9 » Vorstadtleben
C H A R L I E
London, Juli 2015
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„Denkt daran, dass ihr bitte gleich die Stühle an die Tische rückt. Das sieht von außen immer so unordentlich aus, wenn die in der Gegend herum stehen. Und Charlie, Schätzchen, vergiss bitte nicht die Tür zu verriegeln. Das kann ich nun wirklich nicht auch noch gebrauchen." Mit einem halbherzigen Winken verabschiedete sich Mrs Clark von Hannah und mir und verschwand aus der Tür des Cafés.
Seufzend ließ ich den Besen sinken und zeitgleich machte sich auch das eingefrorene Lächeln, das nun seit mehr als fünf Stunden auf meinen Lippen lag, aus dem Staub.
„Ich kann es noch gar nicht glauben", hörte ich meine beste Freundin hinter mir jammern. „Das kann es doch jetzt nicht gewesen sein. Was machen wir denn jetzt?"
Ratlosigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben und ich fand keine Worte auf diese Frage, egal wie oft meine Gedanken darum kreisten.
Zwei Stunden war es her, dass Mrs Clark uns mitteilte, dass sie das kleine Café am Ende des Jahres schließen würde. Hannah fiel fast die Teekanne aus der Hand und ich starrte die alte Dame geschockt an.
Es war kein Geheimnis, dass es nicht sonderlich gut lief. Es gab zwar viele Stammkunden und ab und an feierten kleine Gruppen ihren Geburtstag in dem kleinen Laden, aber schlussendlich war es am Ende des Monats immer knapp.
Dass es allerdings so schlecht aussah, hatte ich bei weitem nicht geahnt. Mrs Clark hatte uns immer pünktlich das Gehalt gezahlt, Rechnungen und Mahnungen hatte ich noch nie zu Gesicht bekommen, um den schriftlichen Kram und die Buchhandlung kümmerte sich ihr Mann von Zuhause aus. Trotzdem haben wir immer gemeinsam eine Lösung gefunden und Mrs Clark hatte in den vergangenen Monaten nie verlauten lassen, dass alles den Bach runter ging.
Nun stand es fest. Nächstes Jahr würde es das Café nicht mehr geben und ich verlor meinen Job.
„Charlie?"
Gedankenverloren wandte ich meinen Blick von der Tür und sah zu Hannah, die hinter der Theke stand und mich besorgt ansah.
„Hm?"
„Ist alles okay?", fragte sie leise.
„Nichts ist okay, Hannah", fuhr ich sie regelrecht an und bereute es sofort, als ich in ihr erschrockenes Gesicht schaute. „Tut mir leid."
"Meinst du nicht, das können wir nicht irgendwie hinbiegen?"
„Ich weiß es nicht", sagte ich wahrheitsgemäß. „Wenn ich ehrlich sein soll, dann bin ich mir gar nicht sicher, ob Mrs Clark das Café überhaupt retten will. Ich meine, sie wird ja auch nicht jünger und sie hat schon oft angedeutet, dass ihr das alles langsam zu schaffen macht." Nachdenklich schob ich die Stühle an die Tischkanten und räumte die übrig gebliebenen Teller weg.
In meinem Kopf schwirrten tausend Gedanken, immer wieder dachte ich darüber nach, wie es nun weiter gehen sollte.
Ich arbeitete gerne hier, gerade weil ich Hannah hier kennengelernt hatte und ich das Café mit so vielen tollen Erinnerungen verband. Selbst wenn ich mir immer gewünscht hatte, pompöse Torten zu backen und zu experimentieren, war ich mit dem was ich hatte vollkommen zufrieden.
Ich dachte daran zurück, wie Hannah vor zwei Jahren das erste Mal das Café betrat. Bevor sie auftauchte, war dieser Tag die reinste Katastrophe gewesen. Es war furchtbar warm und stickig, Kinder rasten um die Tische und ich musste mich mit einem unverschämten Kunden herumschlagen.
Dieser weigerte sich strickt dagegen, seinen Latte Macchiato To-Go zu bezahlen, da er der Meinung war, er wäre viel zu kalt für einen Dienstagmorgen. Da er zu dem Zeitpunkt allerdings über die Hälfte seines Getränkes bereits getrunken hatte und genau so wenig für seinen Bagel und das Rührei bezahlen wollte, sah ich es nicht ein, dass er einfach so verschwand. Die ersten Kunden drehten sich neugierig zu uns um und tuschelten, doch das war mir in dem Augenblick egal. Ich ließ mich schließlich nicht übers Ohr hauen.
Ich lieferte mir einen handfesten Streit mit ihm, bevor er fluchend bezahlte, den Rest seines Latte Macchiato und sein Frühstück nahm und aus dem Café stürmen wollte. Allerdings machte Hannah ihm einen Strich durch die Rechnung.
Als er die Tür aufriss, kam ihm Hannah entgegen, die auf dem kleinen Stufenabsatz ausrutschte und das Gleichgewicht verlor. Sie stieß mit dem verärgerten Kunden zusammen und der Inhalt seines Bechers landete prompt auf seinem teuren Anzug.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Mrs Clark damals in schallendes Gelächter ausgebrochen war und einige unserer Stammkunden sogar applaudierten.
Hannah, die dem verärgerten Mann hinterher sah, stieg die Röte ins Gesicht und schaute sich entschuldigend zu uns um. Einen Tee und eine Aufklärung später lud Mrs Clark sie zum Probearbeiten ein. Ich erinnerte mich daran, dass Hannahs Bewerbungsunterlagen übersät waren mit Kaffeeflecken und sie sich gefühlte hundert Mal deswegen entschuldigte. Doch das war Mrs Clarks herzlich egal. Hannahs offene und fröhliche Art überzeugte sie sofort.
Das war das erste Mal, dass ich Hannah sah. Und jetzt sollte das alles ein Ende haben.
Auch wenn unsere Freundschaft bestehen blieb, würde sich doch alles ändern.
„Ich wäre dafür, dass wir uns unsere Jacken schnappen und irgendwo einen Cocktail trinken", schlug sie vor und riss mich aus meinen Gedanken.
„Würde ich ja gerne, aber Nathan kommt vorbei und hilft mir meine Sachen in die Wohnung zu schleppen. Außerdem ist es erst vier Uhr, Hannah."
Meine neue Bleibe war nun vollständig renoviert und ich freundete mich langsam damit an, dass es bald ziemlich still um mich herum wurde. Ich war froh, dass ich nur ein paar Meter von meiner Familie entfernt war, doch die Tatsache, dass ich am Ende des Jahres meinen Job verlieren würde, trübte meine Stimmung. Ich bereitete mich in Gedanken schon mal darauf vor, unzählige Bewerbungen zu schreiben und hoffte, dass ich etwas in der Nähe fand wo ich mich wohl fühlte.
Wenn ich genauer darüber nachdachte, dann bereitete mir diese ganze Situation immense Bauchschmerzen. Und es war schlimmer, als ich geahnt hatte.
„Darf ich helfen? Ehrlich gesagt könnte ich ein bisschen Ablenkung wirklich gebrauchen", wollte Hannah wissen und bat mir ihre Hilfe an.
Das Angebot nahm ich gerne an, so erledigten wir schnell den letzten Abwasch, schlossen das Café ab und fuhren zu mir. Auf dem Weg hielten wir beim Supermarkt und deckten uns für den Abend ein. Sobald Nathan weg war, nahmen wir uns vor uns mit ungesundem Zeug vollzustopfen und uns selbst zu bemitleiden.
Nathan wartete bereits im Wohnzimmer auf mich und nahm mich liebevoll in den Arm als er die Neuigkeiten hörte. Von da an konnte ich meine Tränen nicht mehr länger zurück halten und schniefte geräuschvoll in sein Hemd: „Was mach ich denn jetzt?"
„Das ist doch kein Weltuntergang, Charlie", versuchte er mich aufzumuntern und strich mir über den Rücken. „Du hast so viel Potenzial. Die werden dich alle mit Kusshand nehmen. Und vielleicht kannst du dann ja endlich was dazu steuern und fleißig backen."
„Das tu' ich doch schon. Auch wenn es immer der gleiche öde Kuchen ist, das reicht mir. Und was mache ich, wenn mich keiner will?"
„Jetzt steck doch nicht gleich den Kopf in den Sand", sagte Nathan. „Das kriegen wir schon hin."
Die Tränen hörten gar nicht mehr auf. Auch nicht, als ich mit Nathan und Hannah die schweren Kisten die Treppe runter schleppte.
Immer wieder brach ich in Tränen aus und versuchte, den dicken Kloß in meinem Hals runterzuschlucken. Langsam ging ich mir selber auf die Nerven und ging den beiden so gut es ging aus dem Weg, damit ihre Stimmung wenigstens ansatzweise besser war, als meine.
Schweigend schnappte ich mir die Kartons mit meinen Anziehsachen und wischte mir wieder und wieder mit meinem Ärmel über die Wangen.
Als ich den Rest aus meinem Schrank räumte, versiegten meine Tränen auf einen Schlag. In der hintersten Ecke stand eine kleine verstaubte Kiste, die bewirkte, dass mein Herz für einen Schlag aussetzte.
Ganz vorsichtig zog ich sie zu mir und ließ mich auf den Holzfußboden sinken. Mein Herz klopfte fürchterlich, als ich mit den Finger sanft über den Deckel strich. An der Seite stand in krakeliger Schrift mein Name geschrieben. Die Pappkiste war nicht groß, sie hatte gerade mal die Größe eines Schuhkartons und trotzdem hatte ich es nie gewagt sie zu öffnen. Viel zu sehr fürchtete ich mich davor, was mit mir geschah, wenn ich den Deckel hob.
Die Schrift auf der Kiste gehörte meinem Vater.
„Du hast sie immer noch nicht geöffnet?" Erschrocken fuhr ich rum. Entschlossen setzte sich mein Bruder neben mich und lehnte sich an die Schranktür.
Aufmerksam wanderte mein Blick über sein besorgtes Gesicht: „Nein."
„Hast du dich nie gefragt, was drin ist?"
„Doch", erwiderte ich ehrlich und ließ meinen Blick zurück zur Kiste wandern, „Aber, wenn ich sie öffne, dann ist das alles vorbei." Erschöpft seufzte ich. Der Tag steckte mir förmlich in den Knochen und meine Augen brannten.
„Was ist dann vorbei?"
„Alles", sagte ich.„Dann bleibt mir nichts mehr von ihm. Ich weiß, dass du das nicht verstehst, aber dann... Was ist, wenn es der Inhalt einfach alles noch schwerer macht?"
„Doch, ich weiß was du meinst. Aber du wirst es nie genau wissen, wenn du sie nicht öffnest."
Ich hatte so viele Fragen: „Warum habe ich die Kiste bekommen? Warum nicht du, Amy oder Mason?"
„Das weiß ich nicht, Charlie. Aber ich bin sicher, dass du die Antwort da drin findest."
In mir tat sich ein großes Loch auf. Mein Kopf füllte sich mit endloser Leere und trotzdem schwirrten meine Gedanken unaufhaltsam um den Inhalt: „Ist es nicht traurig, dass alles, was von ihm bleibt, in eine kleine Kiste passt?"
Nathans Lippen zierte ein sanftes Lächeln: „Ich finde, das solltest du nicht beurteilen bevor du weißt was dich erwartet, Charlie."
Behutsam schob ich die Kiste wieder zurück in die Ecke meines Schrankes und verstaute sie unter meinem Wintermantel, der daneben lag. Den Rest meiner Sachen konnte ich immer noch in den nächsten Tagen nach unten tragen. Ich hatte keinen Druck, das Zimmer so schnell wie möglich leer zu räumen, somit hatte ich eine Sorge weniger.
Schon seit Tagen stritten sich Amy und Mason darüber, wer nun letztendlich mein Zimmer bekommen würde. Meine Mum und ich machten uns einen Spaß daraus, kleine Wettbewerbe zu veranstalten. Jedoch bestanden diese aus Staubsaugen, Spülmaschine ausräumen und den Müll rauszubringen. Und ich musste zugeben, dass meine kleine Schwester noch nie so vor Tatendrang strotzte. Mason war mittlerweile kurz davor aufzugeben, während Amy wie eine Wahnsinnige durch das Haus raste und sich bei Mum einschleimte. Die allerdings kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus und betonte immer wieder, dass das Haus noch nie so ordentlich war, wie in den vergangenen Tagen.
Nathan half mir dabei die Möbel an die richtigen Stellen zu bugsieren und Hannah machte sich begeistert an den Karton mit meinen Dekosachen zu schaffen.
Ich hatte einiges meiner Ersparnisse für meine Einrichtung geopfert und sogar meine Großeltern hatten großzügig etwas dazu gesteuert. Besonders hatte es mir allerdings mein neues Sofa angetan. Es war groß genug, dass mindestens fünf Leute darauf Platz fanden und Hannah dekorierte es liebevoll mit großen Kissen.
Heute würde ich die erste Nacht in meiner Wohnung verbringen und Hannah bot sich an bei mir zu bleiben. Inmitten von gestapelten Kartons, die noch nicht ausgeräumt waren, oder in den Kellerraum gehörten, machten wir es uns bequem und ernährten uns für den Rest des Abends von Chips und Fast Food. Da sich auch in der Küche die Kartons anhäuften, stiegen wir auf die einfachere Variante um und ließen uns Essen liefern.
Das Wochenende zog nur schleichend an mir vorbei. Ich war Hannah dankbar, dass sie bis Sonntag bei mir blieb. Wir lagen faul auf dem Sofa in meinem Wohnzimmer und hatten uns die Bäuche mit Pizza vollgeschlagen.
Nun saß ich alleine auf dem Teppich in meiner Wohnung und hatte den Laptop auf dem Schoß. So sehr ich mich auch anstrengte meine alten Bewerbungsunterlagen aufzufrischen, es funktionierte einfach nicht. Schon beim Lebenslauf fehlte mir die Motivation, meine Finger ruhten auf der Tastatur und kurz darauf klappte ich den Laptop seufzend zu.
Im Haus war es ungewohnt still, selbst meine kleine Schwester war das ganze Wochenende bei ihrer Freundin Lauren.
Sonntage waren bis jetzt immer etwas besonderes für mich gewesen. Entweder wälzte ich mich stundenlang zufrieden auf dem Sofa herum, oder ich stöberte durch das Internet, um neue Rezepte rauszusuchen. Aber zu all dem fehlte mir die Lust und die Stille um mich herum machte mich wahnsinnig.
Immer wieder tauchte Mrs Clarks niedergeschlagenes Gesicht vor meinen Augen auf und ich graute mich davor, ihr morgen gegenüber zu stehen. Ich wusste genau, dass wir in den kommenden Wochen immer wieder über das Thema reden würden, immerhin war es unsere Aufgabe unseren Kunden zu verklickern, dass es am Ende des Jahres kein Café mehr geben würde. Ich sah ihre enttäuschten Gesichtszüge schon bildlich vor mir, wie sie einem mitfühlend die Hand auf die Schulter legten und uns bedauerten. Davor fürchtete ich mich am meisten.
Hannah hatte es da wesentlich leichter als ich. Sie beendete Ende September ihr Studium im Bereich Hotel-Management und hatte bereits eine Stelle für den nächsten Sommer sicher. Da sie nur fünfzehn Stunden in der Woche bei Mrs Clarks arbeitete, die voraussichtlich Anfang nächsten Jahres in Rente ging, war ich die einzige, die sich schleunigst etwas Neues suchen musste.
Meine Stimmung sank von Minute zu Minute mehr und ich raffte mich dazu auf, die letzten Sachen aus meinem Zimmer zu holen. Insgesamt stiefelte ich drei mal die Treppen auf und ab. Immer wieder fiel mein Blick auf den Schrank in dem die Kiste meines Vaters stand. Mit einem Knoten im Bauch trug ich sie behutsam die Stufen runter und platzierte sie auf dem kleinen Wohnzimmertisch.
Je länger ich sie anstarrte, desto größer wurde das flaue Gefühl in meiner Magengegend.
Als mein Handy, das auf dem Sofa lag, plötzlich klingelte, schreckte ich auf. Ein Blick auf das Display ließ mich wissen, wer der Anrufer war und so hob ich ohne zu Zögern ab: „Hey Ed, was verschafft mir die Ehre? Soll ich dich wieder irgendwo abholen?"
Es wunderte mich, dass er sich bei mir meldete. In den letzten Wochen hatte ich ein paar kurze Nachrichten von ihm erhalten, jedoch waren sie eher belanglos und mehr als ein 'Hallo, wie geht's dir?' und ein paar Lebenszeichen, bekam ich von ihm nicht.
„Was machst du gerade?", fragte er gerade heraus und ignorierte gekonnt meinen Sarkasmus.
„Es ist Sonntag", erwiderte ich, als wäre das Antwort genug und ließ mich anschließend in meine Kissen fallen.
„Du bist also Zuhause?", stellte Ed fest. „Dann mach uns die Tür auf."
Stirnrunzelnd richtete ich mich auf: „Wieso euch? Was hab ich verpasst?"
Ich hörte ein mir all zu bekanntes Lachen am anderen Ende der Leitung und da war klar, wen Ed mit 'Uns' meinte.
Entschlossen legte ich auf und stürmte aus meiner Wohnungstür. Als ich die Steinstufen zum Vorgarten hoch sprintete, drang das Lachen noch lauter in meine Ohren und ich fauchte los: „Spinnt ihr? Ihr könnt doch nicht einfach so mir nichts, dir nichts vor meiner Haustür sitzen. Wisst ihr, was hier los ist, wenn euch jemand sieht?"
Nialls Lachen verstummte auf der Stelle, während Ed mir einen amüsierten Blick zuwarf: „Denkst du die alte Dame von Gegenüber, die gerade ihre Hecke stutzt, weiß, wer wir sind?"
„Da steht ein protziger Ranch Rover mit getönten Scheiben vor unserem Gartentor, was denkst du denn?", fuhr ich ihn an und schaute hektisch in alle Himmelsrichtungen.
„Entspann dich, Charlie", versuchte Ed mich zu beruhigen, stand von der Stufe der Haustür auf und kam auf mich zu. „Niall war so nett mich zu fahren, er haut aber gleich wieder ab."
„Du solltest endlich mal deinen Führerschein machen", kommentierte ich seine Aussage.
„Ähm, vorher müsste ich vielleicht dein Bad benutzen, wir hatten gerade ein großes Slush-Eis", kam es von Niall. Prompt prustete Ed los und ich nahm die beiden mit in meine Wohnung.
Beide zogen nach meiner Bitte, den neuen beigen Teppich nicht zu misshandeln, ihre Schuhe aus und Ed machte es sich sofort auf dem Sofa bequem. Sorglos kuschelte er sich in die großen Kissen und zog sein Handy aus der Hosentasche.
„Fühl dich ganz wie Zuhause", sagte ich mit bissigem Unterton, bevor ich mich umdrehte und Niall zeigte wo das Bad war.
Dieser stand mitten im Raum und schaute sich neugierig um, bevor er sich in Bewegung setzte. Sein Blick schweifte über meine Möbel und die Bilder, die ich an die Wand gehängt hatte.
Das war das erste was ich gemacht hatte, als Nathan und ich fertig damit waren die Wände zu streichen. Es gab mir Sicherheit und ein Stück Normalität, wenn ich die alten Fotografien von meiner Familie um mich hatte. Auch wenn es keine große Veränderung war, eine Etage weiter runter zu ziehen, für mich war es trotzdem eine ganz schöne Umstellung.
„Ist wirklich schön hier", war sein Kommentar und ich nahm es ihm sofort ab. Es gab keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte, denn so interessiert, wie er sich umschaute, gefiel es ihm wirklich. Dann warf er mir ein Lächeln zu und verschwand um die Ecke.
„Was machst du hier?", wollte ich von Ed wissen, der inzwischen seine Beine angezogen hatte und er bediente sich an den restlichen Snacks, die von Hannah und meinem gestrigen Abend übrig geblieben waren.
Ich sah mich schon dabei, wie ich alles versuchte um die Schokoladenflecken von meinem hellen Sofa zu kriegen, denn so wie er sich die M&Ms in den Rachen schob und dabei sprach, würde mir das wohl nicht erspart bleiben.
„Ich war mit Niall bei Harry, aber der war gestern auf 'ner Party und versucht jetzt seinen Rausch auszuschlafen."
Angestrengt versuchte ich ihm in die Augen zu gucken, anstatt die ersten Krümmel anzustarren, die bereits auf der Sitzfläche landeten: „Und da hast du dir gedacht, du kommst bei mir vorbei, wenn du nichts besseres zutun hast? Das fühlt sich gut an, könnte mir nichts bess-"
„Charlie", unterbrach er mich und er richtete sich auf, „Das stimmt nicht und das weißt du."
Freudlos zuckte ich mit den Schultern: „Ich weiß, Ed. Ist nicht so mein Tag."
Als er genauer nach hakte, erzählte ich ihm von der Misere mit dem Café. Ich setzte mich zu Ed auf das Sofa und er strich fürsorglich über meinen Arm: „Du brauchst keine Angst haben, das kriegst du schon hin. Wenn die Welt erstmal weiß, wie gut deine Brownies sind, dann wird dein größtes Problem sein, dich für eine Stelle zu entscheiden."
„Wenn du meinst", erwiderte ich trübselig.
„So kenne ich dich gar nicht", sagte er und schubste mich an der Schulter. „Du gibst doch sonst auch nicht so schnell auf. Wird Zeit, dass du deinen Kopf aus dem Sand buddelst."
Bei seinen Worten musste ich unweigerlich schmunzeln: „Das hat Nathan auch gesagt."
„Na, also. Reiß dich zusammen und mach was draus. Du hast es doch eh nicht gemocht, dass die alte Clark dir nicht erlaubt hat, dass du was eigenes backst. Wenn die wüsste, was für wunderbare Brownies ihr da durch die Lappen gegangen sind."
Dankbar lächelte ich Ed an, als ich Schritte im kleinen Flur hörte und Niall kurz darauf im Wohnzimmer stand: „Hab ich das Wort Brownies gehört?"
Ed lachte ungehalten los und ich erwiderte trocken: „Nein, da musst du dich wohl verhört haben."
„Schade", entgegnete er schmollend.
Gerade als Ed ansetzte etwas zu sagen, hörte ich jemanden die Treppe runter poltern. Erschrocken schaute ich Richtung Treppe und kreuzte die Finger, dass es nicht Amy war. Denn wie sollte ich ihr erklären, dass Niall Horan in meinem Wohnzimmer stand?
Eigentlich war ich bis zum Abend allein. Mason hatte heute ein Fußballtunier mit seiner Mannschaft, Mum arbeitete an manchen Wochenenden auch Sonntags in der Galerie und kam deshalb erst spät abends zurück.
Als ich jedoch die blonden Locken meines kleinen Bruders sah, entspannte ich mich und ließ mich erleichtert in die Kissen fallen.
Mit einem Wahnsinnstempo kam er ins Wohnzimmer gelaufen und stoppte ruckartig, als er sah, dass ich nicht allein war. Die Freude in Masons Augen waren riesengroß, als er Ed entdeckte und auch Ed sah man an, dass er sich freute meinen Bruder wieder zu sehen.
Ungehalten lief Mason auf Ed zu und stolperte halb über mich drüber: „Ed!"
„Hey Kumpel", sagte Ed und begrüßte ihn mit einer Kopfnuss. „Du bist ja ein richtiger Mann geworden."
Überschwänglich legte er seine Arme um Eds Oberkörper und lächelte zufrieden. Die beiden waren schon immer ein Herz und eine Seele gewesen und Mason fragte mich oft, wann Ed wieder zu Besuch kam.
„Ich hab jetzt genau so eine Gitarre wie du", sagte Mason stolz und strahlte bis über beide Ohren. „Darf ich sie dir zeigen? Du musst sie dir unbedingt angucken."
„Nichts lieber als das. Aber ich will dir noch einen Freund von mir vorstellen", erwiderte Ed und zeigte auf den dritten im Bunde, "Das ist Niall."
Masons Stirn lag in Falten, als er aufstand und die Arme vor der Brust verschränkte: „Du bist der Typ auf den Postern von meiner Schwester", sagte er nüchtern, was Niall ein Lachen entlockte.
„Dich kann man wohl nicht so leicht beeindrucken, oder?", stellte Niall lachend fest und mein Bruder entgegnete trocken: „Ich bin ja auch kein Mädchen, ich mag halt keine Boybands die nichts drauf haben."
„Mason!", kam es empört von mir und ich riss erschrocken meine Augen auf.
„Schon okay, das hör ich öfter", winkte Niall lässig ab und wandte sich an Mason. „Und was für Musik magst du?"
Mason schien zu überlegen, denn er verzog seine Lippen und kratzte sich am Kopf. Es war so typisch für ihn, dass er alles boykottierte was Amy mochte. Und er wusste genau, wie er unsere Schwester provozieren konnte.
Seine Augen wanderten zu Ed, der ihm ein belustigtes Grinsen entgegen brachte. Dann zuckte mein Bruder lässig mit den Schultern: „Eminem ist ganz cool. Und Green Day, weil Billie Joe so coole Tattoos hat. Ohne Tattoos ist man eben kein richtiger Musiker", ließ er Niall wissen und fragte ihn dann: „Hast du auch Tattoos? So wie Billie Joe oder Ed?"
Als Niall den Kopf schüttelte, hatte Mason bereits das Interesse verloren und zog Ed entschlossen vom Sofa. Dieser gab sich geschlagen und ließ sich von meinem Bruder die Treppe hochziehen.
„Das tut mir leid", sagte ich an Niall gerichtet. „Er provoziert gerne und hat die Weisheit mit Löffeln gefressen. Ich hoffe, du nimmst ihm das nicht übel, er-"
„Schon okay", warf er dazwischen, „Ich kann das schon verstehen. Ich bin halt nicht so cool wie Ed und die ganzen anderen tätowierten Jungs. Hast du ja gehört, ich hab nichts drauf."
Er sprach so unbeeindruckt, dass ich nicht anders konnte als laut drauf loszulachen.
„Das ist das erste Mal, dass du lachst", sagte er plötzlich und schaute mich lächelnd an. Das sanfte Lächeln, das nun auf seinen Lippen lag, verunsicherte mich.
Schlagartig verstummte ich und schaute ihn bestürzt an: „Was?"
„Das ist das erste mal, dass ich dich lachen sehe."
Sein Kommentar machte mich sprachlos. Ich dachte an die Male zurück, an denen ich ihn getroffen hatte und ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals in seiner Gegenwart gelacht zu haben.
Unsicher starrte ich ihn an, bevor ich mich von seinem amüsierten Grinsen losreißen konnte. „Was machst du eigentlich noch hier, Niall? Wolltest du nicht wieder los?"
Sichtlich überfahren verschwand das breite Grinsen aus seinem Gesicht: „Ich wusste nicht, dass ich dich störe. Das tut mir leid, dann mach ich mich wieder auf den Weg."
Das hatte ich wohl etwas ungünstig ausgedrückt, denn Niall setzte sich in Bewegung. Bevor er jedoch einen weiteren Schritt machte, hielt ich ihn auf: „So meinte ich das nicht. Du kannst gerne bleiben. Ich dachte einfach, du hast was besseres vor, als deinen Sonntag in einem schnöden Vorort zu verbringen."
„Weißt du wie lange es her ist, dass ich meinen Sonntag in einem schnöden Vorort verbracht hab?", entgegnete er. „Es ist viel zu lang her. Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich könnte mir nichts vorstellen, dass ich lieber tun würde."
Ich lächelte ihn an: „Dann bist du herzlich eingeladen zu meinem eintönigen Alltag."
„Das wollte ich hören", erwiderte Niall zufrieden und stemmte seine Hände in die Hüften. „Also, was hast du gemacht, bevor wir hier aufgekreuzt sind?"
„Ich wollte eigentlich noch die restlichen Kisten, die hier rum stehen, in den Kellerraum nebenan schleppen."
„Dann helfe ich dir dabei."
„Du willst mir helfen?", fragte ich. „Engagieren Leute wie du nicht eigentlich andere Leute, damit sie sich die Hände nicht dreckig machen?"
Perplex schaute Niall mich an: „Leute wie ich?"
Ich schlug mir mental die Hand vor die Stirn. Würde ich es nicht besser wissen, würde ich annehmen, Niall bat mir einfach aus Höflichkeit seine Hilfe an. Dabei hatte ich mir vorgenommen nicht vorschnell über Menschen zu urteilen die ich nicht kannte. Immerhin schien er wirklich auf dem Boden geblieben zu sein und solch banalen Sachen, wie den Sonntag einfach an sich vorbei ziehen zu lassen, sichtlich zu genießen.
„Tut mir leid. Ich bin momentan einfach nicht so gut auf diesen ganzen Showbiz-Kram zu sprechen", sagte ich.
„Ist es wegen Ed?"
„Nimm es mir nicht übel, Niall. Aber ich glaube nicht, dass du der Richtige bist, um darüber zu reden", entgegnete ich.
„Weil ich auch dazu gehöre", stellte er fest und ich nickte. „Vielleicht bin ich genau deswegen der Richtige für dieses Gespräch."
Zugegeben überraschte es mich, dass es Niall wirklich zu interessieren schien.
„Es ist einfach, dass ich das Gefühl habe, dass Ed nur noch aus Anstand den Kontakt zu mir hält. Ich kenne ihn schon so lange und ich wollte nie, dass sich etwas zwischen uns ändert. Jetzt sehe ich ihn vielleicht vier mal im Jahr, wenn überhaupt", sagte ich. „Ich kann verstehen, dass er wenig Zeit hat. Und ich gönne ihm das alles. Aber manchmal wünschte, ich könnte mit ihm das Wochenende vertrödeln und irgendwelche Videospiele spielen. Aber das geht nicht und das verstehe ich. Ich will nur nicht, dass er mich irgendwann vergisst. Ich will, dass er weiß, dass ich immer hier sein werde, wenn er jemandem zum Reden braucht. Auch wenn ich vielleicht nicht seine erste Wahl bin."
Ich wusste nicht, warum es gerade Niall war, dem ich das sagte.
Vielleicht lag es daran, dass er, genau wie Ed, auf der Überholspur lebte und kaum die Zeit fand seine Familie und Freunde zu besuchen. Vielleicht lag es aber auch an dem Ausdruck in seinen Augen, der mich eigenartigerweise beruhigte, als er mich ansah.
„Ich kann verstehen, dass dir das Angst macht. Aber glaub mir, ich höre, wie er über dich spricht, Charlie. Er wird dich nicht vergessen, da bin ich mir ganz sicher", ließ er mich wissen und wir setzen uns auf das Sofa. „Es klingt vielleicht dämlich was ich jetzt sage, aber wenn man so oft unterwegs ist, verliert man Menschen. Das ist mir schon oft genug passiert. Menschen kommen und gehen, aber die, die bleiben, die werden auch am Ende noch da sein. Ich weiß, dass du alles für Ed tun würdest und das schätzt er an dir. Und ich weiß auch, dass er sich in letzter Zeit etwas rar macht, das hat er mir ganz offen gesagt. Aber was ich dir mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ihm unheimlich viel an dir liegt und das solltest du dir zu Gemüte führen."
Nialls Worte bewirkten, dass sich ein Lächeln auf meine Lippen schlich. Ich war ihm unheimlich dankbar, dass er sowohl mich, als auch Ed verstand. Mir war bewusst, dass man einiges hinter sich lassen und einen hohen Preis dafür zahlen musste, wenn man so berühmt war. Und, dass Niall so offen darüber sprach, fand ich bemerkenswert. Ich kannte ihn nicht gut und trotzdem wurde ich den Gedanken nicht los, dass Niall ein bodenständiger Mensch war, der sich nicht so schnell durch den Ruhm ändern ließ.
Ich fand keine Worte, die ich darauf hätte sagen können, doch Niall schien das nicht zu stören. Im Gegenteil, er ließ es einfach im Raum stehen. Und dafür war ich ihm dankbar.
„Was ist da drin?", fragte er plötzlich und zeigte auf die Pappkiste, die immer noch auf dem Wohnzimmertisch stand.
Mit einem Mal begann mein Herz fürchterlich zu rasen: „Nur eine Kiste von meinem Vater. Nichts Besonderes, ich weiß nicht mal was drin ist."
„Du weißt nicht was drin ist?", fragte er verwirrt. „Und wenn da ein Haufen Geld drin ist und du weißt es nicht?"
„Unsinn."
„Mach sie auf", forderte er mich auf und er nahm die kleine Kiste in die Hand.
„Leg sie zurück", sagte ich empört und starrte auf seine Hände, die die Kiste fest umklammerten.
Ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht. Er schaute mir für eine Sekunde in die Augen und drehte sich dann von mir weg, mit der Kiste in seinen Händen. Mein Herz drohte meinen Brustkorb zu sprengen und ich stürzte über das Sofa, um an sie heran zu kommen: „Stell sie wieder auf den Tisch, Niall."
„Ich will wissen, was drin ist", jammerte er und hielt sie so weit entfernt, dass ich nicht dran kam.„Lass mir den Spaß. Oder ist es was peinliches?"
Kurzentschlossen griff ich über ihn hinweg und hing wie ein nasser Sack auf seiner Schulter: „Niall, bitte!"
„Und wenn nicht?", meinte er amüsiert. Ich rutschte ab und lag der länge nach auf der Sitzfläche des Sofas. So ergriff ich meine Chance und beugte mich nach vorne, doch Niall nahm eine Hand von der Kiste und hielt mich kurzerhand mit seinem linken Arm fest umklammert an Ort und Stelle.
Gegen seine Kraft hatte ich einfach keine Chance, da half auch kein Zappeln und Wehren: „Bitte gib sie mir zurück!"
„Warum?", erwiderte er amüsiert.
Langsam aber sicher machte sich Panik in mir breit. So hatte ich mir definitiv nicht vorgestellt, die Kiste zu öffnen. Doch bevor Niall den Deckel anheben konnte, entschloss ich mich dazu, einfach zu sagen was Sache ist: „Weil es das letzte ist, was ich von meinem Vater habe, seitdem er tot ist. Und jetzt gib sie mir bitte zurück."
Niall lockerte sofort seinen festen Griff und ließ seine Arme sinken. Prompt stellte er die Kiste auf den Tisch zurück und ich richtete mich auf. Bestürzt sah er mich an, als ich mein Oberteil richtete: „Es tut mir leid, Charlie. Das wollte ich nicht, ich dachte einfa-"
„Ist okay", unterbrach ich ihn, „Ich will sie nur einfach nicht aufmachen."
Schweigsam starrte Niall Löcher in die Luft und ich wünschte mir, er würde einfach etwas sagen, nur damit die Stimmung nicht noch mehr in den Keller sank.
„Und wenn da wirklich ein paar Millionen Pfund drin sind?", sagte er plötzlich und brachte mich damit zum Lachen. Wenn es etwas gab, dass ich bereits jetzt an ihm schätzte, dann war es seine sorglose Art.
„Dann wirst du der erste sein, der davon erfährt", erwiderte ich lachend.
Niall half mir tatsächlich die schweren Kisten in den Kellerraum zu räumen und war voller Tatendrang. Als ich laut darüber nachdachte, ob mein Fernsehschrank nicht vielleicht doch besser aussah, wenn er zwei Meter weiter links stand, zuckte er lässig mit den Schultern und rückte den schweren Schrank mühelos an die richtige Stelle.
Zwischendurch erzählte er mir von Irland, von den letzten Konzerten und von Harry, der sich ein paar mal beim Singen lang gelegt hatte. Er berichtete über schlaflose Nächte im Tour-Bus und von kreischenden Fans, die sein Trommelfell leiden ließen. Immer wieder musste ich lauthals anfangen zu lachen, als er erzählte. Er fragte mich über meine Familie aus und sagte mir, dass er es toll fand, dass ich mit Amy in Cardiff war. Als ich ihm sagte, dass ich wirklich überwältigt von der Stimmung im Stadion und beeindruckt von ihrer Leistung war, da strahlte er über das ganze Gesicht.
Wäre er nicht Niall, der in einer weltberühmten Boyband sang und durch die Welt tourte, dann könnte man meinen, er wäre ein ganz normaler junger Mann von nebenan. Seine unbekümmerte Art bewirkte, dass man sich sofort wohl in seiner Nähe fühlte. Er hatte genügend Gesprächsstoff auf Lager um keine gähnende Stille entstehen zu lassen und er gab einen das Gefühl, dass er genau so interessiert war, zuzuhören, was einem im Kopf rum spukte.
Als Niall und ich in einer ruhigen Minute auf dem Sofa saßen und die restlichen M&Ms vernichteten, kam Mason aufgeregt ins Wohnzimmer gestürmt: „Ed kommt, versteckt euch."
„Was?", erwiderte ich fragend.
Mason hüpfte von einem Fuß auf den anderen: „Ed und ich spielen Verstecken. Und ihr müsst mitmachen."
Irritiert schaute ich zu Niall, der sich im Gegensatz zu mir, nicht im geringsten darüber Gedanken zu machen schien: „Auf was wartest du?"
Daraufhin zog er mich ohne zu zögern vom Sofa und ich stolperte ihm ungeschickt hinterher. Mason zeigte kommentarlos auf die Badezimmertür und so huschten wir zu dritt ins dunkle Bad. Während sich Mason in die Dusche kauerte, zog Niall mich in die Badewanne und zog den Duschvorhang „Das ist mir vorhin schon aufgefallen. Du hast also eine Dusche und eine Badewanne? Was ein Luxus."
Das fensterlose Bad ließ es nicht zu, dass ich Nialls Gesicht sah, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er grinste: „Sagt der, der wahrscheinlich einen Whirlpool in seinem vergoldeten Bad stehen hat."
Leise schnaubte er: „Du denkst echt immer noch, dass ich ein verwöhnter Promi-Arsch bin, oder?"
„Nein", antworte ich wahrheitsgetreu, „Aber hätte ich die Kohle, dann hätte ich definitiv einen Whirlpool im Bad."
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich im Haus überhaupt etwas regte, als ich plötzlich die Duschbrause hörte und Mason laut aufschrie. Niall lachte los und Masons Stimme drang zu mir: „Charlie, ich bin klatschnass."
„Was ist passiert?", sagte ich amüsiert, obwohl die Antwort auf der Hand lag.
Kurz darauf ging das Licht an und Ed riss energisch den Duschvorhang zur Seite: „Das ist echt das mieseste Versteck aller Zeiten."
Als Mason aus der Dusche stieg und uns bedröppelt anschaute, konnte ich mich vor Lachen nicht mehr halten. Seine Haare klebten in seinem Gesicht, er war von unten bis oben durchnässt und das Wasser tropfte in dicken Fäden von seinen Klamotten: „Ich glaube, ich bin aus Versehen an den Wasserhahn gekommen."
Auch Niall und Ed prusteten los und Mason schwor Rache. Ed sprintete los und Mason folgte ihm auf schnellem Fuß.
„Das... War super", platzte es promt aus mir heraus und Niall erwiderte: „Das sollten wir öfter machen."
„Ich wünschte nur, es gäbe mehr solcher spontanen Aktionen", sagte ich und und stieß mich von den Kacheln in der Badewanne ab.
Niall stieg aus der Wanne und grinste mich verschwörerisch an.
„So wie das hier?", wollte er wissen und schnappte sich die Duschbrause in der Badewanne.
Bevor ich reagieren konnte fühlte ich den kalten Wasserstrahl in meinem Gesicht und schloss reflexartig meine Augen. Er hielt die Brause nicht lange in mein Gesicht, dennoch lang genug, dass meine kompletten Haare pitschnass waren und mir das Wasser den Nacken runter lief.
„Du bist ein toter Mann, Horan."
Er sprintete los und ich gab mir alle Mühe, in der nassen Badewanne nicht auszurutschen. Entschlossen stiefelte ich in die Küche und kramte einen Plastikbecher aus den Kartons, füllte ihn mit Wasser und lief schnurstracks auf Niall zu, der im Wohnzimmer abwehrend die Hände vor seinen Körper hielt und um Gnade flehte.
Als ich ihm im richtigen Moment den Inhalt des Bechers über den Kopf goß, da gab ich mich zufrieden: „Wir sind quitt. Sonst kannst du was erleben."
„Deal", sagte Niall lachend und ließ sich auf den Boden sinken.
Ich kramte in ein paar unbeschrifteten Kartons nach Handtüchern und warf ihm eins zu, als ich fündig wurde.
Eine Weile saßen wir auf meinem Teppich und trockneten unsere Haare, inklusive Tshirt. Immer wieder musste ich unbeschwert lachen und genoss es, so viel Spaß zu haben. So trüb die vergangenen Tage auch waren, der heutige Sonntag ließ alles andere für einen Moment unwichtig wirken.
„Um noch mal auf das Thema von vorhin zu sprechen zu kommen", warf Niall irgendwann ein, „Ich bin mir sicher, dass ihr über Brownies geredet habt."
Als ich ihm erzählte, dass Ed von meinen Backkünsten geschwärmt hatte, hatte ich Nialls ungeteilte Aufmerksamkeit. Als ich ihm vorschlug, dass ich nachgucken könnte, ob ich alles zum Backen da hatte, da war er schneller auf den Beinen als erwartet und schaute mich auffordernd an.
Also gab ich mich geschlagen und ging mit ihm die Stufen hoch, da meine Küche nicht mal ansatzweise so ausgestattet war, wie ich es mir wünschte.
Was uns oben allerdings erwartete, darauf hätte ich wirklich verzichten können.
Gerade als Niall und ich gemeinsam die letzte Stufe hinter uns ließen, öffnete sich die Haustür und als Amy uns sah, ließ sie erschrocken ihren Schlüsselbund fallen, der geräuschvoll zu Boden ging.
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