T W E N T Y - T W O
"Wo bringst du mich hin?" Ich schaute an die Decke und erkannte nichts. "Du meintest doch, dass dich das interessiert und jetzt habe ich gerade Zeit."
Ian zog mich durch lange Gänge und ich hatte mich seinem Tempo schon angepasst, als er plötzlich anhielt.
"Die Kameras drehen sich. Man hat immer ein 30 Sekunden langes Fenster, dass dir ermöglicht unentdeckt hier durchzukommen. Wenn sie sich nach links dreht, rennst du einfach schnell um die Ecke und kein Schwein merkt, dass du hier bist." Fasziniert schielte ich zur Kamera hoch, als wir unter ihr durch schlichen.
"Du bist also ein richtiger Badboy", scherzte ich und umgriff seinen Oberarm.
"Theoretisch bringst du mich ja dazu, also bist du hier die Böse." Er grinste auf mich herab, als wir es an den Kameras vorbeigeschafft hatten.
Ich stand mit dem Rücken gegen die Wand und er lehnte sich zu mir herunter. Schüchtern und mit der Hoffnung, dass er es lassen würde, neigte ich meinen Kopf nach unten und tat so, als würde ich es wollen, aber nicht jetzt.
Sachte legte ich meine Handfläche auf seine linke Brusthälfte und drückte ihn weg. "Nicht hier. Es hat immer noch andere Kameras."
Ian lachte leise und zeigte auf die nächste. "Die ist aus. Sie sollte einem einfach irritieren, denn hier hinten bewegen sich sowieso nur die wirklich wichtigen Personen, was heißt, dass wir angekommen sind." Er zeigte neben mich und eine Tür war zugeschlossen.
"Der Aktenraum."
Mein Herz begann ganz schnell zu schlagen. "Warum hat sie die gleiche Tür wie die Zellen?"
Ich wollte danach greifen, bemerkte aber, dass das keine gute Idee wäre. Was wenn sie dann meinen Fingerabdruck finden würden?
Auch Ian hatte daran gedacht und er legte den Ärmel seiner Uniform über seine Hand. "Das war mal eine Zelle. Seit letztem Jahr haben sie, sie aber umgebaut." Er kniete sich vor die Tür und fuhr mit seinem bedeckten Finger unten an der Tür entlang.
"Dir ist sicher aufgefallen, dass diese Zelle eher abseits liegt. Das liegt daran, da hier die Insassen, welche auf ihren Tod gewartet haben, geschlafen haben. Sie wurden immer besonders beaufsichtigt, da man nicht wollte, dass sie sich das Leben selbst nehmen."
Ian schüttelte kurz den Kopf und fuhr der Kante nochmal entlang. "Was machst du?" Mit einem kurzen Blick schielte er zu mir hoch.
"Diese Türen sehen aus, als könnte nicht mal ein Panzer durch sie hindurch kommen, aber eigentlich kann man sie so einfach knacken."
Als hätte er etwas gefunden, begann er flüchtig zu lachen. "Ich habe herausgefunden, dass wenn man auch nur einen ganz kleinen Gegenstand zwischen Tür und Rahmen klemmt, wenn sie sich schließt, entsteht ein Wackelkontakt. Man kann dann hier unten," Er zeigte mir, wo er drauf drücken musste und ich kniete mich zu ihm runter. "Hier unten hat es mehrere ganz kleine Knöpfe, die für wirkliche Notfälle gedacht sind. Drückt man den ganz versteckten Knopf, so löst das einen Breakdown aus und die Schlösser lösen sich."
Er nahm meine Hand und führte sie unter die Tür. Dies tat er aber erst, als meine Hand abgedeckt war und ich riss meine Augen auf.
Tatsächlich.
Hier waren mehrere kleine Tasten. Ian nahm meinen Zeigefinger und drückte den Knopf ganz rechts. Ganz kurz klang es so, als wäre jemandem ein Kaffeelöffel auf den Boden gefallen und dann schwankte die Tür kläglich.
Als ob das so einfach wäre?
Schockiert sah ich zu, wie Ian die Tür vorsichtig aufschob und ich erkannte einen Bleistift im Rahmen der Zellentür.
Eins war klar.
Bei meinem nächsten Besuch bei Damian würde ich einen Bleistift in meine Akte legen.
"Komm!" Eifrig zog Ian mich in den, mit Regalen bestellten Raum und mir klappte meine Kinnlade runter. "Oh mein Gott!" Meine Hand legte sich schnell auf meinen Mund, da ich Angst hatte den ganzen Staub zu schlucken.
Hier standen reihenweise Regale gefüllt mit Ordnern und Akten bis ganz nach oben. "Krass, nicht wahr?"
Beeindruckt nickte ich und schlich bedacht zum großen D. Vielleicht würde ich Damians Strafakte finden. Ich fand sie aber nicht. Auch nachdem ich dreimal den Buchstaben D durchsucht hatte.
"Wen suchst du?"
"Damiano Diamini. Mein Patient. Er scheint vieles zu verbergen und in meinen Akten wurde nicht alles verfasst. Es fehlen einige Informationen." Ian lief zu einer Schublade und kramte in ihr umher.
"Dieser Diamini ist ja noch relativ frisch hier, also ist er wahrscheinlich hier drin. Gleich neben den Verstorbenen." Als er die Akte meines Freundes gefunden hatte, hob er schnell den Kopf, da man Schritte hören konnte.
Er drückte mir Damians Akte in die Hand und sprang auf. "Warte hier und bleib ganz leise, okay?" Seine Hand streifte meine und als er den Raum verließ, die Tür ein wenig zu schob, sodass man nicht erkennen konnte, dass sie offen war, wagte ich es wieder mich zu bewegen.
Ich hatte jetzt keine Zeit mir Damians Akte anzusehen und darum tat ich etwas, wo ich nicht wusste, ob es gut enden würde.
Ich nahm die gefälschte, die mir Jason gemacht hatte und tauschte sie mit der echten. Damians wirkliche Straftakte verstaute ich in meiner Mappe und die falsche schob ich ganz unten in die Schublade, sodass sie keiner so schnell finden konnte.
Ian hatte gesagt, dass die Verstorbenen hier lagen. Ich blickte zur Tür, konnte aber nichts hören. Deshalb zog ich die zweite Schublade auf und nahm die oberste Akte hervor.
Owen Hanson...
Ob das Big Bat war, konnte ich nicht wissen, aber er lag zuoberst. Ich öffnete die Akte und begann zu lesen.
48 Jahre alt. Gangvergangenheit, was hier in Amerika jeder zweite hatte, also konnte ich daraus nicht schließen, ob es sich um Big Bat handelte. Er hatte bereits mehr als die Hälfte hier drin abgesessen und wäre in 4 Jahren hier herausgekommen.
Er hatte eine Frau, die vor ein paar Jahren verstorben war und ihm fehlten drei Zehen.
Ich verzog mein Gesicht. Das wollte ich nicht wissen.
Seine Tochter hatte ihn vor zwei Monaten zuletzt besucht und dieser Owen hatte starke Arthrose.
Ich hörte, wie Ians Schritte im Gang hallten und schnell legte ich die Akte an ihren bedachten Platz zurück.
Als er wieder hereinkam, hatte ich Damians Strafakte vor meiner Nase und ich las die ersten Zeilen.
19 Jahre alt...
Hätte ich nicht gewusst.
Gangmitglied.
Ach was?
Italienischer Immigrant...
Okay, das war mir wirklich neu.
Immigrant bedeutete doch, dass man als ganz kleines Kind hierhergekommen war und keine feste Aufenthaltsbewilligung hatte.
Die Amerikaner nannten diese Kinder Dreamer. Dann musste das bei Milo genauso sein.
Hieß das, dass wenn Damian das Land verlassen würde, er nicht mehr zurückkommen könnte?
"Gefunden, was du gesucht hast?" Ich tat so, als hätte ich Ian gar nicht bemerkt und hob überrascht meinen Kopf. "Ja, Informationslücken sind gefüllt. Ich lese gerade nach, was in meinen Notizen noch steht."
"Gut. Aber ich denke, wir müssen hier weg." Ian kam auf mich zu und ergriff meinen Unterarm. "Ich glaube, wir sollten wirklich los, bevor sie uns noch erwischen." Ich nickte ihm zu und klappte die Akte in meinen Händen zu.
"Wärst du nicht durch den Haupteingang gekommen, könnte ich dich jetzt hier hinten herausschmuggeln", meinte Ian, als er die Zellentür wieder schloss. "Da hinten laufen meist nur die wirklich krassen Anwälte durch und so."
Mein Kopf schüttelte sich ungläubig. "Hier gibt es einen Hinterausgang, der nicht bewacht wird?"
Damian hier herauszuholen, würde doch viel einfach werden, als ich gedacht hatte.
"Ja, da hinten sind zwar nur Felder, aber wenn man knappe 5 Minuten geht, kommt man auf einen Restplatz, wo immer diese Wanderer chillen. Ich weiß nicht, ob du den kennst, aber dort auf dem Parkplatz wurde doch mal dieser tote Mann gefunden." Desinteressiert schloss Ian die Tür endgültig und ich musste das Glitzern in meinen Augen verstecken.
"Du weißt ja sau viel über die Hütte. Kennst du Veron Marquez?" Wenn Ian schon so gesprächig war, konnte ich das auch ausnützen.
"Der liegt auf der Krankenstation." Er zeigte auf einen anderen Gang und ganz unten sah man eine weiße Tür. "Ich weiß nicht, was er hat, aber es wird in den Pausen öfters über ihn gesprochen."
Ich zuckte mit den Schultern mit dem Ziel so zu tun, als würde mich das interessieren, aber nicht zu sehr. "Diese Hütte ist also eigentlich gar nicht so High-Security, wie man denkt", murmelte ich, als wir unter der Kamera durch schlichen.
Ians Lachen ertönte und er hob einen Schlüssel an. "Fun Fact. Die ganzen Schlösser hier," Er zeigte auf die 5 Schlösser am Tor, welches uns zurück zum eigentlichen Bereich führen würde.
"Die brauchen alle nur diesen einen Schlüssel. Wir sind einfach dazu gezwungen, so zu tun, als wäre jeder einzelne Schlüssel für ein anderes Loch, aber eigentlich hängt sechsmal der gleiche Schlüssel am Bund."
Ian hielt mir seinen Schlüsselbund hin und zeigte mir, dass das alle die gleichen Schlüssel waren.
"Oha, weißt du überhaupt, wie viele Schlüssel du da dran hast?"
Er führte mich zurück zum Empfang und half mir bei meinem Spind. "Nein, aber das ist ja auch egal, denn sind eh alles dieselben."
Ich nickte zustimmend und versuchte mein teuflisches Grinsen zu verbergen.
Dann würde es ihn sicher nicht stören, wenn er zwei weniger hatte.
"Bis heute Abend", flüsterte ich und sah ihn mit klimpernden Wimpern an. "Bis heute Abend", grinste er auf mich herab und streichelte meinen Handrücken.
Ich stolzierte mit großen Schritten aus dem Gefängnis und als ich die Außenwelt betrat, schlug mir der Wind entgegen und mein Haar schwang sich um mich.
Meine Schuhe konnte man sehr gut hören und mein Blick sprach mehr als tausend Worte.
Status?
Fluchtplan war in Arbeit.
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