049 | Harry
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"Harry? Essen ist fertig."
"Ich kann gerade nicht", erwiderte ich nur und drehte meinen Kopf wieder zu Bonnie. Sie lag bereits den ganzen Tag unterm Sofa und die meiste Zeit hatte ich daneben gelegen. Eigentlich sollte man sie nicht so belagern, aber ich konnte einfach nicht anders. Ich wollte unbedingt bei ihr sein.
Zaghaft streckte ich meinen Arm nach ihr aus und hielt die Luft an, als sie meine Hand streifte und sich mir langsam näherte. Gebannt beobachtete ich das alles und fing an zu lächeln. "Hallo Bonnie", flüsterte ich leise und biss mir auf die Lippe als sie anfing mich zu beschnuppern. "Du kennst mich doch", murmelte ich. "Gestern hatte ich dich die ganze Fahrt über auf meinem Schoß."
Bei dem Gedanken, wie sie die Fahrt über geschlafen oder leise gemaunzt hatte musste ich grinsen. Sie hatte mich auch von der Übelkeit ein bisschen abgelenkt. Autofahren war wirklich nicht meins. Lou war nach einer Weile ein bisschen genervt von Bonnie und ihren Geräuschen, aber er hatte sich nicht beschwert.
Als Bonnie noch etwas näherkam und unter dem Sofa hervorlugte zog ich meinen Arm zurück und setzte mich auf. Ich beobachtete sie dabei, wie sie an meinem Oberschenkel schnupperte und schlussendlich hinaufkletterte. Überrascht, dass sie meine Nähe schon akzeptierte, hob ich sie sanft an meine Brust und stand mit ihr auf.
"Was machst du denn?", fragte Louis und kam aus der Küche ins Wohnzimmer. "Mich mit Bonnie anfreunden", erklärte ich und drehte mich zu Louis. "Soll ich mit dem Essen dann warten? Dann würde ich gerade noch die Waschmaschine anschmeißen und die andere aufhängen."
"Würdest du wirklich warten?", fragte ich erstaunt. Sonst wollte er doch auch direkt nach der Arbeit und wenn alles fertig war essen. Anstatt das Louis direkt antworte kam er näher und legte seine Hand an meine Wange. "Natürlich, Love. Schließlich müsst ihr beide euch ja verstehen." Sein Blick wanderte zu Bonnie hinunter und direkt wurde sie in meinen Armen unruhig.
"Du darfst sie nicht so anstarren", murmelte ich und sah ebenfalls zu ihr hinab. "Außerdem solltest du dich doch auch mit ihr verstehen. Sonst ist das doof." Louis verdrehte jedoch nur seine Augen, küsste die höchste Stelle an meinem Hals an die er, ohne sich auf Zehenspitzen stellen zu müssen rankam und ging ins Schlafzimmer.
"Soll ich dir die ganze Wohnung zeigen?", fragte ich an Bonnie gerichtet und ging mit ihr zu unserem Bücherregal. "Das sind meine Lieblingsbücher. Die meisten bringt mir Louis nach der Arbeit mit."
Ich zeigte ihr das ganze Wohnzimmer und wollte dann ins Schlafzimmer, als ich merkte, dass Louis im Flur stand und mich beobachte. Abrupt blieb ich stehen und sah ihn verunsichert an. "Ist alles okay?" Warum sah er mich denn jetzt so an? Louis fing an zu lächelnd und nickte. "Mehr als okay. Du blühst ja richtig auf." Etwas verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen und wusste nicht ganz was er meinte.
War nicht alles wie immer?
"Zeig ihr noch das Schlafzimmer und dann würde ich gerne essen. Ich muss nachher noch einmal los..." Zum Ende hin wurde er leiser und sah mich entschuldigend an. "Wohin musst du denn? Du warst doch schon den ganzen Tag unterwegs. Bleib bitte hier."
"Niall hat mir gerade geschrieben. Er fliegt morgen nach Irland zurück und möchte sich verabschieden."
"Oh..." Bei dem Gedanken an das was ihm passiert war wurde ich auf einmal unglaublich wütend. Schnell setzte ich Bonnie ab und verschränkte meine Arme, um das Zittern meiner Hände zu verstecken. Allerdings hätte ich es auch direkt lassen können, denn Louis bemerkte es und legte seine Hände auf meine Oberarme.
"Hazza", flüsterte er in seiner beruhigenden Stimme und trat noch einen Schritt näher. "Atme tief durch." Doch ich wollte nicht. Schnell schüttelte ich meinen Kopf und konnte kaum kontrollieren was mein Körper machte. "Er hat das nicht verdient. Warum hat Zayn ihm das angetan? Warum machen Menschen so was?" Louis schüttelte jedoch seinen Kopf, woraufhin ich ihn erschrocken ansah. Sah er das anders? Aber Louis... Er-
"Das sind keine Menschen Harry, das sind Monster. An ihnen ist gar nichts mehr menschlich. Ich weiß nur noch das Zayn in Isolationshaft verlegt wurde. Wenn er Pech hat ist er auch noch immer dort und sitzt seine Strafe ab."
Ich nickte nur und versank in meinen Gedanken, wodurch ich nicht merkte, dass Louis mich in seine Arme zog. Erst als er seine Hand in meinen Nacken legte und meinen Kopf auf seine Schulter drückte erwachte ich aus meiner Starre und schmiegte mich noch näher an ihn heran.
"Komm, setzten wir uns hin und essen was. Ich hab' gesehen, dass du die Brote wieder nicht gegessen hast." - "Ich war ja auch beschäftigt", flüsterte ich und legte meine Arme um seine Taille. "Love, du musst trotzdem essen. Ich weiß, ich bin nicht immer den ganzen Tag da und kann dir nicht einfach etwas vor die Nase stellen, aber versuch es von dir aus zu schaffen."
Ich entfernte mich ein wenig von ihm und legte meine Stirn dann an seine. "Die Schokolade habe ich aber gegessen." Louis musste schmunzeln und seufzte anschließend. "Nur Schokolade ist auch nicht gut und eigentlich sollst du die erst essen, wenn die Dose leer ist. Ich schätze das Obst hast du auch nicht angerührt?"
Ertappt löste ich mich von ihm und sah zur Seite. "Harry... Hast du überhaupt etwas außer der Schokolade gegessen?" Ob ich ihm sagen sollte, dass ich auch noch die Chips und die Gummibärchen verdrückt hatte?
"Ich kann mir schon denken was du stattdessen gegessen hast. Vielleicht solltest du die Verpackungen nicht rumliegen lassen", riet er mir und griff nach meiner Hand. "Tut mir leid", murmelte ich und schämte mich plötzlich, dass ich die Süßigkeiten Louis' Essen vorgezogen hatte.
Ob er sauer war, es aber nicht zeigte?
Unter keinen Umständen wollte ich ihn verärgern...
"Harry, es ist alles gut", lachte er und zog mich in die Küche. "Über was auch immer du dir gerade Gedanken machst, es ist okay. Immerhin hast du etwas gegessen. Das ist besser als nichts. Ich wusste allerdings nicht, dass du auch die sauren Gummibärchen anrührst. Soll ich das nächste Mal noch mehr davon kaufen?"
Ich ließ mich auf einem Platz nieder und verneinte es. Er sollte nicht noch mehr kaufen, wenn er eh schon so viel für mich tat. Sollte ich nicht eher selbst etwas zu all dem hier beisteuern? Aber woher sollte ich das Geld dafür bekommen? Allein bei der Vorstellung etwas machen zu müssen und sich so etwas zu verdienen... Was war, wenn das so wie früher endete?
In Gedanken versunken sah ich auf meine verunstalteten Hände und biss mir bei dem Anblick der feinen Narben auf die Unterlippe. Plötzlich dachte ich daran, wie Louis' Schwestern es einfach nur interessant fanden und überhaupt nicht zurückgeschreckt sind. Auch die anderen Narben haben sie nur neugierig betrachtet und anschließend weitergespielt.
Ob es anderen auch so egal war und nicht davor zurückschreckten?
Ich zuckte zusammen als Louis mich anstupste und anschließend seine Hand an meine Wange legte. "Hazza, du denkst wieder zu viel nach", flüsterte er und strich mit seinen Daumen über meine Lippen. "Möchtest du darüber reden?" Ich schüttelte jedoch meinen Kopf und sah auf den Teller hinunter und griff nach der Gabel. "Heute nicht."
Louis schien jedoch zufrieden zu sein und gemeinsam aßen wir, bis Louis sich auf den Weg zu Niall machte und ich mich auf die Suche nach Bonnie machte, welche sich dieses Mal jedoch unterm Bett im Schlafzimmer versteckte.
Da ich diesmal nicht so aufdringlich sein wollte legte ich mich mit einem Buch aufs Bett und betrachtete einen Moment lang das Softcover. Ich stellte fest, dass die Autorin anscheinend Lichtpunkte liebte. Denn auch das Cover der Weihnachtsgeschichte aus dem Sammelband war mit lauter solcher Punkte verziert.
Ich blättere etwas darin rum und seufzte. Wirklich Lust hatte ich auf 'the other side of me' nicht. Louis hatte es mir empfohlen. Es handelte von einem Sänger und einen einfachen Mann. Beide lernten sich auf einem seiner Konzerte kennen und trotz der Nachteile des Showbusiness und seiner Berühmtheit hatten sie zueinander gefunden.
Louis wusste, dass ich auch gerne etwas mit sexuellen Inhalten las, welche laut ihm definitiv enthalten waren, jedoch ich hatte das Gefühl, dass ich mir für diese Geschichte mehr Zeit nehmen sollte. Es einfach beim Warten auf Louis zu lesen fühlte sich falsch an. Vielleicht morgen?
Da hatte ich den ganzen Tag Zeit...
Gelangweilt legte ich das Buch beiseite, ließ ich meinen Kopf vom Bett hängen und blickte zu Bonnie, welche sich eingerollt ganz hinten versteckt hatte. "Magst du nicht lieber hervorkommen und mit mir kuscheln? Lou ist nicht da und kommt bestimmt erst spät wieder", murmelte ich und seufzte, als sie sich nicht von der Stelle bewegte.
Da ich nicht noch weiter untätig herumsitzen wollte, keine Ahnung warum es mir jetzt auf die Nerven ging, erhob ich mich und ging in den Flur, um meine Schuhe und Jacke anzuziehen. Ich verabschiedete mich noch kurz von Bonnie und steckte den Wohnungsschlüssel ein.
Ich war heute, abgesehen von dem Weg zur Therapeutin, noch gar nicht spazieren und eigentlich ging ich jeden Tag ein bisschen an die frische Luft. Lange wollte ich jedoch auch nicht unterwegs sein, denn Bonnie war ja noch da.
Ich entschloss mich nur eine kleine Runde zu gehen und kam dem kleinen angelegten Park zwischen den ganzen Straßen immer näher. Das was ich sah schmerzte in meiner Brust und erinnerte mich an früher.
Tagsüber saß in der Nähe des kleinen Parks niemand, doch jetzt saßen einige junge Leute auf dem Asphalt und den Bänken, unterhielten sich oder teilten sich das Essen. Kurz dachte ich an meine Zeit zurück und daran, wie ich niemanden hatte, da ich einfach kein Vertrauen aufbauen konnte, da es meist missbraucht wurde.
Gab es eine dauerhafte Möglichkeit den Kindern, die so wie ich waren, auf der Straße zu helfen?
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04/04/2021
Das Buch 'the other side of me' existiert wirklich und ist einigen von euch bestimmt bekannt. Wenn nicht, dann schaut doch bitte bei der lieben alyssadormidera vorbei ♥️
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