
06 - begin
𝒥𝒾𝓂𝒾𝓃
Jimin verfluchte den Jüngeren mit seinen niedlichen Hasenzähnchen bereits in dem Moment, in dem sie die hässliche Kapsel betraten und ihm die Kamera dreist in den Rücken drückte, da Jeongguk mal wieder nicht richtig aufgepasst hatte und beinahe in seinen Rücken donnerte.„Guk.", knurrte er missmutig, aber der Angesprochene richtete fröhlich summend seine Kamera auf den langen Gang vor sich, der sie in die Kapsel führen sollte. "Tut mir Leid, Hyung.", brummelte er in sich hinein, aber Jimin konnte bereits aus dem leicht amüsierten Unterton heraushören, dass es seinem Freund eben nicht Leid tat.
Um ehrlich zu sein, hatte Jimin niemals geglaubt, als einer der Versuchskaninchen hier zu landen und dann auch noch mit Jeongguk zusammen, aber wie sich herausstellte hatte er wohl einen verflucht großen Fehler begangen, als er die beiden Briefumschläge Jeongguks Willen zurückgesendet hatte. Mit ihnen waren noch zehn weitere Personen auf dem Weg ins Verderben, zwei davon unweigerlich Doktoren, die ihnen in ausschweifenden Erzählungen das Regelwerk verlauten ließen. Jimin wollte sich wirklich ernsthaft auf die Worte der beiden konzentrieren, aber mit Jeongguk an der Seite, der laut und selbstbewusst das Geschehen im Gang für seinen Film kommentierte, verstand er tatsächlich nur weniger als die Hälfte der Regeln.
"Bei den kleinsten Anzeichen einer Veränderung bitten wir Sie unverzüglich in den hintersten Raum der Kapsel zu kommen - dort sind Ärzte stationiert, die Ihre Gesundheit im Auge behalten und die Ergebnisse dokumentieren.", Jimin warf der jungen Ärztin einen skeptischen Blick zu. Sie war ungemein zierlich und ihre Augen hatten zwar streng professionelle Züge angenommen, während sie ihren Blick abwechseln auf die Notizen und dann zu ihnen wandern ließ, aber Jimin kam nicht umhin ihrer Person und ihrer Berufung mit Skepsis gegenüber zu treten. Sie war noch so jung, konnte kaum ein paar Jährchen älter als er selbst sein, wieso sollte sie ein so wichtiges Projekt für die Menschheit leiten dürfen? War sie wirklich eine Koryphäe auf diesem Gebiet oder lag in den Bestrebungen der südkoreanischen Regierung und der Firma OXG die Gefahr einer maßlosen Überschätzung?
Jimins Blick wanderte weitere über die Menge und blieb an zwei bekannten Gesichtern hängen. Kim Seokjin und die weitaus zierlichere Gestalt seiner, wie es zumindest für seine eher ungeschulten Augen aussah, Freundin Kim Haewon. Oh verdammt, er hätte sich vielleicht vorher wirklich über einige der Teilnehmer informieren sollen, bevor er sich hier gedankenlos ins Abenteuer warf. Schließlich hatten die beiden wochenlang für das Projekt geworben, es hätte ihm klar sein sollen, dass die beiden die Firma ihrer Väter auf die äußerste Art unterstützten. Die beiden wirkten ungeheuer aufgebretzelt und passten sonst mit ihrer feinen Art so gar nicht ins Bild. Jimin fragte sich unweigerlich, wie lange die beiden dieses scheinbar perfekte Abbild ihrer Selbst noch halten wollten, oder ob sie während des Projektes ihre Fassade fallen lassen würden, ihren Mitteilnehmern zuliebe.
Denn es stimmte. Wenn Jimin seinen Blick über die restlichen Teilnehmer, sich selbst und Jeongguk eingeschlossen, wandern ließ, vielen die beiden Prominenten - sollte er sie wirklich so nennen? - ungemein auf. Sie passten nicht ins Bild, der sonst außerordentlich gewöhnlichen Masse.
"Jeongguk, siehst du-", hob er gerade an, aber da viel ihm die Abwesenheit des Jüngeren auf und er blieb erstarrt stehen, um fast schon panisch seinen Blick ein weiteres Mal über die Menge gleiten zu lassen. Sein Herz schlug ihm in der Panik heftig gegen den Brustkorb. Er war auf keinen Fall darauf vorbereitet, dieses Projekt ohne seinen hin und wieder nervigen Freund zu bestehen und es mochte vielleicht sein, dass er ein minimales bisschen übertrieb, aber der alleinige Gedanke bereitete ihm eine schreckliche Angst.
Natürlich war ihm klar, dass der Jüngere nicht weit gekommen sein konnte, aber auf einmal fühlte er sich allein, zurückgelassen und von dem anderen verraten, denn schließlich war es doch er, der Jimin so gerne bei sich auf der Seite haben wollte, um dieses Projekt zu durchstehen.
Und da entdeckte er den braunen Haarschopf seines Kumpels neben dem einer Rothaarigen, die sich neugierig zu ihm und seiner Kamera herüberlehnte und sich angeregt mit ihm zu unterhalten schien. Doppel-Verräter. Da vergnügte sich der Verräter doch wahrlich mit diesem Mädchen und ließ ihn alleine zurück, um die restlichen Teilnehmer genauer zu mustern. Er zischte einen leisen Fluch aus, bevor er seinen Blick zu einer anderen Gruppe an Teilnehmern wandern ließ, die sich mindestens genauso motiviert zu unterhalten schienen. Oder jedenfalls tat das der Größere der beiden, der sich immer wieder zu dem Kleineren wandte, und mit breitem Grinsen Geschichten zu erzählen schien, die der andere weitaus Ruhigere mit stummem Nicken quittierte.
Jimin war gerade in Versuchung über seinen inneren Schweinehund zu springen und sich den beiden anzuschließen - schließlich empfand er zumindest den Redefreudigen auf den ersten Blick sympatisch - als die Ärztin ein weiteres Mal ihre Stimme erhob und bekannt gab, dass sie jetzt schließlich bei ihren neuen Räumlichkeiten angelangt waren.
Und es wäre gelogen, wenn Jimin sagen würde, dass er erfreut über das kahle Innenleben der Kapsel gewesen wäre, die bereits jetzt so trist und einengend auf ihn wirkte, dass er am liebsten Reißaus genommen hätte. Tu es für Jeongguk, sprach er sich immer wieder selbst zu, obwohl der Verräter ihm in den letzten zehn Minuten keinen einzigen Blick mehr zukommen lassen hat.
Mit gerunzelter Stirn begutachtete er die Sitzgelegenheiten, die alles andere als bequem wirkten und die riesige Menge an Sauerstoffmasken, die fein säuberlich aufgereiht an der Wand hingen und auf ihre Benutzung warteten. Er hasste diesen Teil seines Lebens jetzt schon. Wieso hatte er sich nochmal dazu animieren lassen, daran teilzunehmen?
Weiße Wände wohin er auch blickte, überall Sauerstoffmasken und die Luft hier drinnen war tatsächlich schrecklich. Er war keine zwei Minuten in diesem Raum und hatte jetzt schon das dringende Bedürfnis eine dieser Masken vom Haken zu reißen und das obwohl es auf dieser Welt wirklich nicht viel mehr gab, das Jimin so sehr hasste, wie das Kratzen der Maske um Mund und Nase und das widerliche Gefühl des künstlichen Sauerstoffs, der in seinen Lungen beinahe brannte.
Jimin wollte gerade nach eben einer dieser Masken greifen, da riss es ihn wortwörtlich von den Füßen und er stolperte mit rudernden Armen direkt in den Ruhigeren der Männer hinein, den er vorher für kurze Zeit neugierig gemustert hatte. Und er hätte schwören können, dass Jeongguk etwas mit seinem plötzlichen Fall zu tun hatte, denn er hörte sein durch eine Hand gedämpftes Glucksen bis hierhin und in diesem Moment schwörte Jimin sich, diese Aktion auf jeden Fall dem Jüngeren heimzuzahlen.
"Jeon Jeongguk.", kam es als Knurren aus seiner Kehle und er wollte dem Verräter, der sich kichernd zurückzog, gerade hinterhersetzen, als ihn sein Gegenüber beinahe grob am Ärmel packte und sich zwei stechend schwarze Augen, die sich erschreckend von dem milchig weißen Gesicht ihres Besitzer hervorhoben, in ihn bohrten.
"Kannst du nicht aufpassen, wo du hin läufst? Oder ist das heutzutage auch schon zu viel verlangt?", Jimin lief es bei der wütenden Stimme des anderen eiskalt über den Rücken, während er versuchte, sich von dem erbarmungslosen Griff des fast Gleichgroßen loszureißen. Die Worte blieben ihm im Hals stecken aber dann berief er sich eines Besseren. Welches Recht hatte der Andere ihn so anzufahren? Ja, vielleicht war er besonders unvorsichtig gewesen und ja, vielleicht war er auch direkt in dessen Brust gedonnert, aber er hatte sich doch entschuldigt, oder?
"Kannst du nicht sprechen? Nicht einmal entschuldigt hast du dich. ", knurrte sein Gegenüber und Jimin hob gerade zu einer wütenden Entgegnung an, als ihm klar wurde, dass der andere Recht hatte. Er hatte sich eben nicht entschuldigt.
"Tut mir Leid.", brummelte er deshalb kleinlaut, würde eben diese Worte aber gerne direkt wieder zurückziehen, als dem Blassen eine abfällige Bemerkung über seine Heimatstadt entkam. Aber bevor er auch nur tief genug Luft geholt hatte, riss ihn jemand anderes am Arm aus der angespannten Atmosphäre in eine kichernde Umarmung, aus der er zwischen tausend Japsern die Worte "Du hättest dein Gesicht sehen sollen" entnehmen konnte.
"Jeon Jeongguk. Du elender Rotzbengel! Irgendwann bringe ich dir noch Benehmen und Respekt bei, auch wenn ich es dir mit Gewalt einprügeln muss.", zischte er dem immer noch Grinsenden entgegen, um dessen Augen sich kleine Lachfältchen bildeten, während er sich immer wieder nach vorne lehnte und seine Hand auf den Bauch presste und tief Luft holte, bevor er einem weiteren Lachanfall verfiel.
„Dein Gesicht", gluckste er, schnappte nach Luft, schlug sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel, „Oh großer Gott, Jimin. Dein Gesicht!"
„Jeongguk.", ließ er ein weiteres Mal ein Knurren vernehmen und plötzlich war es still und der Jüngere sah ihn aus großen Augen unschuldig an, während sich seine Hand klopfend zwischen seinen Schulterblättern wiederfand, was für Jeongguk so viel, wie eine Entschuldigung bedeutete.
Er nahm sie an. Dem Jüngeren und vielleicht auch seinen eigenen Nerven zu Liebe.
„Wer ist die Rothaarige?", fragte er also neugierig in dem Versuch heraus, das Thema zu wechseln und überraschenderweise fiel der Jüngere direkt in die Falle hinein und das, obwohl er sonst immer wirklich sehr schlecht abzulenken war.
„Duri, sie heißt Duri."
„Mehr nicht? Und-", brachte er es schmunzelnd zu einem zweiten Versuch Jeongguk über seine neue Bekanntschaft auszufragen, aber eben dieser zog gerade nur die Augenbrauen zusammen, während er seine Frage zu verarbeiten schien.
Das amüsierte Grinsen verrutschte minimal und wenn Jimin seinen Freund nicht schon seit geraumer Zeit kennen würde, hätte er die Veränderung in den Gesichtszügen des zwei Jahre Jüngeren überhaupt nicht wahrgenommen, aber für ihn waren eben diese so evident, dass er es nicht einfach vergessen und wegschieben konnte.
Jimin war gerade dabei tief Luft zu holen, seine Gesichtszüge wurden sanfter und seine Augen musterten Jeongguk vor Sorge, als Jeongguk seine Gedankengänge mit wenigen Worten durchbrach:
„Sie ist nett. Das war es. Mehr nicht."
Und dann war er auch schon weg. Schlängelte sich an einer zierlichen Blondine vorbei, die gerade neugierig den Küchentresen in Augenschein nahm und die Nase rümpfte, als sie die neumodischen Geräte betrachtete, die ihnen für die nächsten Wochen zur Verfügung standen.
Was hatte Jeon Jeongguk jetzt schon wieder? Hatte er etwas ausgefressen oder hatten Jimins Sinne ihn dieses eine Mal vielleicht wirklich getäuscht?
Jimin ließ sich schnaubend in einem der Sessel nieder und riss sich beiläufig eine der Masken vom Haken, die er skeptisch in seiner Hand drehte und wendete.
Sie waren um einiges kleiner, als die, die er kannte und sie waren auch nicht so unbequem schwer, wenn man sie aufsetzte.
Überrascht stellte er fest, dass das Atmen mit der Maske um einiges leichter viel, als er sich in seinen Albträumen über das Projekt ausgemalt hatte. Die Sauerstoffmaske funktionierte gut, fast schon zu gut und so fühlte er sich erleichtert genug, um seinen Kopf für einige Sekunden in den Nacken zu legen und die Augen zu schließen.
Ihm entging natürlich nicht, dass jemand ihn von der Seite aus bereits seit einer geraumen Zeit, mit scheinbar vor Wut loderndem Blick, in Augenschein nahm und sich zwei pechschwarze Augen in seinen Hinterkopf bohrten.
Und genauso wenig entging ihm das gereizte Schnauben und die wüsten Worte, die den Mund des Besitzers verließen.
•••
[1831 Wörter]
A/N: Fröhliche Weihnachten, Leute.
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