Kapitel 63 - Aussichtlos
Gegenwart
Der Mond erhellte, als schmale Sichel, die verschwindende Nacht. Ich saß mit angezogenen Beinen am Rand der Aussichtsplattform. Meine Zehen spielten mit der Kante, während ich in regelmäßigen Abständen einen kalten Hauch über meine Tasse Tee blies, die ich mit beiden Händen hielt. Hinter mir hörte ich barfüßiges Tapsen.
»Seit wann sitzt du schon wieder hier?«
Ich lächelte. Er setzte sich hinter mich und umfing meinen Oberkörper, meine Arme freilassend. »Ach Thor, ich konnte nicht mehr schlafen. Mir geht zu viel im Kopf herum.« Er legte sein Kinn auf meine nackte Schulter, an der Stelle wo mir der Morgenmantel heruntergerutscht war. Seine Wange drückte sich an die meine.
»Du solltest nicht so viel grübeln. Wir sind wieder zusammen.«
»Ja«, flüsterte ich. Meine Augen schimmerten feucht. Ich spürte seine Wärme. Sein Atem strich über mein Gesicht.
»Ich liebe dich, Loki.«
»Ja«, flüsterte ich, während die Tränen sich ihren Weg bahnten. »Ich liebe dich auch, Thor.« Und der Schmerz wütete in meinem Inneren.
***
Tony kam in den Gemeinschaftsraum und stellte sich neben Pepper, die mit einer Kaffeetasse da stand und zur Plattform starrte. Er legte einen Arm um ihre Hüfte und küsste sie sanft auf die Wange. »Guten Morgen. Wie lange stehst du schon hier?«
»Kurz nach Sonnenaufgang. Er kam nicht zum Frühstück. Jarvis sagte, dass er hier ist.«
»Tiara?«
»Hat er dort im Kinderwagen.« Pepper seufzte. »Es sieht so echt aus.«
»Lass uns hoch fahren, bevor er uns bemerkt«, drängte Tony.
***
»Guten Morgen ihr beiden. Verzeiht mein Zuspätkommen, aber Tiara bestand auf eine ausgedehnte Fütterung.« Ihre kleinen Finger zupften ständig an meinen Haaren und ich hielt den Kopf leicht schief, da sie bereits eine beachtliche Kraft entwickelte. Trotzdem kam ich nicht umhin, gelegentlich das Gesicht zu verziehen.
Tony und Pepper warfen sich einen schnellen Blick zu. Pepper pflückte lustlos Stücke aus einem Brötchen, die sie sich in den Mund steckte. »Ich dachte, wir könnten am Wochenende mal nach Malibu. Ihr habt in den letzten Tagen so hart gearbeitet, eine kleine Luftveränderung würde euch sicher gut tun.«
»Großartige Idee«, bestätigte Tony. »New York muss dir doch schon zum Hals raushängen.«
»Geht ruhig. Ich bleibe hier.«
»Sein kein Miesepeter. Nur zwei Tage. Meer, Sand, Sonne, bessere Luft. Perfekt für dich und die Blaubeerprinzessin.«
»Ja, klingt so.« Noch mehr Illusionen.
»Also abgemacht. Du wirst gar nicht gefragt. Morgen früh geht es los.«
»Wie bitte?«
»Anweisung vom Chef.«
Ich lachte spöttisch. »Ich werde nirgendwo hingehen.«
»Tony, geh schon mal vor ins Labor«, forderte Pepper ihn auf. Er nickte und verließ den Raum.
»Vergiss es, Pepper. Ich bin immun.«
»Loki, du bist auf geradem Weg in eine Depression. Hast du vergessen, wer du bist? Hast du nicht immer gesagt, du bist ein Gott? Ein Prinz? Ein König? Wo ist deine Stärke hin? Wieso gibst du auf?«
»Ich gebe nicht auf!« zischte ich. »Bei allen neun Welten! Ich werde das Siegel dieses Portals brechen.«
»Du arbeitest bereits rund um die Uhr daran. Lass uns wenigstens für ein paar Stunden ausspannen. Es wird dir gut tun.«
»Es bringt mich meinem Ziel nicht näher.«
Pepper seufzte. »Aber ein Anruf würde dich deinem Ziel näher bringen.«
Ich knirschte mit den Zähnen. »Nein.«
»Ich wusste nicht, dass Götter sich wie zickige kleine Diven verhalten.« Pepper griff nach ihrer Tasse und verließ die Küche.
»Weiber!«
***
Es wurde Zeit Tiara vorzulesen und so machte ich mich auf den Weg zu Starks Bibliothek, um mir dort das Märchenbuch der Gebrüder Grimm auszuleihen. Ich erinnerte Starks Worte, dass dies vom Inhalt den asgardischen Märchen ähnlich waren. Als ich den Raum betrat hörte ich leise Worte. Ich blieb lauschend stehen.
»Du bist nicht im Labor?«
Leises Lachen.
»Du trainierst nicht mit Clint?«
Stille.
»Ich dachte, ich sehe mal nach dir.«
Ich grinste und harrte der Dinge, die da weiter kamen.
»Natascha, was tust du?«
»Bin ich dir zu nahe?«
Schnelle und langsame Schritte. Jemand polterte gegen einen Widerstand. Mein Grinsen wurde breiter, als ich eindeutige Kussgeräusche vernahm. Ich räusperte mich laut und ging weiter. Romanoff kam mir entgegen.
»Hallo Loki. Wie wäre es mit einer Trainingseinheit heute?«
»Vielleicht morgen.« Banner sammelte Bücher vom Boden auf und stopfte sie, ohne nach den Titeln zu sehen, in die Regale des Schrankes zurück. Er wirkte fahrig, richtete ständig seine Brille und als er mich ansah, bemerkte ich die Rötung seiner Wangen. »Hast du dieses Märchenbuch gesehen?«
»Ich... äh... nein... also ich weiß nicht, warte... da.«
Er langte zum Regal und gab mir ein dickes Buch. Grinsend nahm ich es.
»In einer Stunde sind die neusten Auswertungen durchgelaufen. Kommst du dann ins Labor?«
Ich nickte. »Falls du nicht anderweitig beschäftigt bist.« Er kratzte sich verlegen am Kopf.
***
Unzufrieden starrte ich auf die Zahlen des Hologramms. Wieder ein Fehlschlag. Die midgardischen Möglichkeiten würden niemals ausreichen, um dem Portal Informationen zu entlocken. Ich musste wissen, wer dafür verantwortlich war, um die Versiegelung zu lösen.
Bruce schüttelte resigniert den Kopf. »Loki, wir drehen uns im Kreis. Ich sage dir seit Tagen, setze dich mit Dr. Strange in Verbindung. Vielleicht kann er ein Portal nach Asgard öffnen.«
»Darauf gibt es nur eine Antwort – nein.«
»Ich verstehe ja, dass du ihn nicht magst, oder dich in deiner Ehre gekränkt fühlst, aber im Moment gibt es keinen anderen Weg nach Asgard.«
Wütend fuhr ich zu Banner herum. »Wage es nicht an meinen Fähigkeiten zu zweifeln.« Mit geballten Fäusten ließ ich ihn stehen und verließ das Labor.
***
»Atmen! Tief einatmen. Vier Sekunden warten und ausatmen! Pah!« Zornig schritt ich in mein Gemach. Als ich die Tür öffnete hörte ich das Quengeln von Tiara. »Jarvis? Warum hast du mich nicht informiert?«
»Verzeihung Sir, Jarvis befindet sich in einem Backup. Sie sprechen mit Friday.«
»Friday? Warum hast du mich nicht informiert? Fünf Peitschenhiebe für einen nachlässigen Kammerdiener.«
»Mit dieser Information kann ich leider nichts anfangen, Sir.«
»Atmen! TIEF EINATMEN. VIER SEKUNDEN ANHALTEN. AUSATMEN!« Tiaras Quengeln ging in ein Schreien über. Ich stürzte an ihre Bettstatt, nahm sie heraus und presste sie an mich. »Mina herta, vergib mir.«
***
»Ist er schon wieder weg, oder unsichtbar?« Tony blickte sich suchend um.
»Loki ist gerade ungenießbar.« Bruce pustete die Luft aus. »Ich kann ja verstehen, dass er die Geduld verliert, aber wenn es ihm wirklich so wichtig ist, würde er über seinen Schatten springen und mit Strange reden. Schließlich hat der seine Hilfe angeboten.«
»Ist ein Ding mit der Magie-Ehre, oder so. Andere Hokuspokus-Hintergründe. Er hat es Pepper erklärt, keine Ahnung.«
***
Drei Wochen zuvor
Clint landete den Quinjet, während Natasha zu Loki ging, weil sie ihn wecken wollte.
»Nicht anfassen!« hielt Bruce sie hastig davon ab und erwiderte auf Natashas Stirnrunzeln: »Er mag das nicht sonderlich.«
»Alle aus dem Weg, ich berühre jetzt den Vulkan.« Tony ließ sein Visier hochfahren und schüttelte Loki am Arm. »Hey, Goliat, aufwachen!«
Ich riss die Hand hoch und gab einen kleinen Energieimpuls von mir. Zu mehr war ich nicht fähig.
Tony taumelte zurück und stieß gegen Steve, der ihn auffing.
Ich blinzelte. »Was... wo?«
»Wir sind zuhause. Kannst du Laufen, oder sollen wir eine Trage organisieren?«
»Ich kann laufen.«
Die Klappe wurde heruntergelassen und Pepper stürmte in den Quinjet. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und starrte schockiert auf den blutüberströmten Loki. »Oh Gott.«
»Es sieht schlimmer aus als es ist.«
»Wir sollten in die Krankenstation. Ich will mir die Wunde noch einmal ansehen «, schlug Bruce vor.
Ich nickte und gab Tiara an Pepper weiter.
»Ist sie auch verletzt...?« Pepper strich ihr sanft über den Kopf und starrte auf das blutige Tuch, das um ihren Körper gewickelt war.
»Nein, es ist Lokis Blut.«
***
Fassungslos starrte Bruce auf die fast geschlossene Wunde, nachdem er das Blut weggewischt hatte. »Das ist faszinierend. Fast vollständig geheilt.« Dann fiel sein Blick auf die Narben, die auf Lokis Oberkörper verteilt waren. Er sagte nichts, runzelte nur die Stirn. »Wird eine Narbe von der Schussverletzung zurückbleiben?«
»Nein.« Ich konnte deutlich die Frage in seinem Gesicht sehen.
Bruce nickte nachdenklich, schob sich die Brille zurecht und deutete auf Lokis Narben. »Das da hätte auch narbenfrei heilen müssen?«
»Ja.« Ich sah ihn an.
»Und warum...?«
»Mich nicht vollständig heilen zu lassen war Teil der Folter.«
»Wie lange...?«
»Ein Jahr - körperlich.«
Bruce nickte ernst.
»Bist du fertig? Ich will mich zurückziehen.« Tiara wusste ich in Peppers Händen. Ich musste mich dringend reinigen und schlafen.
»Schmerzt die Heilung? Ich könnte dir etwas gegen die Schmerzen und zum Schlafen geben.«
Ich lachte leise. »Diese Schmerzen sind nicht erwähnenswert.«
***
Ich schlief lange. Irgendwann bekam ich mit, wie Pepper Tiara zu mir legte und wieder ging. Tiara drückte sich an mich, brabbelte etwas und ich legte meinen Arm um sie.
Ich erwachte, weil mir Tiara in den Finger biss. Blinzelnd betrachtete ich mein Mädchen, die so rabiat an meinem Finger herumbiss, dass er tatsächlich leicht wund wurde. »Nōtō herta, hwat gadǣn þū?«
Ich eiste meinen Finger und Tiara umschloss ihn, allerdings nur für wenige heftige Züge, dann begann sie wieder zu beißen.
»He!« Ich richtete mich langsam auf. »Du bist erst zehn Tage alt. Was soll aus dir werden, wenn jetzt schon deine Fangzähne kommen?«
Auch ich verspürte Hunger, so erfrischte ich uns beide und teleportierte in die Gemeinschaftsküche.
Captain America saß am Tresen über eine Schüssel Cap'n Crunch gebeugt und schaufelte genüsslich einen Löffel nach dem anderen in sich hinein. Es war mir unverständlich wie erwachsene gesunde Männer so etwas essen konnten. Ich selbst probierte sie nur, weil Thor sie angeblich bevorzugte. Als ich mit Tiara auf dem Arm vor dem Capitan erschien, verschluckte der sich und hustete.
»Wow! Daran muss ich mich erst noch gewöhnen.«
Ich nickte ihm gnädig zu und öffnete den Kühlschrank. Da war nichts, was mich interessierte. Ich schloss ihn und drehte mich herum, den Blick schweifen lassend.
»Wir könnten Pizza bestellen... wenn du so etwas isst.«
»Ich kenne diese Teigfladen und ich esse sie auch, wenn sie nicht aus dem Frostschrank kommen.«
»Jarvis?«
Der Captain drehte sich zu mir.
»Was willst du für eine?«
»Die Übliche.« Er sah mich kurz verwirrt an und wandte sich dann wieder zum künstlichen Kammerdiener.
»Jarvis, bestell für mich eine Hawaii und für Loki... die Übliche.«
»Ja, Capitan Rogers«, bestätigte die KI.
»Fury hat sich gemeldet.«
Ich schenkte dem Captain meine Aufmerksamkeit, während Tiara an meinen Hemdbändern spielte.
»Deine Einäscherungsaktion hat ihn stark beeindruckt. Er ist mit einem vorübergehenden Waffenstillstand einverstanden, solange du nicht wieder eine grüne Kugel losschickst. Außerdem überlässt er uns den Quinjet, damit wir dich und deine Tochter schneller zurückbringen können, falls du irgendwie aus der Rolle fallen solltest.«
Ich lächelte schmal.
»Natasha, Clint und ich werden in der nächsten Zeit trotzdem hier bleiben. Zur Sicherheit. Obwohl ich, ehrlich gesagt nicht wüsste, was wir gegen Dr. Strange ausrichten sollten.«
»Hat sich der Rummelplatzgaukler noch einmal gemeldet?«
»Bisher nicht. Wir wundern uns, dass er überhaupt etwas für Fury getan hat. Eigentlich hält er sich aus solchen Organisationen heraus. Immerhin hat er sich nicht in unsere Befreiungsaktion eingemischt. Vielleicht hat er erkannt, dass du keine Bedrohung für unser Universum darstellst.«
»Wie kommst du darauf, dass ich keine Bedrohung für euer Universum bin?«
Steve schob den leeren Teller grinsend von sich. »Ich habe noch nie von einer stillenden Mutter gehört, die eine Welt erobert hätte.«
»Nun, ich bin keine Mutter.«
»Du hast Tiara geboren und säugst sie. Du bist ihre Mutter.«
»Runa hat sie geboren. Ich bin ihr Vater.«
Steve schmunzelte. »Meine Informationen sagen, du warst Runa.«
Ich stöhnte. »Dieses Weib wird mir ewig anhängen.«
***
Gegenwart
Tiara lachte, als ich ihr die Hand wegzog und wieder mit kraulenden Fingern auf den Bauch legte. Lachend versuchte sie meine Finger zu fangen. Hin und wieder erlaubte ich es ihr. Ich lächelte schwach.
»Dein Bruder ist heute einen Monat alt, wie du, Nōtō herta. Wie es Loan wohl geht? Piccolo ist bereits zwei Mal alle Portale angeflogen. Alles unveränderlich. Ich habe mir eines angesehen und weißt du was? Es ist Zwergen Magie. Leider kenne ich ausgerechnet dieses Muster der Nidaler nicht. Es ist zum Verzweifeln. Heimdall meldet sich überhaupt nicht. Nicht der Funke irgendeines Zeichens. Glaubst du, er zürnt mir noch immer, so dass er mir nicht antwortet?«
»Loki, nicht jeder ist so nachtragend wie du. Vor allem nicht Heimdall.«
Thor trat von hinten an mich heran. »Heimdall vergisst nie.«
»Aber er ist durchaus in der Lage zu sehen, wenn wirkliche Gefahr in Verzug ist.«
»Soll das heißen, wir sind nicht in Gefahr? Ich will nach Hause zurück! Ich will zu meiner Familie.«
»Warum ergreifst du nicht die naheliegende Chance?«
Ich knurrte.
»Wenn du ihn nicht um Hilfe bitten willst, warum...«
Meine Hand, eben noch mit den kleinen Fingern Tiaras beschäftigt, schloss sich zur Faust. Ich fuhr hoch und herum. Thor bekam meine Faust mitten ins Gesicht, bevor er seinen Satz zu Ende sprechen konnte. »Verschwinde!«
***
Nachmittags
Da standen wir nun. Stark zu meiner Linken, Barton zu meiner Rechten und Picco auf meiner Schulter. Ich nutzte die Magie, um an die schwere Türe zu klopfen.
Piccolo warf in regelmäßigen Zeitabständen Barton misstrauische Blicke zu, die dieser grinsend zur Kenntnis nahm. Niemand öffnete. »Wir gehen.« Ich wollte mich umdrehen, aber Stark hielt mich fest.
»Warte! Gib ihm doch wenigstens eine Chance an die Tür zu kommen.«
Ich sah scharf auf Starks Hand, die hastig weggezogen wurde. Wir warteten.
»Wie lange glaubst du benötigt ein Magier um an die Tür zu kommen?« fragte ich nach fünf Minuten. Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
»Das ist ein großes Haus. Wenn er ganz oben ist, braucht das seine Zeit.«
Nach weiteren geschlagenen sechseinhalb Minuten öffnete sich die Tür und wir sahen in das ausdruckslose Gesicht des Dieners von dem Rummelplatzgaukler. »Richte deinem Herrn aus, dass Prinz Loki von Asgard ihn zu Sprechen wünscht!«
»Ähm Loki«, flüsterte Barton. »Vielleicht eine Tonlage freundlicher?«
»Zu einem Diener?« Der Mann verzog keine Miene. Er schloss wieder die Tür.
»Was soll das jetzt?« Stark runzelte die Stirn.
»Er behandelt uns wie niederes Volk«, knurrte ich. Verabscheute ich diesen Kriechgang bereits von Anfang an, wurde meine Laune augenblicklich übler.
»Das ist die Retourkutsche, weil du nicht mit ihm geredet hast, als er im Tower seine Hilfe anbot.«
Ich blickte Barton finster an. Stark starrte misstrauisch zu meinem Raben.
»Findest du die Idee gut, deinen Raben mitzubringen? Vielleicht mag er keine Vögel.«
»Er bringt auch seinen Mantel mit und ich mag seinen Mantel nicht.«
Clint gab ein dreckiges Lachen von sich. »Da ist was dran.«
Nach weiteren fünf Minuten wurde erneut geöffnet. Der Diener zog die Tür zur Gänze auf.
»Mitkommen!«
Während Stark über das ganze Gesicht erstrahlte, sich fast unterwürfig bedankte und voranging, überlegte ich, ob der Rummelplatzgaukler von der Dreistigkeit seines Dieners wusste. Unter fünf Peitschenhieben wäre dieser bei mir nicht des Abends zu Schlafe gekrochen.
»Hallo Clint, Mr. Stark.« Er nickte den beiden zu. »Gott des Schabernacks, es freut mich, dass du endlich den Glauben gefunden hast, dich mir und meinen mystischen Künsten anzuvertrauen.«
Der Rummelplatzgaukler kam langsam die Treppe herunter, da uns der Diener einfach im Foyer hatte stehen lassen.
»Den Glauben gefunden?« wiederholte ich spöttisch. »Ich? Bestimmt nicht, Strange. Ich bin ein Gott, ich finde keinen Glauben, der Glaube findet mich.«
»Loki«, flüsterte Barton. »Nicht so aggressiv.«
»Ein Gott? Wohl eher ein Wesen, das nicht von der Erde stammt und einige magische Tricks beherrscht.«
Der rote Umhang zuckte nach mir. Mein Rabe erwiderte die Drohgebärde, indem er ruckartig seinen Schnabel in dessen Richtung bewegte. Bevor ich etwas auf die Frechheit des Gauklers erwidern konnte, kam Stark ohne Umschweife auf den Punkt.
»Strange, wir sind hier, damit du uns ein Portal nach Asgard öffnest.«
Strange nickte bedächtig. »Ich muss einen Ort zumindest einmal gesehen haben, um ein Portal dorthin öffnen zu können.«
Er blickte mich auffordernd an. Ich erwiderte seinen Blick. »Und nun? Soll ich eine Illusion von Asgard schaffen und dabei die Koordinaten heruntersagen?« Bevor er antworten konnte, begann ich meine Magie zu weben. Schon beim Betreten seines Hauses war mir die Aura eines Weltenfensters aufgefallen. Als sich die ersten grünen Funken zeigten, kam Leben in den roten Mantel. Er riss sich fast vom Halse des Gauklers. Piccolo richtete sich auf und gab ein böses Krächzen von sich.
»Sollten wir dein Mädchen nicht lieber in den Wagen zurückbringen?«
»Barton, >mein Mädchen< benötigt nicht den Schutz eines künstlichen Fahrzeugs. Sie ist durchaus selbst in der Lage...«
Gerade noch hatte der Gaukler versucht seinen Mantel in die Schranken zu weisen, da löste sich dieser von ihm und wollte sich auf mich stürzen. Piccolo stieß sich ab. Mit ausgebreiteten Schwingen und vorgestreckten Krallen griff sie den Mantel an.
Der Gaukler gab einen Spruch von sich, den sein Mantel ignorierte. Dieser und mein Rabe verwickelten sich in ein magisches Duell, das sich langsam aber stetig in das erste Stockwerk verlegte.
Es war anstrengend im Kampfgetümmel meines Raben die Räumlichkeiten zu studieren. Immerhin war Piccolo in der Lage, den Mantel des Gauklers durch alle Stockwerke zu manövrieren, so dass ich einen Überblick bekam, wo sich die magische Bibliothek des Gauklers befand. Dieser warf einen verärgerten Blick hinter seinem Mantel her und wandte sich dann wieder an mich.
»Zeige mir Asgard!«
Dir würde ich alles zeigen, nur nicht Asgard. Meine Magie begann eine Landschaft zu zeichnen. Den schönsten und wärmsten Ort Jotunheims, falls der Gaukler auf dumme Ideen kommen sollte und eine Reise plante. »Taiknōn þek bōkam ena porta.«
Es war getan. Der Gaukler sah auf das sich entstehende Bild und behielt mich dabei im Auge, während ich in aller Seelenruhe im dritten Stock auf die magische Bibliothek zuging. Da sein lästiger Diener von dem Weltenfenster gewarnt worden war, unterhielt ich diesen ebenfalls mit einer Illusion, die ihn in die entgegengesetzte Richtung lotste. Das gesuchte Buch leuchtete mir entgegen und seine Fesselung benötigte nur einen Fingerzeig von mir. Es glitt in meine Hand und ich ließ es verschwinden.
»Seltsam. Ich habe mir Asgard immer...«
Mit einem Krachen stürzten Mantel und Rabe zu unseren Füßen. Der Mantel riss sich von Piccolo los, der triumphierend einen Stofffetzen im Schnabel zurückbehielt. »Es reicht Piccolo!« rief ich meinen Raben zurück. Meine Illusion zerfaserte. »Mein Rabe zeigt ganz deutlich, dass eine Zusammenarbeit mit dieser Art von Magie nicht wünschenswert ist. Stark, Barton, wir gehen.«
»Moment mal. Ich verbiete dir den weiteren Aufenthalt auf der Erde. Du gehörst nach Asgard. Selbst wenn du aktuell kein Unheil angerichtet hast, trägst du das Potential dazu in dir.«
Ohne mich umzudrehen hob ich meine linke Hand und zeigte ihm meinen Mittelfinger. Eine Geste, die mir Stark beigebracht hatte.
***
Während wir zurück zum Auto liefen schüttelte Stark unzufrieden den Kopf.
»Ich verstehe dich nicht. Das war deine einzige Chance nach Asgard zu kommen.«
»Nein.«
»Alle Portale sind verschlossen und wir finden keinen Weg sie zu öffnen.«
»Ich werde ein eigenes Portal erschaffen.« Mit diesen Worten ließ ich das mitgenommene Buch erscheinen.
Clint stöhnte. »Oh, nein. Du hast eines seiner Bücher mitgehen lassen? Bei seinen Büchern ist er sehr empfindlich. Er wird es bemerken und dann taucht er wieder im Tower auf.«
»Das wird er nicht. Es sei denn, er hat ein dringendes Bedürfnis in sein Buch zu sehen. Das würde die Illusion auflösen und Gebrüder Grimms Märchen zum Vorschein bringen.«
Tony begann schallend zu lachen. »Das hast du von Anfang an geplant, du Trickster.«
***
Pepper erwartete uns bereits am Aufzug. In ihren Armen hielt sie Tiara, die fröhlich gluckste als sie mich erblickte und ihre Ärmchen nach mir ausstreckte. Ich nahm sie entgegen.
»Loki, können wir kurz reden?«
»Ja, können wir.« Sie drängte mich in den Aufzug zurück, während Stark und Barton uns überrascht nachsahen, als sich die Türen schlossen. Sie stoppte den Aufzug. »Pepper?«
»Hast du... kannst du... besitzt du... - hach, wie soll ich anfangen?«
»Irgendwie bräuchte ich schon mehr Informationen, um dir eine zufriedenstellende Antwort zu geben.«
»Mir ist seit heute Morgen übel. Ich werde doch hoffentlich nicht krank – wegen Tiara, meine ich.«
»Dir war übel heute Morgen? Hast du dich übergeben?« Sie nickte mit vor Besorgnis zusammengekniffenem Mund. »Darf ich dich unsittlich berühren?«
Pepper bekam große Augen und nickte dann zögernd. Ich lächelte sie an, murmelte ein paar Worte und legte meine flache Hand auf ihr Herz. Man hörte ihr Herz schlagen. Meine Hand glitt tiefer. »Lausche den Geräuschen deines Körpers.« Ich ließ ihr Zeit, dann glitt meine Hand noch tiefer. »Konzentriere dich, erkennst du Unterschiede?« Anspannung legte sich auf ihr Gesicht.
»Ich... nein, es ist einfach zu viel Rauschen.«
»In der Tat – doch die Art des Rauschens hat sich verändert. Der Fluss ist gestört. Er macht einen Umweg. Er bleibt hängen.« Noch einmal hieß ich sie lauschen und half ihr beim Erkennen ihrer physiologischen Chemie. Sie begriff.
»Oh mein Gott, oh mein Gott!«
Sie strahlte mich an und ich feixte. »Wirklich, ich habe damit nichts zu tun.«
»Ach du.«
Sie hämmerte auf das Öffnen der Türen und rannte regelrecht hinaus.
»Toooonyyyy!«
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Hwat gadǣn þū - Was tust du?
Taiknōn þek bōkam ena porta - Zeige mir Buch der Pforte
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