Die Wette
»Ich hab den Wind belauscht, der durch die Blüten rauscht,
das große Blütenmeer, lockt all die fleiß'gen Bienen her.
Ich hab den Wind belauscht, der durch die Blüten rauscht,
der sagt der Met in diesem Jahr wird wunderbar.«
Wütend schlug ich das Buch zu. War der Palast so klein, dass sich mein Bruder mit den drei Narren genau unter meine Balustrade zum Saufen setzen musste? Ich legte meine Fingerspitzen an die Schläfen und konzentrierte mich - auf jede einzelne krächzende Krähe. »RUHE.«
Meine Stimme kam explosionsartig in ihren Schädeln an. Der fürchterliche Gesang stolperte und verstummte. Ihr nerviges Getuschel verstand ich nicht mehr. Mein Blick auf den Zeitmesser sagte mir, dass ich los musste. Ich wollte nicht zu meinem Magie-Unterricht bei Mutter zu spät kommen.
***
»Diese Kröte! Mir klingeln immer noch die Ohren.« Fandral schüttelte sich stöhnend.
Volstagg winkte ab. »Stell dich nicht so an. Dein Gesang hat mir auch in den Ohren geschmerzt.«
Sif sah zu Lokis Gemach hoch. »Das kommt nur davon, dass Loki die Freuden der metseligen Gefühle nicht kennt.«
»Er ist jung. Er wird schon noch auf den Geschmack kommen», brummte Volstagg lachend.
»Ach was! Loki ist doch gefeit gegen Alkohol. Der wird doch nicht mal betrunken, wenn man ihn in ein Fass voll warmem Met stecken und untertauchen würde.« Fandral hob seinen Krug und nahm einen tiefen Schluck.
»Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich wette, er würde davon betrunken werden.«
»Ha! Ich wette, du würdest ihn nicht mal in das Fass bekommen«, widersprach Fandral. »Gegen seine Zauberei kommst du niemals an.«
»Das stimmt«, pflichtete Sif ihm bei. »Loki ist besser geworden. Dafür kann er noch immer keinen anständigen Schwertstrich führen.«
Volstagg schüttelte energisch mit dem Kopf. »Das sind doch Flausen, was eure Köpfe da hervorbringen. Der gute Met. Er würde ihn nur verunreinigen.«
»Es wird nicht Schaden, es zu versuchen.« Sif blickte auffordernd zu mir.
»Fandral, die Wette gilt. Sollte Loki betrunken werden, wirst du den nächsten Zyklus lang meine Waffen pflegen.«
Fandral schlug ein. »Die Wette gilt.«
***
Ich hob meinen Finger an den Mund und flüsterte: »Ihr wartet hier auf Loki und mich. Wenn wir Glück haben, hat Mutter ihn richtig gefordert, dann ist er so erschöpft, dass ich an ihn rankomme. Ich hab das schon ein paar Mal ausprobiert, funktioniert leider nicht immer.«
Mit der anderen Hand hob ich ein geöffnetes magisches Armband hoch. Anerkennende Blicke fielen auf mich und ich strahlte. »Also, wartet hier. Am besten nehmt ein wenig Abstand, falls sich mein Bruder wehrt.«
Vorsichtig lehnte ich die Tür zu Lokis Gemach an und lauschte. Loki schien tatsächlich zu schlafen, denn nach einiger Zeit vernahm ich nur das Rascheln seiner unzähligen Decken. Also schlich ich zu seiner Bettstatt und konnte mein Heil nicht fassen. Loki lag an der Außenkante seiner Bettstatt. Noch eine Drehung und er würde unsanft auf den Boden fallen. Sein Arm hing bereits lang ausgestreckt nach unten.
Ich grinste zufrieden in mich hinein, nahm das Armband fester und pirschte mich an ihn heran. Es wunderte mich nicht, Lokis nackten Oberkörper zu sehen, den Rest vergraben unter seinen geliebten Decken. Etwas was ich nie verstand. Jammerte er doch stets, weil ihm so warm war, aber im Bett verschwand er regelmäßig unter einem Berg von Decken, so dass ich manchmal nicht einmal eine Haarsträhne von ihm sah. Leise klickend schloss sich das Armband um Lokis Handgelenk.
Disharmonische Energien drangen in meine Aura ein. Was war denn jetzt schon wieder? Ich wollte nicht aufwachen und nachsehen. Unwillig forschte ich nach und erkannte die eindringende Aura von Thor. Etwas Kühles berührte mein Handgelenk. Es klickte und meine Wahrnehmung erlosch schlagartig. Ich öffnete die Augen und blickte direkt in Thors Gesicht. »Was...?«
»Loki, bist du ganz nackt?«
»Ich wüsste nicht, was dich das...« Noch beschäftigt mich aufzurichten, riss mir Thor die Decken vom Leib.
»Wunderbar. Du hast wenigstens genug Anstand mit Hose zu schlafen.«
Ich kniff die Augen zusammen, noch immer nicht begreifend was Thor eigentlich von mir wollte.
»Komm hoch, wir machen einen Ausflug.« Noch vom Schlaf trunken starrte mich Loki verwirrt an. Er hob seinen Arm hoch und präsentierte mir das Armband.
»Wozu das?«
»Du bist doch der Wissenschaft zugetan – wir machen einen Versuch.« Scheinbar hatte Mutter ihn wirklich schwer zaubern lassen, denn er biss nicht in meinen Köder.
»Thor lass mich in Ruhe! Nimm mir das Ding da wieder ab!«
Er streckte mir besagte Hand entgegen und langte mit der anderen Hand nach einer Decke.
Ich packte seinen Unterarm und zog ihn mit einem Ruck hoch.
»Hey!«
Und bevor er begriff, was ich von ihm wollte, warf ich ihn mir über die Schulter. Ich suchte mein Gleichgewicht und wappnete mich für seine Gegenwehr.
»THOR! Lass mich sofort runter!«
Er schlug mir mit den Fäusten auf die Wirbelsäule und wenn ich nicht den Trainingspanzer getragen hätte, wären Flüche meine Antwort gewesen. Aber so tat Loki sich nur selbst weh. Sein gezieltes Strampeln, nach meinem Gesicht, war da schon gefährlicher und so musste ich mit meinem freien Arm seine Beine nach unten halten. Obwohl er bedeutend schwächer war als ich hatte ich ganz schön zu kämpfen, ihn auf meiner Schulter zu behalten. Er schrie und tobte, griff hinter sich und bekam meine Haare zu fassen.
Die Wächter im Flur blickten mich misstrauisch an. »Nur ein Spiel«, murmelte ich und sie blieben unbewegt stehen.
Bevor Loki mir das Genick brechen konnte, war ich mit ihm draußen. »Fandral! Schnell! Greif seine Arme – Auuuu!«
Ich sah Fandral lachend auf mich zu rennen. »Fass mich nicht an!« schrie ich außer mir und ballte meine Hand zur Faust, während meine andere sich noch immer in Thors Haar krallte.
»Au – Nun mach schon!«
Fandral langte nach mir und ich schlug zu. Bei Thors Herumgetaumel konnte ich nicht richtig zielen und so traf ich statt seines Auges die Nase. Sofort schoss das Blut heraus. Fandral heulte auf und wich einen Schritt zurück. Sifs Stimme lenkte mich ab.
»Loki!«
Ich drehte den Kopf und mein Sichtfeld schwand...
Ich atmete erleichtert auf, als Lokis Körper erschlaffte. Sif rieb sich fluchend die Hände.
»Als ob man in eine Wand schlägt.«
***
Jemand tätschelte meine Wangen.
»Loki, Loki, wach auf Bruder!« Wir befanden uns hinter der Arena, gedeckt durch das Waffenhaus, das zu dieser Stunde nicht besucht war.
Blinzelnd öffnete ich die Augen. Sofort war ich hellwach. »Lasst mich sofort los! Was soll das hier werden?« Fandral stand hinter mir und hielt meine Arme auf dem Rücken gefangen. Thor vor mir, eine Hand am Bund meiner Hose, stabilisierte meinen unsicheren Stand.
»Komm schon Loki, wir machen nur einen Versuch – du weißt schon, für die Wissenschaft.«
»Seit wann interessierst du dich für Wissenschaft? – Lasst mich endlich los!« Vergeblich versuchte ich Fandral und Thor abzuschütteln. Neben uns krachte es. Ohne mich loszulassen trat Thor einen Schritt zurück. Ein Holzdeckel rollte genau zwischen uns hindurch. Ein unheimlicher Duft von Alkohol, Honig und Kirschen breitete sich aus.
Sif lachte. »Offen.«
»Offen?« Meine Augen wurden groß, als Thor mir den Blick freigab und ich ein großes Fass Met zu sehen bekam. Fragend sah ich zu meinen Bruder.
»Wir haben extra Kirsche genommen, weil wir wissen, dass du Obst gerne magst.«
Ich versteifte mich. »Was soll das heißen?«
»Du sollst es ausprobieren.«
Ich wusste nicht genau, was ich ausprobieren sollte. »Auf keinen Fall setze ich mich hier mit euch hin und saufe mit euch – ihr könnt...HEY! Nein!« Thor hob mich einfach hoch. Fandral ließ mich los.
»Nein, halt ihm die Beine zusammen, sonst bekomme ich ihn nicht hinein.«
»Seid ihr wahnsinnig?« Ich stieß nach Fandral, konnte ihn einmal treffen, doch dann erwischte er meine Beine. Ich zappelte und schrie laut um Hilfe. Doch der Zeitpunkt war gut gewählt. »Hogun! Du bist der Älteste, lass das nicht zu. Ich... aaaaaaaaaahhhhh, Thor! Das Zeug ist heiß!« Ich versuchte die Beine anzuziehen.
»Es ist handwarm. Stell dich nicht so an.« Mit Schwung beförderte ich Loki komplett ins Fass und drückte mit der Hand seinen Kopf in die Flüssigkeit. Sofort schossen seine Hände um mein Gelenk und er versuchte sich zu befreien. Fandral hielt unterstützend das Fass, während Loki sich wie wild gebärdete. Luftblasen stiegen heftig auf. Langsam beruhigten sie sich und sein Griff lockerte sich.
Sif lachte. »Volstagg verpasst was.«
»Wie lange kann er eigentlich ohne Magie die Luft anhalten?« hörte ich Hoguns misstrauische Stimme.
»Bei dem Gezappel? Ohhh!« Ich ließ los und sofort schoss Loki mit solchem Schwung an die Oberfläche, das das Fass kippte. Fandral und ich sprangen zurück. Sif nickte anerkennend.
»Hat ganz schön lange durchgehalten. Und was glaubt ihr? Betrunken?«
Loki kroch heftig nach Luft ringend und hustend vollends aus dem Fass. Er stank wirklich ziemlich stark. Seine Haut schimmerte rötlich. Gänzlich aus dem Fass, schob er sich auf die Knie und übergab sich mit gekrümmtem Rücken. Jetzt wurde mir doch anders. So hatte ich es mir nicht vorgestellt. »Loki!« Ich wollte helfend zu ihm, aber da schnellte sein Arm abwehrend nach oben.
»Bleib... mir... vom... Leib!«
Er hustete und rang noch immer nach Luft, um sich kurz danach ein zweites Mal zu übergeben.
»Was ist hier los?«
Wir fuhren herum. Sievert sah uns mit verschränkten Armen und hochgezogenen Augenbrauen an und blickte dann auf den Met, der im Boden versickerte und vor seine Füße floss. Er machte einen Schritt zur Seite und sah nun gezielt mich an.
»Wir... es... ein Versuch. Wir wollten unseren Wissensdurst stillen.«
Sievert schnupperte. »Er scheint mir eher, ihr habt euren eigenen Durst gestillt.«
Trotz heftiger Proteste zog ich Loki neben mich auf die Beine, hielt ihn fest und grinste verhalten.
»Ich dachte, wenigstens du wärst vernünftig, Loki.«
Mir war übel und ich fürchtete, wenn ich den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, würde ich Sievert vor die Füße...
Sievert deutete vorwurfsvoll auf den Boden. »Der Sand ist voller Met.«
»Es trocknet.«
»Narok wird nicht begeistert sein, wenn seine Arena morgen früh wie eine Taverne anmutet. Hinter den Ställen wurde frischer Sand aufgefahren. Ihr vier werdet die Nacht damit verbringen, den Sand der Arena abzutragen und den Platz mit dem neuen Sand aufzufüllen.«
»Was? Das wird die ganze Nacht dauern. Der Weg bis zum Stall...«
»Wenn du die Strafe unangemessen findest, Fandral, können wir den Allvater aus dem Schlaf wecken lassen, damit er euch richtet.«
Beschwichtigend hielt ich meine Hand in Sieverts Richtung. »Mir erscheint, die Aufgabe angemessen. Zu unserem Heil haben wir morgen früh keine Pflichten«, zischte ich Fandral zu. Sieverts schmales Lächeln hätte mir Warnung sein sollen.
»Vor dem Frühmahl erwarte ich, dass ihr mir hier eure Arbeit präsentiert. Und wenn ihr schon mal da seid, könnt ihr dann auch gleich das Waffenahaus aufräumen.«
»Loki hat mit der Sache nichts zu tun. Er...«
»Mitgegangen, mitgehangen. Und wenn du Magie verwendest, Loki, wird die Strafe darauf unweigerlich höher ausfallen.«
Sievert setzte seinen Weg fort und meine Gefährten stöhnten auf.
»Wer hat denn jetzt die Wette gewonnen?« wollte Sif wissen.
»Wette?« Erneut musste ich mich übergeben und da Thor mich festhielt bekam er das meiste davon ab.
»Neeeeein!«
Fandral sprang zurück. »Wie es aussieht hat niemand von uns etwas gewonnen.«
»Doch«, wiedersprach Sif, während ich angewidert mein Oberteil auszog. »Wir haben an Erfahrung gewonnen. Selbst wenn der Gott des Schabernacks nicht der Urheber eines Streiches ist, geht am Ende alles Übel aus.«
Nicht in der Lage irgendetwas in aufrechter Haltung und normalem Gang auszuführen fiel ich unserem Lehrmeister bei seinen Kontrollgängen auf. Er rief mich nochmals zu sich und musterte meine verfärbte Haut. Dabei bemerkte er den Magiehemmer an meinem Gelenk.
»Geh in die Heilkammer. Das sieht nicht gut aus.«
»Danke.« Ich wollte den Kopf leicht neigen, verlor das Gleichgewicht und konnte mich gerade noch so taumelnd fangen. Sievert winkte nach einer Wache, die uns beaufsichtigte.
»Bring ihn in die Heilkammer!«
Freudestrahlend sah ich der Wache nach, die meinen torkelnden Bruder wegbrachte.
»Hey Fandral! Ich hoffe, du kannst gut polieren.«
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Das Lied, das die vier am Anfang singen, ist ein umgedichteter deutscher Schlager. Wer sich traut, kann sich mit dem Link am Ende des Kapitels das Video mit dem Original Text ansehen.
Warnung: Ist ein alter Schlager ;-)
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