~ 16. Kapitel ~
Natürlich hatte Ben vergessen, dass er an diesem Abend nicht frei war, so wie von ihm mir gegenüber noch groß angekündigt – ich hätte es mir ja denken können. Zur Feier des Tages stand noch ein Sektempfang mit darauf folgendem Dinner an, welches auf einige wenige Fans beschränkt war, die sich für dieses heiß begehrte, aber auch extrem teure Ereignis im Vorfeld Tickets gesichert hatten, auch wenn nicht alle prominente Gäste des Events daran teilnahmen.
Ganz der Gentleman hatte sich Ben mehr als ausgiebig für seinen Fehler bei mir entschuldigt, auch wenn ich ihm schon beim ersten Mal versichert hatte, dass ich ihm deswegen nicht böse war. Klar, ein Abend allein mit ihm oder wenigstens nur mit dem Cast wäre um ein vielfaches angenehmer gewesen, aber ändern konnte man es ja nun auch nicht mehr, also ließ ich mich von Ben auf morgen vertrösten. Dieses Mal ganz sicher, hatte er gesagt. Ich hoffte wirklich innständig, dass er wenigstens dieses Mal recht behielt.
Selbstverständlich hatte mich Ben nicht einfach zurück ins Hotel fahren lassen. Kurzerhand hatte er mir ein weiteres Ticket beschafft, mit dem ich ebenfalls Zutritt zu diesem Abendprogramm bekam. Das Ziel des Abends war es, dass sich die Fans mit ihren Idolen einfach etwas frei unterhalten konnten, während sich zusammen die verschiedenen Annehmlichkeiten gegönnt wurden. Demnach fiel es also auch nicht wirklich auf, dass ich nun schon seit einer ganzen Weile mit Ben an der provisorischen Bar lehnte – natürlich mit einem angemessenen Abstand zwischen uns – und wir zusammen unseren Sekt leerten. Als Fan getarnt zu sein hatte durchaus seine Vorzüge, auch wenn es mich durchaus wunderte, dass sich seit ich hier mit ihm stand noch kein echter Fan hinübergetraut hatte.
„Du siehst müde aus", bemerkte ich beiläufig, als mein im Raum umherschweifender Blick schließlich an seinen etwas schlaffen Gesichtszügen hängenblieb.
„Ist das denn wirklich so offensichtlich?", scherzte Ben und zog seinen linken Mundwinkel etwas nach oben, doch mich konnte er damit nicht so leicht täuschen.
„Im Moment schon, ja. Du hast es ja bald geschafft", entgegnete ich einfühlsam und hätte ihm am liebsten beruhigend über den Unterarm gestrichen, doch im aller letzten Moment hielt ich mich noch zurück. Ich durfte unter gar keinen Umständen vergessen, dass ich mich in diesem heiklen Umfeld zurückhalten musste.
„Es erfordert wirklich eine Menge Energie, den ganzen Tag über so aufmerksam zu sein. Es fällt mir schwer das zu beschreiben, aber irgendwie ist das eine ganz andere Art der Anstrengung im Vergleich zu einem Drehtag, auch wenn mir das hier auch viel Spaß macht", erklärte Ben, trommelte etwas mit den Fingern auf dem Tresen herum und sah mich mit einem Ausdruck in den Augen an, der mich förmlich anzog, doch ich durfte nicht nachgeben – nicht hier, nicht jetzt. „Trotzdem freue ich mich schon gewaltig auf mein Bett", sagte er gerade und steckte mich umgehend mit seinem breiten Grinsen an, als sich dann doch zwei junge Mädels zu Ben stellten und etwas scheu zu ihm sahen.
„Hallo Benedict, dürfen wir kurz stören?"
„Aber natürlich, dafür bin ich doch da", erwiderte Ben höflich und lächelte beide nacheinander herzlich an, woraufhin sie doch tatsächlich etwas rote Wangen bekamen – ja, diesen Effekt kannte ich nur allzu gut.
„Wir wollten nur kurz los werden, dass du wirklich unser absoluter Lieblingsschauspieler bist. Nicht nur als Sherlock. Das hörst du bestimmt öfter, aber...", sagte die wohl etwas ältere von beiden und sah dann verlegen zu Boden.
„Nein, nein, das ist wirklich wahnsinnig nett und ich weiß das wirklich sehr zu schätzen. Ich danke euch", sagte Ben schnell, schüttelte dabei energisch den Kopf und beugte sich dann kurzerhand etwas vor, um beiden einen Kuss auf die Wange zu hauchen.
Beinahe hätte ich aufgelacht bei dem Gesichtsausdruck, den nun beide Mädels vor uns drauf hatten, doch ich konnte mich gerade noch bremsen. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte ich damals, als er das bei mir zum ersten Mal getan hatte ähnlich ausgesehen, nur wusste ich nun, dass es etwas anderes war, wenn er das bei mir tat. Zumindest hoffte ich das wirklich innständig.
„Auf welches Projekt freust du dich denn am meisten, sobald die Dreharbeiten zu Sherlock abgeschlossen sind?", rang sich nun die Jüngere das erste Mal durch das Wort direkt an Ben zu richten.
„Das ist eine schwierige Frage. Ich habe im Moment lauter tolle Skripte auf meinem Schreibtisch liegen, allerdings darf ich über die meisten davon noch überhaupt nicht sprechen", sagte er zwinkernd, sprach dann aber kurz darauf weiter. „Ich denke von den Projekten, über die ich schon etwas sagen darf, freue ich mich besonders auf Rogue Male."
„Rogue Male? Etwa wie in Rogue Male von Geoffrey Household?", entfuhr es mir wie aus der Pistole geschossen, als Bens Antwort an mein Gehirn vorgedrungen war. Sofort lagen alle drei Augenpaare auf mir und ich war mir nicht sicher, ob die blonde Teenagerin oder Ben einen neugierigeren Ausdruck im Gesicht hatte.
„Ja, genau. Hast du das etwa gelesen?", wollte Ben nun mit aus Neugierde etwas nach oben gezogenen Augenbrauen wissen.
„Warte Mal, bist du nicht die, die Sherlock in dieser einen Szene für die neue Staffel küssen durfte?", fuhr uns das jüngere Mädchen so abrupt dazwischen, dass ich nicht einmal mehr den Mund aufmachen konnte. Vermutlich hätte ich ihn einfach direkt ganz halten sollen, dann wäre ich vielleicht nicht aufgefallen.
„Ich schätze ja", antwortete ich schulterzuckend und wollte eigentlich wirklich nicht weiter darauf eingehen. Als ich aufsah, grinste Ben zurückhaltend zu mir hinunter und die beiden Mädels mussten sich offensichtlich zurückhalten, damit ihnen nicht der Mund aufklappte.
„Okay meine Damen, wir sollten uns jetzt wohl besser alle einen Platz suchen. Das Dinner fängt gleich an", sprang Benedict mir etwas zu Hilfe, damit ich so schnell wie möglich aus dieser seltsamen Situation entkommen konnte. Er sah noch einmal kurz zu mir und ging dann bereits los. Ich wollte ihm hinterher gehen, doch das eine Mädchen hielt mich daraufhin kurz am Arm zurück und lehnte sich etwas näher an mein Ohr.
„Ich hoffe du hast es genossen, du kannst dich wirklich glücklich schätzen", raunte sie mir beeindruckt, aber auch mit einem Hauch an Eifersucht ins Ohr und sah mich vielsagend an, als sie sich wieder von mir löste und dann ihrer Freundin folgte.
~~~*~~~
„Endlich geschafft", murmelte ich, als die Fahrstuhltür vor mir und Ben wieder aufging und er mich noch zu meinem Zimmer begleitete. „Dabei ist es eigentlich noch gar nicht so spät."
„Hm, ja du hast recht, aber ich bin auch wahnsinnig müde jetzt", bekräftigte Ben, nachdem er träge auf seine Armbanduhr gesehen hatte. „Danke, dass du noch dabei warst, trotz dieses einen kleinen... Zwischenfalls", fuhr er fort, während ich meine Zimmertür öffnete, mich danach in den Türrahmen lehnte und beobachtete, wie Benedict seine Hände in den Hosentaschen vergrub.
„Mhm, es hat eigentlich schon Spaß gemacht", murmelte ich schläfrig, ehe wir uns kurz schweigend ansahen, ehe Ben sich schließlich doch zu mir nach vorne beugte und mir einen schnellen Gute-Nacht-Kuss verpasste.
„Okay, dann also bis morgen. Schlaf gut", sagte er leise und strich mir zögerlich noch eine ins Gesicht gefallene Haarsträhne zurück hinters Ohr.
„Du auch, Ben", entgegnete ich matt, hätte ihn so gerne zurückgehalten, doch ich traute es mich nicht – wieder einmal sah ich ihm noch eine ganze Weile unauffällig hinterher, ehe er im Fahrstuhl verschwand und sich die Tür hinter ihm schloss.
~~~*~~~
Ich hatte mich ziemlich schnell ins Bett verkrümelt, allerdings hatte das leider nicht viel gebracht. Obwohl ich mehr als hundemüde war, wollte der Schlaf einfach nicht über mich kommen. Nachdem ich mich bestimmt hundert Mal hin- und hergewälzt hatte, gab ich es frustriert seufzend schließlich fürs Erste auf und warf einen kritischen Blick auf den beleuchteten Wecker, der neben meinem Bett auf dem kleinen Nachttisch stand. Es war gerade einmal 1:30 Uhr. Kurz überlegte ich, was ich nun tun sollte, um mich etwas abzulenken in der Hoffnung, dass ich dann später hoffentlich noch etwas Schlaf abbekommen würde, als mein Blick auf Bens Lederjacke fiel, die ich im Schlafzimmer über die Lehne des einfachen Stuhles am Schreibtisch gehängt hatte.
Ja, ich hatte sie immer noch. Eigentlich hatte ich sie ihm schon gestern zurückgeben wollen, nachdem er sie im Eifer des Gefechts an dem Abend in London vergessen hatte, aber irgendwie dann doch wieder vergessen. Kurzerhand schlüpfte ich in sie hinein, auch wenn sie viel zu groß für mich war und schloss den Reißverschluss. Sofort umfing mich erneut Bens Parfüm und sein ganz eigener männlicher Geruch. Ich schlag meine eigenen Arme um mich, schloss kurz die Augen und atmete tief ein und wieder aus. Meine Gedanken kreisten seit unserem Date erst recht pausenlos um die ganze Sache zwischen uns, was auch immer es denn nun war. Wir hatten nicht mehr darüber gesprochen und Ben hatte auch keine weiteren Anstalten gemacht, das in die eine oder eben auch in die andere Richtung voranzubekommen. Es verwirrte mich ungemein, dass er es so schwer für mich machte zu erkennen, was er eigentlich wollte. Oder war es für ihn wirklich so unheimlich schwer einen Schritt in meine Richtung zu tun? Das Letzte was ich wollte war ihn zu drängen, aber es machte mich beinahe wahnsinnig, dass ich einfach nicht wusste, woran ich war. Eigentlich war er damit ja deutlich gewesen, aber manchmal bekam ich dann auch wieder diesen Eindruck, dass er selber noch nicht richtig wusste, ob es das war, was er wirklich wollte. Einmal war er völlig locker und verhielt sich los gelöst und im nächsten Moment war er wieder distanzierter, traute sich nicht an den nächsten Schritt heran. Mir schwirrte der Kopf, ich wusste selbst nicht mehr richtig, was ich eigentlich denken sollte, dabei wollte ich eigentlich nur bei ihm sein – wider aller Vernunft. Ein heftiges nun auftretendes Ziehen in meiner Magengegend bekräftigte dies nur noch.
Ich brauchte dringend frische Luft, also verließ ich bewaffnet mit Bens Jacke, in die ich bestimmt zweimal passen würde, zurück ins Wohnzimmer und öffnete dort leise die Schiebetür, um kurz darauf auf den großflächigen Balkon hinauszutreten. Ich staunte nicht schlecht, als ich mit einem Blick nach oben unzählige Sterne erspähen konnte – es war tatsächlich ein gänzlich wolkenfreier Himmel. Nachdenklich lehnte ich mich mit den Unterarmen auf das Balkongeländer und betrachtete in absoluter Stille den dunkelblauen Himmel. Ein kühler Wind erfasste mich und ich spürte, wie sich selbst durch Bens Jacke eine leichte Gänsehaut auf meinem gesamten Körper ausbreitete.
Keine Ahnung, wie lange ich bereits hier draußen stand und die ruhige Landschaft betrachtete. Es war ein angenehmes Gefühl, nachdem ich schon so lange in keiner derart friedlichen Gegend mehr unterwegs gewesen war. Erst als von direkt unter meinem Balkon ein durchaus lautes Husten an meine Ohren drang, wurde ich ruckartig aus meinen Gedanken gerissen und erschrak mich beinahe zu Tode. Gerade noch so hatte ich ein peinliches Quietschen zurückhalten können, mein Herz raste. Mit so etwas hatte ich jetzt wirklich nicht gerechnet. Wer zum Teufel stand denn aber auch da unten mitten in der Dunkelheit? Sobald sich mein Herzschlag wieder etwas beruhigt hatte, ging ich wieder näher an das Geländer heran und beugte mich soweit ich konnte nach vorne, um sehen zu können, woher das gekommen war. Es dauerte etwas, bis sich meine Augen an die doch noch etwas dichtere Dunkelheit am Boden gewöhnen konnten und schließlich sah ich die Umrisse einer hoch gewachsenen Gestalt, die mit dem Rücken zu mir gewandt stand. Besagte Person führte im nächsten Moment etwas schwach Glühendes an die Lippen, zog daran und somit wurde die Glut etwas größer und ich erkannte klar Benedicts Gesicht, welches die Zigarette beleuchtete. Empört schnaubend schüttelte ich leicht den Kopf, konnte mir aber nicht helfen und ein weiches Lächeln legte sich auf meine Lippen. Ich machte ihn nicht direkt auf mich aufmerksam. Stattdessen beobachtete ich ihn eine Weile, schaute ihm beim Rauchen zu und obwohl ich kaum etwas von ihm sehen konnte, wirkte er auf mich dennoch irgendwie genauso verloren in dieser schlaflosen Nacht wie ich. Eine angenehme Wärme durchströmte umgehend meine Brust. Ich war verdammt froh ihn zu sehen... oder auch nicht zu sehen, je nachdem wie man es betrachtete.
„Die Dinger bringen dich eines Tages wirklich noch um, Ben", rief ich nun doch mit nur leicht erhobener Stimme immer noch über das Geländer gelehnt nach unten und zog ihn erneut mit dem wohl nun zwischen uns eingebürgerten Running-Gag auf. „Ich glaube ich muss dir nicht sagen, wie schade ich das fände oder?", frotzelte ich weiter, auch wenn ich innerlich wirklich hoffte, dass er das bald ein für alle Mal stecken würde. Ich sah, wie er kurz zusammenzuckte und sich dann suchend umsah, ehe er seinen Blick hob und ich dank der Zigarette, die er immer noch auf halber Strecke kurz vor seinem Mund hielt, konnte ich das Leuchten in seinen Augen sehen.
„Yasi?", fragte er verwirrt.
„Ja, ich bin es. Bisschen spät für einen kleinen nächtlichen Spaziergang, findest du nicht?"
„Da hast du recht und es ist wirklich ziemlich kalt heute Nacht", kommentierte Ben, sah weiter zu mir nach oben, auch wenn ich bezweifelte, dass er mich richtig sehen konnte.
„Nun, ich könnte dir deine Jack zurückgeben, wenn du möchtest", entgegnete ich schlicht und begann den Reißverschluss der Lederjacke zu öffnen.
„Ich wusste doch, dass du noch etwas von mir hast", erwiderte Ben gespielt schockiert, denn natürlich wusste er, dass ich sie die ganze Zeit bei mir gehabt hatte.
„Warte, ich ziehe sie schnell aus, dann werfe ich sie dir runter", meinte ich, doch bevor ich sie gänzlich ausziehen konnte, schien Ben zu verstehen.
„Warte. Du... trägst sie gerade? Ich kann von hier unten fast nichts sehen. Lass sie... an bitte. Ich möchte nicht, dass du frierst", entgegnete Benedict leicht stockend, aber dennoch irgendwie ernst. „Du kannst sie mir morgen zurückgeben, wenn du willst. Ich werde sowieso nun wieder reingehen und..."
„Kannst du auch nicht schlafen?", unterbrach ich ihn, beobachtete wie er seine Zigarette auf den Boden fallen ließ, austrat und wir nun beide in beinahe vollkommener Dunkelheit das Gesicht des jeweils anderen suchten.
„Ich... nein, nicht wirklich. Zu viele... Dinge im Kopf", hörte ich Bens tiefe Baritonstimme leise von unten an mein Ohr dringen und obwohl ich versuchte so gut ich es eben konnte nach seinen Augen zu suchen, erkannte ich nichts außer seinen Umrissen. „Und du? Wieso... bist du wach?"
„Aus den gleichen Gründen wie du, schätze ich", gab ich als Antwort zurück, hörte ihn seufzen und bemerkte, wie sich seine Schultern einmal sehr stark hoben und gleich darauf wieder senkten.
Lange Zeit herrschte Stille und niemand von uns brachte auch nur ein weiteres Wort über die Lippen. Ich glaube uns war beiden klar, über welche Dinge wir so viel nachdachten, dass wir nicht schlafen konnten. Irgendwann war es so lange still gewesen, dass man hätte meinen können, Ben wäre doch schon gegangen, aber ich sah immer noch seine vagen Umrisse unten auf dem Kiesweg stehen, wie er vermutlich ebenfalls versuchte mich besser sehen zu können, was aber trotz extremen Anstrengungen nicht so richtig funktionieren wollte.
„Ben?", rang ich mich irgendwann durch zu fragen und durchschnitt damit die beinahe zum Greifen präsente Spannung in der Luft.
„Hm?"
„Möchtest du noch auf einen Tee raufkommen? Ich denke es bringt vorerst sowieso nichts das mit dem Schlafen nochmal zu probieren", unterbreitete ich ihm mit wild schlagendem Herzen und betete innerlich, dass er das nicht sofort wieder ablehnen würde.
„Sehr gerne", sagte er genau dann, als ich bereits der festen Annahme gewesen war, dass ein nein oder gar nichts mehr kommen würde.
~~~*~~~
Sobald Ben aus meinem Blickfeld verschwunden war, war ich eilig in das dunkle Innere meines Zimmers verschwunden, um mir etwas Passenderes anzuziehen. Ich wollte ihm nun wirklich nicht in meinen Schlafklamotten unter die Augen treten. Seine Lederjacke legte ich ihm über die Sofalehne, damit er sie dieses Mal mitnehmen konnte. Ich hatte gerade das Wasser für unseren Tee angestellt, als ich es auch schon zaghaft an der Tür klopfen hörte. Ein bescheidenes Lächeln auf den Lippen, ließ ich ihn natürlich gleich hinein und bedeutete ihm auf dem Sofa Platz zu nehmen, solange ich nebenher noch den Tee zubereitete.
Während ich wartete bis der Tee gezogen hatte, erlaubte ich mir einen neugierigen Blick hinüber zu Ben, der durch die offene Glasschiebetür nach draußen in die dunkle Nacht starrte. Der leichte Wind fuhr ihm durch die dunklen Locken und bauschte sein weißes Hemd an den Schultern etwas auf. Obwohl ich ihn von meiner Position aus nur seitlich betrachten konnte sah ich trotzdem, dass er sein Hemd etwas falsch zugeknöpft hatte, weswegen es an seinem Kragen bei den wieder einmal drei offenen Knöpfen etwas unordentlich aussah. Obwohl er erschöpft und müde wirkte, hatte er so, einfach nur wie er dort saß, eine enorme Anziehungskraft auf mich. Schmunzelnd stellte ich die beiden Tassen, Zucker und Milch auf ein Tablett und stellte dann alles zusammen auf den Couchtisch, ehe ich mich mit etwas Abstand zu Ben auf das Sofa setzte.
„Ich hoffe Earl Grey ist okay für dich. Leider gab es nur diese eine Sorte, dafür aber genug Milch und Zucker für eine ganze Armee", versuchte ich es mit einer kleinen Auflockerung und sah auch, als er sich wieder mir zuwendete, wie er ein schiefes Lächeln aufgesetzt hatte, dieses aber dennoch nicht bis zu seinen Augen vordringen konnte, so sehr er es auch versuchte.
„Earl Grey ist wunderbar", entgegnete er matt.
Nachdenklich fügte er etwas Milch und Zucker in seinen Tee und rührte dann eine gefühlte Ewigkeit darin herum, trank aber trotzdem nichts davon. Ich hatte es ihm gleich getan, hatte aber zumindest schon einmal daran genippt und hielt die Tasse jetzt in der Hand, um mich etwas zu wärmen. Eine drückende Stille legte sich wieder zwischen uns und ich fragte mich, wieso es immer diese Phasen gab, in denen alles gut zu sein schien und dann wieder Momente wie diesen, in denen ich ihm so fern war, wie ganz am Anfang. Ich zögerte kurz, rutschte dann aber unauffällig etwas näher an ihn heran, sodass sich unsere Oberschenkel beinahe berührten.
„Geht es dir... gut?", durchschnitt ich die Stille, musterte ihn besorgt, als er wieder zu mir sah – die Müdigkeit und Erschöpfung stand ihm wirklich überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass er gerade so seltsam war?
„Ja, alles in Ordnung. Ich bin nur unfassbar müde", erklärte er, aber ich sah und hörte sofort, dass das eine verdammt schlechte Lüge war. Ich seufzte, rückte dann einfach noch näher an ihn, legte meine Hand auf seinen nackten Unterarm, denn er hatte die Ärmel des weißen Hemdes bis über die Ellenbogen nach oben gekrempelt.
„Ben, was ist los?", tastete ich mich behutsam vorwärts, doch er blickte nur stur wieder zu der offenen Glasschiebetür, vor der die dort hängenden, weißen Seidenvorhänge durch den Wind sachte waberten. „Ich denke wir sollten reden", murmelte ich, als er keine Anstalten mehr machte zu reagieren, woraufhin er langsam nickte – natürlich wusste er, was ich meinte.
„Das sollten wir, ja. Aber nicht heute, nicht jetzt. Lass uns... einfach nur hier sitzen. Bitte, komm her", murmelte er und ich überlegte nicht lange, als er mir seinen Arm entzog und mir wie immer mit einer ausladenden Geste bedeutete, mich an ihn zu schmiegen.
Kurzerhand legte ich mich auf die Seite, zog meine Beine etwas an meinen Bauch und bettete meinen Kopf in seinen Schoß. Er blickte etwas überrascht zu mir hinunter, legte dann aber seine Hand auf meinen Rücken und strich mir gedankenverloren immer wieder sanft in kreisenden Bewegungen daran hinab. Lange Zeit schwiegen wir, aber dann kam ich auf die Idee, ihn etwas von seinen trüben Gedanken abzulenken, denen er offensichtlich verfallen war. Ich löcherte ihn über seine anstehenden Projekte, vor allem über Rogue Male, worüber wir früher am Abend schon kurz gesprochen hatten. Ich merkte schnell, wie er bei diesem Thema wieder aufging, wieder entspannte, sofort ausgeglichener wirkte, es tat ihm gut, ich sah es ihm an. Ich genoss es, seiner Stimme zu lauschen, die nun, da ich halb auf ihm lag, durch meinen eigenen Körper noch leicht vibrierte.
„Ich glaube ich könnte das nicht", sagte ich irgendwann, als er gerade für einen kurzen Augenblick seinen Redefluss unterbrochen hatte.
„Was könntest du nicht?", fragte er neugierig und als ich erneut seinem Blick begegnete, sah ich endlich wieder den Ben, den ich noch zu Anfang dieses Gesprächs so schmerzlich vermisst hatte.
„Es ist eine Weile her, dass ich die Vorlage für dein Filmprojekt gelesen habe, aber diese Folterszenen... Ich möchte mir ehrlich gesagt gar nicht vorstellen wie es ist, so etwas zu spielen, obwohl man ja weiß, dass es nicht real ist", erklärte ich und spürte bei den Bildern, die sofort meinen Kopf überfluteten, eine eisige Gänsehaut, welche sich auf meiner Haut ausbreitete.
„Das ist schon ein seltsames Gefühl, da hast du recht, aber so etwas ähnliches habe ich ja schon einmal für einen Kurzfilm vor ein paar Jahren gemacht. Es war eigentlich halb so wild. Wenn du möchtest, kannst du ja zusehen, wenn die Dreharbeiten dafür losgehen. Das wird nicht mehr allzu lange dauern und ich kann bestimmt..."
„Nein, auf keinen Fall", unterbrach ich ihn energischer, als ich es eigentlich gewollt hatte und er blinzelte etwas verwirrt zu mir hinab. „Sorry, aber nein. Das kann ich mir nicht ansehen. Weder beim Dreh, noch im fertigen Film. Ich weiß, dass das alles nicht echt ist, aber wenn ich dich dann leiden sehe, das... Nein, ich..."
„Sch, schon gut, Yasi. Schon gut", beruhigte mich Ben hastig, als er zu merken schien, dass ich das als ein wirklich emotionales Thema empfand und beugte sich etwas zu mir nach unten, küsste mich aufs Haar und wiegte mich sanft in seinen Armen, nachdem ich mich etwas aufgesetzt hatte. „Mir wird nichts passieren, versprochen."
„Ben?", raunte ich nach einigen verstrichenen Augenblicken gedämpft, weil ich meinen Mund so eng an seiner durch das Hemd bedeckten Brust ruhen hatte, dass der Stoff das meiste davon abfing.
„Ja, Yasi?", brummte er mit seiner tiefen Baritonstimme, die meine Augenlider automatisch noch schwerer werden ließ.
„Ich kann meine Augen wirklich kaum noch aufhalten, ich glaube ich schlafe hier wirklich gleich auf der Stelle ein", murmelte ich, schmiegte mich noch enger an ihn, vergrub meine linke Hand in dem samtenen Stoff.
Benedict warf einen knappen Blick auf seine Armbanduhr, seufzte dann fast erschrocken auf und nickte dann.
„Es ist auch schon verdammt spät. Wir müssen in drei Stunden schon wieder aufstehen", meinte er, klang dabei schon wieder deutlich reservierter, als noch vor wenigen Augenblicken. „Dann werde ich dich lieber mal alleine lassen, damit du zumindest noch etwas Schlaf findest. Ich hoffe, dass das Gespräch mit dir und der Tee bei mir auch ihr übrigens getan haben", sagte Ben dann, machte Anstalten sich von mir zu lösen, doch ich legte ihm kopfschüttelnd einfach beide Hände auf die Brust, um ihn aufzuhalten – fragend und auch etwas verwundert sah er mich an.
„Bitte bleib hier, Ben. Ich will... heute Nacht nicht alleine schlafen. Ich hätte dich gerne neben mir", sagte ich leise, hielt seinem überraschten Blick stand, während mein Herz so laut schlug und das Blut auf Hochtouren durch meine Venen pumpte, dass ich mir plötzlich verdammt sicher war, dass er das hören konnte.
„Ich weiß nicht, Yasi", sagte er irgendwann, nachdem er wohl innerlich eine Schlacht ausgefochten haben musste, doch dieses Mal würde ich nicht nachgeben.
„Ach komm schon", beharrte ich und sah dann endlich, wie er nachzugeben schien, schließlich war es nach allem auch das, was er in diesem Moment mehr als alles andere wollte – das konnte er nicht vor mir verstecken, er brauchte einfach noch etwas Hilfe beim Auftauen.
„Okay, du hast ja recht", sagte er seufzend, lächelte dann aber, wen auch noch etwas unsicher. „Na dann komm. Halt dich fest."
„Mich festhalten?", wollte ich mit nach oben gezogenen Augenbrauen wissen, doch da hatte er schon beide Arme unter mich geschoben und war mit mir zusammen aufgestanden. Erschrocken begann ich zu lachen, klammerte mich an seinen Schultern fest und sah, wie er nun selbst etwas lachte und erst wieder stehen blieb, als er mich behutsam auf meinem Bett ablegen konnte.
Zufrieden sah er zu mir hinunter und räusperte sich erst nach ein paar Augenblicken sichtlich angespannt. Das Lächeln war wieder der ernsten Miene gewichen. Irgendetwas musste ich mir dringend noch überlegen, wie ich den entspannten Benedict öfter und länger herauslocken konnte.
„Ich werde nochmal kurz ins Badezimmer gehen", sagte er und wenige Sekunden später hörte ich das Klicken der Tür, die sich hinter ihm schloss.
Ich nutzte die Zeit, um mir wieder meine Schlafklamotten anzuziehen, also tauschte ich mein Shirt gegen mein eng anliegendes hellblaues Top und kurze, weiße Shorts. Eilig kroch ich unter die Bettdecke und wartete, bis er zurück aus dem Bad kommen würde. Ich hörte, wie die Tür wieder aufging und nackte Füße über den dunklen Holzboden tapsten, ehe er wieder ins Schlafzimmer trat und die Tür hinter sich leicht anlehnte. Er trug nur noch Boxershorts und auch wenn ich solch einen Anblick schon einmal in dieser Art zu Gesicht bekommen hatte, musste ich mir doch kurz auf die Unterlippe beißen und mich daran erinnern, dass ich eigentlich hundemüde war.
Sobald er im Bett lag, löschte ich das Licht und starrte etwas unbeholfen an die Decke, entschied mich dann aber dazu, einfach alles auf eine Karte zu setzen. Vorsichtig krabbelte ich hinüber auf seine Seite und schmiegte mich eng an ihn. Die viele nackte Haut betörte mich und ich seufzte zufrieden, vor allem deswegen, weil Ben es zuließ und mich automatisch noch enger an sich zog.
„Gute Nacht, Ben", flüsterte ich, strich ihm müde über die nackte Brust und war insgeheim froh darum, dass ich gerade mehr schlief als wach war, sonst hätte mich das vermutlich doch mehr aus der Fassung gebracht ihn jetzt so nah und beinahe nackt neben mir liegen zu haben in diesem riesigen Bett.
„Schlaf gut, Yasi", entgegnete er nun ebenfalls ziemlich schläfrig und küsste mich ein aller letztes Mal aufs Haar, ehe wir beide beinahe sofort vollkommen erschöpft endlich in den wohl verdienten Schlaf abdrifteten.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro