Kapitel 25 - Ungezähmt
Ein Schauer fuhr mir durch den Körper und für einen kurzen Augenblick wollte etwas in mir dieses Gefühl auskosten, dann erwachte eine andere Stimme. Aufgebracht schob ich die Hand von meinem Bauch weg und setzte mich auf.
»Entspann dich. Ich liebkose dich nur ein wenig.«
»Wohin deine Liebkosungen führen kannst du hier sehen.« Damit deutete ich auf meinen Unterleib.
»Noch ist nichts zu sehen und ein bisschen Zweisamkeit schadet der Frucht nicht.«
»Der Frucht vielleicht nicht, aber deiner Gesundheit, denn ich werde dir nächstes Mal die Finger brechen, wenn du wieder meine Linien berührst, Ase.«
Erstaunt sah ich ihn an. »Ase?«
»Ja, das bist du. Ein Ase. Eine Hitze ausstrahlender, übel riechender Ase.«
Ich lachte amüsiert. »Und das aus dem Mund eines... Jotun?«
»Sind deine Augen getrübt? Was sonst bin ich als ein Jotun?« Ich stand auf und legte mir das Tuch um die Hüften. Die Hitze in Asgard war unerträglich. Es drängte mich nach einer eiskalten Dusche.
***
»Thor, warum so missgelaunt?«
»Bin ich nicht.«
»Ach nein? Du starrst schon seit geschlagene 15 Zeiteinheiten auf Loki und ich sehe kein Wohlwollen in deinem Blick.«
Nal und Loki ließen die Kinder im Gras spielen, Vili und ich saßen auf den Stufen vor dem Haus. »Hat sich Nals Verhalten geändert, seit er eine Frucht in sich trägt?«
»Ein wenig genauer musst du deine Frage schon stellen, Neffe.«
»Als Loki in der weiblichen Asenform in anderen Umständen war, ist seine... Libido sehr hoch gewesen.« Vili lachte schallend und vermochte es nicht mehr sich zu beruhigen. Nal und Loki sahen bereits interessiert zu uns und ich ärgerte mich, ihn darauf angesprochen zu haben. Missmutig stand ich auf.
»Halt, warte Thor. Ich kann gut verstehen, was dich bedrückt.«
»Ach ja?«
»Die Jotunen nennen es den Takt der Argunen.«
»Ich verstehe nicht.«
»Argunen sind nicht anders als Asenfrauen. Sie wollen nur mehr angebetet werden.«
»Angebetet werden?«
»Ihre Krieger müssen zeigen, dass sie sie wirklich begehren, bevor sie ihre Kehle darbieten.«
Oh. »Danke, Onkel.« Ich stand auf, küsste die Kinder und Loki. »Bis später. Ich darf nicht zu spät zur Ratssitzung kommen.«
»Was hat Vili so erheitert?«
»Die Wiederholung dieses Scherzes ist nicht für die Ohren von werdenden Müttern gedacht.« Lachend ließ ich Mjölnir kreisen.
»DU!«
Seine Energiekugel erreichte mich noch, bevor ich in der Luft war und diese besaß Reißzähne.
Nal sah ihm lachend hinterher. »Er weilt zu lange des Tages ohne meine wohlwollende Kontrolle. Das macht ihn vorwitzig.«
»Vili wird heute auch nach Gladsheim gehen, zu dem Gespräch mit eurem Konungur. Ich hoffe, es geht alles gut.«
***
Vili nickte den Wartenden grinsend zu und trat an die Tür zum Sitzungszimmer.
»Eure Hoheit.« Der Adlatus des Allvaters verbeugte sich kurz und blickte auf seine Liste. »Darf ich einen Termin für Euch notieren?«
»Termin? Mein Bruder wollte mich sprechen. Da bin ich. JETZT ist mein Termin.«
»Das... das geht nicht. Seine Majestät ist in einer Ratssitzung, bis zum Mittagsmahl. Eventuell kann ich Euch einschieben nach der....?«
»Einschieben?« Vili lächelte schmal, schob den Adlatus mit einem kleinen Wink beiseite und nickte den Türwächtern zu, die sich nicht rührten. Vili pustete geräuschvoll die Luft aus und ein weiterer Wink öffnete die Türen magisch. Als die Wächter Anstalten machten Vili mit ihren Speeren den Zutritt zu verweigern, erstarrten diese mitten in der Bewegung und Vili trat mit forschem Schritt an ihnen vorbei.
***
Überrascht blickte ich auf, als Onkel Vili selbstsicher den Raum betrat und zielstrebig auf Vater zu lief.
„Hallo Votan. Du hast dir gewünscht mich zu sehen. Hier bin ich.«
Die hitzigen Gespräche über den Friedensvertrag verstummten. Fassungslos starrten die Ratsherren auf Vili. Vater zog die Braue zusammen.
»Vili - was fällt dir ein? Wir befinden uns in einer unaufschiebbaren Sitzung.«
»Jetzt bin ich hier. Jetzt können wir reden. Danach werde ich die nächsten zwölf Zyklen nicht mehr nach Gladsheim kommen. Wenn du jetzt keine Zeit hast, kannst du uns dann gerne im Wald besuchen.« Vili grinste breit, das Gesicht meines Vaters blieb starr.
»Die Sitzung wird bis nach dem Mittagsmahl vertagt.« Mit einer Handbewegung schickte Odin die Ratsmitglieder hinaus und starrte dann mich an. »Auch du bist entlassen, Thor.«
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Schnell stand ich auf und verließ den Raum. Vor dem Raum blieb ich einen Moment stehen und ein ungutes Gefühl beschlich mich. Was konnte Vater von Vili wollen? Ich würde es früh genug erfahren. Ich war froh, über die freie Zeit und beschloss zurück in den Wald zu kehren.
***
Vili lief an den Tisch, nahm sich ein frisches Glas und schenkte sich Wein ein.
Odin beobachtete ihn einen Moment lang stumm, bis Vili sich auf einen der Stühle niederließ und am Wein nippte. »Schon immer zeichnest du dich durch unaussprechliche Rücksichtslosigkeit aus, Vili.«
»Mag sein. Und du dich durch übertriebene Machtphantasien. Du hast wohl vergessen, dass du mich des Palastes verwiesen hast. Ich bin keiner deiner Untertanen. Wenn du mich das nächstes Mal sprechen willst, schicke mir eine nette Einladung zum Abendmahl.«
»Zügle deinen Ton! Was hast du in Jotunheim getan? Wie kannst du es wagen, die festgesetzte Geschichtsschreibung zu verändern.«
»Kannst du etwas zum Essen auffahren lassen? Wütende Anschuldigungen machen mich immer hungrig.« Vili wollte gerade an dem Wein nippen, als Odin eine Handbewegung in seine Richtung machte und der Wein herausgeschossen kam. Gesicht und Tunika wurden von der Flüssigkeit durchtränkt.
»Deine Frechheiten werden dir noch vergehen!«
Ruhig bleibend stellte Vili den Kelch auf den Tisch und mit einer Wischbewegung säuberte er Gesicht und Kleidung auf magische Weise. »Hast du Angst, der kriegstreibende Votan könnte plötzlich in einem anderen Licht erscheinen? Als Weltenschaffer, als Vater eines Volkes?«
»Deine Worte sind wirr. Du, Vé und ich haben Midgard erschaffen. Daran ändert sich nichts. Deine selbstherrliche Magieanwendung in Jotunheim zerstört das Zeitgefüge. Hat doch bereits Vé die Zukunft verändert, durch die leichtsinnige Vergöttlichung von Loki. Einem Jotunen!«
»So ist dein dir verhasster Sohn nun ein Gott. Erbrachte er bereits sein Blutopfer?«
»Ich hasse Loki nicht. Und was soll diese Farce von dir? War dir die Magd nicht Strafe genug? Bändelst du nun mit einem Jotunen?«
»Du siehst die Dinge immer nur von einer Seite, lieber Bruder. Oder hast du auch gesehen, dass Ysmi eine wichtige Rolle spielen wird in der Zukunft? Wem ich meine Liebe schenke, geht dich außerdem nichts an. Nicht jeder nimmt, so wie du, mit einer arrangierten Verbindung vorlieb, die aus politischen Gründen geschlossen wurde.«
»Ich verbiete dir, so über die Allmutter zu sprechen!« Wie aus dem Nichts erschien Gungir in Odins Hand und er zeigte damit auf seinen Bruder. Aus der Spitze des Speeres schoss ein blauer Blitz, der Vili vom Stuhl riss und durch den ganzen Raum katapultierte.
Nur Sekunden später fuhr Vili in die Höhe, ein ansehnliches Schwert in den Händen. Seine Augen blitzten kampflustig. Er breitete seine Arme weit aus und lachte. »Ich nehme die Herausforderung an, Bruder.«
***
»Loki?« Auf dem Flur kam mir Tiara entgegen gekrabbelt, hinter ihr rannte Nal her. »Hallo Nal. Wo ist Loki?« Nal erwischte Tiara und nahm sie hoch. Sofort begann meine Tochter zu quengeln und versuchte sich zu befreien.
»Nicht zur Treppe, ísmolar.«
Ich lächelte über den Kosenamen. Eiswürfelchen.
»Er wollte schon lange wieder hier sein. Nur kurz in Holdas Reich abkühlen, als die Kinder schliefen. Aber das ist schon Stunden her.«
Nal setzte Tiara wieder ab, in die andere Richtung gedreht und das Eiswürfelchen krabbelte in einem unglaublichen Tempo los.
Es behagte mir nicht, dass Loki so lange alleine im Schnee herumstreifte. Es konnte so viel passieren. Was wenn er unser Kind verloren hatte und dort blutend in der Kälte lag? »Ich werde ihn suchen.« Etwas fiel ihm Herrenzimmer um und sofort hörte ich Loan weinen. Schnell lief ich nachsehen. Loan hatte nach einem Umhang gegriffen, der über dem Sessel lag und ihn heruntergezogen. Dabei war ein Buch heruntergefallen. Ich nahm Loan hoch. »Nicht so schlimm, smala Frekan.« Er beruhigte sich schnell wieder und Nal kam mit Tiara auf dem Arm hinterher.
»Zwei von der Sorte sind doch anstrengender als ich dachte.«
Plötzlich zerriss ein gewaltiger Knall die Stille. Die Stoßwellen ließen das Haus wackeln, die Erde bebte. Augenblicklich fingen Tiara und Loan an zu weinen.
»Bei Ymir! Was war das?«
»Vater und Vili... unterhalten sich.«
Nal drückte Tiara an sich. »Der Konungur wird ihm doch nichts zuleide tun?«
»Sei unbesorgt. Es wird nur einiges zu Bruch gehen.«
***
Der Schnee fiel in dicken Flocken zu Boden und verdeckte somit jede Spur, die hätte da sein können. Keine Wege waren zu erkennen und ich fragte mich, wie ich Loki hier finden sollte. Ziellos lief ich herum und lauschte auf den Wind, das Knirschen unter meinen Stiefeln. Das Heil war mir treu. Denn da sah ich ihn plötzlich.
Im makellosen Weiß blitzte etwas Blaues zwischen den Zweigen hervor. Ich duckte mich, verlangsamte meine Schritte, um keine Geräusche zu machen. Vorsorglich lief ich gegen den Wind. Er schien vertieft in ein Buch und rechnete wohl nicht mit einer anderen Seele. Als ich auf zehn Schritte heran war, hob Loki den Kopf an.
»Welcher Ase wagt es, mich in meiner Ruhephase zu stören?«
Ohne Antwort zu geben kam ich hinter ihn. Im Sitzen reichte er mir inzwischen bis zur Hüfte und so war es ein Leichtes, meine Hände von hinten um seinen Nacken zu legen. »Hast du dich verlaufen, Jotun?« Mit dem Daumen strich ich über die Linien, an der Seite seines Halses.
»Ase, was tust du da?«
Er versuchte sich aus meinem Griff zu winden, doch ich ließ nicht locker. Streichelte über die Linien auf seinem Arm, fuhr über die Brust. Er zischte.
»Lass das! Nimm deine Finger von mir!«
Irgendwie schaffte er es, meine Hand an seinem Nacken abzuschütteln, tauchte unter meinem Arm weg und wollte einen Satz zur Seite machen, doch da fasste ich wieder nach seiner Schulter und zog ihn zu mir zurück.
»Lass – mich – los!«
»Kleiner unwilliger Jotun, beuge dich den Wünschen deines Gottes.«
»Pah!« Ich stieß ihn von mir.
Ich lachte dunkel, sprang in die Höhe und landete direkt vor Lokis Füßen, trieb ihn gegen einen der Bäume. Der Druck dagegen schüttelte den Schnee von den Tannen. Auf meinem Gesicht schmolz er sofort und das Wasser rann mir die Wangen herunter. Auf Lokis blauen Zügen blieb er haften und er blinzelte den Schnee unwillig von seinen Wimpern fort. Sein Zorn machte ihn nur noch begehrenswerter und ich fuhr damit fort seine Linien sanft nachzufahren.
Wunderschöner Argune. »Fallegur Argune«, bezirzte ich ihn auf jotunisch. »þinn húð er varlega hvernig silki.« Deine Haut ist sanft wie Seide. » ég desire þú.« Ich begehre dich.
Loki stöhnte auf, streckte den Kopf zurück, bot mir seine Kehle an. Sofort strich ich dort über seine Linien, beugte mich näher, küsste ihn sanft auf den Hals und biss zu. Loki gab einen kehligen Laut von sich. Er war bereit. Ohne ihn loszulassen, drehte ich ihn, drückte seinen Oberköper gegen den Baum und schob sein Tuch nach oben. Schnell zog ich meine Hosen herunter und Loki beugte bereitwillig seine Knie.
***
»Du hast wohl lange gebraucht, um Loki zu finden.« Vili musterte mein immer noch erhitztes Gesicht schmunzelnd. Ehe ich etwas erwidern konnte, war Loki neben mir.
»Widerliches Pack! Asen!« Ich drückte mich an Vili vorbei, um zu meinen Kindern zu gehen, damit ich ihnen das Asische austrieb.
»Vili! Du siehst unbeschadet aus.«
»Du klingst überrascht.«
»Die Erde hat gebebt, ob eures Gespräches.«
»Ach das. Kleine Meinungsverschiedenheiten. Gute Nachrichten. Der Rat und Votan erkennen den Friedensvertrag an und noch bessere Nachrichten für mich: die nächsten Jahrhunderte will Votan mich nicht mehr sehen – Ach ja, bis auf weiteres finden die Gespräche im Regierungszimmer statt. Das Ratsgebäude benötigt kleinere Reparaturen.«
Ich schmunzelte amüsiert. Von oben klang ein jotunischer Fluch herunter – von Loki. Überrascht hob ich die Brauen.
»Ich weiß nicht, ob es dich beunruhigt, oder erfreut – Loki wird immer mehr zu Loptr, auch wenn er es nicht wahrhaben will.«
»Warum sollte es mich beunruhigen?«
»Ich fürchte, dass Loki sein Heil in Jotunheim suchen könnte. Ein Jotun kann sich nur in seiner Heimat wirklich wie er selbst fühlen.«
»Aber Nal...«
»Nal genießt das freie Leben. Ihm war Jotunheim über und er sah keine Zukunft dort für sich. Loki liebt dich sicher genauso, wie Nal mich, aber zum ersten Mal in seinem Leben ist Loki, er selbst. Ich weiß nicht, ob er das wieder aufgeben will.«
Zwar war ich von Loptrs Gestalt angetan, dennoch vermisste ich Loki. Im Moment wollte ich mir nicht vorstellen für immer mein Leben mit einem Jotun zu teilen.
***
Während ich ein paar Tage später im Palast meinen Aufgaben nachkam, gingen mir Vilis Worte nicht aus dem Kopf. Der ungewollte Abbruch einer Schwangerschaft, konnte manche dazu bringen, unüberlegte Handlungen zu vollziehen. Was wenn Loki sich entschied wirklich nach Jotunheim zu gehen und dort zu bleiben? Mit den Kindern? Oder würde er sie zurücklassen? Würde ich ihm folgen? Den Thron aufgeben? Hastige Schritte rissen mich aus meinen Gedanken. Mehrere Heiler waren eilig unterwegs. »Irana, was ist los?«
Die Heilerin wirkte gehetzt, blieb dennoch stehen. »Wir wollten einen Teil der Heilkammer versiegeln. Hohes Fieber hat bereits vier Asen ergriffen. Im Blut fanden wir eine uns unbekannte Substanz. Da wir nicht wissen, wie es sich überträgt, ist Vorsicht angeraten.«
Ich nickte und gab Irana damit das Zeichen weiter zu gehen. Auf dem Weg zurück zum Regierungszimmer von Vater, kam ich an der Küche vorbei. Die Tür stand weit offen und es ging sehr laut zu. Als ich an die Tür ging, um nachzusehen, konnte ich gerade so einem Krug ausweichen, der auf meinen Kopf zuflog. »Bei Yggdrasil!« Als eine Magd mit geducktem Kopf an mir vorbeilief, hielt ich sie fest und zog sie auf den Flur. Sie starrte mich erschrocken an.
»Ma... Majestät.«
»Es mag sein, das es mir entgangen ist. Gibt es eine neue Art das Essen zuzubereiten?«
»U... Urda«, stammelte sie.
Das junge Ding schien zu verängstigt, um mir anständig Auskunft zu geben, also ließ ich sie los und wagte mich in die Küche, in der das Chaos ausgebrochen war. Der Boden war mit Scherben übersät, überall lag Essbares herum. Ein Odinsapfel traf meine Brustpanzerung. Aus dem Lagerraum kam ein Knurren. Küchengesinde kniete halb unter dem Zubereitungstisch und hielt sich schützend die Hände über die Köpfe. Ich beugte mich zu ihnen herunter. »Ist ein Tier in den Lagerraum eingebrochen?«
»Urda«, flüsterte Sigrun.
»Urda? Ist sie dort drin? Hilft ihr niemand?« Eine Tasse wurde mit entgegen geschleudert. Ich riss einen Topfdeckel herunter und hielt ihn wie einen Schild vor mich. Die Tasse prallte daran ab und zersplitterte auf dem Boden. Je näher ich dem Raum kam, desto mehr Gegenstände musste ich mit dem Topfdeckel abwehren. Das Gewicht eines riesigen Kürbisses erwischte mich unerwartet und riss mir den Arm herunter. Somit war ich schutzlos dem darauffolgenden rohen Fisch ausgeliefert, der mich am Hals traf. »Fische darf nur Loki nach mir werfen«, knurrte ich, hob den Deckel wieder auf, beschleunigte meinen Schritt und erstürmte die Kammer.
Im Halbdunkeln konnte ich kaum etwas erkennen, nur dass der Boden auch hier mit Essbarem übersäht war. Aus einer Ecke kam ein gefährliches Knurren. Ich hielt den Topfdeckel vor mich und war bereit jederzeit einen Blitz zu schleudern. Urda konnte ich nirgendwo entdecken. Hoffentlich war sie nicht verletzt. Ich spürte die Angriffslust einer gefährlichen Bestie. Sie lauerte, war bereit mich anzufallen, wartete auf einen günstigen Moment.
»Na, komm schon her, du Biest.«
Und dann stürzte ein gewaltiges Ungetüm auf mich zu, mit gefletschten Zähnen, rot glühenden Augen und einem ohrenbetäubenden Brüllen.
»ARRRRRRRRRAAAAA!!!!!«
Ich konnte meine Hand im letzten Moment zur Seite reißen und mein Blitz krachte in eine Holztonne mit Mais. Der Deckel flog in hohem Bogen, wie ein Geschoss, durch die Kammer und krachte gegen ein Fenster, das klirrend zerbrach. »Urda?«
Die alte beleibte Küchenmagd versuchte mich zu beißen. Obwohl meine Körperkraft um vieles größer als ihre war, hatte ich Mühe sie mir vom Leib zu halten. Ihr Gesicht war vor Wut verzerrt, ihre Augen blutunterlaufen und sie gebärdete sich wie ein Tier. »Haben dich die Küchenmägde geärgert? – Vielleicht brauchst du mal eine Pause?«
Statt zu antworten benutzte sie ihre Fingernägel, als wären es Krallen. Da ich keine Armschienen trug, schaffte sie es, mir eine blutige Schramme zu verpassen. Wo kam dieser herrliche Duft plötzlich her? Während ich Urda weiterhin auf Armeslänge Abstand hielt, schnupperte ich. Der Geruch kam mir bekannt vor. Aus Midgard? Aus dem offenen Fass kamen weiße kleinen Wölkchen herausgeschossen. Wie nannte Stark die Kügelchen? Popcorn! Ich machte einen Schritt näher an das Fass. Urda blieb an mir dran, wie ein kampflustiges Bilgenschwein. Zum Glück war sie zwei Köpfe kleiner als ich, sodass sie keine wirkliche Gefahr darstellte. Ich nahm mir eine Handvoll von dem manipulierten Mais und stopfte ihn mir in den Mund. Hm! »Verzeih mir, Urda« murmelte ich mit vollem Mund, schickte sie in eine Ohnmacht und fing sie auf, bevor sie zusammensacken konnte.
Als ich sie mir auf die Schulter wuchtete, wankte ich für eine Sekunde um das Gewicht auszubalancieren, das höher war als vermutet. In der Küche war das Gesinde noch immer in sicherer Deckung. »Gefahr gebannt.«
Als ich mit Urda vor der Heilkammer ankam, versperrten zwei Wächter den Zugang. »Lasst mich durch!« Irana trat vor die Tür, demnach war meine Forderung laut genug gewesen.
»Urda? Was ist mit ihr geschehen?«
»Sie hat sich gebärdet wie ein Tier.«
»Eine weitere.«
»Was meint Ihr damit?«
»Bevor das Fieber kam, haben alle Kranken sich so aufgeführt. Kommt mit und bringt sie in den abgesicherten Bereich.«
Besorgt folgte ich Irana. Ich musste dringend in den verbotenen Wald. Was wenn die Krankheit auch dort ihr Unwesen trieb und Loki so das Kind verlor?
***
Hitze! Überall nur Hitze!
Ich griff nach meinem Umhang, den ich mir halbherzig über die Schultern hängte, nahm ein Buch vom Tisch und lief zur Tür. »Ich bin in ein paar Stunden zurück.«
»Es gibt gleich Essen.«
»Ich bin nicht hungrig.«
»Du musst etwas es...«
Ich schlug die Tür hinter mir zu, ohne mich weiter um Nals Geschwätz zu kümmern. Ich muss hier, ich muss da... sie konnten mich alle mal.
Ich wollte Eis und Schnee. Kälte mit Minusgraden. Das Portal zu Holda. Schnell war ich hindurch.
Öffnete den Mund für den ersten tiefen Zug, der frostigen Luft. Ich spürte, wie die Frische durch meine trägen Adern pulsierte und der eingeschlafene Lebenssaft, zu neuem Leben erblühte.
Endlich! Knirschender Schnee unter meinen blanken Füßen.
Übermütig stieß ich an den Stamm einer Tanne und genoss die Schneedusche, die daraufhin auf mich fiel.
Lachend ließ ich mich nieder, zog den Umhang ab, warf ihn achtlos zu Boden, legte das Buch darauf und wälzte mich danach im Schnee... endlich keine Hitze mehr.
Später saß ich unter der Tanne, halb eingehüllt vom Umhang, um das Buch zu schützen.
Ich wusste nicht, wie lange ich dasaß, vertieft in die Zeilen vor mir, als ich die Witterung aufnahm.
Diesen Geruch würde ich überall erkennen. Wieder zog ich den Umhang von mir, schützte das Buch und stand auf. Tief Luft holend, um die Fährte aufzunehmen und ihr zu folgen.
Dieser Narr! Er suchte mich an falscher Stelle.
Ich lächelte böse, fuhr mir mit der Zungenspitze genießerisch über die Lippe, bevor ich mich der Landschaft anpasste.
Diesmal würde ich ihm keine Chance lassen. Diesmal würde er meinen Hunger stillen.
***
Hoffentlich fand ich ihn schnell. Ich stapfte durch den Schnee und wäre beinahe auf einen Schneehasen getreten, der durch seine weiße Fellfarbe fast unsichtbar auf dem Weg saß. Die Tiere hier in Holdas Abschnitt des Waldes waren fast zahm, da sie nie ein Leid erfuhren, keine Jagd. Darauf achtete Holda sehr streng. Keinem war es hier erlaubt die Hand gegen ein Tier zu erheben. Lächelnd beugte ich mich hinunter und strich sanft über das weiche Fell des Hasen. »Na, suchst du Futter?«
Da war er! Der kleine blonde Ase – beschäftigt seine Mahlzeit zu streicheln. Mit erhobenem Kopf reckte ich das Kinn höher, um seine Fährte noch deutlicher aufzunehmen. Wieder leckte ich mir über die Lippen. Lächelnd ließ ich den Eisdolch in meiner Rechten entstehen, schickte einen Schneeschauer, der mein Erscheinen tarnte.
Auch das noch! Der Wind frischte auf und das erbarmungslos auf mich einstürmende Schneegestöber blendete mich fast. Der Hase sprang von dannen und ich richtete mich auf. Eine Hand schützend vor den Augen, versuchte ich irgendetwas vor mir zu erkennen. Mir war, als ob ich...
Blitzschnell tauchte ich hinter ihm auf, die Klinge an seiner Kehle, mit der Linken packte ich seinen Arm und drehte ihn auf den Rücken. Er gab einen erschrockenen Laut von sich und rührte sich nicht mehr.
»Du Narr von einem Æsir. Warum stellst du mir nach?« zischte ich. Verwundert stellte ich fest, dass ich den Kopf ziemlich neigen musste, um ihm ins Ohr meine Missachtung mitzuteilen. Dabei stieg mir sein Geruch in die Nase, noch deutlicher als meine Klinge ihn leicht ritzte.
»Hey... mach lang...«
Ich ließ den Dolch verschwinden, packte seine blonden Haare und presste ihn tiefer. »Auf die Knie, Ase!« Er wagte es Widerstand zu leisten. So hob ich ihn an seinem Arm leicht an, was ihn zu einem Aufzischen seinerseits veranlasste und schmetterte ihn vor mir zu Boden. Sofort war ich über ihm, packte seine Schultern, drückte ihn auf den Rücken und kam rittlings über ihm zu sitzen.
»Was bildest du dir ein, Jotun? Geh runter von mir! Weißt du nicht wer ich bin?«
»Es gibt nur einen Donnerer, der so ein Narr ist, sich mit dem Prinzen von Jotunheim anzulegen.«
Mit den Armen versuchte ich ihn nach oben wegzudrücken.
Ich legte den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft ob diesem lächerlichen Versuch. Pfeilschnell glitt ich nach vorne und vergrub meine Eckzähne in seinem Hals. Sofort schoss mir sein wunderbarer roter Lebenssaft in den Mund, füllte ihn aus mit jedem Schlag seines Herzens. Ich kam nicht umhin beim Einziehen dieser Köstlichkeit leise schmatzende Geräusche von mir zu geben: diese Wärme, dieses Eisen und.... Ich vereiste den Biss und fuhr mit dem Kopf zurück. »Was hast du getrunken, Ase?« fauchte ich und schüttelte ihn. Sein leicht glasiger Blick fing den meinen und er begann breit zu grinsen.
»Heißen Honigwein. Ich weiß, du magst ihn nicht.«
Angewidert spuckte ich aus. Das süße Blut beleidigte meine Geschmacksnerven. »DU!« Wütend packte ich seine Haare und zerrte mit ihnen seinen Kopf zu mir, wohlwissend, dass ich seinen Nacken leicht überdehnte. Ich ließ meine Magie wirken, bannte seine Glieder in den Schnee und zischte in sein Ohr: »Dein Met schreckt mich nicht.« Ich presste meine Lippen auf die Seinen, ließ meine Zunge seine Mundhöhle rücksichtslos erobern. Als er den Kopf zurückziehen wollte, biss ich ihm in die Zunge und zog ihn härter an den Haaren zu mir.
»Mmmhnnnn!«
Ich erstickte seinen Protest, packte seinen Umhang und riss ihn dem Asen fort. Lachend sah ich seine Augen groß werden. So sprang ich auf, griff unter den Panzer seiner asischen Rüstung, vertiefte mein Lächeln und schloss die Finger. Das Metall knackte wie eine Muschel. Er versuchte sich zu wehren, aber der Bann hielt. Der Wind frischte auf, der Schnee verdichtete sich. Ich lachte und zerriss seine Kleidung, übergab sie dem Sturm und ließ meinen Blick über seinen nackten, muskelbepackten, Körper gleiten.
Wunderbar anzusehen, wie sich sein Hauttonus veränderte. Asen besaßen keine Liebeslinien. Ihre Magie war nur einfach gestrickt. Ich mochte diesen Körper, kannte ihn und es machte mir immer Spaß ihn von neuem zu erkunden. Ich leckte mir erneut über die Lippen. Es galt die Vorfreude auszukosten, bevor ich mir nahm was mir zustand. Langsam ließ ich mich auf die Knie sinken. Nur mit den vereisten Fingerkuppen berührte ich seine Schlagader am Hals, erfühlte durch die Wärme seines Blutes des Asen Herz. Oh ja, der Ase fror und war dennoch erregt. Der hastige Schlag seines Herzens verriet mir alles.
»Hör mir zu, Ase! Wenn du meine Linien berührst, ohne meine Genehmigung, bin ich sofort weg. Hast du das verstanden?«
Seine glänzenden Augen wurden kurz größer. Er nickte. Ich lachte. Die Flocken fielen schneller und größer. Ich nahm die Magie von ihm und riss ihn zu mir hoch, während ich aufstand. Meine Lippen trafen die seinen hart, nicht fordernd, sondern nehmend. Seine Finger krallten in meine Haut unterhalb der Schulterblätter. Der Druck ließ mich aufzischen und ich biss ihm in die Lippe, den Hals entlang bis zu seiner breiten Brust. Der Ase stöhnte, kam mir entgegen, klammerte sich an mir fest und ich lachte tief und dunkel.
Der Wind wurde kälter, nahm zu. Ich packte ihn und zog ihn mit mir, mich in den tiefen Schnee fallen lassend. Unsere Körper rieben aneinander, im Kampf um die Vorherrschaft und wir wälzten uns in der weißen Pracht, die uns Liegestatt bereitete.
Das Rauschen der Tannen wurde lauter, ging in einen Ton mit dem Schnee über, bedeckte unsere Leiber. Unsere Leiber, die flüchten wollten und sich dennoch aneinanderschmiegten, gefangen von der Leidenschaft des besiegenden Kusses und der inniglichen Umarmung des Schmerzes.
Dunkelheit zog auf, aus dem Wind wurde Sturm. Der stumme Ase heulte auf als ihn meine Dominanz traf und zu Boden zwang. Ich zischte und grollte, stieß wieder und wieder zu. Ungezügelt, tief und tiefer, ihn in den Schnee gedrückt. Über uns zerrissen Blitze die Dunkelheit. Ein Donnerschlag erschütterte die Tannen, die ihre prächtige Last auf uns fallen ließ. Aus naher Ferne drang das Knirschen einer abgehenden Lawine zu uns.
Unter mir bäumte sich der Ase mir entgegen, beengte meine Freiheit mit mehreren Zügen und gab einen Ton aus Jaulen, Jammern und Kreischen von sich. Ich antwortete mit einem letzten feurigen Stoß, der ihn ausfüllte, mit allem was ich ihm zu geben gedachte. Mein Fauchen verband sich mit seinem Ton, ging unter im Donnergrollen des Himmels und des Eises.
Und wir erstarrten zur völligen Bewegungslosigkeit...
...Totenstille...
Die Lawine hatte das Tal erreicht. Der Himmel riss auf, der Sturm legte sich.
Riesige weiße Flocken schneiten leicht wie Federn zu Boden.
=================================================
smala Frekan – Kleiner Krieger (Alt-Asisch)
ísmolar – Eiswürfelchen (Jotunisch)
Nächstes Kapitel: Montag, den 11. März 2019
"Im See des Raumes"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro