Kapitel 1
,,Kleidung ausziehen und durchlaufen". Der schroffe Befehlston der Gefängniswärterin hallte in dem kahlen Raum, in welchen ich mich begab. Mit einem Nicken, welches ihr zeigte, dass ich verstanden habe, lief ich in den Raum und zog ohne Scham meine Alltagskleidung von mir. Diese bestand aus einer schwarzen Jeans, einem engen schwarzen Shirt und einer genauso schwarzen Lederjacke. Vielleicht bin ich ja mal ein farbenfroher Mensch gewesen. Wer weiß das schon so genau?
Ich selbst kenne ich mich seit Jahren ausschließlich noch in schwarzer Kleidung.
,,Umdrehen und vorbeugen", befahl mir eine andere seufzend, nachdem ich vollkommen nackt den nächsten Raum betreten hatte. So wie sie, würde ich auch reagieren, wenn man mir ständig eine Taschenlampe in die Hand drücken würde und aufträgt, die Neuankömmlinge zu durchsuchen.
Ohne zu zögern, drehte ich mich mit dem Rücken zu ihr und beugte mich vor. Ich war schließlich schon oft genug beim Frauenarzt. Dort verlangt man schlimmeres.
Als sie sich vergewissert hatte, dass ich nichts Verbotenes vor ihr versteckte, reichte sie mir meine neue Kleidung und wartete bis ich sie angezogen habe. Sie stand direkt vor mir und scannte mich misstrauisch von oben bis unten genaustens ab. Ein paar von ihren braunen Haarsträhnen fielen ihr dabei ins Gesicht, als sie den Kopf neigte. Wusste sie, wen sie gerade vor sich hatte?
Ich hoffte sehr, sie täte es, denn dann würde sie wissen, was ich mit Menschen wie ihr mache, wenn sie mir auf den Geist gingen. Natürlich nicht hier drin. Außerhalb. In der kranken, kalten und schmutzigen Welt. Dort, wo Menschen ihre Menschlichkeit verlieren. Je schöner sie äußerlich wird, desto hässlicher wird sie innerlich. Um einen herum nur selbstsüchtige Idioten.
Mein neues Outfit bestand aus einem orangenen Jumpsuit mit Reißverschluss in der Mitte und schwarzen Schuhen. Nachdem ich mich vollständig angezogen hatte, wurde ich durch einen langen Gang geführt.
Hier war es nicht sonderlich sauber. Die weißen Wände hatten dunkle Streifen und der Boden war an den Seiten voller Krümel. Aber was war hier auch anderes zu erwarten?
Meine Zelle, in der ich nun neun Monate meines Lebens verbringen musste, wurde für mich geöffnet. Sogleich blickten mir vier Augenpaare entgegen. Ohne mich auch nur vorzustellen, schob mich die braunhaarige Wärterin einfach rein und ließ die Stahltüre wieder hinter mir ins Schloss fallen. Ich hätte darauf wetten können, sie genoss es mich einfach herumschubsen zu können, mit dem Wissen ich konnte ihr nichts tun. Zumindest nichts, solange ich hier drin war. Mich beherrschend, stieß ich nur einen aggressiven Seufzer von mir.
Die Zellen, die ich betreten hatte, war gerade mal so groß, dass hier zwei Hochbetten reinpassten. In der Ecke entdeckte ich eine niedrige Trennwand, hinter welcher ich eine kahle Toilettenschüssel vermutete. Dass es hier überhaupt eine Trennwand gab, sprach davon, dass in dieser Zelle wohl eine der Anführerin wohnte. Oder aber jemanden von hier hatte so seine Kontakte. Ein Rendezvous mit einem der Gefängniswärter vielleicht? Kommt schließlich nicht allzu selten vor.
Eine, die auf dem linken Hochbett ganz oben saß, sprang geschickt hinunter und kam mit einem gefälligen Grinsen auf mich zu gelaufen.
,,Darf ich dich willkommen heißen oder dir die Fresse polieren?", kam sie gleich zum Punkt.
Sie war genauso groß wie ich und hatte kurze schwarze Haare. Ihre braunen Augen bohrten sich in meine und erwarteten eine Antwort. Doch ich hob nur unbeeindruckt meine linke Augenbraue an. Mutig.
,,Etwas genauer bitte", forderte ich sie auf und verdrehte meine Augen. Ich hasste es, wenn Möchtegern-Weiber, einen auf dicke Hose machten. Das waren dann meistens die, welche noch nicht einmal richtig zuschlagen konnten, wenn es darauf ankam.
,,Was du angestellt hast", keifte sie und kam mir nun noch etwas näher. Etwas zu nah für meinen Geschmack. An ihrer Stelle würde ich mir jetzt echt nicht auf die Pelle rücken. Das könnte nämlich gleich sehr unschön enden.
,,Wer will das wissen?", gelangweilt sah ich sie an.
,,Hör zu Kleine, wenn du keinen Ärger willst, dann würde ich mich an deiner Stelle hier nicht so aufspielen", warnte sie mich und brachte mich zum Grinsen. Wie sie krampfhaft versuchte, mir Angst einzujagen. Amateurin.
Somit hatte ich schon das mysteriöse Rätsel der Trennwand gelöst. Sie schlief wohl wirklich mit einem der Wärter. Oder Wärterinnen. Sie gab sich zu viel Mühe, um angsteinflößend auf mich zu wirken. Daraus schloss ich, dass sie eigentlich einen weichen Kern hatte. Durchschaut.
,,Das Gleiche kann ich nur zurückgeben". Ich stieß sie mit meiner rechten Schulter zur Seite und wollte auf das noch freie Bett zulaufen, da mich die ganze Konversation so langsam langweilte, jedoch packte sie mich am Arm und drehte mich ruckartig wieder zu sich.
Okay, du wolltest es nicht anders.
Ich befreite mich aus ihrem Griff, zog sie zu mir und stieß ihr mit voller Wucht mein rechtes Knie in den Bauch. Sie krümmte sich nun so, dass ich ohne Probleme mit meinem Ellenbogen ihr auf den Rücken hauen konnte. Nicht darauf vorbereitet, landete sie ungeschickt mit dem Gesicht voraus auf dem kalten Betonboden.
Als ich mich wieder zu den zwei anderen drehte, die das ganze Schauspiel natürlich mit beobachtet hatten, gaben diese mir ohne Diskussion den Weg zu meinem Bett frei. Zufrieden lief ich an ihnen vorbei.
Rücklings schmiss ich mich auf das noch freie Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Das Husten der Schwarzhaarigen, ließ mich nochmal zu ihr aufschauen. Sie stand etwas mühsam auf und richtet ihren giftigen Blick auf mich.
,,Wer bist du?" , fragte sie nicht mehr so großkotzig wie vorher.
Da lernt aber jemand sehr schnell aus seinen Fehlern.
,,Nennt mich Keach", wies ich sie an. Ein schiefes Grinsen legte sich auf meine Lippen. Vielleicht wird es hier ja doch noch ganz witzig werden.
~*~*
Während ich in der Kantine saß und in meinem geschmacklosen Brei herumrührte, nutzte ich die Zeit, um mir einen kleinen Überblick über die Gefangenen zu verschaffen. Hier gab es sowie junge als auch ältere Frauen. Viele verschiedene Gruppen saßen in ihren Ecken und nur die wenigsten waren alleine am Essen. Wer schlau genug war, sah zu, dass er sich schnellstmöglich in einer Gruppe einfand. Die Einzelgänger lebten nicht lange in Frieden. Meist wurden bis zum Ende ihrer Absitzzeit wie Müll behandelt, bespuckt, ausgenutzt und ständig beraubt. So war es schon immer gewesen.
,,Weg da!"
Meine Mitbewohnerin, die gegenüber von mir saß und deren Name Elis war, sah kurz hoch, bemerkte recht schnell, wer hinter ihr stand und rutschte eingeschüchtert sofort die Bank weiter nach links. Die Glatzköpfige, mit einem grässlichen Tattoo auf ihrem nackten Schädel, setzte sich auf den freien Platz mir gegenüber. Belustigt blickte sie zu mir. Das Tattoo, war ein geschlängel von Dorne, wie ich nun von nahem erkennen konnte. Oder sollte das Feuer darstellen?
Das war dann wohl Ron. Von ihr hatte mir zuvor die Schwarzhaarige erzählt, welche sich mit dem Namen Jane vorgestellte hatte. Sie meinte, dass Ron hier zwischen den Häftlingen das Sagen hatte. Das gefiel mir natürlich nicht. Denn es war nur eine Frage der Zeit, bis sie den Weg zu mir finden würde, um sich mir zu präsentieren.
Ich legte meine Gabel auf die Seite und ließ meine Augen über sie wandern. Menschen, die am angsteinflößenden aussahen, waren meist die schwächsten von allen. Das habe ich in meinem Leben nicht nur einmal feststellen müssen. Und bei ihr war das eindeutig der Fall. Alleine schon, dass sie mit ihren zwei Anhängsel gekommen ist, welche rechts und links hinter ihr standen und gehässig zu mir runterblickten.
,,Name", forderte Ron schroff und lehnte sich etwas vor.
,,Ich wüsste nicht, was dich das angeht", meinte ich gelassen und neigte meinen Kopf etwas zur Seite. Was sie konnte, kann ich schon lange.
In der Kantine war es still. Alle sahen zu uns rüber und waren gespannt, was als Nächstes passieren würde.
,,Hört". Ron fing an dreckig zu lachen. ,,Wir hatten schon lange keine Mutige mehr gehabt". Dann flüsterte sie ,,endlich mal wieder Aktion".
Sie lehnte sich noch mehr über den Tisch. Unsere Gesichter waren jetzt nur noch Zentimeter voneinander entfernt. Ich machte keine Anstalt, mich von ihr zu entfernen. Mit dieser Art schüchterte sie mich nicht ein.
,,Du lebst gefährlich", sagte sie nun mit einer ernsten Miene, nachdem sie keinen Funken von Angst in meinen Augen entdecken konnte. Ich schnappte mir blitzschnell meine Gabel und bohrte ihr diese mitten auf den Handrücken ihrer rechten Hand. Sie zischte vor Schmerz auf und sah geschockt auf das daraus strömende Blut hinunter. Als ich mich aufrichtete, mit meiner Hand immer noch auf dem Griff der Gabel, sah sie wieder zu mir auf.
,,Was mich an deiner Stelle eher interessieren würde ist....", jetzt flüsterte auch ich ,,wie gefährlich du eigentlich lebst".
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