Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

43 » Dein vergangenes Ich

C H A R L I E

London, April 2016

»«

Ein paar Tage später hatte Ed mich zu sich nach Hause eingeladen, um endlich die Pancakes zu machen, die er mir vor einer halben Ewigkeit versprochen hatte. Er hatte seine Afrikareise für eine ganze Woche unterbrochen, was mir recht unangenehm war. Andererseits war ich ihm unglaublich dankbar, dass er bei mir war und mich ablenkte. Er besuchte mich in der letzten Woche fast jeden Tag und munterte mich ungemein auf. Über Niall hatte er kaum ein Wort verloren und ich konnte das erste Mal richtig durchatmen.

Eds Wohnung war ungewöhnlich aufgeräumt, die Gardinen waren weit aufgerissen und er hatte am gleichen Abend sogar seine berühmt, berüchtigten Fajitas gemacht. Ich hatte mich sofort in meine Jogginghose geschmissen und konnte das erste Mal wieder richtig durchschlafen. Es schien ihm mittlerweile wirklich besser zu gehen und das machte mich glücklich. Er musste am heutigen Nachmittag schon wieder los, begleitete mich vorher jedoch noch zu einem Familienessen. Zur Feier des Tages sollte es ein gemeinsames Frühstück geben. Später würde ich Ed zum Flughafen bringen.

Heute waren wir gemeinsam zu meinen Großeltern eingeladen, denn Luke und Ella hatten sich spontan angemeldet und hatten den ellenlangen Flug von Australien hier her auf sich genommen. Sie waren seit gestern im Lande. Ich freute mich wahnsinnig auf sie, denn Riley sollte auch dabei sein. Ich war unglaublich gespannt meinen Onkel wieder zu sehen und konnte es kaum erwarten, ihn in die Arme zu schließen. Sie blieben über das Wochenende und übernachteten in Grandpas altem Arbeitszimmer.

Als ich eine Stunde zu spät am Haus meiner Großeltern ankam, weil Ed in letzter Sekunde entschied seinen Koffer zu packen und ich Hannah, die ebenfalls herzlich eingeladen war, einsammeln musste, wartete mein Onkel schon im Wohnzimmer auf mich.

Er schloss mich liebevoll in die Arme, was Ella ihm anschließend gleich tat. Ich hatte die beiden unheimlich vermisst und dass sie gemeinsam hier waren, erhellte meine Laune um ein Vielfaches. Mason verstand sich ausgezeichnet mit Riley und mein kleiner Bruder hatte ihn sofort zu einer Runde Fußball aufgefordert.

Im Wohnzimmer klimperte das Geschirr und Grandma hatte wirklich alle Geschütze aufgefahren. Der große Tisch war gedeckt mit den verschiedensten Brötchen und Croissants, Marmelade in allen Sorten waren verteilt worden. Der Tisch war zwar bei weitem nicht so groß wie der bei uns Zuhause, aber die Teller standen so nah beieinander, dass alle Platz finden würden. Der einzige, der noch fehlte, war Nathan. Da er jedoch sowieso meist zu spät zu solchen Veranstaltungen kam, nahmen wir am Tisch platz.

Amy quatschte mit Hannah um die Wette und Mason lief mit Riley immer wieder um den Tisch herum. Es war ein einziges Chaos, als meine Mum begann mit meiner Großmutter zu diskutieren, ob wir nun auf Nathan warten sollten, oder schon anfingen. Ed saß mir schmunzelnd gegenüber und schnappte sich hungrig ein Croissant, als Grandma verkündete, dass wir zuschlagen sollten.

„Ich habe diese Marmelade wirklich vermisst", murmelte Luke mit vollem Mund und grinste meine Grandma breit an.

„Ich hätte dir auch etwas geschickt", sagte sie. „Früher konntest du sie nicht ausstehen und hast sie immer vom Brot gekratzt."

„Aber jetzt schmeckt sie viel besser", nuschelte er fast unverständlich. Meine Grandma schüttelte seufzend den Kopf und legte sich die Serviette auf den Schoß.

Als es klingelte, rannte Mason mit Riley um die Wette bis zur Tür. Ein frischer Windzug kam ins Zimmer geweht und Hannah beschwerte sich sofort über die plötzliche Kälte.

Lächelnd stand mein großer Bruder im Zimmer und ich hörte Amy leise aufstöhnen, als sie seine Begleitung entdeckte. In einen Mantel gehüllt stand Victoria neben ihm und strahlte fast genau so sehr wie Nathan.

Es war das erste Mal, dass mein Magen sich nicht drehte, wenn ich sie sah. Es war merkwürdig, dass ich mich sogar freute die beiden zusammen zu sehen. Nathan warf mir einen Blick zu und schenkte mir ein Lächeln, bevor er Victoria bei Ella und Luke vorstellte.

Ich hatte den beiden schon in Australien von ihr erzählt und so reserviert, wie mein Onkel Victorias Hand schüttelte, bereute ich es in diesem Moment. Ich war schrecklich über sie hergezogen und sicher hatte Luke ein paar Vorurteile gebildet.

„Setzt euch", forderte meine Grandma meinen Bruder und seine Freundin auf. „Ich hole noch schnell einen Teller aus dem Schrank."

Fröhlich quatschten alle wieder durcheinander, als die beiden Zu spät-Kommer sich ihrer Jacken entledigten. Grandma platzierte geräuschvoll den Teller auf dem dunklen Holztisch und haute meinem Grandpa auf die Finger, als er sich über den unangeschnittenen Marmorkuchen hermachen wollte. Das heitere Gequassel fand allerdings ein plötzliches Ende, als Nathan sich laut räusperte und den Arm um Victoria legte. Im Augenwinkel sah ich Ed, der hastig schluckte und Amy, die mit den Augen rollte.

„Wir haben etwas zu sagen", verkündete er fröhlich. Meine Mum stieß leise die Luft aus, das konnte ich genau hören. Ich wusste genau, was jetzt folgte, zumindest konnte ich es mir denken. Alle Augen waren auf die beiden gerichtet und mein Bruder schaute seine Angebetete mit einem sanften Lächeln an, bevor er fort fuhr. „Wir haben uns verlobt."

Eisiges Schweigen.

Ich hörte Ella leise quieken und sie schaute die beiden stolz an. Sicherlich hatte Luke ihr gegenüber kein Wort über Victoria verloren, denn sie schien die einzige zu sein, die irgendeine Art Reaktion zeigte. Der Rest saß wie angewurzelt auf den Stühlen, man hätte eine Stecknadeln fallen hören.

Mutig fasste ich mir ein Herz. Denn egal was gewesen war, das Lächeln in Nathans Gesicht war unübersehbar. Ich stand vom Tisch auf, ging beherzt ein paar Schritte auf das frisch verlobte Paar zu und schloss meinen großen Bruder in die Arme. „Herzlichen Glückwunsch, Nate."

Als ich einen Schritt zurück machte, schaute er mich dankbar an. Hinter mir ging das Getuschel los. Ich konnte mir genau vorstellen, wie doof Amy gucken musste und dass Ed gerade vor Verwirrung das halbe Croissant aus dem Mund fiel.

Der Moment war gekommen, als ich einen Schritt zur Seite machte und vor meiner zukünftigen Schwägerin stand. Mein Blick schweifte ihre Hand, an dem der Verlobungsring, den Nathan mir vor über einer Woche gezeigt hatte, auffällig vor sich hin funkelte. Hinter mir begann das Getuschel, wie in einer schlechten Telenovela und ich schloss sie kurz in die Arme. Kurz, aber vollkommen ernst gemeint.

Perplex starrte sie mich an und das erste mal schenkte ich ihr ein aufrichtiges Lächeln. „Frieden?", fragte ich.

Sie zog ihre perfekt gezupften Augenbrauen zusammen und runzelte irritiert ihre Stirn. Sie blinzelte unsicher zu meinem Bruder herüber, der ihr ein dickes Grinsen zuwarf. Dann wandte sie sich wieder zu mir.

„Ja", sagte sie kleinlaut. „Danke, Charlie."

„Nun denn", hörte ich Grandma laut sagen. Ich drehte mich um und sah sie mit ihren kurzen Beinen auf uns zu tippeln. „Willkommen nun offiziell in unserer Familie", fügte sie hinzu und streckt sich Victoria entgegen, welche meine Grandma dankbar umarmte.

Als hätte die Zweitälteste der Familie ein Lauffeuer verbreitet, murmelten die restlichen Gäste am Tisch ihre Glückwünsche an meinen Bruder und seine Verlobte. Meine Mutter zog Nathan in eine innige Umarmung. Sicher würden wir uns noch daran gewöhnen müssen, doch Nathan, der mir anschließend gegenüber saß, konnte glücklicher nicht sein. Sein Blick sprach Bände.

Ella und Luke gähnten um die Wette, als das Frühstück beendet war, denn der Jetlag hatte ihnen ordentlich zugesetzt. Der Rest von uns hing ebenfalls in den Seilen. Grandma hatte es so gut mit uns gemeint, dass sie noch einen großen Obstsalat auftischte, bei dem fast jeder von uns ordentlich zugriff. Einzig und allein Ed und mein Grandpa machten sich über den Rest des Marmorkuchens her und kauten zufrieden vor sich hin.

Mein Handy vibrierte in der Hosentasche und mein Herz machte einen Satz. Ich wusste nicht warum, doch immer wenn eine Nachricht einging, hoffte ich inständig, dass sie von Niall war. So dämlich das auch klingen mochte, denn ich war diejenige, die ihm hätte schreiben sollen. Doch jedes Mal, wenn ich eine Zeile an ihn verfasste und ihm erklären wollte, was ich mir gedacht hatte, löschte ich es im Endeffekt wieder.

„Alles okay?", fragte Ed mich leise und schaute besorgt zu mir.

Ich nickte hastig mit dem Kopf und schaute mich anschließend stumm am Tisch um, als mein bester Freund erneut in seinen Kuchen stach.

Ich dachte beinahe pausenlos an Niall und wie wohl ich mich in seiner Nähe fühlte. Als ich die lächelnden Gesichter sah, die heiter am Tisch durcheinander redeten, wünschte ich mir, er wäre bei mir. Er passte so wunderbar in dieses Chaos.

Doch wie vorherzusehen war es nicht Niall, der mir eine Nachricht schrieb, sondern Tracy. Sie fragte mich, ob ich morgen vorbei schauen könnte, da ihre Mitarbeiterin immer noch fehlte und ihr der Stress über den Kopf wuchs.

Ich hatte sie in der letzten Woche drei Mal besucht und wir hatten gemeinsam über sämtlichen Unterlagen gesessen, um heraus zu finden, ob es möglich wäre, einen Arbeitsvertrag aufzulösen, bevor man die Stelle überhaupt angetreten war. Zu meinem Pech ging das leider nicht so einfach und ich musste es mindestens für einen Monat in der Hölle in Greenwich aushalten, bis eine Kündigung überhaupt in Kraft trat.

Dafür waren Tracy und ich in der Zwischenzeit zu Freunden geworden. Bis spät abends blieb ich in ihren Café und unterhielt mich bei einer Tasse Tee mit der Frohnatur. Sie versicherte mir, dass sie auf mich warten würde, bis ich aus meinem Vertrag heraus kam. Bis dahin wollte sie sich eine Aushilfe auf Zeit suchen. Bei meiner Mum setzte ich diese Woche aus, damit ich Tracy eine Woche lang durch ihren Alltag im Café begleiten konnte. Tracy schrieb mir, dass sie sich auf mich freute und dass sie schon eine Menge Pläne für die kommenden Tage hatte.

„Es tut mir wirklich leid", sprach Luke und faltete seine Hände auf dem Bauch. „Aber ich schlafe gleich ein. Mit dem Kopf im Obstsalat."

„Mir geht's genau so", stöhnte Ed und ließ enttäuscht die Gabel sinken. „Noch ein Bissen und ihr könnt mich vom Boden aufkratzen, weil ich platze."

Meine Grandma ließ die fürsorgliche Mutter raushängen, als sie sich zu Wort meldete. „Leg dich hin,  Luke, dein Vater muss nachher auch sein Mittagsschläfchen halten, sonst ist er heute Abend wieder unerträglich."

Mein Grandpa grummelte beleidigt. Luke verabschiedete sich von allen, denn wir würden uns diese Woche noch öfter sehen. Die drei hatten meine Geschwister und mich Mitte der Woche zu Dads damaliger Lieblingspizzeria eingeladen. Mit einem Kuss auf Ellas Stirn erhob er sich vom Tisch und trottete gähnend aus dem Wohnzimmer.

Draußen war ausnahmsweise mal schönes Wetter und sobald der Tisch abgeräumt war, sprinteten Mason und Riley in den großen Garten. Gegen zwölf verabschiedeten sich Nathan und Victoria und auch Mum machte sich kurz danach auf den Weg in die Galerie. Sie würde wohl nie ihre Ruhe haben.

Der Rest machte es sich auf dem Sofa gemütlich. Während Ella und Hannah sich unterhielten, stiefelte ich in den Keller und holte wahllos eine von Dads Kisten in das Wohnzimmer. Ed rückte sich ein Kissen zurecht und Amy tippte abwesend auf dem Display ihres Handys herum. Lächelnd öffnete ich den Deckel der Kiste und setzte mich gemeinsam mit meiner Grandma an den Tisch. Am anderen Ende saß mein Grandpa und trank genüsslich eine Tasse Tee.

Meine Grandma durchstörberte gemeinsam mit mir die Kiste, die vor mir lag. Es stapelten sich alte Zeitungsartikel, eine Spieluhr war dabei und kleine Notizen, die mein Vater gemacht hatte. Grandma fischte ein kleines Buch mit einem Ledereinband aus der hintersten Ecke und blätterte lächelnd durch die Seiten. Kurz darauf hatte ich ein zweites Buch in der Hand.

Ich huschte durch die Seiten und sah alte Einträge, aus der Zeit in der mein Dad im Krankenhaus lag. Ein paar Seiten weiter folgten Bilder von einem Strand. Ich kannte diesen nicht, doch von den Daten konnte ich ablesen, dass sie in seinen letzten Monaten gemacht worden mussten. Die letzte Reise meines Dads hatte ich nur am Rande mitbekommen und ich hatte auch nie eine Postkarte gefunden, die mir Aufschluss darüber gab.

Ein paar Seiten las ich mir aufmerksam durch. Ich schaute mir seine Handschrift an und verschlang jedes Wort, bis ich zur letzten Seite kam. Auf der allerletzten Seite, direkt vor dem Einband klemmte eine einsame Postkarte, die den selben Strand zeigte, den ich zuvor auf den Bildern gesehen hatte. Nur aus einer anderen Perspektive.

Newquay stand in kursiver, gelber Schrift vorne drauf. Dads Geburtsort. Mein Herz klopfte bis zum Hals und ich drehte die Karte um. Auf der Rückseite war keine Briefmarke und mir wurde schmerzlich bewusst, dass er es nie geschafft hatte, sie loszuschicken. In klitzekleiner Schrift hatte mein Dad den bislang längsten Text auf das dicke Papier geschrieben. Er ging über beide Hälften der Karte, sogar über die dünnen Linien des Adressfeldes hatte er geschrieben.

Mit Herzklopfen begann ich zu lesen.

'Das ist eine Erinnerung, an all die schönen Momente, die du erlebt hast. An die Kraft die du getankt hast und eine Erinnerung daran, wie glücklich du warst. Du hast geweint, als du das Meer wieder gesehen hast, konntest es nicht fassen, dass du es noch einmal schaffst. Du magst nun an dir zweifeln und fragst dich, ob das schon alles gewesen sein soll. Du hast so oft darüber nachgedacht, ob das Leben nicht noch mehr für dich zu bieten hat. Egal wie weit du weg bist, egal wie viel Angst du vielleicht hast, am Ende wird alles gut.

Wenn du an dir zweifelst, dann nimm dir einen Moment Zeit und schau zurück. Denk an all die Lieben, die dein Leben bereichern, an all die Reisen, die du gemacht hast. Denk an die Musik, die dir jedes Mal Herzklopfen bereitet und an die Momente, in denen du dachtest, du könntest vor Glück fliegen. An all den Herzschmerz, der sich angefühlt hat, als wäre es das Ende und daran, dass es hinterher nicht mehr so weh tat und sich stärker gemacht hat. Denk an all die Menschen, die du kennengelernt hast und dass manche von ihnen vielleicht sogar ein Teil von dir geworden sind.

Das Leben ist eine Ansammlung von Erinnerungen und Momenten. Und wenn du gehst, dann bleibt etwas von dir hier. Etwas so wertvolles, dass du nie ganz verschwindest.

Manchmal verlieren wir uns im Hier und Jetzt. Und manchmal braucht es den Himmel um zu sehen, was uns am Boden hält. Und wo immer du auch auf deiner letzten Reise landen wirst, wichtig ist doch, dass all das dich zu dem gemacht hat, was du bist.

Dein vergangenes Ich.'

Die ersten Tränen kullerten meine Wange herunter und es fiel mir schwer zu sehen. Die Buchstaben verschwommen vor meinen Augen und ich fuhr mit meinem Zeigefinger vorsichtig über das Papier. In meinem Brustkorb stach es fürchterlich und meine Hände begannen zu zittern.

„Charlotte." Die Stimme meiner Grandma war besorgt und sie schaute mich erschrocken an. Ich wollte die Karte für mich behalten, immerhin hatte sie nun jahrelang im Keller gelegen und niemand wusste überhaupt von ihr. Während ich meine Grandma zurück anstarrte, ließ ich die Postkarte unauffällig in meiner Sweatshirtjacke verschwinden.

„Grandma", sagte ich mit zittriger Stimme, „denkst du, wir machen es uns manchmal zu einfach?"

Ein Grinsen huschte über ihre Lippen. „Ich denke, du vergisst manchmal, einfach das zu tun was dich glücklich macht und denkst zu sehr daran, was alles schief gehen könnte, Charlotte."

Mit Niall hatte ich nie das Gefühl, vor irgendetwas Angst zu haben. Unwissentlich nahm er mich bei der Hand, ohne dass ich vorher auch nur einen Moment darüber nachdachte. Er stellte immer die richtigen Fragen, zum richtigen Moment. Er war in mein Leben gestolpert, ganz ohne Vorwarnung. Und seit ich wieder Zuhause war, hatte ich vergessen, wie einfach alles mit Niall an meiner Seite war.

„Ich muss mit Niall reden", sagte ich plötzlich und auf dem Sofa waren schlagartig alle Blicke auf mich gerichtet.

Ich musste ihm sagen, wie sehr er mich verändert hatte, wie viel er mir bedeutete und wie dumm ich gewesen war. Ich musste mich entscheiden. Entweder riss ich mich zusammen und war an Nialls Seite, oder ich kniff wie sonst immer und würde ihn nie wieder sehen.

Wenn ich bei Niall war, dann war es mir egal, was die anderen von mir dachten. Es war egal, dass ich nicht in seine Welt gehörte, denn ich gehörte zu ihm. Er vertrieb meine trüben Gedanken, mein Grübeln und all die Zweifel die mich überkamen.

Ich musste zu ihm.

„Na Gott sei Dank", stöhnte meine Grandma. „Ich dachte schon, dein Sturkopf würde dir ewig im Weg stehen."

Irritiert schaute ich sie an und begegnete anschließend den schmunzelnden Blicken von Ed und Hannah. Schlagartig wurde mir bewusst, dass sie nur auf diesen Moment gewartet hatten. Das war der Grund, warum sie keine Fragen stellten. Sie wussten, dass das im Endeffekt nichts gebracht hätte. Ich musste es selber herausfinden.

„Ich weiß ja nicht einmal, wo er ist", sagte ich aufgelöst und wischte mir die Tränen von der Wange.

Auf dem Sofa schaute Amy von ihrem Handy auf und schnaubte verächtlich. „Nichts leichter als das."

„Was?", fragten Ella und Hannah im Chor.

Mit herausgestreckter Zunge tippte sie auf ihrem Display herum, bis ein großes Lächeln auf ihren Lippen erschien. „Er ist in einer Stunde im Royal Blackheath Gold Club und gibt den Caddy für Rory McIlroy."

Meine Grandma starrte meine Schwester an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank, oder als hätte sie gerade irgendeine Überwachungsgesellschaft gehackt.

„Da könnt ihr nicht einfach so reinspazieren", meldete sich Ed zu Wort.

„Warte", entgegnete Amy und scrollte weiter durch ihr Handy. Alle Blicke waren starr auf sie gerichtet, die Sekunden zogen sich unnötig in die Länge. „Ein paar schreiben, dass er davor immer zu den Fans geht, die vor dem Eingang auf ihn warten. Scheint aber ziemlich voll zu sein."

„Du kannst dich doch nicht einfach dazu stellen", sagte meine Grandma kopschüttelnd.

„Aber nicht hin zu gehen, ist auch keine Option", mischte Hannah sich ein.

Ella lehnte sich interessiert nach vorn. „Aber er muss ja nur wissen, dass du da bist. Vielleicht hast du danach die Chance mit ihm zu reden."

Ich kam mir vor, als würden wir den Angriffsplan eines Footballteams besprechen. Alle redeten wild durcheinander und wir kamen einfach nicht auf den gleichen Nenner.

„Herrgott, Charlotte", hörte ich die Stimme meines Großvaters, der seine Faust auf den Tisch haute und die Tasse Tee damit heftig zum schwanken brachte. Schlagartig war es still. „Worauf wartest du? Einfacher wird es nicht, da musst du schon in den sauren Apfel beißen. Jetzt zieh dir deine Jacke an und verschwinde, sonst kriegt dein alter Grandpa gleich noch einen Herzinfarkt."

Perplex starrten wir ihn an. Ich konnte mich nicht daran erinnern, ob Grandpa überhaupt jemals so viel in einem einzigen Atemzug gesagt hatte. Auffordernd schaute er mich an und machte eine fahrige Handbewegung Richtung Tür.

„Das ist dein Stichwort", sagte Hannah und sprang ungehalten vom Sofa auf.

Mit ein paar Schritten war sie bei mir und nahm meine Hand. Amy hatte das breiteste Lächeln auf den Lippen, dass ich seit langem an ihr gesehen hatte. Im Flur schnappte sich meine kleine Schwester meine Jacke und schlüpfte in ihre Schuhe, bevor sie sie mir zuwarf.

Mein Blick glitt zu Ed, der mich schmunzelnd ansah. „Geh schon, ich nehme mir nachher ein Taxi."

Keine zehn Minuten später bretterte Hannah mit meinem Auto über die Straßen Londons. Ich war viel zu aufgeregt um selbst zu fahren und sie hatte mir einfach kommentarlos die Schlüssel aus der Hand gerissen. Wie selbstverständlich war meine Schwester mitgekommen und schaute aufgeregt aus dem Fenster. Von hier aus waren es gut vierzig Minuten zum Golf Club und ich hoffte inständig, dass uns nichts dazwischen kam.

Hannah war nicht gerade bekannt dafür, dass sie die vorsichtigste Autofahrerin war. Ich erinnerte mich daran, wie sie letztes Jahr bei gleich zwei Autos den Seitenspiegel abgefahren hatte, weil die Parklücke ihrer Meinung nach viel zu klein war.

„Ich bin dir ja wirklich dankbar, dass du dich so beeilst", sagte ich und krallte mich mit den Händen am Sitz meines Wagens fest, „aber kannst du wenigstens den Blinker setzen, wenn du mit Ach und Krach um die Ecke biegst?"

„Entschuldige mal", sagte sie empört und ignorierte das Hupen des Fahrers, dem sie gerade die Vorfahrt genommen hatte. „Das ist ein Notfall, da setzt man keinen Blinker."

Mein Magen grummelte, als sie das Gaspedal noch härter trat. Hoffentlich machte die alte Karre das noch mit, bis wir ankamen. Der Motor war furchtbar laut und ich schloss die Augen, bevor mich die Übelkeit überkam.

Die Zeit schien viel zu schnell zu verstreichen und ich hätte schwören können die Ampelphasen bestraften mich und blieben extra lange rot. Gleichzeitig kam es mir vor, als wären wir ewig unterwegs gewesen.

Als wir zum Stehen kam, stieg nicht nur Hannah hastig aus, sondern auch Amy. Beide zogen mich entschlossen vom Beifahrersitz und schubsten mich vom Parkplatz aus Richtung Gebäude.

„Wenn du irgendwie Basil dazu bringen kannst, mit dir zu reden", sagte meine kleine Schwester, als wir den Gehweg entlang schritten, „dann haben wir schon mal die halbe Miete."

Darauf hoffte ich allerdings auch, denn es wahr meine einzige Chance.

Schon vom weiten sah ich die Menschenmenge, die sich vor dem großen Gebäude versammelt hatte. Als wir näher kamen, wurde das heitere Drucheinandergequatsche immer lauter. Es hatten sich mindestens hundert Menschen versammelt. Der Großteil war weiblich und ungefähr in Amys Alter. Am Rand standen ein paar ältere Herrschaften, von denen ich ausging, dass sie die Eltern der Fans waren.

Eine Balustrade war aufgebaut worden und zwei Typen in Warnwesten standen mit ernster Miene und verschränkten Armen dahinter. Ein paar Blicke fielen auf uns und ich kam mir plötzlich furchtbar beobachtet vor. Ich war mir sicher, dass mindestens einer von ihnen die Fotos aus Thailand gesehen hatte. Innerlich machte ich mich schon mal auf ein Donnerwetter gefasst. Ich stellte mich mit den anderen beiden etwas abseits, in den Schatten eines großen Baumes. Nah genug, um alles zu sehen und weit genug weg, um mich vor neugierigen Blicken zu schützen. Bei den Dingen, die die Fans im Internet detailliert dokumentierten, wusste man ja nie.

Einige Mädchen musterten mich aus der kurzen Entfernung von oben bis unten. Gott, war ich froh, dass ich teilweise nur unscharf oder von der Seite auf den Fotos zu sehen war. Im Notfall könnte ich die ganze Sache zumindest für heute als Missverständnis aufklären. Das konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen.

Mutig schritt Amy auf eine der Mädchen zu und unterhielt sich mit ihnen. Ich konnte kein Wort verstehen, war dennoch erleichtert, als das Mädchen, dass ein One Direction Tour Shirt trug, zu lächeln begann. Als Amy wieder kam, verkündete sie, dass wir noch nichts verpasst hatten.

Ein schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben hielt hinter der Absperrung und mir rutschte mit einem Mal das Herz in die Hose. Ich sah Basil, der mit ernstem Gesichtsausdruck aus der Fahrertür kam und sich die Jacke glatt strich.

Und dann sah ich Niall.

Er trug eine weiße Hose und ein blaues Polohemd mit einer grauen Jacke darüber. Das Kreischen um mich herum war ohrenbetäubend laut und ich fühlte mich schlagartig zum Konzert im letzten Jahr zurück gesetzt.

Mit einem strahlenden Lächeln schloss er die Tür des Wagens und sprach für einen Moment mit einem Unbekannten, der ums Auto gelaufen war um sich neben die anderen zu stellen. Neben mir hüpften die Mädchen von gerade aufgelöst umher und kreischten sich in voller Lautstärke gegenseitig ins Gesicht.

Mein Herz drohte zu explodieren, als er näher zur Absperrung kam. Ich wusste, dass er nie im Leben zu mir kommen würde, mit all diesen Fans um ihn herum – Falls er mich überhaupt sehen sollte. Aber allein ihn aus der Distanz zu sehen, reichte aus, dass mein Puls in die Höhe schnellte.

Gut gelaunt, so wie er beinahe immer war, schritt er zur Balustrade, ließ sich umarmen und machte zahlreiche Fotos mit seinen Fans. Es war so schön zu sehen, wir glücklich er hier jeden einzelnen machte und wie sehr es ihm Spaß zu machen schien. Zu meinem Leidwesen klebte Basil wie ein Stück Klettverschluss an Niall. Nicht eine Sekunde ließ er ihn aus den Augen, wich nicht einen Meter von ihm und schaute düster drein. Seinen Job machte er ausgezeichnet, das musste man ihm lassen. Und bevor ich mich versah, schritt Niall mit seinem Gefolge im Schlepptau den Gang zum Gebäude an.

Eine große Leere machte sich in mir breit. Ich hatte nicht die kleinste Chance irgendwie an Basil heranzukommen. Es war zum Mäusemelken.

Mein Blut pumpte unaufhaltsam durch meinen Körper und fühlte meinen Puls an der Schläfe pochen. Ein letztes Mal drehte sich der Blonde um und winkte fröhlich seinen Fans zu.

Und dann kreuzten sich unsere Blicke.

Mein Herz machte einen Satz. Niall ließ den Arm sinken, schaute mich für einen Moment wie erstarrt an und wendete dann schnell den Blick ab. Er legte die Hand auf Basils Schulter und flüsterte ihm etwas zu, worauf sich der größere von beiden kurz umsah und mich direkt anschaute.

Was zur Hölle tat ich hier eigentlich?

Ohne einen weiteren Blick drehte Niall sich wieder um und schritt die Steinstufen hinauf, bis er hinter der massiven Glastür verschwunden war.

Sofort löste sich die Menschenmenge auf. Einige zeigten sich stolz und überglücklich gegenseitig ihre Fotos, andere wiederum gingen zielstrebig zum Parkplatz. Ich hingegen starrte atemlos auf die Tür, hinter der der Ire noch vor wenigen Minuten verschwunden war.

„Charlie", hörte ich Amy leise sagen und ich spürte ihre Hand in meiner. „Ruf ihn einfach an."

Hannah fluchte was das Zeug hielt. Was hatten wir uns bei dieser dummen Aktion auch gedacht? Es war unglaublich schwierig einfach so an ihn heran zu kommen, das hätte ich mir auch vorher denken können. Ich war ein Idiot.

Die letzten Eltern sammelten ihre Kinder ein und die beiden Sicherheitskräfte schritten von der Absperrung weg. Ich schluckte schwer, als ich verloren auf das große Gebäude starrte und atmete tief durch, als ich den Entschluss fasste den Rückweg anzutreten. Gerade wollte ich mich umdrehen, als Hannah meinen Namen sagte und mir an der Schulter anstupste.

Wie in Zeitlupe drehte ich meinen Kopf und sah ein letztes Mal Richtung Gebäude, als ich Basil entdeckte, der zielstrebig auf uns zugelaufen kam. Mit Herzrasen ging ich schnellen Schrittes auf die Absperrung zu, bis sowohl Basil, als auch ich zum Stehen kamen.

Mir war egal, wer mich sehen konnte und für wie irre sie mich hielten.

„Was liegt dir auf dem Herzen?", fragte er lächelnd und musterte kurz meine beiden Begleiterinnen.

„Ich muss mit Niall reden", sagte ich hastig.

„Er hat nachher noch ein Interview und einen Termin", erwiderte Basil schlicht. „Vielleicht kannst du es morgen nochmal versuchen oder ihn anrufen."

„Nein!", entgegnete ich aufgewühlt. „Das muss heute sein."

Ich musste Niall sagen, was ich mir so mühsam im Kopf zusammen gelegt hatte. Wer wusste schon, was morgen war und ob ich nicht wieder irgendeinen Grund fand, es nicht zu tun.

„Ich fürchte, dass sich da nichts machen lässt, Charlie." Basil kratzte sich am Kopf und warf einen Blick Richtung Golf Club. „Aber ich kann ihm was ausrichten, wenn du magst."

Das konnte doch wohl nicht wahr sein.

Fast gab ich die Hoffnung auf, als mir die zündende Idee kam. „Kannst du ihm auch was von mir geben?"

Basil zuckte lässig mit den Schulter und nickte anschließend. Das war alles was ich hören wollte und ich drehte mich blitzschnell zu Hannah und Amy um.

„Zettel und Stift", forderte ich meine beste Freundin auf.

Irritiert schaute sie mich an. „Was?"

„Ich brauche einen Zettel und einen Stift", wiederholte ich dieses Mal etwas deutlicher. „Und jetzt guck nicht so, ich weiß, was alles in den Tiefen deiner Taschen vergraben ist."

Ohne ein weiteres Wort kramte sie in ihrer Handtasche herum und hielt mir schon nach wenigen Sekunden einen pinken Kugelschreiber entgegen. Angestrengt durchwühlte sie ihre schwarze Tasche und riss kurzerhand einen weißen, zerknitterten Zettel aus ihrem Notizbuch. Sofort drehte Amy sich um, sodass ich auf ihrem Rücken schreiben konnte.

Mit Herzklopfen und zitternden Fingern schrieb ich die Zeilen auf das weiße Papier, von denen ich so sehr hoffte, dass sie die erwünschte Wirkung erzielten.

»«

Wie ihr sicher wisst, ist das hier das vorletzte Kapitel. Ich bin schon wahnsinnig aufgeregt, denn das letzte sitzt bereits in den Startlöchern

Ich muss euch hier nochmal von ganzem Herzen danken für all eure Unterstützung, die Kommentare und Votes. Unglaublich, dass ihr alle dabei seid

Nun denn. Wir sehen uns morgen zum letzten Kapitel. Ich freue mich schon wahnsinnig auf euch :)

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro