Kapitel 12 - Ich bin Loki
Eingeklemmt. Ich erwachte, weil ich mich nicht bewegen konnte. Ich blinzelte. Dunkelheit. Thor lag halb auf mir und verhinderte, dass ich mich zur Seite drehen konnte.
Ich hob meine Rechte und besah sie mir. Eine Frauenhand. Immer noch. Ich strich über Thors Kopf. Vielleicht brach sich der Bann erst bei Sonnenaufgang? Aber wenn ich ehrlich zu mir war... rechnete ich tatsächlich damit? Odin gehörte nicht zu der Sorte Gott, die ihre Worte gerne widerriefen. Nein, ich rechnete nicht wirklich damit, aber ich hoffte.
Leise seufzend schloss ich die Augen. Vielleicht... vielleicht bei Sonnenaufgang.
***
Nur ein Hauch auf meiner Wange. Manchmal konnte ich kaum glauben, dass diese grobschlächtigen Pranken so zärtlich sein konnten.
Ich hielt die Augen geschlossen und sah in Gedanken den nackten Thor auf der Seite liegen, den Blick auf meinen Körper gerichtet, den seine Hände sanft liebkosten.
Seine Finger spielten mit meinem Haar. Ich spürte seinen heißen Atem an meinem Ohr.
»Loki, wir müssen aufstehen, bevor deine Zofe kommt. Zieh deine Unterwäsche an.«
Zofe? »Nein! Gib mir dein Hemd!«
Verwundert stand ich auf, suchte kurz, fand meine Oberbekleidung hinter einem Stuhl und reichte sie Loki.
Als meine Hand das Hemd berührte färbte es sich grün. Ich glitt vom Bett, trat vor den Spiegel und konzentrierte mich. Hinter mir hörte ich Thor aufkeuchen.
Runas Beine steckten in schwarzledernen, eng anliegenden Beinkleidern, über denen Lokis schwarze Stiefel bis zu den Knien reichten. Mein Hemd war an Runas Oberkörper angepasst. Absolut unpassende Kleidung für eine Lady. Aber es sah heiß aus. Ich verstand nur nicht, was Loki damit bezweckte. Für Spiele blieb keine Zeit. »Was tust du?«
»Ich habe es so satt.« Als die Zofe klopfte fauchte ich: »Verschwinde!«
»Königliche Hoheit, Ihr müsst angekleidet werden.«
»Ich bin bereits angekleidet. Wenn ich dich brauche, lasse ich nach dir schicken.«
»Sehr wohl, Königliche Hoheit.«
Ich wandte mich zu Thor. »Komm! Ich bringe dich in dein Gemach.«
***
Frigga stand auf dem Balkon und blickte in die Ferne. Als Loki in ihr Gemach teleportierte, drehte sie sich nicht um. »Ich habe dich erwartet, Loki.«
»Mutter, sieh mich an!« Ich trat neben sie.
»Ich weiß.« Sie blickte Loki ernst an. »Ich komme gerade von deinem Vater.«
»Er ist nicht mein Vater.«
»Er wird dich nicht frühzeitig wandeln.«
Ich sah auf meine Hand. »Das war mir bereits heute Morgen bewusst. Warum?«
»Er ließ mich im Unklaren über seine Gründe. Hast du etwas getan, was ihn erzürnt haben könnte?«
»Mutter, ist es nicht eher so, dass ich nichts tun kann, ohne seinen Zorn zu wecken?«
»Das ist nicht wahr, Loki. Es tut mir leid. Ich war davon überzeugt, sonst hätte ich dir nie Hoffnungen gemacht. Ich kann dir nur eins mit Gewissheit versprechen: diese Wandlung wird in dem Moment aufgelöst, in dem die Amme die Lebensfähigkeit des Thronfolgers bekannt gibt.«
Und erneut ließ Odin mich spüren, wo mein Platz war.
»Nie hätte ich dir einen Verhütungssaft gegeben, wenn ich das auch nur geahnt hätte. Und ich sagte dir noch, nur drei Tropfen.«
Ich stöhnte auf und schlug die Hände vors Gesicht. Den Verhütungssaft hatte ich ganz vergessen. Mutter schlang ihre Arme um mich.
»Es wird alles gut.«
***
Loki war so ernst gewesen. Gestern Nacht hatte er seinen Frauenkörper genossen und mit allen Vorzügen gespielt. Wieso war er heute Morgen so erzürnt?
Mir wollte das Frühstück nicht schmecken. Mutter und Vater waren nicht da. Loki hatte mich angezogen in meinem Gemach zurück gelassen und war an einen mir unbekannten Ort teleportiert. Sif kam, sah mich flüchtig an und blickte sofort auf den Boden. Sie ignorierte den freien Platz neben mir und setzte sich neben Wolfger. Fandral und Volstagg lachten rau. Bestimmt gab Fandral die Episode von gestern Abend zum Besten.
Wo war Loki? Im gleichen Moment entstand neben mir ein grünes sirrendes Funkeln. Loki erschien. Im Saal wurde es still. Alle starrten auf seine seltsame Verkleidung.
»Komm! Wir müssen sofort in den Stall!«
Jetzt starrten alle mich an. Keine Dame wagte es, so mit dem Prinzen zu reden. Es sei denn, es war ihr Gemahl und auch dann wurden solche Gespräche nur in den Privatgemächern geführt. Ehe ich auf Lokis Forderung reagieren konnte, packte er mich am Arm und wir teleportierten.
***
»Ich verstehe nicht, was passiert ist. Wo willst du hin? Ich muss die Nidaler in einer halben Stunde verabschieden. Und Mutter bat danach um ein Gespräch.«
»Die Zwerge können mir gestohlen bleiben. Ich muss dringend lebensnotwendig in den verbotenen Wald.«
»Nein! Da können wir nicht hin. Niemand kam bisher lebend zurück. Nicht mal Heimdall vermag dort hineinzusehen.«
»Die Narren kannten den Weg nicht und Heimdall muss nicht alles wissen.«
Ich vertraute Loki und schlug im Stall den Weg nach rechts ein. »Macht meinen Hengst Wido reitfertig.«
Ein Stallknecht versperrte mir den Weg, als ich nach links gehen wollte.
»Verzeiht, in diesem Gang stehen nur die Pferde der königlichen Hoheit, Prinz Loki.«
»Aus dem Weg!« Mit einer Handbewegung wischte ich den Knecht mit Magie zur Seite. »Ich bin Loki!«
***
Lokis Erzählungen während des Ritts zum verbotenen Wald machten mich wütend. »Ich verstehe nicht, wieso Vater seine Meinung geändert hat. Ich werde ihn damit konfrontieren.«
»Auf keinen Fall. Wir wissen nicht seine Beweggründe. Er feilscht nicht um Urteile.«
»Manchmal schon. Ich konnte ihn davon überzeugen, deine Kerkerstrafe aufzuheben.«
Für einen Augenblick überfiel mich der dunkle Schatten der Gefangenschaft. Die Hoffnungslosigkeit, die Stille, der Wahnsinn - der fast mein Leben auslöschte und Thor, dessen Stimme mein Leben rettete. Seine Hände, die mich auf der Schwelle nach Hel auffingen und widererweckten. »Ich spüre, dass es diesmal anders ist. Bitte halte dich bedeckt.«
Ich nickte. Lokis Gefühlen konnte ich immer trauen.
»Ach, und ich weiß, wieso Mutter dich sehen will.« Ich schluckte. Jetzt war es doch ich, der es erzählen musste.
Als ich endete waren wir fast angekommen und unsere Pferde gingen im Schritt.
»Für mich ist es keine Frage. Ich stehe zu dir und unserer Verbindung. Die Entscheidung ist für dich viel schwerer. Du verlierst das Anrecht auf den Thron.«
Ich hob eine Augenbraue. »Es ehrt mich, dass du meinst, ich könnte König werden, aber du weißt, welche Rolle Odin für mich angedacht hatte. Er wollte mich nie auf dem Thron in Asgard sehen.«
»Mutter sah das anders.«
Wohl wahr. Wie erstaunt war ich gewesen, als man mir Odins Stab überreichte. Mutter war so voller Zuversicht, voller Vertrauen in mich. Warum nur?
»Würde dir die Entscheidung schwerer fallen, wenn es eine Möglichkeit für dich gäbe König zu werden?«
Für einen Moment sahen wir uns schweigend an. Dann grinste ich leicht und blickte auf den Hals von Osara. »Nein.« Flapsig fügte ich hinzu: »Für mich gibt es immer eine Möglichkeit.«
»Dann ist es entschieden? Wir gehen gemeinsam den Weg und stellen und allen Widrigkeiten?«
»War es je anders?« Er grinste mich an und hielt vor einem der sichtbaren Eingänge in den Wald. »Halt! Dieser Weg führt in den Tod.«
»Wieso kennst du dich hier so gut aus?«
»Es ist die Magie des Waldes, die mich einst herführte. Dunkle Magier aller Zeiten fanden hier Zuflucht und haben diesen Ort mit Schutzzaubern belegt.« Ich hielt vor einer unüberwindlichen Dornenhecke und stieg ab.
»Hier?« Ich sprang herunter, nahm Wido am Zügel und kam neben Loki.
»Bruder.« Ich betonte es überdeutlich, um mich von dem Wort abzugrenzen. Dann wurde ich ernst. »Dieser Wald ist absolut tödlich für dich. Und deswegen gebe ich dir einen Teil meiner Magie. Das wird dich schützen, auch wenn wir getrennt werden sollten. Du musst wissen, es ist wie eine Markierung. Ich werde dich danach überall finden. Aber jeder der mich sucht, findet auch dich.«
Ich schmunzelte. »Mir gefällt der Gedanke, von dir markiert zu werden.«
Thor! Ich verdrehte die Augen. »Ich versuche dir gerade zu erklären, dass es nicht ungefährlich ist, meine Magie in sich zu tragen. Odin wird sie auch bemerken.« Und er würde wieder denken, dass Thor unter meinem Einfluss stand.
Ich kam näher, nahm Loki am Nacken und drückte meine Stirn an seine. »Tu es.«
Wir lösten uns voneinander. Ich hob meine Hand und murmelte einige Worte. Schwingende grüne Magie entstand auf meiner Handfläche. Ich ließ sie wachsen, legte meine Hand auf Thors Brustkorb und schloss die Augen.
Wärme breitete sich in mir aus, wurde zum glühenden Feuer, bis eine klirrende Eiseskälte sich über alles legte. Bildete ich mir das ein, oder war mir Loki jetzt näher?
Aufschnaufend nahm ich die Hand herunter. Mir schwindelte leicht. Ich blickte in Thors Augen. Sie hatten nichts von ihrer blauen Strahlkraft verloren, doch ich konnte den grünen Funken fühlen, der in ihm glomm. »Alles, was mit dir verbunden ist, kann diesen Wald schadenfrei betreten. Lass es uns versuchen. Tritt an die Hecke und sage: Ich bin Loki.«
Ich nickte und stellte mich vor die riesige undurchdringliche Wand aus Dornen und Ästen. Sie ragte bis in den Himmel und sah bedrohlich aus. Niemand würde auch nur einen Gedanken daran verschwenden, hier zu versuchen, in den Wald zu gelangen.
»Ich bin Loki.« Nicht passierte. Der Zauber war fehlgeschlagen. Doch dann raschelte es leise. Die verschlungene Dornenhecke begann sich zu entwirren und gab einen Weg frei. Breit genug für einen Mann mit Pferd am Zügel.
***
Nie hätte ich vermutet wie zauberhaft der Wald im Inneren war. Helle Lichtungen, wechselten mit üppiger Vegetation. Hochgewachsene uralte Bäume. Klare sanft plätschernde Wasserläufe mündeten in breite Flüsse voller Lachse. Prachtfane und Warrakwild schienen keine Scheu vor uns zu haben. »Du hast mir noch nicht gesagt, wozu wir hier sind.«
Kein Wunder. Es war mir unangenehm es anzusprechen. »Als ich dachte, meine Wandlung würde nur drei Tage andauern, habe ich mich vor einer Schwangerschaft schützen wollen. Du weißt, wenn man während einer Wandlung schwanger wird, muss man bis zur Geburt in dieser Form bleiben.«
»Du hast einen Verhütungssaft getrunken«, schloss ich.
»Eine ganze Flasche. Wahrscheinlich bin ich jetzt für Monate steril.«
»Oh.«
»Hier im Wald gibt es eine Magierin, die auch verbotene Tränke braut. Ich werde einen verlangen, der meinen Zyklus direkt einleitet. Ich will so schnell wie möglich dieses Kind gebären, damit ich wieder Mann sein kann.«
»Was ist das?« Vor uns tauchte eine herrschaftliche Villa auf. Baufällig zwar und umwachsen von Grün, doch konnte man erahnen, wie stattlich sie vor langer Zeit gewesen sein musste.
»Das Haus von Onkel Vili.«
»Ich dachte, Vater hat ihn verbannt, weil er ihn verzaubern wollte.«
»Nein. Er ist geflohen und hat viele Jahre hier gelebt.«
»Du hast ihn getroffen?«
»Es ist schon hunderte von Jahren her. Er war verbittet und wollte nichts mehr mit dem Königshaus zu tun haben.« Sehr verständlich, bei so einem wankelmütigem Bruder. »Um Haus und Grundstück hat er einen mächtigen Schutzzauber gelegt. Ich weiß nicht, was ihm wurde. Jetzt ist es nicht mehr weit, bis zu Irmingard.«
»Irmingard? Ich dachte, sie ist nur die Figur in Märchen, die man Kindern erzählt, um sie zu ängstigen.«
»Glaub mir. Sie ist sehr wirklich und auch viele der Geschichten sind so passiert. Sie mag keine Asen.«
»Wo kommt sie her?« Die Antwort Lokis erübrigte sich. Vor einem sehr kleinen Haus, das über und über mit Moos bewachsen war, stand eine Nidalerin und sah uns giftig an.
»Warte hier. Sie wird dir nicht vertrauen.«
»Und dir? Du bist auch ein Ase.«
Ich lächelte ihn an, während meine Augen bereits rot wurden.
***
Die Worte von Irmingard schwirrten mir noch immer im Kopf herum, während ich Osara fütterte. Thor war direkt bei unserer Ankunft von einem Boten empfangen worden. Wahrscheinlich bekam er nun den Zorn von Odin zu spüren, weil er die Zwerge nicht verabschiedet hatte. Ich beneidete ihn nicht um diesen Gang.
Ich strich Osara über die Blesse und legte meine Stirn an ihre Nüstern. »Danke, für diesen Ritt.«
Innerlich bereitete ich mich darauf vor, den Trank einzunehmen. Irmingard warnte vor den Schmerzen, die mich erwarten würden.
»Du Monster! Das war das Abscheulichste, was du je getan hast!«
Sif sah rasend vor Wut aus und schubste mich gegen die Brust. Ich griff nach ihren Handgelenken, fiel nach hinten und riss sie mit mir, so dass sie auf mir landete. »Sag bloß, es hat dir nicht gefallen? Deine Schreie habe ich noch gut ihm Ohr.« Als sie auf mich einprügelte, musste ich lachen.
»Das war Widerwärtig! Sag, hast du Thor genauso hintergangen? Ihm vorgespielt, du seist eine Frau, um ihn ins Bett zu locken?«
Mit einem Ruck rollte ich Sif von mir herunter und kam auf die Beine. Als sie nach mir schlagen wollte, wich ich aus. »Sif, das ist sehr amüsant, aber dafür habe ich jetzt keine Zeit.«
»Keine Zeit?« Sie trat näher an ihn und flüsterte: »Als du mich in der Badeanstalt verführt hast, war dir deine Zeit auch nicht zu knapp.«
»Verführt? Ich erinnere, dass du ganz gierig auf die Zweisamkeit warst.« Sie knurrte wütend und hob die Fäuste.
»Kämpfe du unheilvoller, nichtsnutziger, manipulierender...«
»Sif!« Ich trat zwischen sie und Loki. »Halte ein!«
»Das ist Loki! Er hat deine Sinne verwirrt. Er hat allen hier die Sinne verwirrt!«
»Ich weiß, dass es Loki ist und wusste es die ganze Zeit.«
»Aber...«
»Morgen wird es ganz Asgard bekannt sein. Ich bin verbunden mit Loki. Du weißt, dass wir keine wirklichen Brüder sind.«
»Thor! Es ist nur einer seiner Schabernacke. Morgen wird er wieder Loki sein und uns alle verspotten. Du kannst ihm nicht trauen. Niemand kann das.«
»Ich kann.« Ich nahm Lokis Hand, sah zu Sif und küsste Loki.
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