Kapitel 36 - Der Anfang vom Ende
N/A: Es macht richtig Spaß, mit euch zu schreiben :) Danke, für Kommentare und Abstimmungen:
KitaoLaufeysdottir, Lydia172, SalunaAgi, mimikannshalt, LillyMller0, RastlosesHerz, ItsRedStripe, Blacky0809.
Wir haben uns sehr darüber gefreut :)
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»Thor? Thor!«
Ich ruckte mit dem Kopf hoch und sah in die vorwurfsvollen Augen von Sif.
»Wo bist du wieder mit deinen Gedanken?«
»Ich stellte mir vor, wie gut sich das neue Schwert im Kampf machen wird.«
Sif lachte. »Es sah eher so aus, als würdest du in einem verruchten Traum verweilen.«
»Du sprichst wirre Worte, Sif.« Ich schwang das Schwert durch die Luft. »Der Schwerpunkt ist nicht akzeptabel. Mehr Gewicht in den Griff.«
»Wir haben dich gestern Abend beim Hnefa-Tafl vermisst.«
»Ich verspürte keine Lust zum Spiel.«
»Du scheinst in letzter Zeit sehr wenig Lust zu verspüren, Zeit mit deinen Freunden zu verbringen. Seit Loki sich töten wollte, entfernst du dich immer weiter von uns.«
Barsch drückte ich Sif das Schwert in die Hand. »Kümmere dich darum, dass die Mängel beseitigt werden.« Ich ließ sie einfach stehen und lief zum Palast zurück.
***
Mit voller Montur warf ich mich auf meine Bettstatt. Seine Augen sahen gestern wieder so traurig aus. Ich vermisste sein Lachen, seinen Schalk. Immer häufiger kamen seine bösen Träume. Was nur erlebte er bei den Chitauri? Alle meine Fragen schmetterte er dazu ab.
Er war so blass, seine Haut fast wie Pergament. Wie konnte man ein Wesen 4.000 Jahre lang die Sonne vorenthalten? Welche Tat rechtfertigte so eine grausame Strafe?
Ich stöhnte frustriert und setzte mich auf. Mein Blick fiel auf den Balkon. Ich erinnerte an ein gemeinsames Frühstück.
Wir waren dem Knabenalter gerade erst entwachsen. Loki trug sein Nachtgewand und was wir taten geziemte sich nicht für junge Prinzen. Wir blieben dem Frühstücksmal fern, um der höfischen Etikette zu entkommen und füllten unsere Mägen mit allerlei Süßspeisen. Die Sonne schien in Lokis Gesicht. Er legte den Kopf in den Nacken und gab sich der Wärme hin.
Genussvoll biss er in eine Rotperlfrucht, als wären es die verheißungsvollen prallen Lippen eines Weibes. Der Saft lief ihm über das Kinn. Ich konnte meinen Blick nicht davon losreißen, wünschte mir inniglich, ich könnte ihn von seinem Gesicht lecken. Dieser Gedanke erschreckte mich zutiefst. Ich warf Loki eine Eronbeere über und befahl ihm, anständig zu essen. Zerstörte den Moment, um meine Gefühle fortzuschicken.
Jetzt saß er da unten, und ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Dachte ständig daran, was er jetzt wohl machte. Sah seine langen Wimpern vor mir, seine grünen großen Augen, die geschwungenen Lippen...
»Hör auf damit! Das wird niemals passieren!«
Wütend kam ich hoch. Was stimmte nicht mit mir? Warum diese Gedanken, die ich so lange von mir fernhalten konnte?
***
Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen lag ich auf der Bettstatt und dachte an das, woraus meine Welt bestand. Thor.
Mit Erschrecken stellte ich fest, dass sich im Grunde nichts geändert hatte. Thor war immer da gewesen. Immer, bis auf meine Zeit bei den Chitauri.
Als ich damals zu Sif sagte »Ich liebe Thor inniglicher, als jeder von euch« waren das keine hohlen Worte gewesen. Auch wenn ich mir seit Jahrhunderten versuchte einzureden, dass diese Liebe dem Bruderband entsprang, wusste ich doch tief in meinem Inneren, dass es mehr war, als nur das.
Lange konnte ich mir selbst vormachen, dass ich meinen großen Bruder nur bewunderte, stolz auf ihn war und ihm nacheiferte. Doch als ich anfing verrucht zu träumen, musste ich mich selbst Lügen strafen.
Wann bemerkte ich zum ersten Mal, dass meine Gefühle stärker für Thor waren, als es sich geziemte?
Es war in der Arena. Ein Trainingskampf. Durch einen unglücklichen Hieb war Thors Brustpanzerung gebrochen gewesen, was nicht hätte passieren dürfen. Großmäulig forderte er Volstagg heraus, ihn auch ohne Schutz schlagen zu können. Das Spiel seiner glänzenden Haut über den Muskeln erregte mich. Ich konnte meinen Blick kaum von ihm abwenden, bis Sif mich anstieß und belustigt fragte, ob ich Thor meine Aufwartung machen wollte. Ich floh mit brennenden Augen und pulsierendem Schritt.
Als die Tür aufging wischte ich mir schnell die Tränen aus den Augenwinkeln. Thor. Ich spürte, dass er betrübt war, denn sein Lächeln erreichte nicht seine Augen. Er hielt ein Buch hoch und legte es auf dem Tisch ab.
»Verbotene Magie? Quält es dich nicht, dass du sie hier unten nicht einsetzen kannst? Was bringt es dir, diese Bücher zu lesen?«
Ungläubig starrte ich auf das Buch. »Du hast es mitgebracht?«
»Es war doch dein Wunsch.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass du das schaffst.«
»Du zweifelst an meiner Willensstärke?«
»Nein, das meine ich nicht.« Er zog etwas unter seinem Umhang hervor, das ich nicht erkennen konnte.
»Gib mir deine Hand.«
Stirnrunzelnd hielt ich ihm meine Handfläche entgegen und er leerte zwei zerbrochene Gebäckstücke hinein.
»Ich traf unterwegs Volstagg, der mir gegen den Arm schlug.«
Ich lachte. »Sie sind ja noch essbar.« Meine Lieblingskekse. Ich hätte nie gedacht, dass Thor so viel von mir wusste. Er kam mir nie sonderlich aufmerksam vor, was andere Asen betraf. Selbst an Mutters Geburtstage musste ich ihn erinnern und nie wusste er, welche ihre Lieblingsblumen waren.
Er setzte sich auf den Stuhl und rieb sich über die buschigen Augenbrauen. Der Zug um seinen Mund war verkniffen. »Hattest du einen anstrengenden Tag?«
»Ich habe die neuen Schwerter ausprobiert. Sie sind von schlechter Qualität gewesen.«
»Du lügst.«
»Woher willst du das wissen. Du hast die Schwerter nicht gesehen«, brauste ich auf.
»Das stimmt. Vielleicht waren die Schwerter tatsächlich unbrauchbar. Aber das waren nicht deine Gedankengänge.«
Ich verzog wütend das Gesicht. »Liest du meine Gedanken?«
»Ich kann keine Gedanken lesen. Materielle Sorgen bilden Furchen über deiner Nase. Emotionale Sorgen bilden Furchen an deinen Augen.«
»Du scheinst mich ja genau zu beobachten.«
»Ich hatte auch lange Zeit dafür.«
Er lächelte verschmitzt. Ich mochte dieses Lächeln. Sein ganzes Gesicht entspannte sich dabei, wurde weich und offen. Seine Augen blitzten vergnügt. Diese Augen... erneut ertrank ich ihnen.
Und plötzlich war da wieder der Ausdruck in seinen Augen. Sie glänzten, schienen tief in mich hineinzusehen, wirkten verzaubert. Ich konnte kaum glauben, dass er mich mit diese Augen ansah. Mich! Das Monster! Den Eisriesen! Den Mörder! Den Lügner! Den Betrüger! All das schien er nicht wahrzunehmen. Was war es dann, was er in diesen Momenten erblickte? »Was siehst du?«
Ich räusperte mich und suchte meine Fassung. »Ähm... dich. Wer sonst ist hier unten, außer uns beiden.«
»Du weißt genau, was ich meine.«
»Die Enge der Zelle scheint deine Sinne zu verwirren.«
»Deine scheinbar auch. Immerhin sind deine Augen klar und glänzen trotzdem.«
»Ich habe dem Wein beim Mittagsmahl zu sehr zugesprochen.«
»Mit Wein in deinem Leib hast du keine klaren Augen. Diesen Unterschied bin ich durchaus noch in der Lage zu erkennen.« Erneut fasste er an die Haarsträhne, mit dem dunklen eingewobenen Haar. Immer wenn er sich dessen bewusst wurde, ließ er sie schnell los und sah schuldbewusst aus.
Warum trieb er mich so in die Enge? Warum ließ ich mich so in die Enge treiben? Ich musste schnell das Thema wechseln. »In zwei Wochen wird Mutter zurückkommen Ein Bote hat es verkündet.«
»Dann war sie lange weg.«
Ich war erleichtert, dass er dem neuen Thema folgte. »Ich bin sicher, dass sie dich dann besuchen wird.«
»Meinst du? Ich habe sie sehr verletzt.«
»Verletzungen können heilen. Und wenn man jemanden liebt, verzeiht man.«
Ob Thor mir auch verzieh?
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Wer gerne in der Reihenfolge der Geschehnisse lesen möchte, sollte nun folgende Kapitel lesen:
18. Die geflochtene Haarsträhne
19. Geduldsspiel
24. "Lektion in Geduld"
Danach geht es mit Kapitel 37 weiter.
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