34 | anachronism
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a n a c h r o n i s m
dezember 2018
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Allison || Das Haus ist viel zu klein für alle fünf Mitglieder meiner Familie und dennoch gibt es keinen Ort der Welt, an dem ich gerade lieber wäre. Meine Heimat ist hier in diesem vollgepackten Gebäude in Manchester, denn die Menschen, die ich ansonsten immer nur in meinem Herzen herumtrage, befinden sich tatsächlich einmal für wenige Tage alle an einem Ort.
„Könntest du bitte einmal für ein paar Minuten diese grauenvolle Musik ausmachen, Drake?", beschwere ich mich bei meinem jüngeren Bruder, der heute Morgen direkt nach dem Aufstehen die Stereoanlage im Wohnzimmer erobert hat und dem Monstrum seitdem keinen Millimeter von der Seite gewichen ist. Wie ein Drache bewacht er das Stück Metall, aus dem schaurige Rap-Musik viel zu laut das ganze Haus beschallt.
„Auf keinen Fall! Ich bin es leid, schon wieder Seths grässliche Klassik zu hören", entgegnet Drake entnervt.
Als Antwort bewirft ihn unserer älterer Bruder mit einer Serviette, was ihm einen mahnenden Blick meiner Mutter einfängt.
„Leute, Ich bitte euch. Ihr seid schlimmer als Kleinkinder."
Mein Vater scheint von all dem nicht wirklich getroffen zu sein, denn er sitzt auf dem Sofa und trinkt mit aller Seelenruhe seinen schwarzen Kaffee, den er den ganzen Tag inhaliert, als wäre er das einzige, was seinen Körper am Leben erhält. In seiner anderen Hand hält er eine seiner Spiegelreflexkameras, mit denen er wie verwachsen ist und drückt immer mal wieder abwesend auf den Auslöser. Selbst diese Schnappschüsse werden jedoch bessere Qualität besitzen, als alles, was ich je in der Fotografie hinbekommen würde.
Die kreative Ader im Fotogeschäft ist größtenteils an mir vorbeigelaufen. Drake ist von uns drei Geschwistern derjenige, der am begabtesten im Fotografieren ist, aber mein jüngster Bruder wird dennoch nicht in das Geschäft meines Vaters einsteigen und stattdessen nächstes Jahr erst einmal auf Reisen gehen.
„Wir sind eben in unsere nervigen Fähigkeiten reingewachsen, Mum. Außerdem liebst du das doch, gib es schon zu", entgegnet Drake mit einem frechen Grinsen.
Meine Mutter schüttelt seufzend den Kopf, kann sich ein Lächeln dennoch nicht verkneifen.
„Können wir nicht einfach einmal gute Musik hören?", greife ich das vorherige Thema wieder auf und lasse das Buch sinken, das ich schon seit Stunden zu lesen versuche. Leider bisher vergeblich, weil immer irgendeiner meiner Familienmitglieder Aufmerksamkeit braucht.
Doch die Hektik, das Nerven und die Frustration gehören so sehr zu dieser Familie wie all die Liebe, die wie unsichtbare Fäden zwischen uns Fünfen gespannt ist. Sie vereint uns zu einem Ganzen, während wir als Individuen doch grundsätzlich so unterschiedlich sind.
„Wir hören doch bereits gute Musik", erwidert Drake augenverdrehend und murrt beleidigt, als unsere Mutter kurzerhand die Anlage ganz ausschaltet.
„Endlich Ruhe." Zufrieden lässt Mum sich mit ihrem IPad wieder auf das Sofa neben mir fallen. Auf ihrer anderen Seite sitzt Seth und die Couch ist viel zu klein für uns drei, weswegen ich nun deutlich gegen das Polster gequetscht werde.
„Willst du einen Witz hören, Schnecke?" Mein älterer Bruder beugt sich über die Schultern unserer Mutter in meine Richtung und sieht mich fragend an.
Mit einem Seufzen stecke ich das Lesezeichen in das Buch, das ich zu Weihnachten geschenkt bekommen habe und lege es auf den Couchtisch neben mir. Ich werde ohnehin keine Seite genießen können, ohne andauernd unterbrochen zu werden.
„Nein, Sethie. Ehrlich gesagt wollte ich einfach nur in Frieden lesen."
„Ruhe gibt es in diesem Haus ohnehin nicht, Allylein. Das sollte dir bewusst sein", wirft Drake grinsend ein. „Erzähl deinen Witz, Sethieboy."
Mein älterer Bruder blickt zufrieden in die Runde und räuspert sich, sodass alle Aufmerksamkeit auf ihm liegt.
„Knock Knock."
Ich stöhne frustriert, denn ich habe Witzen dieser Art noch nie einen Sinn entnehmen können. „Bitte nicht, Sethie."
„Who's there?", umgeht Drake meinen Einwand geschickt.
Mein älterer Bruder sieht erwartungsvoll in die Runde „Ha – Hey, Dad, ich versuche hier gerade eine Komödie. Du kannst mich nicht einfach so aus dem Nichts fotografieren."
Ich lache über Seths frustrierten Ausdruck und applaudiere meinen Vater, der mir daraufhin vergnügt zuzwinkert.
„Möchte noch jemand ein Plätzchen?" Ohne unsere Antworten abzuwarten, reicht meine Mutter bereits eine Dose herum, auf die wir uns alle begierig stürzen. In meiner Familie muss man schnell sein, wenn man etwas von den guten Dingen abbekommen will.
„Ally?"
„Dad?"
Mein Vater kaut auf einem der Weihnachtskekse und verzieht genüsslich das Gesicht, bevor er weiterspricht. „Xavier ist über Weihnachten nach Hause geflogen, aber er kommt heute wieder. Vielleicht hast du ja Lust, etwas mit ihm zu unternehmen? Er kennt hier in Manchester doch noch nicht so viele Leute."
Ich verdrehe die Augen, denn das ist eine absolute Lüge. Xavier ist schon seit Jahren der Assistent meines Dads in seinem Fotostudio. Leider hat mein Vater es sich in den Kopf gesetzt, dass Xavier der absolute Traumschwiegersohn ist und versucht seit Monaten erfolglos, mich mit ihm zu verkuppeln. Ich mag den eingewanderten Amerikaner, aber mehr als eine Freundschaft wird nie zwischen uns sein. Das wissen wir beide, nur mein Vater scheint das noch nicht verstanden zu haben.
„Nein Danke, Dad. Ich habe heute schon etwas vor. Ein anderes Mal gerne."
Neugierig dreht sich meine Mutter zu mir um und sieht mich aus den blauen Augen an, die meinen so ähnlich sind. Während in meinen jedoch täglich ein Gewittersturm tobt, sind ihre so ruhig und standhaft wie die See an einem lauen Sommertag.
„Was genau hast du denn vor, Ally?"
Ich schweige kurz, doch als mich alle erwartungsvoll ansehen, komme ich um eine Antwort nicht länger drum herum. Vielleicht ist es ohnehin Zeit, dass ich endlich die Bombe platzen lasse, bevor sie mich mit ihrer Gewalt von innen heraus erstickt.
„Ich unternehme etwas mit Harry", gebe ich zu.
Wäre die Situation nicht so grotesk, dann müsste ich jetzt lachen, als ich sehe, wie eine Vielzahl von Emotionen über das Gesicht meiner Eltern huschen und gegenseitige Kämpfe austragen, als könnten sie nicht entscheiden, welches Gefühl überwiegt. Wut, Kummer, Mitleid, aber auch Enttäuschung und Machtlosigkeit rennen gegeneinander an.
Seth hingegen strömt bloß Wut aus, so energisch, dass ich sie bis zu meinem Platz fühlen kann. Der Hass dringt ihm aus jeder einzelnen Pore des Körpers.
Einzig Drake ist vollkommen ruhig, ist er doch derjenige, der als einziger bereits von meiner wieder auflebenden Freundschaft mit Harry weiß. Er beobachtet den Raum mit neugierigen Augen, als wäre das hier eine Feuerwerksshow, von der er keine Sekunde verpassen will.
„Harry Styles?", versichert sich mein Vater mit leiser Stimme. „Dein Exfreund Harry?"
Ich nicke und lasse bloß ein einziges Wort in die Freiheit entkommen. Jedes andere wäre überflüssig, ist es doch ohnehin so, dass sich die Wahrheit nicht länger verstecken lässt. „Ja."
Meine Mutter legt mir sanft ihre Hand auf den Unterschenkel und sieht mich besorgt an. „Ich halte das wirklich für keine gute Idee, Allison. Dieser Junge hat dir von Anfang an nur Probleme gemacht."
Ich entziehe mich ihrem Griff, denn ihre Worte sind eine einzige Lüge.
„Hat er nicht, Mum. Harry ist alles gewesen, aber anfangs sicherlich kein Problem für mich."
Harry hat mich von Beginn an in einen Strudel von Gefühlen gerissen und das in bester Weise. Er ist mein Abenteuer gewesen an Tagen, in denen sich alles an mir an die Sicherheit geklammert hat. Er war mein Anker, mein Verlassen der Komfortzone und verhieß Spaß sowie Vertrauen auf jeder Ebene. Vor allem jedoch ist Harry meine Liebe gewesen, für Tage, Monate, Jahre.
Meine brennende Kerze in tiefster Dunkelheit. Bis er dann den Luftzug durch die Wände gelassen hatte, der mich in die Finsternis stieß. Ein so unvorsichtiger Fehler, der alles, an das ich geglaubt habe, explodieren ließ.
„Ally", murmelt mein Vater mit sanfter Stimme.
Ich schüttele den Kopf, als ich den stummen Vorwurf in seinen Augen sehen kann. „Ich bin sehr glücklich mit Harry gewesen, abgesehen von dem Tag, als er – dem Ende."
„Wir machen uns doch bloß Sorgen, Allison."
Seufzend schenke ich meiner Mutter ein beruhigendes Lächeln. „Das weiß ich doch. Aber ich weiß, was ich tue, okay? Außerdem sind Harry und ich bloß Freunde."
„Bloß Freunde, hm?"
Dad mustert mich und ich winde mich unter seinem Blick, aus Angst davor, dass er etwas in mir erkennt, was ich lieber für alle Ewigkeit in der dunkelsten Ecke meines Körpers verstecken will. Denn manche Emotionen leuchten zu hell, um sich auf sie einzulassen. Sie können einen von innen heraus verbrennen und über den Abgrund stoßen, wenn man nicht dafür sorgt, dass ihre Flammen klein bleiben. Dann greifen sie dein Herz, sperren es ein in einer Feuerwand und lassen es schneller schlagen, bis es schließlich an dem Rauch erstickt und für immer stumm bleibt. Nur noch ein Abbild dessen, was es einmal hätte werden sollen.
„Bloß Freunde", entgegne ich und blicke meinem Vater in die Augen, in dem Versuch, ihn von der Aussage zu überzeugen. Die Worte sind wahr, Harry und ich sind wirklich nichts weiter als Freunde, auch wenn sich ein verräterischer Teil meines Herzens nach mehr sehnt. Nach etwas, was er mir einmal gegeben hat in vergangenen Jahren und das ich nie wieder aufflackern lassen kann.
Vorgestern, als Harry mich in unser eigenes Winterwunderland entführt hat, wir beide abgeschottet vom Rest der Welt, da habe ich einen Moment lang zu hoffen gewagt, dass sich vielleicht etwas geändert hätte. Doch dann vergingen die Stunden, die Zeiger krochen über das Ziffernblatt, langsam und beständig und gleichzeitig doch viel zu schnell. Ein weiterer Tag erblickte die Welt, unfähig, sich gegen den Lauf der Zeit zu wehren und alles ist wieder die Realität, der ich angehört habe, bevor ich Harrys Elternhaus und damit unser Wunderland betreten hatte.
Manchmal sollte man nicht versuchen, die Vergangenheit wieder zu einem Teil der Zukunft zu machen, denn es wird letztendlich nur in Schreien und Tränen enden.
„Pass einfach auf dich auf, Allison", bitte meine Mutter mich flüsternd. Ihre leisen Worte lassen ein Orkan in meinem Inneren entfachen, der sofort anfängt, dass Feuer in meinem Herzen zu bekämpfen.
„Das werde ich, Mum. Versprochen. Du weißt, dass ich niemand bin, der sich einfach kopflos in irgendetwas verrennt", antworte ich.
Das Versprechen wird durch meine Worte gewebt, doch mein Herz ist es, das ihm Inhalt verleiht. Egal, was auch zwischen mir und Harry passieren wird, ob wir wieder Fremde werden, Freunde bleiben oder der kleine Teil meines Herzens gewinnt, der sich selbst nach all den Jahren immer noch nach seiner Liebe sehnt, ich werde die Entscheidung bedachtsam treffen. Ich werde die Stärke und Gefahr des Feuers bedenken, bevor ich mich wieder in die Flammen stürze.
Abgesehen von meinem Vater, der weiß, wie ernst ich das Versprechen nehme, sehen mich immer noch drei Augenpaare zweifelnd an, weswegen ich froh bin, als die Türklingel mich vor einem weiteren Verhör rettet.
„Ich bin dann jetzt weg", rufe ich und flüchte aus dem Wohnzimmer.
Während ich die Haustür aufreiße, beginne ich gleichzeitig damit, mir die Schuhe anzuziehen, sodass ich beinahe in Harry hereinstolpere.
Amüsiert sieht er mich an und hält meinen Fall auf. „Alles in Ordnung mit dir, Ally?"
Ich nicke grinsend. „Alles bestens, aber wir befinden uns gerade auf der Flucht."
Er runzelt die Stirn. „Wovor flüchten wir denn?"
„Vor meiner Familie. Und jetzt verschwinde am besten schon einmal ins Auto, bevor sie dich vierteilen wollen."
Lachend folgt er meiner Anweisung und nimmt in seinem Audi Platz, während ich mir schnell meine Winterjacke anziehe und eine Mütze überziehe, von der ich mir sicher bin, dass sie ursprünglich einmal Harry gehört hat. Aber ich liebe das Kleidungsstück schon seit Jahren sehr, weswegen es bisher einfach immer ein Teil meiner Outfits geblieben ist. Jetzt jedoch zögere ich kurz, bevor ich mir die Strickmütze überziehe, weil ich nicht will, dass Harry falsche Gedanken bekommt.
Als ich jedoch zu ihm ins Auto steige, wirft Harry mir nur einen kurzen Blick zu und sieht dann direkt wieder geradeaus auf die Einfahrt. Er scheint die Herkunft der Mütze nicht einmal mehr zu kennen und ich weiß nicht, warum mich das heftig schlucken lässt. Vielleicht, weil ich froh darüber bin. Vielleicht aber auch, weil ein Teil von mir sich gewünscht hätte, dass er sich ebenfalls noch an dieses Detail erinnert.
„Sorry für die Hektik", entschuldige ich mich, sobald ich mich angeschnallt habe. „Ich habe meiner Familie gerade erzählt, dass wir wieder befreundet sind und –"
„Sie haben es nicht gut aufgenommen?"
Harry beißt sich auf die Unterlippe, während er mich sorgenvoll ansieht. Ich kann die Angst in seinen Augen sehen, die Panik davor, dass meine Familie ihn immer noch hasst. Entgegen aller öffentlichen Behauptungen, dass Harry Styles sich nicht um die Meinungen anderer kümmert, ist leider genau das Gegenteil der Fall. Viel zu oft habe ich ihn wieder aufbauen müssen, wenn irgendwelche Leute online Schwachsinn über ihn geschrieben haben, den er sich viel zu sehr zu Herzen nimmt. Ich habe jede einzelne dieser Personen gehasst, die Harry je Kummer bereitet haben, doch heute sind meine Familienmitglieder der Grund und ich stehe zwischen den Stühlen.
„Sie haben es besser aufgenommen, als ich gedacht hätte", erwidere ich leise und schenke ihm ein unsicheres Lächeln. „Außerdem hast du Drake wieder auf deine Seite gezogen, was doch schon einmal ein Erfolg ist."
Seine Mundwinkel fallen nur noch mehr nach unten. „Also will mich der Rest deiner Familie immer noch umbringen."
Vorsichtig lege ich meine Hand auf seine, die das Lederlenkrad so fest umklammert, dass seine Fingerknöchel unnatürlich weiß aussehen. Sanft positioniere ich meine Finger über den seinen, in dem Versuch ihm zu zeigen, dass er nicht alleine ist. Seine Hand wirkt riesig unter meiner, dabei ist es er gerade, der von der Welt verschluckt wird.
„Das wird schon wieder werden, Harry", flüstere ich. „Sie brauchen einfach ein wenig Zeit."
Er löst meine Hand von seiner und einen Augenblick lang befürchte ich, dass ich eine Grenze überschritten habe. Den einen Schritt gemacht habe, der unsere angenehme Freundschaft wieder ins Chaos stürzen wird. Denn vielleicht ist es einfach nur mein verräterisches Herz, das sich nach Harrys Nähe sehnt, während er insgeheim von ihr erstickt wird und nur zu höflich ist, um es mir zu sagen.
Einen Moment lang verrenne ich mich in der Panik, die sich schon im nächsten Augenblick wieder zwischen all meinen Ängsten versteckt und hinfort weht.
Harry löst seine linke Hand ebenfalls vom Lenkrad und legt seine Finger vorsichtig auf meine. Seine Berührung ist sanft, als hätte er Angst, mich zu verbrennen. Am liebsten würde ich ihm sagen, dass er das ohnehin schon tut, aber das ich das Feuer willkommen heiße. Ich spiele mit der Gefahr, lasse sie immer näher kommen und bin nicht gewappnet gegen den Knall, laufe immer weiter hinein in die Flammen.
„Weißt du, was das Schlimmste ist, Al?" Harrys Worte fliegen wispernd durch den metallenen Käfig, der uns von der Außenwelt abschirmt.
Stumm warte ich ab, bis er weiterredet. Er braucht diese Pause, diese kleine Unterbrechung von der Welt, und ich bin bereit, sie ihm zu geben.
„Das Schlimmste ist, dass ich ja verstehen kann, warum mich deine Familie hasst. Wäre ich an ihrer Stelle, dann hätte ich mich schon längst erschossen."
Ich grinse leicht. „Jetzt wirst du aber dramatisch."
Harry schüttelt bloß vehement den Kopf, so sehr, dass ich weiß, dass er mit jeder Bewegung seines Körpers versucht, mir klarzumachen, wie ernst er die Worte meint. Alles an Harry ist laut, seine Art, sein Charakter und seine Liebe. Einzig seine Gedanken sind leise, doch ich habe mit der Zeit gelernt, auch die Stille von ihnen zu verstehen.
„Werde ich nicht, Al. Du bist die Person dieser Welt, die es am wenigsten verdient hat, verletzt zu werden und ich verspreche –"
„Keine Versprechen mehr", erinnere ich ihn an den Vorsatz, den er getroffen hat.
Wieder einmal redet Harry ohne über seine Handlungen nachzudenken, wieder einmal riskiert er den Frieden zwischen uns und verletzt die Macht der Versprechen, die so viel mehr zerstören kann als jede Bombe dieser Welt.
„Ich werde dafür sorgen, dass dir niemand je wieder so sehr das Herz brechen wird, wie ich es an diesem Tag getan habe, Al."
Seine Finger umschließen die meinen und drücken sie einmal sanft, was meinen ganzen Körper ins Chaos stürzt. Ich bin das Feuer und das Eis.
Schluckend sehe ich ihn an. „Das kannst du nicht, Harry. Du kannst mich nicht vor dem Leben beschützen. Herzen brechen nun einmal, das ist der Lauf der Dinge und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst."
Seine Mundwinkel zucken nach oben. „Ich könnte dich in meinem Zimmer einsperren und niemanden außer mir reinlassen. Dann wärst du sicher vor dem Rest der Welt."
Dann wäre ich nur umso mehr in Gefahr, mir das Herz brechen zu lassen, denn Harry ist derjenige, der immer schon am Begabtesten darin gewesen ist. Er ist der Meister gebrochener Versprechen und zerstörter Herzen.
„Ich werde niemals sicher vor der Liebe sein. Aber das will ich auch gar nicht, denn die Liebe ist es, die uns menschlich macht", wispere ich.
Harry lässt seine Finger auf meinen liegen, als wäre es selbstverständlich, dass wir händchenhaltend durch Manchesters Straßen fahren und ich wage es kaum zu atmen, weil ich den Moment nicht zerstören will. Ich will den Traum auskosten bis auf die letzte Sekunde, für ein paar Augenblicke in diese Illusion verschwinden, die den Wunsch meines Herzens nach seiner Liebe nährt und hinterher nur noch schmerzhafter verbrennen wird.
Harry schoss bereits einmal Kugeln mit seinen Handlungen in mein Herz, erstickte mich mit Liebe und dennoch habe ich mich immer wieder vor ihn gestellt, bereit auch die nächste Ladung zu schlucken, wenn ich dafür ein wenig seiner Nähe bekommen konnte.
Anfangs funktionierte es, doch dann kam der Tag des Untergangs, die Stunden, die alles zwischen uns veränderten und es kam der Zeitpunkt, an dem mein Herz von all dem Blei keine Luft mehr zum Atmen übrig hatte. Es erstickte jämmerlich, wurde vernichtet von demjenigen, den ich für meine Rettungsleine in dieser schaurigen Welt gehalten habe.
Nun bin ich wieder auf dem besten Weg dahin, mich in Harrys Schusslinie zu begeben und nichts fürchtet mich mehr, als das er die Pistole erneut abfeuern könnte. Es ist dieses Ungewisse, das mein Leben jede Sekunde in den Alptraum verwandeln kann, den ich schon einmal durchleben musste.
Und der Junge neben mir ist es, der den Abzug drücken kann.
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Ihr Lieben,
Nicht wundern, wenn es ist nicht Dienstag ;) Aber diese und wahrscheinlich nächste Woche gibt es ein Doppelupdate, damit wir das Silvester auch ungefähr an Neujahr bekommen.
Ich wünsche euch ganz tolle Weihnachtsfeiertage! Esst schön viel Plätzchen und lasst euch beschenken 🥂❤️
Bis zum nächsten Mal.
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