht für mich bestimmt sein sollte. Ich konnte jedoch nicht aufhören zu lesen, weil mich dein Schreibstil so gefesselt hat und wohl auch, weil ich wissen wollte, wie es weitergehen würde. Aber scheinbar hast du mir das ja nicht übel genommen. Apropos Tim, hat er eigentlich in der Zwischenzeit geantwortet? Ich würde ja auf nein tippen, bitte lass mich wissen, ob ich damit richtig liege!

Ansonsten weiß ich jetzt gar nicht, was ich dir noch sagen soll. Es ist ein bisschen schwierig für mich, da ich noch nie mit solch einer Situation, oder besser gesagt, mit einem Menschen in Kontakt getreten bin, der durch einen Unfall seine Beine nicht mehr spürt. Also sage mir ruhig, wenn ich etwas falsch mache, damit ich es beim nächsten Mal besser machen kann.

Ich würde dich gerne ein bisschen aufmuntern, aber ich weiß nicht, wie ich das tun soll, ohne dass es vielleicht lächerlich wirkt. Wir können uns ja schlecht vorstellen, dass wir zusammen Eislaufen gehen, aber da fällt mir gerade ein, wir könnten uns vorstellen, gemeinsam Eis essen zu gehen. Magst du Eis? Ich liebe es! Ich liebe Essen im Allgemeinen, aber ich bin nicht dick, falls du das jetzt vermutest. Das Hühnchen von Nandos zählt zu meinen absoluten Leibgerichten. Kennst du Nandos? Ich nehme an, ja, denn du hast in deiner letzten E-Mail erwähnt, dass ihr auf dem Weg von London nach Hause wart, als der Unfall passiert ist. Somit vermute ich, dass du auf jeden Fall in Großbritannien lebst, wo Nandos jedem ein Begriff ist. Ich wohne übrigens in London, falls ich nicht gerade beruflich unterwegs bin, wie im Augenblick. Frag mich einfach alles, was du über mich wissen willst, wenn du mir das nächste Mal schreibst, was ich mir sehr wünschen würde.

Liebe Grüße, NJ

P.S.: Ich hoffe, du denkst jetzt nicht: Was für ein Vollidiot – der stellt sich vor, mit mir Eis essen zu gehen!

Beim letzten Satz musste ich unwillkürlich lachen. Er war alles andere als ein Vollidiot, er war einfach genial! Zumindest mochte ich seine Ausdrucksweise total. Nicht jeder Mensch konnte mich mit Worten zum Lachen bringen, und schon gar nicht mehr seit meinem Unfall. Aber er schaffte das mit solch einer Leichtigkeit, dass mir der Atem stockte. Nur alleine seine Frage, ob Tim sich inzwischen gemeldet hätte, machte ihn zu einer Art Verbündeten. Wir wussten beide, was für Idiot mein Ex-Freund war und, dass ich ihm eine nicht gerade nette Mail geschrieben hatte.

Seine Frage, ob ich Nandos kennen würde, empfand ich als vollkommen normal, denn ich hatte ihm ja mehr als offensichtlich mitgeteilt, in welchem Land ich lebte. Er schien meine Nachricht sehr aufmerksam gelesen zu haben, was von einem gewissen Interesse zeugte.

Eigentlich fand ich es gar nicht schlimm, dass er so viele Fragen gestellt hatte, denn dadurch gab er mir die Möglichkeit, dass ich mir einiges von der Seele schreiben konnte. Die Idee, sich vorzustellen, dass ich mit ihm ein Eis essen gehen würde, erzeugte allerdings ein heftiges Hungergefühl in meinem Magen. Ich wusste, dass wir noch Schokoladeneis in der Tiefkühltruhe hatten, welche sich aber im Keller befand, den ich alleine nicht aufsuchen konnte. Das musste nun leider bis morgen, oder besser gesagt, bis später warten.

Meine Augen wanderten erneut über die Mail, sogen die Sätze begierig auf, und transferierten diese in meinen Kopf.

Er wusste also, wie es sich anfühlte, einen Traum aufgeben zu müssen und hatte sogar deswegen geweint. Das machte ihn noch sympathischer, denn ich mochte emotionale Männer und emotionale Menschen im Allgemeinen. Auch sein Sarkasmus fügte sich wunderbar in diese E-Mail hinein, als ob er genau dort hingehörte, voll auf den Punkt getroffen.

Seine Aussage, dass es nie eine Webcam Session zwischen uns geben, und er mir auch keine Bilder zuschicken würde, auf welchen sein Gesicht zu sehen sei, machte mich allerdings super neugierig. Wie mochte er wohl aussehen?

Vielleicht war er hässlich und traute sich deshalb nicht, anderen Menschen Bilder von sich zu zeigen, oder gar eine Video Session zu starten. Obwohl, in meinen Augen gab es keine hässliche Menschen, nur solche, die von der Gesellschaft als jene bezeichnet wurden.

Seit meinen Aufenthalt in der Reha Klinik dachte ich über viele Dinge anders, als noch vor einigen Monaten. Dort hatte ich einige Menschen gesehen, die durch einen Unfall verstümmelt oder verbrannt wurden. Seitdem lernte ich mit meinem Herzen zu schauen und nicht mit meinen Augen, die mich, was Tim betraf, sowieso betrogen hatten.

Tim sah ziemlich gut aus, aber das war es dann auch schon. Eine schöne Hülle, ohne jeglichen Inhalt, diese Bezeichnung traf am besten auf ihn zu. Bei NJ mochte es sich umgekehrt verhalten, doch das störte mich nicht. Wir würden uns sowieso niemals begegnen und somit hatte sich das Thema erledigt. Allerdings ließ sich meine Neugierde nun auf keine Art und Weise besänftigen, ich musste ihn unbedingt fragen, wie er aussah. Zumindest die Augenfarbe und auch die Haare, sowie seine Größe konnte er mir bestimmt beschreiben, ohne sich dabei unwohl zu fühlen.

Im Geiste verfasste ich bereits Teile der E-Mail an ihn, doch vorher wollte ich seine Nachricht nochmals genau durchlesen, damit mir auch nichts entging und ich alles fragen konnte, was mir auf der Zunge brannte.

Mein Schreibstil hatte ihn also gefesselt, eine Aussage, die mich zu einem Lächeln animierte, aber durchaus ein Kompliment, das ich an ihn zurückgeben konnte. Auch seine Sätze lasen sich sehr flüssig, interessant, witzig und trotzdem besaß der Text immer einen Hauch von Einfühlsamkeit, genau die richtige Portion, um es deutlich zu machen.

Irgendwie kam ich mir bei ihm „gut aufgehoben" vor. Es hörte sich für mich selbst merkwürdig an, so etwas über einen Fremden zu sagen, doch es war genau das, was ich fühlte, wenn ich seine E-Mails las.

Ein weiterer, interessanter Punkt war die Tatsache, dass er in London wohnte, keine zwei Autostunden von meinem Heimatort entfernt. Wenn ich gesund gewesen wäre, hätte ich vielleicht sogar den Versuch unternommen, mich mit ihm zu treffen. Sogleich schoss ein Gedanke durch meinen Kopf, der mir deutlich machte, was für ein blödes Zeug ich da eigentlich zusammen fantasierte.

Du hättest nie mit ihm geschrieben, wenn du noch gesund wärst.

Das stimmte, denn ich wäre mit ziemlicher Sicherheit noch mit Tim zusammen und würde außerdem Ballett tanzen. Froh darüber, dass die erste Sache sich inzwischen erledigt hatte, grinste ich vor mich hin, was jedoch binnen einer Sekunde wieder verschwand. Ich würde niemals mehr in meine Ballettschuhe hineinschlüpfen, die Bänder um meine Fußgelenke schnüren und auf den Spitzenschuhen die Welt um mich herum vergessen, weil ich mich dem Tanz und der Musik hingab.

Wütend und traurig zugleich klappte ich den Laptop einfach zu, stützte meine Ellbogen auf dem Deckel ab, verbarg mein Gesicht in meinen Händen und begann leise zu schluchzen. Dieses trostlose Dasein verlangte mir wirklich alles ab, ich wusste im Moment nicht, wie es weitergehen sollte und ob ich überhaupt wollte, dass es weiterging. Während ich meinen Gefühlen freien Lauf ließ, drängte sich plötzlich ein Satz in meine Gedanken, immer heftiger, darauf brennend, dass ich ihn nicht weiter ignorierte, sondern an mich herankommen ließ.

Ich hoffe, du denkst jetzt nicht: Was für ein Vollidiot – der stellt sich vor, mit mir Eis essen zu gehen!

Ich konnte nicht verhindern, dass meine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen, zuerst nur ein kleines, unbedeutendes, welches man wahrscheinlich gar nicht richtig wahrgenommen hätte, das sich jedoch plötzlich zu einem breiteren, strahlenden entwickelte. Seine Sätze brachten mich verdammt nochmal zum Lachen, auch wenn ich mich noch so hundeelend fühlte. Sie bewirkten, dass ich nicht mehr weinen wollte, zumindest nicht im Augenblick.

Langsam wischte ich die Tränen aus meinen Augen, strich das hellbraune, lange Haar zur Seite, das mir in die Augen fiel und klappte den Laptop wieder auf. Ich wollte ihm zurückschreiben, nein, ich musste ihm zurückschreiben, denn er war ein schmaler Pfad zu einer anderen Welt, die mich hin und wieder aus der grausamen Realität heraus katapultierte. Doch bevor ich das anging, wollte ich unbedingt Eis essen. Meine Gier nach dieser süßen, kalten Köstlichkeit war derart groß, dass ich nicht bis zum nächsten Tag darauf warten konnte. Ich musste es jetzt haben!

Fast geräuschlos rollte ich aus meinem Zimmer hinaus in Richtung Küche. Dort befand sich der Kühlschrank, welcher mehrere Gefrierschubladen besaß. In einer der Dreien bewahrte meine Mum ihr heißgeliebtes Vanilleeis auf. Es war zwar nur zweite Wahl, denn die erste wäre Schokolade gewesen, doch meine körperliche Behinderung gestattete es nicht, dass ich den Keller aufsuchen konnte.

Nachdem ich die Eispackung gefunden und dem Gefrierfach entnommen hatte, suchte ich in der Schublade nach einem Esslöffel. Wenn schon, denn schon.

Kurze Zeit später rollte ich wieder in mein Zimmer zurück und begann das Eis in mich hineinzuschaufeln, als sei es die letzte Mahlzeit in diesem Leben. Während das Vanilleeis auf meiner Zunge zerschmolz, las ich erneut NJs E-Mail durch.

Er war also gerade beruflich unterwegs, was ich einem seiner Sätze entnehmen konnte. Auch die Frage nach seiner Arbeit wollte ich in die nächste E-Mail mit aufnehmen. Eigentlich gehörte ich nicht zu der Gattung neugieriger Menschen, doch es war ein schöner Zeitvertreib, mit ihm zu schreiben und je länger die E-Mails wurden, umso schneller verging der Tag. Wenn ich viele Fragen stellte, antwortete er vielleicht auch darauf. Ich würde mir ein besseres Bild von ihm machen können.

Als der Begriff Bild in meinen Gedanken auftauchte, wurde ich erneut daran erinnert, dass ich zu gerne wissen wollte, wie er aussah. Mit seiner Aussage, dass genau dies nie passieren würde, hatte er mich erst recht neugierig gemacht. Aber er besaß vermutlich seine Gründe, warum er lieber anonym bleiben wollte – genau wie ich.

Das war der Vorteil am Internet, man brauchte nicht alles von sich preiszugeben. Das Komische an der ganzen Sache war nur, dass ich immer stärker das Bedürfnis verspürte, ihm persönliche Dinge über mich mitzuteilen. Seufzend stellte ich die halbleere Eispackung neben dem Laptop an und begann dann zu tippen. Ich schrieb die zweite E-Mail an NJ und sie würde ziemlich lang werden. Hoffentlich würde er genügend Zeit zum Lesen, und vor allem zum Antworten, aufbringen können.

Es war bereits nach zwei, als ich mich endlich ins Bett legte, um zu schlafen. Bevor ich meine Augen schloss, dachte ich darüber nach, wie ungeduldig ich morgen wahrscheinlich auf seine Antwort warten würde.

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Danke für die Kommentare und Wertungen, die ich bisher bekommen habe! :)

LG, Ambi xxx


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