Kapitel 2
,,Sie wird nicht einfach so aufgeben", sprach Jane, nachdem sie mich im Flur eingeholt hatte.
,,Ich auch nicht", war das Einzige, was ich dazu sagte.
Mit meinem Fuß stieß ich die Toilettentür auf. Da im Gefängnis ein strenger Tagesablauf herrschte, konnte ich nicht einfach in meine Zelle gehen. Also beschloss ich, die restlichen zehn Minuten meiner Mittagspause dort zu verbringen. Genauer genommen auf dem Fensterbrett. Das Fensterbrett war breit genug, um darauf bequem Platz zu nehmen und aus dem nicht allzu sauberen Toilettenfenster auf den Hof zu blicken. Jane folgte mir und lehnte sich am Waschbeckenrand an.
,,Du weißt, dass Ron der Krankenschwester erzählen kann, woher die Wunde stammt und dein Aufenthalt hier dadurch verlängert wird?", fragte sie mich mit verschränkten Armen.
,,Wenn sie schlau ist, wird sie es nicht machen".
Ich drehte meinen Kopf vom Fenster weg in ihre Richtung. Mit ernster Miene blickte ich in ihre braunen Augen. ,,Ich kann und werde zum schlimmsten Feind, wenn es jemand wagt sich einzumischen. Und wenn sie das Opfer spielen will, dann wird sie mit den Konsequenzen leben müssen."
Jane nickte registrierend. Meine Drohung würde nun ihre Runde machen, da Jane mit fast allen aus dem Gefängnis Kontakt pflegt. Das war auch genau das, was ich bewirken wollte. Sie sollten alle wissen, mit wem sie es hier zu tun haben.
Ein Gong ertönte Minuten später und kündigte somit den Beginn der Arbeitsschicht an.
*~*~
Ich zog mir die Schutzbrille über und fing an, das Holz zu zersägen. Es gab hier zwei Werkstätten. In einer arbeitete man mit Holz, in der anderen mit verschiedenen Stoffen. Wer nichts von all dem machen wollte, wurde in der Küche eingesetzt. Da wir glücklicherweise die Wahl hatten, entschied ich mich für das Arbeiten mit Holz. Kochen mochte ich noch nie und das Nähen lag mir nicht sonderlich.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Ron sich mir schräg gegenüber setzte und anfing ihre selbstgefertigte Holzfigur mit der im Verband gewickelten Hand zu lackieren. Ohne sie großartig zu beachten, arbeitete ich weiter an meinem Werk. Natürlich mit der Vorahnung, Ron würde gleich anfangen zu sprechen.
,,Ich habe mir meinen Ruf hier mit Schweiß und Tränen aufgebaut", fing sie auch schon an und klang bedrückt. Mit etwas zusammengekniffenen Augen sah sie zu mir hoch.
,,Ich fang gleich an zu heulen", meinte ich gelangweilt und pustete die Holzspäne vom Holzstück.
Wenn sie Mitleid von mir erwartet, dann war sie bei der falschen Person.
Wütend stand sie auf und lehne sich nach vorne.
Diese Geste hat schon beim ersten Mal nicht gezogen. Wie kam sie dann darauf, dass es das beim zweiten Mal tun würde?
,,Du wirst mir hier mit deinem Aufenthalt nichts kaputt machen, hast du das verstanden!?", spuckte sie schon fast. Wirklich so wütend?
Ich zog meine Schutzbrille von den Augen und legte sie vor mich auf die Tischplatte ab. Ob diese Taktik von ihr überhaupt jemals bei jemandem funktioniert hat? Oder waren hier alle so leicht einzuschüchtern? Denn dann wird das hier ja ein Kinderspiel für mich werden.
,,Versuch mich doch aufzuhalten". Ich grinste provozierend. Das wird ein Spaß.
Ihr Gesicht färbte sich vor aufkeimender Wut augenblicklich in roter Farbe. Sie setzte an, um noch etwas zu sagen, wurde jedoch vom Gong, welcher uns die Mittagspause ankündigte, unterbrochen. Ich neigte meinen Kopf auf die Seite und wartet bis sie noch etwas dazu sagte, doch es kam nichts. Stattdessen zischte sie nur ein leises ,,wart's ab" und verließ mit wütenden Schritten die Werkstatt. Amüsiert blickte ich ihr hinterher. Meine Angst vor dieser Frau war unbeschreiblich. Ironie lässt grüßen.
In der Kantine setzte ich mich wieder an den Tisch, an welchem ich auch schon am Morgen gesessen habe. Meine Zellengenossen Elis, Jane und Bree saßen wie selbstverständlich auch alle an meinem Tisch. Wie mir Jane erzählt hatte, waren sie vorher in keiner der Gruppen. Sie haben versucht, ihre eigene zu gründen. Erfolglos, wie sie mir berichtete, weshalb sie nun an mir hingen, in der Hoffnung ich würde meine eigene formieren. Anfangs war das nicht mein Plan gewesen. Das Einzige, was ich wollte, war es, die anderen einzuschüchtern, damit ich in Ruhe meine neun Monate absitzen konnte. Doch davor kannte ich Ron noch nicht. Ich wusste nicht, dass es so einfach sein würde, den Leader in diesem Gefängnis kleinzukriegen. Und auf irgendeiner Art und Weise machte es echt Spaß. Warum also nicht meine neun Monate Absitzzeit etwas verschönern?
Während ich die Suppe in mich hineinschaufelte, da ich zuvor beim Frühstück kaum etwas gegessen habe und bereits echt Hunger verspürte, kam ein Mädchen auf unseren Tisch zugelaufen. Sie blieb mit ihrem Essenstablett etwas nervös neben mir zum Stehen und blickte mich ängstlich an. Ich stockte in meiner Bewegung und hob fragend eine Augenbraue an.
,,Kann ich in dein Team?''
Eingeschüchtert sah sie sofort nach ihrer gestellten Frage auf das Tablett runter. Ich sah sie mir genauer an. Sie hatte lange, hellbraune und glatte Haare. Sie war sehr dünn und sah auch sehr jung aus. Ich schätzte sie auf achtzehn.
Ohne etwas zu sagen, nickte ich nur mit meinem Kopf auf den freien Platz links von mir. Mit einem leisen ,,Danke", ließ sie sich sofort neben mich nieder. Daraufhin fing sie sofort an, zu essen.
,,Wie heißt du?". Ich leerte meine Schüssel und drehte mich zu ihr, sodass ich nun breitbeinig auf der Bank saß.
,,Linn". Sie räusperte sich.
,,Bei wem warst du vorher?", interessiert sah ich sie an. Wenn sie in der Gruppe von Ron war, konnte sie mir vielleicht erzählen, wie diese Amateurin die Leute unter ihrer Kontrolle hält.
Linn schluckte und ließ ihren Löffel in der Suppenschüssel liegen, um mit ihren Händen daraufhin über ihre Oberschenkel zu fahren. Sie war sichtlich nervös.
,,Ich bin erst vor einer Woche inhaftiert worden und war in dieser Zeit in keiner der Gruppen".
Das Mädchen sah mich bei diesem Satz kein einziges Mal an. Entweder war sie von Natur aus ein sehr schüchterner Mensch oder aber diese eine Woche Haft hat sie zu dem gemacht, was sie nun war. Ich tippte eher auf Ersteres. Wäre sie taff gewesen, hätte sie Verbündete gefunden. Dass sie jedoch ganz alleine vor mir aufkreuzte, bekräftigte nur meine Vermutung.
,,Was war der Grund dafür?"
Wenn man als die Neue das Gefängnis betritt, reißen sich die Gruppen nach einem. Jeder will sein eigenes Team vergrößern und dazu greift man oftmals auch zu härteren Mitteln. Sie hatte höchstwahrscheinlich so einiges einstecken müssen in dieser einen Woche.
,,Auch wenn es viele verschiedene Gruppen gibt, gehören sie trotzdem alle zu Ron. Sie haben zwar ihre eigenen Anführer, tun aber trotzdem das, was Ron ihnen befehlt", erklärte Linn.
Ich biss mir auf meine Unterlippe und grinste. Sie hat sich aber sehr gut eingenistet hier. Wird aber dank mir nicht mehr lange auf dieser bequemen Position verweilen. Das ist nur noch eine Frage der Zeit.
,,Wo gibt es hier ein Telefon?", fragte ich in die Runde. Der plötzliche Themawechsel ließ Linn erleichter aufatmen. Als meine Aufmerksamkeit nicht mehr ihr galt, griff sie stumm wieder nach ihrem Löffel und aß ihre Erbsensuppe weiter.
,,Ein Münztelefon steht draußen. Wir haben gleich nach dem Mittagessen Freizeit im Freien. Dann kannst du hin", meinte Jane. Daraufhin nickte ich und stand auf, um mein Tablett wegzustellen.
*~*~
Ich wählte die Nummer und wartete.
,,Ja?", hörte ich die fragende Stimme von Kurt.
,,Ich bin's"
Prüfend sah ich mich um, um mich zu vergewissern, dass keiner in meiner Nähe war.
,,Keach. Und wie läuft's in der Gefangenschaft? Hast du alle schon unter deine Kontrolle gebracht?", lachte er in den Hörer. Ich verdrehte die Augen. Idiot.
,,Komm zur Sache!".
Ich sah mich erneut kurz um. ,,Habt ihr ihn?", fragte ich etwas leiser.
Ein Seufzen ertönte auf der anderen Seite der Leitung. ,,Hör zu....die Polizei hat ihn vor uns erwischt", berichtete er vorsichtig.
,,IHR IDIOTEN!", brach es aus mir heraus. Ich wurde rasend vor Wut.
Das war unsere einzige Chance gewesen, ihn zu fassen!
Nachdem ich einmal tief ein und aus geatmet habe, fragte ich schon wieder gefasster.
,,Wie war sein Urteil?"
,,Für Steuerhinterziehung sitzt man nicht allzu lange. Dazu hatte er auch noch einen guten Anwalt. Er hat ein Jahr und zwei Monate bekommen".
Wutentbrannt schlug ich gegen die Telefonzelle und schnaufte.
,,Hey!", rief einer der Wärter und kam plötzlich auf mich zugelaufen.
,,Luke soll mich besuchen kommen", sagte ich noch bevor ich auflegte.
,,Dass so etwas nie wieder vorkommt!", reif der Wärter und sah mich streng an. Ich nickte nur und lief zurück zu meiner Gruppe. So war das eindeutig nicht geplant gewesen.
Aber was hatte ich auch erwartet? Ohne meine Aufsicht konnten diese Nichtsnutze ja noch nie etwas zu meiner Zufriedenheit erledigen.
*~*~
Nach dem dritten und letzten Gong an diesem Tag durften wir unter die Dusche gehen. Ich erwischte eine mit Vorhang und schlüpfte schnell hinein, bevor irgendjemand anderes sie einnehmen konnte. Noch bevor ich jedoch das Wasser anmachen konnte, wurde mein Vorhang mit voller Kraft zur Seite gezogen.
,,Du hast es wohl immer noch nicht kapiert", hörte ich die Stimme von Ron hinter mir. Es war wohl ihre persönliche Duschkabine, in welche ich gestiegen bin.
Konnte sie mich nicht einmal in Ruhe lassen? Ich war gerade echt nicht in der Stimmung, dachte ich genervt.
,,Bist du verknallt in mich oder warum klebst du ständig an mir?".
Ich drehte mich mit einer gehobenen Braue zu ihr um.
,,Hättest du wohl gern".
Böse sah sie mich an.
Oh, da habe ich wohl ins Schwarze getroffen. Sie war eindeutig verknallt in mich.
,,Geh aus meiner Duschkabine oder ich zertrümmere dir auch noch deine andere Hand", sagte ich drohend und näherte mich ihr. Ich hatte wirklich keine Lust, weiterhin mit ihr zu diskutieren.
,,Versuch's nur", meinte Ron und kniff ihre Augen etwas zusammen.
Sie hatte aus der vorherigen Lektion wohl nicht viel gelernt. Wie dumm von ihr.
Ich setzte meine Faust an, um ihr diese ins Gesicht zu schmettern, doch sie fing sie geschickt ab und schlug mir stattdessen in den Bauch. Ich ließ mich nicht beirren und verpasste ihr daraufhin einen Tritt in den Magen, woraufhin sie gegen die gegenüberliegende Wand flog. Als sie sich rasend vor Wut wieder aufraffte, um den nächsten Schlag zu tätigen, stockte sie plötzlich abrupt in ihrer Bewegung. Ihr Blick lag auf meiner rechten Rippe. Auf meinem Tattoo. Mit geweiteten Augen sah sie mich an.
,,Du gehörst zu ihm", flüsterte sie leise, sodass nur ich es hören konnte.
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