7 » Auf Wiederzayn
N I A L L
London, April 2015
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Eines musste man Louis lassen: Er wusste wirklich, wie man richtig feierte. Mit allem drum und dran wohlgemerkt. Allerdings schlug er seit ein paar Tagen über die Stränge und wenn ich an die Gesichter von Harry und Liam dachte, wusste ich, dass ich nicht der Einzige war, der sich Sorgen machte.
Seitdem wir wieder in London waren hatte ich das Gefühl es würde alles den Bach runter gehen. Drei Wochen war es her, dass Zayn endgültig weg war. Eine Tatsache, die ich die letzten Tagen so gut wie möglich verdrängt hatte. Es war kein Geheimnis, dass er nicht mehr so viel Freude an unserer Band hatte wie wir. Doch dass die Sache ein ein so schnelles Ende nahm, hatte keiner von uns geahnt.
Liam war erschreckend ruhig, was mich unglaublich nervös machte, da er sonst immer eine gute Lösung für unsere Krisen hatte. Allerdings war das der Ausnahmezustand und ich konnte es ihm nicht verübeln, dass er genau so ratlos war, wie der Rest von uns. Seit Tagen verkroch er sich mit Sophia Zuhause und ließ nichts von sich hören. Meine Anrufe und Nachrichten ignorierte er gekonnt, doch ich war ihn nicht böse, eher hatte ich Angst, dass es ihm weitaus mehr ausmachte, als ich ahnte.
Der Jüngste von uns hatte sich einzig und allein einmal zu der ganzen Sache geäußert und war dem Thema von da an strickt aus dem Weg gegangen. Harry war der Meister des Themenwechsels, riss seine schlechten Witze und winkte lässig ab. Trotzdem war ihm anzusehen, wie verletzt und vielleicht sogar enttäuscht er war. Wenn man ihn in einer stillen Minute erwischte, wirkte er so nachdenklich und bedrückt, dass ich mich glatt hilflos fühlte.
Louis hatte seine ganz eigene Art mit Zayns Verschwinden umzugehen. Er nahm gefühlt jede Gelegenheit, auf einer Party die Sau raus zu lassen, freudestrahlend an und berauschte seine Sinne mit Massen an Alkohol, bis er nichts mehr fühlte. Dazu kam noch, dass er sich vor knapp einem Monat von Eleanor getrennt hatte und sich seit dem an alles ran schmiss, was zwei Beine hatte. Wenn das kein Hilfeschrei war, dann wusste ich auch nicht.
Gefühlt halb London war heute Abend da, die Menge tanzte sich auf Louis' teurem Parkett die Füße wund. Alle amüsierten sich prima, niemand stand gelangweilt in der Ecke herum und die Stimmung war auf dem Höhepunkt. Fürsorglich füllte Louis als Gastgeber die leeren Becher seiner Gäste nach und stellte sicher, dass es ihnen an nichts fehlte.
„Was ist dir denn für 'ne Laus über die Leber gelaufen, Niall?" Louis lehnte sich lässig gegen die provisorische Bar, die er extra für heute hatte aufbauen lassen. Überall sammelten sich die leeren Bierflaschen; ich selbst nuckelte seit einer geschlagenen Stunde an meiner ersten an diesem Abend herum.
„Ich komm' nicht so in Fahrt heute, ich glaub', ich haue gleich ab", erwiderte ich und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Es wunderte mich nicht, dass Liam trotz Louis' ausdrücklicher Einladung nicht gekommen war. Wahrscheinlich lag er gerade mit Sophia im Arm auf seinem Sofa und zerbrach sich den Kopf. Ich war mir ziemlich sicher, dass Harry noch auftauchen würde, aber von ihm fehlte bis jetzt jede Spur.
„Spinnst du? Die Party hat noch nicht mal richtig angefangen und du willst dich schon vom Acker machen?", energisch drückte er mir einen Becher in die Hand. „Trübsal blasen ist heute nicht."
Louis griff hinter die Bar und holte eine Flasche hervor. Kurz darauf erkannte ich, dass es mein Lieblings-Whiskey war und er den Becher bis knapp zur Hälfte aufgefüllt hatte. Entsetzt schaute ich in den Becher, als Louis mir diesen reichte und empörte mich: „Willst du mich umbringen? Das soll ich doch nicht wirklich alles auf einmal trinken?"
„Dann teil's dir halt ein, Hauptsache du bleibst noch ein bisschen", erwiderte er und grinste mich übertrieben freundlich an. „Wo ist eigentlich deine bessere Hälfte?"
Wirklich reizend von ihm, dass er mich auf Melissa ansprach, wo er doch genau wusste, dass es schon seit Tagen bei uns kriselte.
„Ich hab keine Ahnung", schnaubte ich, „Ist mir auch relativ egal."
„Immer noch Stress im Paradies?" Sein dämliches Grinsen brachte mich fast auf die Palme. Es wäre mir lieber gewesen, er hätte sich wieder um seine Gäste gekümmert, anstatt mich mit meiner Freundin vollzuschwallen.
Es lag gar nicht mal daran, dass ich mit Melissa immer wieder aneinander geriet, sondern eher daran, dass wir uns kaum zu Gesicht bekamen. Wenn sie in London war, waren wir auf Achse, besuchten zahlreiche Clubs und trafen uns mit Freunden. Die Zweisamkeit kam da leider etwas kürzer, obwohl ich wirklich gerne mehr mit ihr unternehmen würde. Mein straffer Zeitplan, der Stress den wir sowieso im Moment wegen Zayn am Hals hatten und die Tatsache, dass Melissa jedes Mal hoch ging wie eine Rakete, wenn ich keine Zeit für sie hatte, machten mich wahnsinnig.
Plötzlich sah ich Harry durch die Tür schreiten und nahm das kurzerhand als perfekte Gelegenheit Louis' Fragen zu entkommen: „Sorry Lou, bevor Harry in der Menge verschwindet, muss ich ihn dringend was fragen."
Damit ließ ich ihn stehen und ging zielstrebig auf Harry zu. Er hatte Ed bei sich, der sich freudestrahlend von einer Blondine ein Bier in die Hand drücken ließ und die Flasche dankbar an seine Lippen führte.
Die beiden trafen sich in letzter Zeit wieder öfter, immer wenn sie Zeit hatten, hingen sie förmlich aufeinander. Über die Jahre waren sie ziemlich dicke Freunde geworden und obwohl Ed immer noch so gut mit Taylor befreundet war, stand die Sache niemals zwischen ihnen. Immerhin war es nun auch schon etwas länger her, dass Harry mit Taylor zusammen war.
„Wie viel hat Louis schon intus?", fragte Harry zur Begrüßung und blickte aufmerksam durch die Menschenmenge.
„Es hält sich in Grenzen", erwiderte ich, drehte mich um und umarmte Ed, der sein Bier bereits halb leer hatte: „Geht's dir besser?"
Als ich Ed das letzte Mal gesehen hatte, hatte er sich in einem Club dermaßen die Birne zugeknallt, dass er am Ende der Nacht keinen richtigen Satz mehr zu Stande bekam und elendig auf einem Barhocker verweilte. Dazu kam, dass er sich eine fette Erkältung zugezogen hatte und unaufhörlich vor sich hin schniefte.
Auch er hatte sich von seiner Freundin getrennt und versuchte den Sinn des Lebens auf dem Boden einer Bierflasche zu finden, allerdings ging diese Aktion nach hinten los und wir mussten ihn mit großer Mühe in ein Taxi bugsieren. Auf dem Weg dorthin sah er erschreckend bemitleidenswert aus und redete von den Brits und seinem berüchtigtem Absturz. Er quatschte wirres Zeug über Taylor, die ihn mit Pizza besucht hatte und über Charlie, von der er nichts mehr hörte. Dann fing er fast an zu heulen. Harry nahm ihn kurzerhand mit zu sich und ließ ihn auf dem Sofa pennen.
„Ja, geht wieder", erwiderte er lächelnd und prostete mir zu. Ich nahm einen kräftigen Schluck aus meinem Becher und verzog das Gesicht, als ich die brennende Flüssigkeit runterschluckte.
Harry ließ uns stehen, um Louis zu begrüßen und ich ging mit Ed im Schlepptau in die Küche um kurz darauf beherzt in die Schüssel mit den Chips zu greifen. Ich musterte Ed, der immer wieder abwartend einen Blick auf sein Handy warf und es kurz darauf seufzend zurück in die Hosentasche steckte.
„Erwartest du einen wichtigen Anruf?", wollte ich wissen und warf mir eine handvoll Chips in den Mund.
„Nein, ich hab Charlie gefragt ob sie Zeit hat, aber sie antwortet nicht. Ich warte schon seit heute Mittag auf eine Nachricht von ihr und jammere Harry voll. Der konnte sich das Ganze wohl nicht mehr anhören und hat mich mitgeschleppt", ließ er mich wissen und lehnte sich an die Küchenzeile.„Ich glaub', ich hab ziemlich verkackt."
Fragend runzelte ich die Stirn und wartete darauf, dass er weiter sprach. Nachdem er sein Bier geleert hatte, stellte er sie auf die Anrichte und fuhr fort: „Ich hab mich seit dem Tag nach den Brits nicht mehr bei ihr gemeldet. Ich kann es ihr also nicht verübeln, dass sie sich nicht meldet. Ich frag mich sowieso warum sie nicht schon längst die Fliege gemacht hat."
Ich dachte daran, wie selbstverständlich Charlie damals gekommen war, um Ed und uns aus dem Club abzuholen. Sie hatte nicht eine Sekunde gezögert, selbst als wir uns doch ein Taxi nahmen, war sie gekommen um sich zu vergewissern, dass Ed wenigstens heile Zuhause angekommen war. Ich konnte mich nicht daran erinnern, ob das jemand jemals für mich getan hatte.
Meine Gedanken wanderten zu Harrys Party kurz bevor wir zur Tour aufgebrochen waren. Als ich Charlies verunsichertes Gesicht gesehen hatte, war mir klar, dass sie nur Ed zur Liebe dort gewesen war. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, dann hätte ich Ed wahrscheinlich längst die Freundschaft gekündigt, oder ihm wenigstens ordentlich den Marsch geblasen.
„Vielleicht, weil ihr etwas an dir liegt." Ich zuckte ratlos mit den Schultern und sah in Eds grübelndes Gesicht bevor ich fort fuhr: „Warum rufst du sie nicht an und bestellst sie her? Ich glaube nicht, dass Louis was dagegen hätte."
„Ich denke, da lässt sie sich nicht drauf ein. Falls sie überhaupt ran geht. Das ist nicht ihre Welt, außerdem muss sie bestimmt morgen früh raus." Er schien zu überlegen und warf einen weiteren Blick auf sein Handy. „Obwohl ich es eigentlich gar nicht so schlecht finden würde, wenn sie mal Zuhause raus kommt."
Er tippte auf dem Bildschirm herum, hob entschuldigend seinen Finger und verschwand durch die Terrassentür. Während ich versuchte das brennende Gefühl in meinem Rachen durch Chips zu lindern, beobachtete ich Ed dabei, wir er auf Louis' Terrasse hin und her lief und am Handy diskutierte.
Ein paar Meter neben mir nahm ich Louis' Stimme wahr, der sich an eine junge brünette Dame heran Schmiss und seinen Charme spielen ließ. Wo er die ganzen Gäste aufgetrieben hatte, war mir ein Rätsel, denn ich kannte nicht mal ein Viertel von denen, die hier waren.
Mutig trank ich den Rest meines Bechers und warf mir danach ein paar Erdnüsse in den Rachen, als Harry sich zu mir gesellte und Louis mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte: „Soll das jetzt ewig so weiter gehen?"
„Was fragst du mich? Du kennst ihn doch am besten", ging ich auf seine Aussage ein und sah dem Ältesten der Band dabei zu, wie er der knapp bekleideten Schnepfe seine Zunge in den Hals schob.„Hoffentlich geht das nicht irgendwann mal schief."
Harry zuckte mit den Schultern und bediente sich am Kühlschrank: „Ich hab von Lou gehört, dass du schon abhauen willst?" Hastig schüttelte ich den Kopf und klopfte meine Hände an der Jeans ab. Ich hatte mich dagegen entschieden schon zu verschwinden, langsam fühlte ich, dass der Whiskey meine Stimmung erhellte und ich wollte unbedingt mit ansehen, wie Ed sich bemühte seine Freundschaft mit Charlie zu retten.
Immer noch lief er auf der Terrasse hin und her und fuhr sich angespannt mit den Fingern durch das rote Haar. Es war wirklich amüsant ihm dabei zuzuschauen, wie er versuchte Charlie zu überreden. Kurz darauf legte er auf und kam wieder hinein.
„Und?", fragte ich ihn belustigt, als er sich ein neues Bier aus dem Kühlschrank schnappte.
Er seufzte, öffnete die Flasche und nahm einen langen Schluck bevor er sprach: „Sie hat sich breit schlagen lassen. Ich hole sie draußen ab wenn sie da ist, da draußen wimmelt es ja nur so von Möchtegern-Türstehern, da kommt sie wohl kaum allein durch."
Kurz darauf verschwand er mit Harry in der tanzenden Menge und ich ließ mich von Louis zu einem weiteren Whiskey überreden. Diesmal füllte ich den Becher allerdings bis zum Rand mit Cola, ich wollte schließlich noch ein bisschen länger durchhalten und nicht in einer Stunde sturzbetrunken in der Ecke hängen.
Ich ließ mich dazu hinreißen mit Fremden im Wohnzimmer zu tanzen und Louis schenkte mir immer wieder nach, was mich dazu veranlasste eine kurze Pause auf seinem Sofa einzulegen. Langsam verlor ich das Zeitgefühl und der Alkohol stieg mir zu Kopf. Louis tanzte eng umschlungen mit der Brünetten, die wenigen bekannten Gesichter konnte ich kaum ihren Namen zuordnen und Harry beobachtete das Geschehen von der provisorischen Bar aus. Von dem Rotschopf fehlte jede Spur.
Benebelt ließ ich mich in die weichen Kissen sinken und warf einen Blick auf mein Handy. Vier mal hatte Melissa versucht mich zu erreichen. Bei dem enormen Lautstärkepegel im Wohnzimmer war es jedoch kein Wunder, dass ich ihre Anrufe nicht mitbekommen hatte.
Stöhnend erhob ich mich vom Sofa und ging auf die Terrasse auf der Ed noch vor kurzem gestanden hatte. Draußen war es so frisch, dass der leichte Windzug mir eine Gänsehaut über den Körper jagte. Die Musik aus dem Haus drang nur noch gedämpft nach draußen und ich rief meine Freundin zurück. Als jedoch ihre aufgebrachte Stimme am anderen Ende zu hören war, bereute ich meine Entscheidung.
„Schön, dass du dich dazu herab lässt und mich zurück rufst, Niall. Wie nett von dir, wie komme ich zu der Ehre?"
Innerlich kämpfte ich gegen das Verlangen an, einfach wieder aufzulegen und verdrehte die Augen: „Ich hab das Klingeln nicht gehört, ist bei dir alles in Ordnung?"
„Wenn du denkst, dass ich ewig auf dich warte, dann hast du dich geirrt, Niall", ignorierte sie meine gespielte Freundlichkeit. Ich hörte sie schnauben bevor sie weiter sprach: „Falls du dich an mich erinnerst, dann wird dir sicher aufgefallen sein, dass wir verabredet waren."
„Melissa", erwiderte ich und fuhr mir genervt durch die Haare, „Wir waren für heute nicht verabredet. Ich habe dir gesagt, dass ich wahrscheinlich kurz auf Louis' Party vorbei schaue und dich danach eventuell noch treffe."
„Dass du kurz auf der Party vorbei schaust?", fuhr sie mich entrüstet an. „Hast du eine Ahnung, wie lange ich schon auf einen Anruf von dir warte, Niall?"
Es machte mich wahnsinnig, dass sie immer wieder meinen Namen wiederholte und ich bemühte mich weiterhin freundlich zu sein, obwohl es mir wirklich schwer viel, bei ihrer aufgebrachten Tonlage die Ruhe zu bewahren.
„Hör zu, es tut mir leid. Es dauert wohl noch ein bisschen bis ich hier weg bin. Du bist doch noch ein paar Tage in London, wie wäre es, wenn wir morgen was zusammen unternehmen?"
Sie lachte verächtlich in den Hörer: „Du weißt, dass ich hauptsächlich wegen dir in London bin, oder? Ich hab mich damit abgefunden, dass ich die zweite Geige spiele, aber dass du mich hängen lässt, obwohl du nichts wichtiges zutun hast, das akzeptiere ich nicht. Zu siehst Louis und die anderen schon wenn ihr gemeinsam unterwegs seid, da kannst du dir doch wohl einen Abend Zeit nehmen um ihn mit deiner Freundin zu verbringen."
„Es tut mir leid, Melissa. Ich weiß das ist blöd gelaufen, aber-" Ich unterbrach mich selbst, als ich die Stille am anderen Ende wahr nahm. Sie hatte allen ernstes aufgelegt und ich stand wie der letzte Depp auf der Terrasse und starrte das Display meines Handys an.
Ich redete mir ein, dass es das nicht wert war, sich davon den Abend kaputt machen zu lassen oder sich gar darüber aufzuregen. Deshalb ging ich zielstrebig zur Bar, an der Louis stand und hielt ihm meinen Becher vor die Nase: „Füll nach und spar nicht am Whiskey."
Gesagt, getan. So tanzte ich einen Augenblick später neben Louis und wir stießen gemeinsam an. Ich lenkte mich ab und bewegte meine Beine schwungvoll zum Takt der Musik. Und nach ein paar Minuten bildete ich mir tatsächlich ein, dass der Ärger über die Auseinandersetzung mit Melissa allmählich verblasste.
„Hat Ed 'ne Neue?", brüllte mir Louis irgendwann entgegen und nickte unauffällig in eine Richtung. Ich drehte mich um und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, als ich Ed und Charlie entdeckte und Louis aufklärte: „ Nein, das ist Charlie. Harry hat ihr zwei Meet and Greet-Tickets geschenkt und ich hab doch erzählt, dass sie uns damals aus dem Club abholen wollte, erinnerst du dich?" Als Louis nickte, entschuldigte ich mich und ging zu den beiden am anderen Ende des Wohnzimmers.
Dass Charlie nicht sonderlich hier rein passte, war unübersehbar. Hätte ich sie nicht bereits kennengelernt, hätte ich sie wahrscheinlich nicht einmal wahrgenommen. Mit ihren schlichten Klamotten ging sie in der Masse völlig unter.
„Was sehen meine Augen denn da", begrüßte ich sie, „Schneeweißchen und Rosenrot höchstpersönlich." Ed warf mir einen verwirrten Blick zu, während Charlie neben ihm zu schmunzeln begann. Mein Mund war anscheinend durch den Whiskey schneller als mein Gehirn, jedoch waren ihre blonden Haare wirklich verdammt hell und ich konnte mir den Spruch einfach nicht verkneifen.
Bevor einer von uns etwas darauf erwidern konnte, zerrte Ed seine Begleitung durch den Raum und stellte sie Louis vor. Ich gesellte mich zu ein bekannten Gesichtern und musste mir immer wieder anhören, wie bestürzt alle über die Sache mit Zayn waren. Höflich hörte ich mir an was die Allgemeinheit davon hielt und ich war langsam mit meinem Latein am Ende. Zu gerne hätte ich jeden einzelnen von ihnen zu verstehen gegeben, dass dies gerade weder der richtige Zeitpunkt, noch der Richtige Ort für solch ein Gespräch war. Ich betete, dass mich irgendjemand so bald wie möglich hier raus holte, damit ich mich aus dem Gespräch ziehen könnte. Und kurz darauf hatte ich die perfekte Gelegenheit dazu.
„Niall?"
Ruckartig drehte ich mich um und sah Charlie vor mir stehen, die mich entschuldigend ansah und weiter sprach: „Ich wollte dich nicht stören, aber Louis meinte, ich soll mich einfach am Kühlschrank bedienen, aber da ist nur Bier und ich möchte nicht unbedingt was alkoholisches trinken. Jetzt kann ich Louis nicht mehr finden und Ed ist auch verschwunden."
„Komm mit", forderte ich sie auf und führte sie dankbar, dass sie mich daraus geholt hatte, in den Flur.
„Tut mir leid, ich wollte dich jetzt nicht da weg holen", entschuldigte sie sich.
„Du kamst gerade zur richtigen Zeit, ich hätte mir das Gefasel eh nicht mehr lange anhören können", ließ ich sie wissen und quetschte mich durch das Gedrängel im breiten Flur. Charlie folgte mir um die Ecke, als ich einige bekannte Gesichter begrüßte, denen ich bis jetzt noch nicht über den Weg gelaufen war.
Unerwartet legte sich Charlies Hand auf meinen Arm; sie hatte mich mittlerweile eingeholt und stolperte neben mir her: „War das Olly Murs?"
Verwundert drehte sie sich im Gehen um und nahm die Hand von meinem Arm. Lachend richtete ich meinen Blick nach vorne: „Soll ich ihn dir vorstellen?"
„Oh Gott, nein", wehrte sie sofort ab und drehte sich wieder nach vorne, „Das wäre peinlich."
„Magst du seine Musik?", wollte ich wissen und nahm die ersten Stufen zum Keller. Ich wusste, dass Louis immer gut ausgestattet war, was Getränke anging und da ich mich sonst auch wie selbstverständlich in seinem Haus bewegte, ging ich einfach davon aus, dass es ihm nichts ausmachen würde.
„Ist nicht ganz mein Fall. Obwohl ich zugeben muss, dass man zu Wrapped Up wirklich unheimlich gut den Staubsauger schwingen kann", sagte sie in so einer nüchternden Tonlage, dass es mich zum Lachen brachte.
Ich betätigte den Lichtschalter und stieß die Tür zu Louis' Vorratsraum auf: „Ich find's übrigens cool, dass du da bist, wo du doch letzes Mal gesagt hast, dass das nicht so dein Ding ist."
Als ich ihr die Tür aufhielt grinste sie: „Ich werde aber nicht so lang bleiben, denke ich."
„Musst du morgen früh raus?" Zielstrebig ging ich auf den großen Kühlschrank zu und forderte Charlie dazu auf, sich etwas zu trinken zu nehmen. Sie entschied sich für eine Cola, ich schnappte mir drei Flaschen um sie oben in der Küche zu deponieren und drückte ihr anschließend auch noch eine in die Hand.
„Ja, ich hab sozusagen den Frühdienst", ließ sie mich wissen. Als ich danach fragte, was sie beruflich machte, erzählte sie mir, dass sie Konditorin sei und in einem kleinen Café am anderen Ende der Stadt arbeitete: „Naja, bei uns gibt es auch Frühstück und sowas, deshalb muss ich drei mal die Woche früher raus. Manchmal muss ich dann auch den Kuchen für nachmittags vorbereiten und all sowas. Hört sich vielleicht nicht spannend an, aber es ist in Ordnung."
Als wir wieder im Gang waren, schloss ich die Tür hinter uns und löschte das Licht als wir die Stufen nach oben betraten: „Du hattest mich bei Kuchen."
Ein kleines Schmunzeln erschien auf ihrem Gesicht, als ich mich zu ihr umdrehte.
„Ich finde es übrigens schade, dass du immer so plötzlich verschwindest." Ich ließ ihr im Flur den Vortritt und sie schaute mich fragend an, als sie an mir vorbei schritt.
„Wie meinst du das?"
„Du bist immer so plötzlich weg. Erst den einen Morgen bei Stuart und dann bei Harrys Party", half ich ihr auf die Sprünge.
„Ich wusste nicht, dass dir das überhaupt aufgefallen ist", ließ sie mich wissen. „Dann werde ich mich einfach von jetzt an jedes Mal von dir verabschieden, wenn ich abhaue." Sie drehte sich im Gehen zu mir um und grinste mich an. Ohne zu zögern tat es ich ihr gleich und schob ein „Gut, das will ich hoffen" hinterher.
Zurück in der Küche, stellte ich die Cola in den Kühlschrank und goß mir anschließend einen weiteren Drink in den Becher. Währenddessen hatte sich Harry zu Charlie gesellt und begrüßte sie mit einer herzlichen Umarmung.
Eine Sache die ich sehr an Harry schätze, war, dass man sich in seiner Nähe stets wohl und willkommen fühlte. Er gab einem immer das Gefühl man würde dazu gehören, egal wo man ihn antraf. Und wenn er einen mochte, dann hatte man bei ihm ein Stein im Brett.
Ich lehnte mich an die Küchenzeile und hörte Harry dabei zu wie er sich mit Charlie über das bevorstehende Konzert in Cardiff unterhielt. Ich wunderte mich, dass sie ihre Schwester so selbstverständlich begleiten würde, obwohl ich wusste, dass ihr unsere Musik nicht unbedingt lag. Harry allerdings versicherte ihr, dass sie trotzdem auf ihre Kosten kommen würde, was sie zuversichtlich mit einem Lächeln quittierte.
„Hast du deiner Schwester eigentlich schon die Tickets gezeigt?", fragte ich neugierig.
Sie schüttelte heftig mit dem Kopf: „Nein, das soll eine Überraschung bleiben." Ihre blauen Augen funkelten förmlich vor Freude, als sie über ihre Schwester sprach. Ich hatte wirklich das Gefühl, sie würde sich wahnsinnig darüber freuen, ihre Schwester zu begleiten und automatisch zuckten meine Mundwinkel nach oben.
„Darf ich euch um was bitten?", fragte sie zurückhaltend und sowohl Harry als auch ich nickten, bevor sie weiter sprach: „Meine Schwester hat keinen blassen Schimmer, dass ich euch persönlich kennengelernt habe und ich wäre euch wirklich dankbar, wenn ich das noch bis nach dem Konzert hinauszögern könnte, dann komme ich wenigstens ohne Zwischenfälle sicher wieder nach Hause. Ich weiß nicht, wie sie reagiert, wenn sie wüsste, dass ich gerade mit euch beiden in Louis Tomlinsons Küche stehe und plaudere. Wahrscheinlich würde ich dann auf der Rückfahrt von Cardiff öfter mal die Leitplanken mitnehmen, weil sie wie eine Wahnsinnige mit den Armen herumfuchtelt."
Obwohl es ihr ein wichtiges Anliegen war, gefiel mir ihr trockener Humor immer mehr und so musste ich unweigerlich losprusten, bis ich mich verschluckte. Harry klopfte mir stirnrunzelnd auf den Rücken und antwortete: „Das kriegen wir schon hin."
Erleichtert atmete Charlie auf und wurde dann von Ed zur Seite gezogen. Harry und ich guckten zwischendurch zu Louis, der immer mal wieder an der Brünetten klebte und ihr Honig um den Mund schmierte. Er schien einiges gebechert zu haben, denn als er sich ein neues Bier aus dem Kühlschrank holte, wirkte sein Blick eigenartig glasig. Harry bot an bis zum Ende zu bleiben und ein Auge auf Louis zu werfen und ich schloss mich kurz darauf Olly an, der mit ein paar Kumpels im Wohnzimmer die Tanzfläche unsicher machte.
Sobald ich zu Ed und Charlie herüber schaute, wurde ich das komische Gefühl nicht los, dass Charlie sich auf irgendeine Weise zurück hielt. Sie brach nicht in Gelächter aus, wenn Ed etwas aus den Socken haute, mehr als ein kleines Schmunzeln war eigenartiger Weise nicht drin. Irgendetwas war seltsam daran, aber ich konnte mir absolut keinen Reim darauf machen.
Als sich der Abend langsam dem Ende zuneigte und sich das Haus leerte, suchte ich Louis auf um mich von ihm zu verabschieden. Als ich gefühlt jeden Raum im Erdgeschoss abgesucht hatte, begegnete ich Harry, der mir erzählte, dass Louis bereits eingepennt war und zufrieden vor sich hin schnarchte.
Harry und ich verabschiedeten uns von den Leuten die wir kannten und ich holte mir meine Jacke aus dem Flur, als mich jemand auf der Schulter antippte.
„Ich dachte, ich halte mich dran und verabschiede mich von dir", nahm ich Charlies Stimme wahr und drehte mich zu ihr um. Ein amüsiertes Grinsen legte sich auf ihre Lippen. Sie hatte bereits ihre Jacke an und ich sprach lächelnd: „Ich ruf mir jetzt auch ein Taxi und verschwinde."
„Ich kann dich mitnehmen, wenn du willst. Ich bringe eben Ed nach Hause und er meinte, du wohnst gar nicht so weit von ihm entfernt. Um die Uhrzeit wimmelt es doch hoffentlich nicht mehr von Stalkern und aufdringlichen Fotografen, oder?", fragte sie und ich folgte ihr aus der Tür, vor der Ed sich eine Zigarette angezündet hatte und uns freundlich anlächelte, als wir zu ihm stießen.
Ungläubig schaute ich sie an: „Das würdest du tun?"
„Na klar, wenn du dich traust mit mir zu fahren."
„Warum? Bist du 'n Verkehrsraudi?", zog ich sie lachend auf.
„Charlie ist die beste Autofahrerin, die ich kenne", mischte sich Ed ein und Charlie konterte: „Es ist wirklich toll, das von jemandem zu hören, der selbst keinen Führerschein hat. Das zählt nicht, Edward."
Ed stöhnte und drückte die Zigarette im Aschenbecher auf der Fensterbank aus, als ich sprach: „Ich stürze mich einfach in die Gefahr und begebe mich in deine Obhut."
Schmunzelnd führte Charlie uns zu ihrem Auto ein paar Meter die Straße herunter. Ed quetschte sich auf die Rückbank des kleinen Autos und überließ mir den Beifahrersitz. Es war wirklich kein großes Auto, aber irgendwie passte es zu Charlie.
Ed wurde mit jeder Minute ziemlich ruhig und als ich meinen Kopf drehte, sah ich, dass er die Augen geschlossen hatte. An Eds Apartment ankommen, stieg Charlie kurzerhand aus und rüttelte den Rothaarigen wach. Dieser schlurfte ausgelaugt zur Tür, winkte uns zu und verschwand in der Haustür.
Als Charlie weiter fuhr und ich sie zu meiner Adresse lotste, schweifte mein Blick aus dem Fenster und man sah, dass die Sonne langsam aufging. Schlagartig wurde mir bewusst, was Charlie mir vorhin erzählt hatte und ich fragte sie: „Wann musst du aufstehen?"
In aller Seelenruhe blickte sie auf die Uhr neben dem Tachometer: „Vor einer Stunde."
Dafür, dass ich mir gesagt hatte, dass ich nicht so lange bleiben wollte, hatte ich lange durchgehalten. Wahrscheinlich auch Dank des Alkohols, dessen Effekt langsam wieder verschwand.
„Mein Gott, vielleicht solltest du dich einfach krank melden. Wann ist denn die Zeit so schnell vergangen?"
„Das geht schon", teilte sie mir mit. „Ich fahre gleich direkt ins Café. Heute Mittag kann ich mich immer noch hinlegen, ist ja zum Glück Freitag." Ich bewunderte sie für ihr Durchhaltevermögen. Sie hatte gestern bestimmt auch arbeiten müssen und war die ganze Nacht wach geblieben.
Charlie lenkte den Wagen durch die Straßen und ich musste Ed wirklich recht geben; sie war eine hervorragende Fahrerin. Sie war aufmerksam, fuhr zügig und sicher. Als wir dem Ziel näher kamen, bat ich sie mich am Straßenrand rauszulassen: „Da vorne ist es, kannst mich hier rauslassen."
„Wow", brachte sie erstaunt hervor, als sie aus dem Fenster auf mein Haus schaute, „Dafür, dass du dir wahrscheinlich ein ganzes Disney-Schloss hinbauen könntest, lebst du ganz schön bescheiden."
Ich lachte laut los, als ich meinen Gurt löste und sprach anschließend: „Ich bin nicht so, wie du vielleicht denkst, Charlie."
Darauf ging sie erst gar nicht groß ein: „Wer weiß. Wir sehen uns in Cardiff."
Lächelnd stieg ich aus und bedankte mich für die Mitfahrgelegenheit. Ich schlug die Tür zu und winkte ihr nochmal durch das geöffnete Fenster zu. Bevor ich mich allerdings umdrehte, hielt sie mich auf: „Ich hab noch was vergessen."
Abwartend schaute ich sie an.
„Tschüss, Niall", sagte sie breit grinsend, schloss das Fenster wieder und verschwand anschließend am Ende der Straße um die Ecke. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen und schritt zu meinem Tor.
Charlie war wirklich nett, das war mir nicht erst jetzt klar geworden. Ed hatte wirklich Glück, dass sie so viel für ihn tat. Ich hoffte, er würde das bald realisieren, denn sonst wäre sein Geheule groß, wenn sie ihm eines Tages den Vogel zeigte und ihn stehen ließ.
Aber das ging mich nichts an. Ich machte mir eher Sorgen darüber, wie es mit One Direction weiter ging. Im Moment schien einfach der Wurm drin zu sein, was natürlich wegen der Sache mit Zayn nicht verwunderlich war. Trotzdem hatte ich bei der Sache ein flaues Gefühl im Magen und ich hoffte, dass wir uns nicht noch weiter von einander entfernten.
Mein zweites Problem hieß Melissa und ich hatte keine Ahnung, wie es mit ihr weiter gehen sollte. Bevor ich mich jedoch ihren enttäuschten Vorwürfen stellte, brauchte ich eine riesen Mütze Schlaf.
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