5 -Vai al diavolo-
" Bist du mir gefolgt, oder so?" Ich ziehe den Reissverschluss meiner Kapuzenjacke zu und schlinge die Arme um meinen Oberkörper. Der Nieselregen ist in Starkregen übergegangen, der in dicken Tropfen auf die Windschutzscheibe klatscht. Es ist inzwischen dunkel geworden. Die Rückleuchten der voranfahrenden Autos verschwimmen mit dem feuchten Strassenbelag.
Leute hasten den Gehweg entlang und heben ihre Regenschirme an, wenn Ihnen jemand in die Quere kommt.
"Gewissermassen," gibt er achselzuckend zu.
"Ich bin erst nach Hause gefahren, hatte aber ein ungutes Gefühl. Ein paar Leute haben erzählt, dass du Besuch von einem zwielichtigen Typen hattest. Auf der Wiese vor dem Campus. Ich habe gesehen wie ihr losgefahren seid.. naja, bin dann relativ unauffällig hinter euch her. Dann kam mir das Ganze dämlich vor und ich bin wieder zurück nach Hause. Aber wie gesagt, ich hatte ein ungutes Gefühl."
"Kann dir doch egal sein." Ich betrachte die Fingernägel meiner unverletzten Hand und zupfe an der kaputten Nagelhaut herum.
" Ist es ja auch." Er sieht mich an . "Also..eigentlich."
"Warum hast du dann vor dem Haus auf mich gewartet?"
Ohne darauf einzugehen, deutet er auf meine verbundene Hand. "Der Verband muß gewechselt werden."
"Ah, verstehe. Dann warst du also einfach nur besorgt um meine Hand."
" Du hast mich durchschaut," grinsend knabbert er auf seiner Unterlippe herum.
Wäre mir zum Scherzen zumute, hätte ich dieses lustige Spiel noch ein Stück weiter betrieben. Aber der Gedanke an Armados Smith & Wesson, die sich in Stefanos Brust bohrt, drängt sich immer wieder vor mein inneres Auge. Nur mit Mühe kann ich das Zittern in meinen Beinen unterdrücken.
"Du mußt nicht darüber reden, keine Sorge. " Santinos Grinsen ist einer mitleidigen Meine gewichen.
"Danke," murmele ich und er nickt bloss, während ich sein Seitenprofil betrachte und mich gleichzeitig frage, ob Armando vielleicht in diesem Moment meinen Bruder erschossen hat. Wegen mir.
Was soll jetzt nur werden? frage ich mich insgeheim. Aber die ganze Fahrt über finde ich keine Antwort auf diese Frage. Nur eines weiß ich mit Sicherheit. Ich werde nie wieder an den Ort zurückkehren können, an dem ich aufgewachsen bin. Selbst wenn ich es wollte.
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"Du wärst ja morgen eh hier eingezogen. Da kommt es nicht darauf an, das du einen Tag früher hier pennst." Santino schliesst die Wohnungstür auf. Dann dreht er an zwei Hebeln, die seitlich an der Tür angebracht sind, bevor sie sich ächzend öffnet.
Im Inneren der Wohnung ist es angenehm warm. Die Lampe auf der altmodischen Kommode im Flur verbreitet ein gemütliches Licht.
"Willkommen Zuhause." Ein schiefes Grinsen ziert sein Gesicht. Das feuchte Haar hängt ihm wirr in die Stirn. Er fährt mit der Hand hindurch als er meinen Blick bemerkt. Ein Tropfen rinnt aus dem dichten Haar seine Schläfe herunter und verliert sich im dunklen Dreitagebart.
" Ich habe keine Sachen mit." Erkläre ich überflüssigerweise.
"Eine Zahnbürste habe ich noch." "Und den Rest,naja .."er mustert mein legeres Outfit. Hätte ich doch nur nicht diese löchrige BoyfriendJeans mit der grauen Hoodiejacke kombiniert. Aber weit geschnittene Kapuzenjacken sind nunmal am besten geeignet um meine üppigen Brüste zu kaschieren. Abgesehen von meinen ersten Lebensjahren, gehörte ich noch nie zu den Menschen, die alles tragen können. Ganz im Gegensatz zu Santino. In dem T-Shirt und der kurzen Hose, die aussehen wie ein Sommerschlafanzug aus den Neunzigern, wirkt er nicht mehr so dominant wie heute Vormittag . Auch wenn ihm etwas verruchtes anhaftet, von dem ich mir nicht sicher bin ob ich es attraktiv oder beängstigend finden soll. Anscheinend hatte er sich schon umgezogen, bevor ihn das ungute Gefühl dazu verleitet hat mir vor der Wohnung meines Bruders aufzulauern.
"Den Rest bekommen wir auch noch hin," meint er als wir uns sekundenlang schweigend betrachtet haben.
Ich weiß nicht, ob es nur noch an der bedrohlichen Szene zwischen meinen Brüdern liegt, das meine Knie sich in eine wabbelige Puddingmasse verwandelt haben, als ich Santino ins Wohnzimmer folge.
" Setz dich. Ich mach dir einen Tee." Er deutet auf das Sofa und verschwindet in der Küche.
"Früchte oder Pfefferminz?" hallt seine tiefe Stimme durch die Räume.
"Pfefferminz! rufe ich zurück und ziehe mein Handy hervor um Stefano anzurufen. Ich muß einfach wissen, ob er noch am Leben ist.
Als ich sehe, das Armando mich mehrmals versucht hat zu erreichen bin ich beinahe erleichtert. Hätte er Stefano erschossen, wäre es ihm bestimmt nicht in den Sinn gekommen mich anschliessend seelenruhig anzurufen.
Mit rasendem Herzen lausche ich dem Freizeichen.
"Lonia? " Mein Herz setzt einen Moment aus, als ich Lillys Stimme höre.
"Wo ist Stefo ?"kreische ich viel zu laut. Aber das ist mir egal.Schon steigen mit Tränen in die Augen.
" Es geht ihm gut!"
Ich wische mir die Tränen ab und seufze erleichtert. Santino stellt eine dampfende Teetasse vor mir auf den Tisch und nimmt mir gegenüber in einem Sessel platz. Sein Blick richtet sich auf das Smartphone in seiner Hand, aber ich spüre, das er genau zuhört. Lässig legt er ein angewinkeltes Bein über sein Knie. Mein Blick wandert zu dem Fetzen Boxershorts der dabei unter der kurzen Hose hervorblitzt.
" Wo ist er, jetzt? "
"Zuhause in seiner Wohnung. Wie gesagt, es geht ihm gut. Armando und ich sind gerade auf dem Weg zu deinem Vater."
Ich schlucke.
"Okay," krächze ich gedehnt weil ich nicht weiß was ich davon halten soll.
" Ich konnte ihn überreden, dich vorerst in Ruhe zu lassen. Er sitzt nämlich hier neben mir im Auto."
Ein wütendes Schnauben ist zu hören. Dann ein Schimpfwort.Nein, es ist mehr als das. Es ist ein gemeiner Fluch, den mein Bruder da ausgesprochen hat. Ich hoffe das die Scherben der letzten zwei Tage ihn zunichte machen werden.
" Wenn ich gewusst hätte, dass er so überreagiert, wäre ich niemals ausgezogen," jammere ich. Es gelingt mir nicht ein weiteres Schluchzen zu unterdrücken. Dabei ist diese Aussage glatt gelogen. Ich wusste genau das Armando ausrasten würde. Nur das er unseren eigenen Bruder mit einer Waffe bedroht, hätte ich vielleicht nicht unbedingt erwartet. In diesem Moment fühle ich mich mehr denn je als Teil der Familie. Und zwar als einer, der ihr freiwillig beigetreten ist, um sich gewisse Vorteile zu verschaffen. Nur um sie in dem Moment verlassen zu wollen, wo er feststellt, dass die Vorteile die Nachteile nicht aufwiegen können. Nicht nur Armando und mein Vater hassen diese Art von Verrätern über alle massen. Die Lebenszeit dieser Personen ist stark begrenzt. Ich wische mir mit dem Handrücken die laufende Nase ab und seufze, was in einen weiteren Schluchzer ausartet. Ich bin nicht freiwillig Teil der Familie geworden. Das Schicksal hat über meinen Kopf hinweg entscheiden. Vielleicht war es ein Fehler seine Pläne hintergehen zu wollen.
Santino steht auf und verlässt das Wohnzimmer. Eine Tür wird leise geschlossen.
"Bestimmt hassen sie mich jetzt alle."
"Lonia", Lilly senkt die sanfte Stimme. " Niemand hasst dich. Armando ist nur besorgt um dich, das ist alles."
"Ich werde trotzdem nicht mehr zurückkommen. Der Entschluss steht fest." Erkläre ich trotzig.
Sie seufzte leise. "Ich weiß. Pass auf, Lonia, ich muß jetzt auflegen. Armando wird sich bei dir melden. Ich glaube wir alle müssen erstmal unsere Gemüter beruhigen."
"Das Einzige was Armando noch wissen möchte ist, wo du jetzt bist."
"In Sicherheit." Mit diesen Worten lege ich auf.
Er wird es ohnehin selbst herausfinden. Die Handlanger meines Vaters haben Santinos Adresse sicherlich längst ausfindig gemacht.
Ich werfe das Handy auf das Sofakissen neben mir und nehme einen Schluck von dem viel zu heissen Tee. Die herbe Flüssigkeit verbrennt mir die Zunge. Aber ich spüre keinen Schmerz.
Gedankenverloren starre ich den riesigen Fernseher an, sehe aber weg als ich die erbärmliche Shilouette erkenne, die sich darin spiegelt.
Hier sitze ich nun, auf dem Sofa eines Fremden, der bis vor einer Stunde nichtmal besonders nett zu mir war ,und bei dem ich Morgen einziehen werde. Erst jetzt fällt mir Ria ein, doch als ich ihre Nummer wähle geht wieder nur die Mailbox ran.
Zumindest der Einzug morgen dürfte einfach werden. Ich habe keinerlei Möbel die ich herschaffen muß. Von Klamotten ganz zu schweigen. Mein Herzschlag beschleunigt sich, als mir klar wird das mein Vater seine Drohung nun wahrscheinlich wahr machen und mir den Geldhahn zudrehen wird.
"Wenn man es genau nimmt, ist dann wohl heute der Tag deines Einzugs." Santino steht vor mir und spricht meinen Gedanken laut aus. In den Händen hält er ein T Shirt und eine Jogginghose. Beides in hellgrau. Offenbar seine Lieblingsfarbe. Wie passend. Ich mag diese Farbe ebenfalls. Vielleicht war der graue Hoodie doch nicht die falsche Wahl, was? Und deine Titten sieht er sicherlich trotzdem. Denn das ist es doch was du willst, stimmt's? wispert meine innere Stimme sarkastisch.
" Du musst nicht gleich rot werden, Pummelchen. Ich sehe nicht hin, während du dich umziehst."
Ich strecke ihm die Zunge heraus und verschwinde mit den Sachen im Bad.
Wieder bin dich überwältigt von der angenehmen Atmosphäre in diesem Raum. Ich verriegele die Tür , die den selben Hebel hat wie in Rias und meinem Zimmer und ziehe mich aus.Dabei kreisen meine Gedanken um das Geldproblem, dass ich jetzt höchstwahrscheinlich habe.Ich werde wohl oder übel meinen Kontostand checken müssen, um zu sehen ob ich morgen noch shoppen gehen kann. Falls er so aussieht wie ich befürchte werde ich tatsächlich Stefano anpumpen müssen, bis ich einen Job gefunden habe.Im Inneren habe ich mich längst von meinem Klamotten und überhaupt all meinem Hab und Gut verabschiedet. Wehmütig denke ich an meine Jane Eyre Sonderausgabe und den Schuber mit den Vintage Jane Austen Bänden. Ganz zu schweigen von meiner roten Herr der Ringe Ausgabe.
Armando ist ein rachsüchtiger Mensch und ein schlimmer Feind. Es ist ein äusserst unglücklicher Umstand ihn gegen mich aufgebracht zu haben. Aber niemand kehrt der Familie den Rücken, ohne die Konsequenzen zu spüren zu bekommen. So ist das nunmal. Das gilt auch für die Tochter des Don. Trotz der angenehmen Raumtemperatur zittere ich, als ich ohne Unterwäsche vor dem großen Spiegel stehe. Strinrunzelnd nehme ich meinen Körper in Augenschein. Der fleischfarbene BH ist kaum fähig meine großen Brüste zu stützen. Mit einem Seufzer ziehe ich ihn aus und schleudere ihn in die Ecke. Santino hat Recht. Ich bin ein kleines Pummelchen. Meine Gedanken wandern zu Jacob, der mich noch nie richtig nackt gesehen hat. Noch nie hat er meine Brüste berührt, oder andere Stellen meines Körpers. Ausser das wir uns manchmal in den Armen gelegen haben, ist nie etwas passiert. Vielleicht fand er mich niemals wirklich attraktiv. Aber wie sollte er , wenn es mir selbst nichtmal gelingt mich wirklich schön zu finden?
Resigniert ziehe ich das Höschen aus und lege es zusammengefaltet auf die Ablage. Dann gehe ich zu der Ecke wo der BH liegt, hebe ihn auf und lege ihn dazu.
Santino hat es selbst gesagt . Ich bin jetzt hier zuhause. Und das erste, was man in seinem neuen Zuhause tun sollte ist eine ausgiebige Dusche zu nehmen. Eigentlich würde ich noch viel lieber baden, aber dann laufe ich Gefahr, das die Gedanken und Bilder zurückkehren und ich bin entschlossen, die Erinnerungen den Rest des Abends so gut es geht auf Sparflamme zu halten.
Voller Vorfreude nähere ich mich der großen Walk In Dusche. Der rosa Pouff hängt immer noch da wo er vor zwei Tagen hing. Ich frage mich, ob die Besitzerin vielleicht gar nicht Santinos Verflossene sondern seine Freundin ist. Vielleicht ist er ja mit der rothaarigen zusammen und das Ding gehört ihr. "Sie ist eine Schlampe wispere ich," in plötzlichem Übermut vor mich hin während ich den Hebel zurückziehe. Warmes Wasser stürzt aus der riesigen Regendusche und hüllt mich ein. Kurzerhand greife ich nach einem blauen Fläschchen auf der Ablage, die an den Fliesen angebracht ist. Eigentlich dachte ich, es wäre ein Männerduschgel wegen der blauen Farbe der Flasche . Doch das Gel das sich in meine Hand ergiesst, ist lila und riecht nach Vanille und Lavendel. Ich seife mich dreimal ein, bevor ich endlich fertig bin. Dann sind die Haare dran. Dazu tappse ich aus der Dusche und nehme eines der Tiegelchen von der Ablage über dem Waschbecken. Dieses Shampoo kenne ich. Es ist ein ziemlich teures Konzentrat und soll angeblich mehr Volumen verleihen. Nicht das ich das bei meiner Löwenmähne nötig hätte.Aber es verleiht dem Haar Glanz und duftet stark nach Rosenwasser.Ein paar Minuten lang ist es mir vergönnt mich unwiderstehlich zu fühlen. Und das ausgerechnet an so einem beschissenen Abend, der beinahe das Leben meines Bruders beendet hätte. Es ist eben nicht leicht die Tochter eines Don zu sein. Erst Recht nicht, wenn man ihm den Rücken gekehrt hat. Umso wichtiger ist es, jede Sekunde der verbleibenden Lebenszeit zu geniessen.
Duftschwangere Dampfschwaden segeln durch das Badezimmer als ich endlich fertig bin.
" Alles in Ordnung?" Ein leichter Vorwurf, oder ist es Sorge? schwingt in Santinos Stimme mit. Meine Lippen stossen einen leisen Fluch aus .
"Ja. Alles gut ." Trällere ich und ziehe ein großes Badehandtuch aus einem Regal, das neben der Sitzbank in die Wand eingelassen ist.
" Hab was zu essen gemacht." Erklärt er.
" Oh. Wow. Das ist...nett" Rufe ich doch es kommt keine Antwort .
Ich rubble mich ab und, drücke mit dem Handtuch das Wasser aus meinen Haaren und schlüpfe aus Mangel an Alternativen zurück in meine alte Unterwäsche . Dann falte ich das TShirt auseinander das Santnino mir gegeben hat.
Ich hebe das weiche Kleidungsstück an mein Gesicht .Es riecht nach frisch gemähtem Gras, Minze und einem Hauch Waschmittel. Erst als er abermals klopft, merke ich das ich dastehe und es an meine Nase presse. Wie gut das Santino mich nicht so sehen kann. Ich müsste all meine Pläne über den Haufen werfen und wieder Zuhause einziehen. Nur das ich da jetzt nicht mehr willkommen bin. Armando hat deutliche Worte für den Ort gefunden an den ich gehen soll.
Ich lasse das T-Shirt über meinen Kopf gleiten. Ich könnte es problemlos als Kleid tragen. Die Jogginghose stammt eindeutig nicht von ihm, sondern von einer Frau . Gott sei Dank scheint er sie ebenfalls vorher gewaschen zu haben. Sie ist etwas zu lang , doch an den Beinen sitzt sie beinahe perfekt. Ich frage mich, ob ihm auffallen wird, das sie an den Schenkeln ein bisschen spannt. Dann schelte ich mich für diese Bedenken . Du bist mit Jacob zusammen. Ausserdem kennst du diesen Kerl kaum. Was ist nur los mit dir? Er ist und bleibt ein Arsch. Er will nur nett sein, weil er endlich jemanden gefunden hat, der ihm bei der Miete unter die Arme greift. Tja, wenn er wüsste, das das alles andere als sicher ist. Verdammt.Ich muss mich echt schnellstmöglich nach einem Job umsehen. Diese Abhängigkeit von der Familie nervt . Und damit meine ich nicht nur die Familie ,die durch das gemeinsame Blut verbunden ist, das durch unsere Adern fliesst, sondern auch die , die durch das Blut entsteht, das in ihrem Namen vergossen wird.
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