Kapitel 13
Endlich fiel die Tür hinter Lex ins Schloss und trennte ihn von der gefährlichen Außenwelt. Er stand im Flur des alten, muffigen Gebäudekomplexes am Fuße der Treppe zu seiner Wohnung. Die Exekution, der verstümmle Leichnam, zu viel für seinen jungen Verstand. Fast zeitgleich mit dem Einrasten fiel er auf die Knie und begann unkontrolliert seinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Liam stand neben ihm, versuchte ihn zu trösten. Doch auch ihm schien es schwer zu fallen, die angestauten Erlebnisse zu verarbeiten.
„Sie werden mich finden Liam!", sagte Lex. Die Worte kaum verstehbar, sein Schluchzen und sein Schmerz ließen ihn in seinen Ausführungen stottern.
„Werden sie nicht!", versuchte Liam seinem Freund gut zuzusprechen. Allerdings wusste er, dass ihre Chancen gering waren. Die Gläubigen wussten genau, wonach sie suchten. Ein kleiner, falscher Schritt, eine unüberlegte Situation und er würde auffliegen. Würde einem ähnlichen Schicksal, wie dem Fischereiarbeiter entgegenblicken – wenn nicht sogar einem viel groteskeren. Alleine durch den Gedanken grummelte sein Magen, hätte er heute etwas gegessen, so würde er es gleich erneut essen.
„Wäre Juni nicht da, hätten sie mich bestimmt heute schon erwischt!"
„Steh auf! Wir finden einen Weg. Juni wird mit einem schlauen Plan kommen. Vertraue ihm, bisher hat er uns noch nie enttäuscht", versuchte Liam erneut, die Stimmung von seinem Freund zu heben. „Außerdem möchtest du nicht, dass dich deine Mutter weinen sieht."
„Wie? Erzähl mir, mit welchem Meisterplan Juni kommen soll, um mich hier herauszuholen?"
Lex zog seinen Kragen herunter und zeigte die dunkelblauen Würgeflecken, die er vom Vortag hatte. Teilweise waren die Finger noch deutlich zu erkennen und an den Spitzen der Handabdrücke leuchteten scheußlichen Flecken in einer Mischung aus Violett und Schwarz. „Das ist genau, dass was sie finden müssen, diese Verletzungen, diese verdammten Verbände an meinem Arm. Sie haben sicherlich jedes Detail aus dem Fischereiarbeiter herausgefoltert. Sie suchen mich!"
„Ich weiß nicht, was Juni für einen Plan hat. Aber Juni ist immer noch Juni. Vertraue ihm!"
Plötzlich öffnete sich knarrend eine Tür. Nicht irgendeine, sondern die zu seiner Wohnung. Der Hausherr stolzierte mit einem fröhlichen Gesicht aus dem Raum. Doch just in dem Moment als er Lex erspähte, verfinsterte sich seine Miene und strahlte nichts als Abscheu, Ekel und Aversion aus. Sein Auftreten, wie gewohnt. Ein ungepflegter Bart. Sein Atem stank nach Alkohol, sodass selbst die schönsten Blumen ihre Blüten abwarfen. Das Hemd hing aus der Hose der Hosenstall und die Gürtelschnalle offen.
„Die Miete ist fällig!", rief er und starrte auf den Jungen herab. „Lass mich warten und du wirst es bereuen."
„Ich bezahle sie", stammelte Lex vor sich her. Er kramte hastig nach dem Beutel mit den Münzen, während der Hausherr auf ihn zutrat, seine Lederjacke straffend. Er griff mit seinen massiven, kräftigen Händen den Beutel. Nahm ihn in seiner Gesamtheit an sich. Öffnete die Schlaufe und schaute hinein. Voller Abwertung schüttelte er den Inhalt, biss auf eine der Münzen, um zu schauen, ob diese echt war.
Liam's Arm schoss ungehalten nach vorne, umschlang das Handgelenk des Hausherren.
„Ich weiß, wie viel Geld in diesem Beutel ist und ich schwöre, dass keine Wohnung in diesem Viertel so viel Wert ist, als das was du dir bereits genommen hast."
„Und wer bist du? Ich hätte wissen müssen, dass Gesindel anderes Gesindel anzieht." Der Hausherr riss sich los. Die Finger von Liam hinterließen einen hellroten Abdruck. Er steckte unverdrossen den Beutel ein. „Verschwinde aus meinem Haus!", grunzte er in einer tiefen Stimme.
„Gib den Beutel zurück!", forderte Liam erneut und bot dem großgewachsenem Hausherren die Stirn.
„Liam, es reicht, bitte", unterbrach Lex ihn und stellte sich zwischen ihn und dem Hausherren. „Ich habe dir alles gegeben, was ich habe. Ich habe bezahlt! Für mich und meine Mutter."
„Brav von dir! Aber du hast nicht dafür gezahlt. Verschwinde!" Dieses mal schrie der Hausherr und zeigte auf Liam. „Du und deine Mutter können bleiben. Er allerdings nicht. Wag es dir ja nicht, noch einmal hier aufzukreuzen."
„Und was dich angeht. Geh in das Zimmer und bleib dort. Hör auf, die anderen Bewohner zu belästigen! Andernfalls besorge ich mir einen Kammerjäger, mit dem ich euch Ungeziefer loswerde. Hast du mich verstanden?"
Lex zitterte am ganzen Körper. Seine Atmung beschleunigte.
„Ist okay Lex, ich habe sowieso noch was vor", sagte Liam und wand sich auf der Stelle. Er öffnete die Tür schaute zum Himmel, an dessen dichte Wolkendecke keine Veränderung stattgefunden hatte und verließ das sichere Haus.
Lex beugte sich noch vorne, griff sein Oberteil an der Stelle, wo sein Herz lag und zerknüllte es zwischen seinen Händen. „Lass mich nicht alleine!", flüsterte er, als der Hausherr pfeifend an ihm vorbei ging. Dieser schloss seinen Gürtel und seinen Hosenstall und warf den Beutel lachend in die Höhe, in Vorfreude auf die Schenke.
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