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40 » Der große Tag

C H A R L I E

London, April 2016

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Als ich einen Anruf von Tom bekam und er hektisch ins Telefon nuschelte, dass es in der Bar gerade an Personal fehlte, zögerte ich keine Sekunde und schlüpfte in meine Schuhe. Dort angekommen war der Teufel los. Zwei Typen, die ich vorher noch nie dort gesehen hatte, diskutierten lautstark am Tresen und regten sich übereinander so sehr auf, dass es den ganzen Laden unterhielt.

Freudig wurde ich von Tom begrüßt. Die Schweißperlen waren ihm auf die Stirn geschrieben und die Fliege an seinem Hemd löste sich. Schnell war ich Teil vom Chaos und machte mich an die Arbeit. Der Tresen war furchtbar klebrig und prompt bekam ich ein Bier über die Hände geschüttet, als ich gerade dabei war, sie zu säubern.

Die zwei Männer, die sich mittlerweile von ihren Barhockern erhoben hatten standen sich gegenüber wie in einem Westernfilm. Fehlte nur noch, dass eine Steppenhexe durch die Bar rollte und irgendwo Staub aufgewirbelt wurde. In meinem Kopf dudelte automatisch Spiel mir das Lied vom Tod, dann ging alles ganz schnell.

Der größere von beiden packte den anderen am Kragen seiner Kutte und zog ihn näher an sich heran. Wütend schaute er den rundlichen Kerl an, dessen Wangen knallrot glühten. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was das Problem war, aber so, wie sie sich anschielten, hatten sie sicher schon einen im Tee.

Tom stellte sich blitzschnell vor mich, bevor ein Glas zu Boden ging und laut auf dem Boden zersplitterte. Ich ging instinktiv einen Schritt zurück und zog Tom mit mir, als die beiden plötzlich die Fäuste erhoben. Der kleine, rundliche Kerl nuschelte etwas unverständliches daher, ergriff einen der Barhocker und knallte diesen seinem Gegenüber vor die Füße. Als der größere von beiden nach einem halbvollen Glas auf dem Tresen griff und drauf und dran war, es dem anderen um die Ohren zu hauen, schloss ich die Augen.

Doch es war nicht der Schmerzschrei, von dem ich erwartete, dass er jeden Moment ertönte, der mich zusammen zucken ließ, sondern die vertraute Stimme, die plötzlich hinter uns zu brüllen begann.

Fast synchron drehten Tom und ich uns um. Ein paar Schritte hinter uns stand Big Fred und fauchte die beiden Schnapsnasen bedrohlich an. Ganz der Retter in der Not schritt er auf die beiden zu und schob sie mit einer lockeren Bewegung an den Schultern auseinander. Es sah so unglaublich leicht aus, wie er die beiden von einander fern hielt, obwohl sie sich mit aller Kraft dagegen wehrten. Kein Wunder, dass der große, stämmige Fred das Ruderboot damals mit Leichtigkeit in unserem Vorgarten platziert hatte.

„Ladies", sagte er vollkommen ruhig zu den Streithähnen, „legt euer Geld auf die Theke und verschwindet. Aber zackig."

Verdutzt starrten sie den großen Kerl an und murmelten etwas vor sich hin. In der Bar war es mucksmäuschenstill, vereinzelnd hörte man ein Raunen, dass durch den Raum ging. Abwartend schaute Fred die beiden abwechselnd an. „Na, wird's bald?"

Ich hätte schwören können, dass der kleinere mit den Augen rollte, als Fred ihn erneut anbrummte. Doch tatsächlich zückten beide wenig später ihre Brieftaschen und legten anschließend ein paar Scheine auf den Tresen. Fred schaute die beiden herablassend an, warf einen Blick auf das Geld und zog verächtlich die Augenbrauen hoch. Das reichte, damit beide erneut in ihre Portemonnaies griffen und widerwillig ein extra großes Trinkgeld auf das dunkle Holz knallten.

„Abflug! Das Tänzchen könnte ihr woanders weiter führen", forderte er die beiden auf, die sich darauf ihre Jacken von den Haken an der Wand schnappten und tatsächlich friedlich die Bar verließen.

Mit einem breiten Lächeln drehte sich Fred zu uns um und klopfte sich triumphierend die Handflächen aneinander. Als Dank klopfte Tom dem Schrank von Mann brüderlich auf die Schulter und verkündete, dass alle Drinks für ihn heute Abend aufs Haus gingen.

Als das Gerede an den Tischen wieder begann und jeder wieder seiner eigenen Sache nachging, schloss mich Fred herzlich in die Arme. Liebevoll strubbelte er mir über das Haar und sah auf mich hinab. Freds Auftreten verfiel nie seine Wirkung, jeder hatte einen heiden Respekt vor ihm, doch seine liebevollen, treudoofen Augen verrieten ihn. Wenn er jemanden gut leiden konnte, dann würde er nie zulassen, dass jemand demjenigen zu nahe kam.

Seufzend setzte er sich auf einen der Barhocker, auf dem noch vor fünf Minuten einer der beiden Streithammel gesessen hatte. Dankbar nahm er Tom das Bier ab, das er ihm vor die Nase hielt und ich ging wieder hinter die Theke, um Handfeger und Kehrblech zu holen.

„Wo ist denn deine blonde Prinzessin?", fragte Fred grinsend. „Sucht der noch 'nen Parkplatz für sein edles Ross?"

Ich musste lachen, denn ich wusste genau, dass er von Niall sprach. Sofort dachte ich an den Abend zurück, an dem ich mit Niall und Ed hier gelandet war. Der Abend, an dem wir die ganze Nacht geredet hatten.

„Der ist noch in den Staaten", erwiderte ich darauf. Unfähig, das dämliche Grinsen in meinem Gesicht abzustellen. „Er kommt aber in zwei Tagen wieder."

Ich vermisste Niall und ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so fühlen würde. In den letzten drei Wochen hatte ich zu meinem Glück allerdings so viel in der Galerie meiner Mum Zutun, dass die Zeit teilweise wie im Flug verging. Niall schrieb mir zwischendurch ein paar Nachrichten, die das Vermissen erträglicher machten. Und wenn ich abends allein auf dem Sofa saß, las ich mir die alten Nachrichten von ihm einfach immer wieder durch.

Zwei der Briefe, die er mir da gelassen hatte, hatte ich bereits geöffnet. Den einen öffnete ich, als ich etwas zum Lachen brauchte, da ich einen schlechten Tag hatte, an dem nichts lief wie geplant.

Völlig geplättet hatte ich mich abends auf meinen Teppich gesetzt und den Umschlag mit Herzklopfen vorsichtig aufgerissen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Briefen in dem Karton, war es ein größerer Umschlag mit Luftpolsterfolie. Aus dem Inneren fischte ich eine CD heraus auf der ein krickeliger Smiley gemalt war. Sofort hatte ich mir den Laptop auf den Schoss gezogen und die CD ins Laufwerk geschoben.

Eine Videodatei öffnete sich automatisch und zwanzig Sekunden später hielt ich es vor Lachen kaum noch aus. Das Bild war wackelig und die Qualität ließ zu wünschen übrig, doch ich konnte trotzdem deutlich erkennen, dass es sich um einen Abend in Bangkok handelte, an dem Niall und Ed alleine unterwegs waren. Von der Bar mit den bunten Lichtern und der kitschigen Dekoration hatten die beiden mir erzählt. Im Hintergrund spielte laut Let's Twist Again und Ed tanzte mit einem faltigen Thailänder um die Wette.

Immer wieder hatte ich das Video einige Sekunden zurückgespult um Eds bescheuertes Gesicht zu sehen und zu beobachten, wie er sich ins Zeug legte und wild mit den Armen in der Luft herum wirbelte. Vorsichtig hatte ich die CD anschließend wieder in den Umschlag getan und sie zusammen mit seinem ersten Brief in meiner Schublade verfrachtet.

Den anderen Brief hatte ich gestern Abend geöffnet, als mir danach war. Am liebsten hätte ich sofort alle durchgelesen und ich musste mich wirklich zusammenreißen, es nicht zu tun. Auf dem Umschlag, der mir in die Hände fiel, stand 'Öffne mich, wenn du etwas über mich wissen willst, was du noch nicht weißt'. Erst war ich verwundert darüber, was er geschrieben hatte, doch kaum hatte ich den Zettel in der Hand, begann ich wieder einmal zu lachen.

In den ersten Zeilen teilte er mir mit, dass ich nichts all zu großes erwarten sollte, dann schrieb er stolz, dass er eine Zwiebel schälen konnte, ohne zu weinen. Er konnte Fahrrad fahren, ohne die Hände am Lenker zu haben und er konnte das Alphabet rückwärts aufsagen, ohne auch nur einmal darüber nachzudenken.

Er war wirklich ein Idiot und das liebte ich ungemein an ihm. Sofort hatte ich mir vorstellen können, wie er mir gegenüber saß und mir seine geheimen Talente total trocken aufzählte, bis wir beide in heiteres Gelächter ausbrechen würden.

„Dann kann ich dir das ja mitgeben", holte Fred mich aus meinen Gedanken und griff in die Tasche seiner Lederjacke. Kurz darauf reichte er mir einen Gegenstand, der vollkommen von seiner großen Hand umschlossen wurde. Erst als ich die Hand öffnete und Fred es mir behutsam in die Hände legte, erkannte ich es. Es war Nialls Armbanduhr, die er vor knapp einem halben Jahr beim Pokern an Fred verloren hatte. „Ist nicht so mein Ding und verscherbeln wollte ich sie auch nicht."

Fast driftete ich schon wieder in Gedanken ab, als ich mir die Uhr um mein Handgelenk machte und über das schwarze Lederband strich. Viel Zeit zum träumen blieb mir allerdings nicht, denn in der hintersten Ecke warteten eine Runde Männer auf ihre Bestellung. Die Stimmung war spitze und ich unterhielt mich zwischendurch immer wieder mit den Gästen und verbreitete gute Laune.

Als ich am Abend mit den Taschen voller Trinkgeld aufbrechen wollte, um den Weg nach Hause anzutreten, ließ Fred es sich nicht nehmen, mich sicher nach Hause zu bringen. Ich kam mir vor wie Dobby neben Hagrid, als wir gemeinsam durch die dunklen Gassen liefen. Immer wieder musste ich meinen Kopf heben, wenn ich den Zweimetermann ansah, aber ich fühlte mich unheimlich sicher an seiner Seite. Nicht, dass in diesem verschlafenen Vorort je etwas passieren würde, aber es war trotzdem schön Gesellschaft zu haben.

„Was ist eigentlich mit dem Ruderboot?", fragte er, als wir in die Straße einbogen, in der ich wohnte.

„Das steht in meinem Garten und muss noch fertig angestrichen werden", erwiderte ich. „Niall wollte es nicht haben, mal abgesehen davon, dass er es kaum hätte transportieren können."

Ich hörte Freds dunkles Lachen und kurz darauf standen wir vor dem kleinen Gartentor.

„Ist er nett zu dir?", fragte er plötzlich. Im schwachen Schein der Laterne sah ich seinen ernsten Blick und dass er mich aufmerksam musterte.

„Natürlich", sagte ich hastig und schenkte ihm ein Lächeln. „Mehr als nur das."

Ich erzählte ihm von der Charityveranstaltung in der kommenden Woche, von meinen Bedenken und dass mir das Herz beinahe in die Hose rutschte, wenn ich daran dachte.

„Das kriegst du schon hin", sagte er liebevoll und strubbelte mir ein weiteres Mal über das blonde Haar. „Und wenn dich jemand ärgert, dann rufst du mich einfach an und ich ramme die Flachpfeife die es wagt, dir ein Haar zu krümmen ungespitzt in den Boden."

Er entlockte mir ein lautes Lachen. Mit einer kurzen Umarmung verabschiedete ich mich von ihm, stiefelte in meine Wohnung und schlief schon kurz darauf zufrieden ein.

Je näher der Tag an dem ich Niall begleiten sollte jedoch rückte, desto nervöser wurde ich. Das hörte auch nicht auf, als ich Hannah spontan fragte, ob sie Zeit hatte ein paar Läden abzuklappern und mit mir nach einem Kleid zu suchen. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich überhaupt das letzte Mal ein Kleid getragen hatte und als Niall mir in einer Nachricht mitgeteilt hatte, dass die Kleiderordnung zwar ungezwungen aber schick war, bereitete mir das Bauchschmerzen.

Hannah musste allerdings absagen, da sie spontan mit Kenoah in einen Kurzurlaub nach Schottland gefahren war, bevor sie ihre Stelle im Hotel antrat. Meine Mum hatte sich angeboten mit mir Shoppen zu gehen und das rechnete ich ihr bei ihrem vollen Terminkalender hoch an. Und obwohl ich immer die Augen verdreht hatte, wenn Hannah voller Euphorie durch die Regale stöberte, hätte ich sie dieses Mal wirklich gerne an meiner Seite gewusst, denn ich war absolut ratlos.

Am Sonntag schrieb Niall mir eine Nachricht und teilte mir mit, dass er wieder sicher in London gelandet war. Eigentlich wollte er vor der Charityveranstaltung noch einmal bei mir vorbeischauen, doch er hatte mehrere Termine mit seinem Management oder war anderweitig verplant. Das minderte meine Bauchschmerzen nicht im geringsten, machte sie im Gegensatz dazu eher noch viel schlimmer.

Ich hatte Niall zwar nur drei Wochen nicht gesehen, doch ihn mitten auf der Veranstaltung wieder zu sehen, war wirklich das letzte was ich gebrauchen konnte. Meine letzte Hoffnung, die es war, dass er mich abholte und wir gemeinsam dort auftauchten, machte er schnell zu Nichte, als er mir schrieb, dass sein Leibwächter Basil mich abholen würde.

Schlimmer konnte es nicht mehr werden.

Am Dienstag nahm ich Mums Angebot an und machte mir ihr die Klamottenläden unsicher. Leider hatte meine Mutter einen sehr eigenen Geschmack, entweder recht ausgefallen oder furchtbar bieder. Zum Glück hatte Hannah die Idee gehabt, dass ich ihr während der gesamten Shoppingtour Bilder per WhatsApp schickte und das half mir ungemein.

Nach zig Kleidern hatte ich ein dunkelblaues gefunden, in dem ich mich halbwegs wohl fühlte. Es ging mir bis kurz über die Knie und war vorne etwas kürzer als hinten. Schlicht, nicht zu hochgestochen und trotzdem schick. Dazu schwatzte mir meine Mum noch ein einfaches paar schwarze Pumps auf und lud mich anschließend zu einem Kaffee ein.

„Hat es dir eigentlich nie etwas ausgemacht, dass Dad so oft weg war?", fragte ich sie, als wir uns an einen freien Tisch setzten und die Karte durchlasen.

„Nein", sagte sie schlicht. Es war lange her, dass ich mit meiner Mum über ihn geredet hatte und ich machte mir Sorgen, dass ich nach all der Zeit eine Wunde aufriss. Doch dann begann sie zu lächeln und schaute mich an. „Ich wusste ja, dass er immer wieder zurück kommen würde."

Als die Kellnerin kam, schaute Mum wieder konzentriert auf die Karte und schickte sie wieder weg. Es gab so viele Fragen, die ich sie gerne fragen würde.

„Mum?"

Sie hob erneut den Kopf, schaute mich fragend an. „Ja?"

„Warum hast du Dads Sachen alle weggeben?", fragte ich mutig. „Ich meine, all seine persönlichen Sachen, seine Platten und Bücher."

Alles was uns blieb, waren Dads Postkarten und ein paar Bilder an den Wänden. Damals hatte meine Mum die Garage ausgemistet und all die Sachen, mit denen er immer fleißig gewerkelt hatte, von einen auf den anderen Tag verbannt. Damals konnte ich sie verstehen, sie war vollkommen am Boden zerstört und all diese Dinge verstärktenihre Trauer. Doch jetzt fragte ich mich, ob es nicht mehr weh tat, dass sie kaum etwas hatte, das sie an ihn erinnern würde.

„Macht es dir etwas aus, wenn wir das mit dem Kaffee verschieben?", fragte sie plötzlich ernst. Verdrängung hatte sie astrein drauf und stumm stimmte ich ihr zu.

Auf dem Weg zum Auto war es still und ich fühlte mich unwohl. Ich hoffte, dass meine Frage sie nicht all zu sehr aufgewühlt hatte, denn ich war unglaublich froh, dass wir uns wieder so gut verstanden und so viel Zeit miteinander verbrachten.

Doch sie fuhr nicht Richtung Heimat, denn sie bog drei Mal falsch ab. Ich wunderte mich, was sie vorhatte und schaute sie verdutzt an, als wir vor dem Haus meiner Großeltern hielten. Kommentarlos stieg sie aus dem Wagen und alles war mir übrig blieb war, war ihr zu folgen.

„Mum, was hast du vor?", fragte ich irritiert, als sie die Klingel an dem alten Backsteingebäude drückte.

„Ich möchte dir etwas zeigen."

Ich war lange nicht mehr hier gewesen. Als Kinder hatten Nathan und ich oft im Garten gespielt, während die Erwachsenen über Dinge redeten, die wir nicht verstanden hatten.

Als mein Großvater die Tür öffnete, stellte ich fest, dass sich innen nichts verändert hatte. Es roch nach Grandmas Parfüm und frischem Braten, doch von meiner Großmutter fehlte jede Spur.

„Ich müsste mal in den Keller", sagte meine Mum schlicht zu meinem Grandpa. Wortlos, so wie er es fast immer tat, deutete er auf die alte Holztür, hinter welcher die massiven Steintreppen lagen, die ich als Kind einmal herunter gebrettert war.

Meine Mum tippelte mit ihren Pumps die Stufen hinunter und zog an der Schnur, die den dunklen Korridor unten beleuchtete. Vor einer der vielen Türen blieben wir stehen und sie kramte in ihrer klobigen Handtasche.

Kurzerhand zog sie einen silbernen Schlüssel heraus, steckte ihn ins Schloss und drückte auf den Lichtschalter hinter der Ecke. Was mich dort erwartete, ließ mich nach Luft schnappen.

Auf einen Blick erkannte ich sämtliche Sachen meines Dads. Seine Schallplatten stapelten sich in einem klapprigen Metallregal und in der hintersten Ecke entdeckte ich seinen alten Ledersessel, in dem er sonntags immer gesessen hatte, um die Zeitung zu lesen.

Mir stiegen die Tränen in die Augen, mein Puls pochte unaufhörlich und dann weinte ich so sehr wie schon lange nicht mehr. Ich versuchte tief einzuatmen, doch es gelang mir nicht und als ich meiner Mum ansah, sah ich wie sehr ihre braunen Augen glitzerten und wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen.

„Ich könnte die Sachen niemals weggeben, Charlie", sagte sie mit zitternder Stimme. „Ich könnte das niemals übers Herz bringen. Und ich verspreche dir, dass es irgendwann nicht mehr so weh tun wird und ich euch alles erzähle, was ich weiß."

„Mum", sagte ich. Meine Hände zitterten fürchterlich.

Ich zog sie in eine feste Umarmung. Erst zögerte sie, dann legte sie ihre zierlichen Arme fest um mich und lehnte den Kopf an meiner Schulter an.

Als ich mich löste schaute ich mir jede Kleinigkeit an, durchstöberte die Regale und ließ mich in den alten Ledersessel fallen. Im Raum roch es nach alten Büchern und Motoröl, der Sessel gab eine dicke Staubwolke ab und ich fuhr mit dem Finger über den braunen Stoff.

Meine Mum nickte mir lächelnd zu und sagte, sie würde oben auf mich warten. Neugierig und überglücklich, dass sich all sein Hab und Gut in diesem Raum mit mir befand, wanderten meine Augen über jeden einzelnen Gegenstand. Ich fand zahlreiche Kisten mit allerhand Kram, seine alte Gitarre und sogar seine Sammlungen, die er über die Jahre angeschleppt hatte. All das lag vor mir, ich konnte mich plötzlich an so viele Kleinigkeiten erinnern.

Ich verbrachte gefühlt eine Ewigkeit in dem kleinen Kellerraum, bis meine Mum mich ansprach und mich bat, dass wir den Heimweg antraten. Sie versicherte mir, dass ich so oft hier her kommen konnte, wie ich wollte. Glücklich nahm ich ein paar Schallplatten mit nach Hause, die ich bin spät nach Mitternacht leise dudeln ließ. Dabei stellte ich den Karton mit Dads Postkarten neben mich auf das Sofa, las mir viele von ihnen noch einmal genau durch.

Am nächsten Tag fuhr ich direkt nach der Arbeit zu meinen Großeltern, um mich weiter durch die Sachen meines Vaters zu wühlen. Meine Grandma brachte mir zwischendurch eine Tasse Tee in den Keller, versorgte mich mit Keksen und erzählte mir etwas zu einigen Dingen.

Freitags begann erneut mein Herzklopfen, denn der Tag der Charityveranstaltung war angebrochen. Dass Amy mir beim Mittagessen groß und breit erzählte, dass Fotos von Niall aus Thailand und Australien aufgetaucht waren und man mich klar und deutlich im Hintergrund erkennen konnte, versetzte mir einen weiteren Schlag in die Magengrube.

„Niemand kennt dich, Charlie", sagte sie und verdrehte genervt die Augen.

Im letzten Moment hielt ich mich selbst davon ab, sämtliche Kommentare unter den Twitterfotos zu lesen. Das würde alles nur noch schlimmer machen und eigentlich wusste ich ja, dass es früher oder später so kommen musste. Niall hatte mir erzählt, dass Leute immer alles auf die Goldwaage legten, was immer er sagte und um Fotos, auf denen er mit einer weiblichen Begleitung gesehen wurde, stand es noch schlimmer.

Je näher der Abend rückte, umso größer wurde das ungute Gefühl. Ich wünschte ich hätte noch ein paar Tage mehr Zeit, um mich für den großen Tag vorzubereiten, doch die Zeit schien schneller zu verstreichen, als mir lieb war.

Per Skype sprach Hannah mir, kurz bevor ich aufbrechen musste, Mut zu. Meine Haare ließ ich nach ihrer Beratung offen und tuschte mir mir die Wimpern, viel mehr tat ich nicht. Die Pumps drückten unangenehm an meinen Hacken, die dünne Nylonstrumpfhose saß nicht richtig. Mir stieg die Hitze in den Kopf, mein Herz beruhigte sich überhaupt nicht mehr.

Ich dachte an Niall und riss mich zusammen. Ich freute mich trotzdem ihn wiederzusehen, auch wenn es mir unter anderen Umständen besser gegangen wäre. Als ich um kurz vor sieben meinen Cardigan von der Garderobe nahm und mir meine kleine Lederhandtasche mit dem langen Gurt über die Schulter warf, dachte ich für einen Augenblick, ich würde mich jede Sekunde übergeben.

Bevor ich jedoch nach draußen ging und auf Basil wartete, raste ich noch einmal hastig zu dem Pappkarton mit Nialls Briefen und suchte nach einem ganz besonderen Umschlag.

Krampfhaft hielt ich den Umschlag zwischen meinen Fingern, als ich die Treppen nach oben ging, die Haustür hinter mir schloss und am Straßenrand wartete. Das Licht der Laterne reichte gerade so aus, dass ich die Buchstaben auf dem Brief lesen konnte. Meine Hände waren so furchtbar klebrig und kalt, dass das Papier des Umschlages an meinen Fingern haftete. Ich atmete tief ein.

'Öffne mich, wenn du ein bisschen Mut brauchst'.

Mit zittrigen Händen öffnete ich das weiße Papier am Rand und zog den zusammengefalteten Brief heraus. Drei Briefe hatte ich bereits geöffnet und dabei würde Niall doch noch so oft nicht da sein. Nichtsdestotrotz brauchte ich nun unbedingt Mut.

'Wie ich dich kenne, geht dir gerade wegen irgendetwas total dämlichen der Arsch auf Grundeis (Bitte entschuldige meine Wortwahl).'

Ich lachte auf und durchschnitt dabei die Stille, die die einsame Straße umgab. Dann wurde es wieder still, ich atmete erneut tief durch und las weiter.

'Aber weißt du noch, als ich dich gefragt habe, warum du diese Reise nicht machen möchtest? Du hattest Angst, dass du das niemals schaffen würdest und du wolltest nie glauben, was wirklich in dir steckt. Aber du hast so viel geschafft, Charlie, auch bevor du mich kanntest. Du bist mutig, auch wenn du das manchmal nicht glauben magst. Sag nicht, dass ich falsch liege, denn ich habe das Funkeln in deinen Augen gesehen, als du es doch versucht hast.'

Ein Lächeln huschte über meine Lippen, ein halbherziges zumindest. Denn ich wusste, dass er recht hatte und trotzdem war es so schwer sich das alles in Erinnerung zu rufen.

Denn gerade war ich alles andere als mutig.

Am Straßenrand hielt ein schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben und ich stopfte den Brief hastig in meine Tasche. Die Fahrertür glitt elegant auf und ein schlanker Mann in Sportsakko stand mir gegenüber.

„Taxi für Charlie", sagte er lächelnd und hielt mir die Hand entgegen. „Ich bin Basil."

Zögerlich schüttelte ich seine Hand. Der Mann mit dem festen Händedruck hatte ergraute Haare und einen Dreitagebart. Höflich hielt er mir anschließend die hintere Tür auf und zeigte freundlich auf die Rückbank.

Als ich mich angeschnallt hatte, ließ er den Motor an und fuhr die Straße herunter. In vierzig Minuten würden wir ankommen, das hatte ich vorher extra in Erfahrung gebracht. Basil war, wie mein Großvater, kein Mann der großen Worte. Vielleicht gehörte das jedoch auch zu seinem Job. Ab und an grinste er fröhlich in den Rückspiegel.

Mit rasendem Herzen trommelte ich nervös auf meinem Oberschenkel herum. Draußen rasten die Bäume in der Dunkelheit an mir vorbei. Ich hatte kein Zeitgefühl, etwas schnürte mir die Luft ab und ich hatte einen salzigen Geschmack im Mund.

Um mich abzulenken, kramte ich mein Handy aus der Tasche. Die Uhr zeigte kurz vor halb acht an. Das hieß, dass mir noch gut zwanzig Minuten blieben, bevor wir ankamen. Wie von selbst wanderten meine Finger über das kleine Vogelsymbol der Twitter-App. Ich hatte nicht viel mit sozialen Medien am Hut, das letzte Mal, dass ich einen Beitrag verfasst hatte war über ein Jahr her. Ich wusste nicht warum ich das tat, doch wenig später stöberte ich durch sämtliche Seiten, die etwas über Niall geschrieben hatten.

Es waren einige Fotos von heute dabei. Er trug eine Cap, schwang elegant den Golfschläger und grinste fröhlich in die Kamera. Ein Paar Fans hatten ihn getroffen und die zahlreichen Bilder bereits ins Internet gestellt. Und dann sah ich plötzlich die Fotos, auf denen ich zu sehen war. Kurz atmete ich auf, schaute aus dem Fenster, bevor ich Panik bekam.

„Alles in Ordnung?", hörte ich Basil vom Fahrersitz aus sagen.

Ich musste schlucken. Mechanisch nickte ich und lächelte gezwungen. Die Hitze stieg mir in den Kopf und ich war mir sicher, dass mein Kopf jeden Moment explodieren musste.

Ich hätte das Handy zurück in meine Tasche verbannen sollen. Doch das tat ich nicht.

Neugierig scrollte ich runter zu den Kommentaren, las sie mir aufmerksam durch und konnte meinen Puls förmlich an meiner Schläfe spüren.

Einige schrieben, dass ich hässlich sei, andere dass ich Niall gar nicht verdient hätte. Dabei war ich ihm auf den Fotos nicht einmal nahe. Ein paar Leute schrieben, dass wir gut zusammen passten, andere wiederum, dass sie mir an die Gurgel gehen würden, würde ich Niall verletzen.

Es war einfach grässlich.

Doch es waren nicht die Kommentare, die mich verletzten. Es war die Tatsache, dass all diese Menschen sich im Internet über Dinge ausließen, von denen sie überhaupt keine Ahnung hatten. Wie konnte man nur so viel Hass und Verachtung einem Menschen gegenüber haben, von dem sie nicht einmal wussten, wer er eigentlich war? Es war mir nie bewusst, wie viel Macht so ein Foto hatte. Und die Kommentare nahmen einfach kein Ende.

Ich schnappte nach Luft, als ich an Niall dachte. An all die Kommentare, die folgen würden, wenn ich heute Abend bei ihm war. Wie hielt er das alles aus? Und wie sollte ich das aushalten, wenn die Leute heraus bekamen, wer ich eigentlich war. Wollte ich das überhaupt?

Ich passte da nicht rein, ich würde nie dorthin gehören.

„Anhalten!", sagte ich mit fester Stimme.

Mir bleib die Luft weg, mein Magen drehte sich um hundertachtzig Grad. Mein ganzer Körper zitterte wie Espenlaub, meine Handflächen waren klitschnass. Ich hatte noch nie eine Panikattacke gehabt, doch ich war mir ganz sicher, dass ich kurz davor war.

„Wie bitte?", fragte Basil verwundert und drehte sich kurz nach hinten um, bevor er wieder auf die dunkle Straße starrte.

Ich fühlte Druck auf meinem Brustkorb, das Geräusch des Motors wurde eigenartig dumpf.

„Bitte anhalten", wiederholte ich flehend. „Bitte!"

Irritiert kniff Basil die Augen zusammen, schaute über seine Schulter und setzte den Blinker.

Quälend langsam bewegte sich der Wagen zum Straßenrand. Ich hatte nicht mal eine Ahnung davon, wo wir überhaupt waren. Der Wagen kam zum Stehen, Basil drehte sich besorgt um und schaute mich fragend an. Einen Moment starrte ich ihn an und schluckte erneut.

Dann griff ich mir meine Tasche, schnallte mich ab und machte mit der freien die Tür auf. Bevor Basil etwas sagen konnte, schlüpfte ich blitzschnell aus der Tür.

„Es tut mir leid." Meine Stimme wurde brüchig und es kratzte unangenehm im Hals.

Verdutzt schaute der Leibwächter mich an. Mir pochte das Herz bis zum Hals und ich schlug die Tür zu.

Im Stechschritt bewegte ich mich vom Auto weg, knickte einige Male mit den Pumps um und streifte sie mir kurzerhand von den Füßen. So schnell wie ich konnte bückte ich mich, klemmte sie mir unter den Arm und ging schnellen Schrittes weiter.

Ich wusste nicht wo ich war oder wohin ich wollte, aber meine Füßen trugen mich wie von selbst davon. Ich hörte in der Entfernung eine Autotür knallen und dass Basil meinen Namen rief.

Und dann rannte ich.

Ich rannte so schnell ich konnte.

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Ihr wisst gar nicht, wie schwer mir dieses Kapitel gefallen ist. Ich hoffe ihr hasst mich jetzt nicht... steckt die Mistgabeln und Fackeln bitte wieder weg

Ich muss mich noch einmal bedanken, bei jedem einzelnen von euch. Dafür dass ihr so weit gekommen seid, für die ganzen Votes und die lieben Worte :')

Das nächste Kapitel lässt nicht lang auf sich warten. Versprochen

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