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27» Wenn Stille mehr als Schweigen ist

N I A L L

Khao Sok, Februar 2016

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Wenn ich Aarons dämliches Gesicht auch nur sah, wurde mir komisch Zumute und ich hätte ihm am liebsten das aufgeblasen charmante Grinsen eigenhändig aus dem Gesicht gefegt. Gerade war er dabei Charlie zu umgarnen und ihr wahrscheinlich irgendwelche Lebensweisheiten mit auf den Weg zu geben. Wenn ich daran dachte, wie er versucht hatte, mich in ein Gespräch über mein gestriges Golferlebnis zu verwickeln, musste ich fast würgen. Eigentlich war es ja nicht meine Art, Menschen frühzeitig zu verurteilen, oder sie sogar in eine Schublade zu stecken, aber wenn ich ihn reden hörte, dann sank meine Laune ins Unermessliche.

Mittlerweile war mir bewusst, dass das zum größten Teil daran lag, dass er augenscheinlich großes Interesse für Charlie hegte. Nicht, dass sie sich großartig davon beeindrucken ließ, doch ich war kein Idiot. Ich konnte sehen, wie sehr er sich ins Zeug legte und ich war mir sicher, dass er so schnell nicht locker lassen würde. Zu meinem Glück trennten sich heute unsere Wege und wir waren ihn und Mister Hawaii erst einmal los.

Kenoah war nämlich nicht weniger charmant und zuvorkommend, als sein schnöseliger bester Freund. Ich hatte das Gefühl, beide hörten sich unglaublich gern selbst reden, auch wenn man es ihnen nicht sofort anmerkte. Denn die beiden versteckten das erfolgreich hinter ihrer charmanten Art und ihren dämlichen Ansichten über die Welt. Kein Wunder, dass Hannah ihrer hawaiianischen Pappnase vollends verfallen war. Doch Kenoah störte mich nicht weiter, denn ich hatte bis jetzt noch nicht das Vergnügen, eine längere Unterhaltung mit ihm zu führen. Ihn und dem Oberschnösel dabei zuzuhören, wie sie sich mit den beiden Frauen unterhielten reichte mir vollkommen.

Zu meiner Belustigung konnte ich Aaron gestern das doofe Grinsen für ein paar Minuten tatsächlich aus dem Gesicht fegen. Als Charlie und ich gestern Nacht in unser gemeinsames Zimmer zurück kehren wollten, begegneten wir ihm und Ed auf dem Flur. Als ich ihm vielsagend zu zwinkerte, mit den Augenbrauen wackelte und dann mit Charlie im Zimmer verschwand, hätte ich am liebsten gewusst, was er in diesem Moment gedacht hatte. Könnten Blicke töten, wäre ich definitiv zu Asche verglüht. Der Trottel sollte sich bloß nicht zu viel einbilden. Solange ich in Charlies Nähe war, war es für ihn besser, wenn er einen Gang zurück schaltete.

Hätte Aaron gewusst, dass ich anschließend tatsächlich mit Charlie im Bett gelandet war, hätte er mich heute morgen am Frühstückstisch sicherlich die Augen ausgekratzt. Denn immer wenn unsere Blicke sich trafen, stand ihm die Abneigung mir gegenüber förmlich auf der Stirn geschrieben. Solange er mir jedoch nicht blöd kommen würde, ignorierte ich seine Todesblicke einfach.

Nun standen wir zu sechst am Flughafen in Melbourne, obwohl unser Flug erst in vier Stunden kam. Hannah hatte es sich jedoch nicht nehmen lassen und hatte uns dazu überredet Kenoah und Aaron dorthin zu begleiten, damit sie sich nicht schon im Flowerdale Estate verabschieden mussten.

Vier Stunden vorher war ich persönlich noch nie am Flughafen gewesen. Meiner Meinung reichten da großzügige zwei Stunden, allerdings hatten die Jungs und ich in der Vergangenheit das Privileg mit unserer privaten Maschine zu reisen. Das war, jedenfalls was die Wartezeiten anging, viel komfortabler.

Auch Ed schien von der Tatsache, dass wir hier umsonst herumlungerten, wenig begeistert zu sein. Er hatte sich nämlich in die hinterste Ecke verkrochen und sich die Kapuze über das Gesicht gezogen. Vielleicht hätte ich das auch tun sollen, denn wenige Meter weiter stand eine Familie, die unsere kleine Gruppe gespannt betrachtete und die zwei Mädels, die ungefähr um die fünfzehn waren, fingen aufgeregt an zu tuscheln.

Schnell wandte ich mich an Charlie, die sich mittlerweile von dem Geturtel ihrer besten Freundin und Kenoah abgewandt hatte und nun aus Langeweile die Anzeigetafeln studierte. „Ich geh' mal kurz das Weite suchen", sagte ich und zeigte mit meinem Daumen unauffällig über meiner Schulter hinweg zu den beiden Mädchen.

Sie nickte verständnisvoll und sagte dann: „Sei nicht zu spät, Horan. Du weißt wir haben nicht viel Zeit." Ein sarkastisches Grinsen erschien auf ihren Lippen, dann rollte sie mit den Augen und warf ihren Blick erneut auf die beiden Turteltauben.

Bevor ich allerdings kurzzeitig vor den beiden Mädchen flüchten konnte, sah ich Aaron, der gerade von der Gepäckrückgabe zurück kam und zielstrebig auf Charlie los spazierte. Ein Teil von mir wollte da bleiben, um Aaron den Abschied zu versauen, doch als ich mich umschaute, hatten die beiden Mädchen hinter mir schon ihre Handys gezückt.

Stöhnend setzte ich mich in Gang und hielt Ausschau nach einer Menschenmenge, in der ich einfach verschwinden konnte. Als ich mich an einem kugelrunden Mitfünfziger vorbei gedrängelt hatte, ging ich schnellen Schrittes Auf die Herrentoilette zu und schloss die Tür hinter mir.

Dort angekommen war es so ruhig, dass es einem nicht einmal mehr vorkam, als wäre man auf einem überfüllten Flughafen. Lässig lehnte ich mich an die gefliesten Wände und checkte mein Handy. Seit drei Tagen hatten sich mehr als zehn entgangene Anrufe von Melissa angehäuft. Mein Display zeigte mir ihre Nummer an, die sich in der Zwischenzeit nicht geändert hatte. Ein bisschen ärgerte ich mich schon, dass ich ebenfalls die gleiche Nummer besaß wie noch im letzten Jahr, denn ich bereute es wirklich, bei ihr gewesen zu sein. Ich hätte wenigstens meine Nummer ändern können, dann hätte ich mir das ganze Generve ersparen können.

Allein, dass sie mich mit Anrufen überhäufte reichte mir schon wieder. Diesen kleinen Besuch im Rausch hätte ich mir wirklich sparen können. Nicht nur, dass ich mich nach dem überschwänglichen Kuss an rein gar nichts mehr erinnern konnte, nein, Melissa ging mir schon wieder auf den Geist. Und dabei stand ich ihr noch nicht einmal gegenüber. Die Suppe hatte ich mir selbst eingebrockt, also sollte ich mich besser nicht beschweren und anfangen sie auszulöffeln.

Mir war bewusst, dass ich die Anrufe früher oder später entgegen nehmen musste. Ich konnte schließlich nicht für immer vor ihr davon laufen. Und ich war mir sicher, dass es schlimmer wurde, je mehr Zeit verstrich. Doch erst einmal wollte ich mir keine Gedanken darüber machen, was sie mir an den Kopf werfen würde. Ich wollte meinen Resturlaub genießen, bevor ich wieder in Arbeit versank. Obwohl sowohl Liam und Louis sich momentan die Eier schaukelten (obwohl das im übertragenem Sinne sicher jemand anderes für sie erledigte), wollte ich nicht in einen faulen Trott verfallen und stattdessen lieber meine kostbare Zeit nutzen. Denn sobald wir wieder den Schritt wagten, ein Album aufnahmen und auf Tour gingen, hatte ich sicherlich kaum Zeit dafür, heraus zu finden, was ich allein schaffte.

Dazu gehörte, dass ich definitiv mehr Golf spielen, an ein paar Songs werkeln und öfter nach Los Angeles reisen wollte. Vor allem im Frühling und Herbst ging mir das regnerische Wetter in London auf den Sack. Mein Cousin Deo hatte sich schon an Weihnachten dazu bereit erklärt, mit mir rüber zu fliegen, damit wir uns die Sonne auf den Pelz brennen lassen konnten.

Überaus selbstlos hatte er sich über den Tisch gelehnt und wollte mir weismachen, dass es natürlich viel lustiger werden würde, wenn ich dort nicht alleine verschimmelte. Ganz eigennützig war sein Vorschlag allerdings nicht gewesen, denn er musste schließlich für nichts bezahlen und machte sich ein laues Leben. Zugegeben genoss ich es trotzdem, denn Deo war einer meiner besten Freunde. Wenn ich in London war, blieb er oft für ein paar Nächte und wir waren schon als Kinder voll auf einer Wellenlänge gewesen.

Als mein Handy in meiner Hand vibrierte erschrak ich kurz und entsperrte dann den Bildschirm. Eine Nachricht von Louis wurde mir angezeigt, in der er mich zum wiederholten male fragte, ob ich die Sache mit Melissa nun endlich geklärt hatte.

Schnell schrieb ich einen sarkastischen Kommentar zurück und beschwerte mich darüber, dass er mir immer noch keine große Hilfe war. Daraufhin folgte ein knappes „Sorry, Nialler, keine Zeit für deine Liebeleien" und kurz darauf folgte ein Foto von Freddie, dem Louis einen mexikanischen Schnurrbart unter die Nase gemalt hatte. Kurz musste ich schmunzeln. Wenn Briana das jemals zu Gesicht bekam, würde sie Louis sicher kastrieren.

Während ich gedankenverloren durch alte Nachrichten scrollte, damit die Minuten bis zu unserer Abreise schneller verstrichen, blieb ich beim Chatverlauf von Charlie und mir hängen. Es waren wirklich nicht viele Nachrichten, doch selbst in diesen kurzen Nachrichten konnte man ihre ironische Ader erkennen.

Ich fragte mich, was in ihrem Kopf hervor ging, ob sie glücklich war, jetzt, wo wir unseren Plan in die Tat umgesetzt hatten. Ich fragte mich, ob sich für sie etwas verändert hatte. Ich dachte an ihr Lachen und wie sie verträumt über den Postkarten hockte. Ich fragte mich, ob sie immer noch so viel lachte, wenn wir wieder in London gelandet waren. Ich dachte daran, wie leicht und unkompliziert es mit Charlie war, dass ich mich ganz anders in ihrer Nähe fühlte.

Manchmal dachte ich darüber nach, wie seltsam es war, jemandem aus heiterem Himmel zu begegnen. Was wäre gewesen, wenn Charlie und ich uns niemals begegnet wären? Wenn Ed sie an diesem Abend im Club nie angerufen hätte und sie trotzdem nach ihm sah, obwohl wir uns verpasst hatten.

Ich stünde sicher gerade nicht hier und zerbrach mir den Kopf darüber. Wahrscheinlich säße ich jetzt mit Deo in London und plante den Abend, oder ich würde auf meiner Gitarre herum klimpern.

Ich fragte mich, ob wir uns jemals begegnet wären, unter anderen Umständen natürlich. Aber wahrscheinlich wäre es der falsche Zeitpunkt gewesen und ich hätte nie so viel Zeit mit ihr verbracht.

Es war seltsam, was das Leben manchmal für uns parat hielt. Und es entsprach der Wahrheit, dass Zufälle manchmal unser Leben veränderten. Ein Grund dafür, dass ich davon überzeugt war, war Charlie.

In Gedanken versunken merkte ich nicht, dass ich bereits eine Stunde auf der Herrentoilette verbracht hatte. Erst als der rundliche Kerl von vorhin zur Tür hinein huschte und schnurstracks in eine der Kabinen verschwand, ließ ich meinen Blick auf die kleine Uhr in der oberen Ecke des Displays wandern. Als ich ein erleichtertes Aufatmen aus der Kabine hörte, wurde es allerhöchste Zeit für mich zu verschwinden. Ich wollte mir sicher nicht mit anhören, wie dieser Pfundskerl einen abseilte.

Schnell schob ich meinen Kopf durch den Türspalt, setzte mir die Sonnenbrille auf die Nase und huschte in die Halle zurück, als ich sicher gestellt hatte, dass die Luft rein war.

Wieder bei den anderen angekommen, bemerkte ich, dass sich Kenoah und Aaron bereits vom Acker gemacht hatten. Mir war das völlig schnuppe, ich würde die beiden eh nie wieder sehen.

Bis wir unser Gepäck angeben und einchecken konnten, verkroch ich mich zu Ed, der die Ruhe selbst war und gleich zwei Sitze in Beschlag genommen hatte. Als es soweit war, setzten wir uns zu viert in Gang und verbrachten die letzte Stunde in der Abflughalle. Die Stimmung war so angespannt, dass selbst mich das nervös machte. Draußen wurde es langsam stockduster. Wir flogen über Nacht, so konnte ich nachher im Flugzeug wenigstens ein bisschen Schlaf nachholen.

Charlie und ich waren letzte Nacht noch lang wach geblieben. Erst nach Mitternacht waren wir wieder im Zimmer. Ich habe es genossen in ihrer Nähe zu sein, nicht nur, weil der Sex zwischen uns einfach so unkompliziert war. Ich hätte ihr stundenlang dabei zugucken können, wie sie die Schallplatten betrachtete. Selbst als ich heute morgen aufwachte und sie in meinem Arm lag, habe ich auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, sie von mir zu schieben.

Es war ungewöhnlich, denn ich war eigentlich nicht der Typ dafür. Vor allem, weil Charlie und ich uns einig waren, dass wir die Sache nicht benennen mussten, sondern, dass es einfach was unkompliziertes war. Deshalb war ich zuerst erschrocken, als ich wie selbstverständlich mit meinen Fingern durch ihr blondes Haar fuhr und nochmal einschlief.

Als ich dann endgültig wach wurde, begrüßte sie mich mit einem Lächeln und ich huschte ins Bad. Im Haupthaus beim Frühstück herrschte Stille. Alle warfen sich hin und wieder einen Blick zu; Ed ließ sich gar nicht erst blicken.

Bevor wir uns gegen drei Uhr nachmittags auf den Weg zum Flughafen machten, spazierten Charlie und ich durch die Gegend. Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich sie beobachtete. Sie schwärmte davon, wie schön es rund um das Flowerdale Estate war und ich musste ihr recht geben. In der glühenden Mittagssonne schien die Zeit still zu stehen, als wir uns unter einem großen Kirschbaum einen Schattenplatz sicherten.

Eher widerwillig packte ich am Nachmittag meine Sachen zusammen und fuhr den großen Mitwagen zum Flughafen.

Hannah und Charlie hatten seit heute morgen kaum ein Wort miteinander gewechselt. Charlie war anscheinend ziemlich angepisst, dass Hannah ihrer Schwester gegenüber raus gerutscht war, dass ich mit von der Partie war. Außerdem schaute Hannah abwesend aufs Rollfeld und trauerte ihrem hawaiianischen Adonis schon jetzt hinterher. Auf Ed war sie auch nicht gerade gut zu sprechen; wusste der Geier warum. Mich nervte Ed mindestens genau so sehr, aber ich ließ das nicht raus hängen. Sollte er doch machen was er wollte. Mittlerweile war mir das scheiß egal. Er würde schon sehen, was er davon hatte, wenn er irgendwann alleine da stand. Die Zeit bis zum Abflug zog sich wie Kaugummi. Wir schwiegen uns einfach an und selbst Charlie war ungewöhnlich still.

Auf dem achteinhalb Stunden Flug saß ich weder neben Charlie, noch neben Ed oder Hannah. Der Flug in der kleinen Jetstar-Maschine hatte gerade mal dreißig Mäuse gekostet; keine Ahnung was mir das sagen sollte. Ich war jedenfalls froh, wenn ich heile in Phuket ankam.

Zu allem Übel saß der dicke Kerl vom Flughafen neben mir und schwallte mich damit zu, dass er über das Internet eine Frau in Thailand kennengelernt hatte. Nicht nur, dass er ohne Punkt und Komma auf mich einredete, nein, alles was ich auf diesem Flug zu mir nahm war ein pappiges Sandwich und es dauerte gefühlt eine Stunde, bis der Typ sich neben mir aus dem engen Sitz geschält hatte, damit ich auf die Flugzeugtoilette gelangen konnte.

Auf dem Weg zurück zu meinem Sitz warf Charlie mir einen Blick zu die ein paar Sitze weiter vorne saß und sich mit einem Mann Mitte vierzig unterhielt. Kurz war ich in Versuchung, ihn zu fragen, ob er mit mir den Platz tauschte, denn vor uns lagen noch fünf Stunden und ich hatte wirklich keine Lust darauf, mich mit dem Typen zu unterhalten, der sich in Thailand eine Frau angelte, weil er Zuhause womöglich keine abbekam. Als ich jedoch sah, wie interessiert Charlie anscheinend war, fügte ich mich meinem Schicksal und gesellte mich wieder zu meinem Sitznachbar.

Irgendwann schaffte ich es, mich schlafend zu stellen und neben mir herrschte endlich Ruhe. Zu meinem Glück schlief ich tatsächlich ein und wachte erst kurz vor der Landung wieder auf.

Am Gepäckband warteten wir bereits eine geschlagene halbe Stunde und noch immer war keiner unserer Koffer in Sicht. Für dreißig Dollar hatte ich zwar nicht viel erwartet, aber zumindest sollten sie es doch hinkriegen, die Gepäckstücke vollzählig hier ankommen zu lassen. Als die Menschenmenge sich auflöste und die meisten glücklich ihre Koffer mitnahmen, steuerte Ed geradewegs auf den Infoschalter zu, um nachzufragen, wo unser Gepäck blieb.

„Die gute Nachricht zuerst: Es kommt immer seltener vor, dass Gepäckstücke zu spät am Zielflughafen eintreffen oder sogar ganz verloren gehen", sagte er monoton, als er wieder bei uns angekommen war. „Schlechte Nachricht: Unser Gepäck ist verloren gegangen und kommt erst morgen Abend mit der nächsten Maschine an."

Meine Mundwinkel sanken bis zu den Kniekehlen, Charlie und Hannah erging es in diesem Moment nicht anders. Alles was ich bei mir hatte, war ein Rucksack mit den wichtigsten Sachen und einer Sweatshirt-Jacke. Der Rest vergammelte gerade in meinem Koffer in Melbourne.

„Und was sollen wir jetzt machen?", kam es von der aufgelösten Hannah neben mir. „Wir können doch das doch nicht einfach hinnehmen."

„Du kannst ja auch zurück fliegen. Der nächste Flug kommt heute Abend", meinte Ed lässig. „Dann bist du vielleicht pünktlich wieder hier, wenn unser Gepäck ankommt. Vielleicht sogar mit der gleichen Maschine."

Während Charlie schmunzeln musste, warf Hannah erst ihr und dann Ed einen bösen Blick zu. „Du kannst mich mal."

Eher mürrisch folgte sie uns und trottete gereizt hinter uns her. Mehr als warten konnten wir schließlich nicht tun.

Ed rauchte draußen seinen halben Zigarettenbestand auf, während Charlie und ich uns um einen Mietwagen kümmerten.

Eigentlich wollten wir schon morgen früh Richtung Bangkok weiter reisen; unseren geplanten Roadtrip konnten wir erst mal an den Nagel hängen, denn so schnell würde keiner von uns sich weit vom Flughafen entfernen.

Ich diskutierte mit der unfreundlichen Dame bei der Autovermietung, Charlie blätterte ich Tonnen von Flyern, damit wir für die nächsten beiden Nächte eine Unterkunft hatten. Das Hotel, das wir nämlich eigentlich für eine Nacht gebucht hatten, lag gut fünf Stunden vom Flughafen entfernt.

Als die dumme Pute hinter dem Tresen mir nach der Klärung der Formalitäten endlich den Schlüssel und die Papiere in die Hand gedrückt hatte, legte ich meinen Kopf auf Charlies Schulter und schaute in den Flyer, den sie in der Hand hielt.

„Das einzige Hotel in der Nähe, das einigermaßen bewohnbar aussieht, liegt zwei Stunden von hier entfernt", sagte sie. „Allerdings liegt das fast neben dem Khao Sok Nationalpark. Da könnten wir morgen den Tag verbringen, bis unsere Koffer kommen. Im Flugzeug saß jemand neben mir, der dahin wollte. Es soll total schön da sein."

Ich schnappte ihr den Flyer aus der Hand und tippte die Nummer des Hotels in mein Handy. Schnell stellte sich heraus, dass die Nummer nicht vergeben war und ich wandte mich erneut an die Dame hinter dem Tresen. Die hatte allerdings keine große Lust darauf, mir zu helfen und legte mir nahe, dass ich mich im Internet erkunden sollte.

„Was eine verfickte Scheiße!", fluchte ich, als auch auf der Internetseite nur die alte Nummer zu sehen war. „Wollen die uns hier eigentlich alle verarschen?"

„Bist du nicht immer der Meinung, dass die besten Dinge spontan passieren?", sagte Charlie grinsend, als ich das Handy zurück in die Hosentasche schob.

„Und das heißt was?"

„Wir fahren zu dem Hotel und gucken, wo uns die Reise hinführt. Wenn da kein Zimmer frei ist, finden wir schon was. Kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken", zog sie mich auf.

„Und so ein Ratschlag kommt gerade von dir", erwiderte ich lachend.

Einen Moment dachte ich darüber nach, dann zog ich sie am Arm hinter mir her und ließ mir am Schalter ein paar Scheine in die thailändische Währung wechseln. Im Auto angekommen machte ich mich mit dem Toyota Vios vertraut, den uns die Tusse aufs Auge gedrückt hatte. Für unser Vorhaben würde der wohl reichen. Es würde zwar morgen mit den Koffern sehr eng werden, aber es war ja nur für die Fahrt. Die Nächte würden wir spontan in Hotels oder Motels verbringen.

Neben mir auf dem Beifahrersitz hatte Charlie es sich bequem gemacht und studierte die Karte, die sie aus dem Handschuhfach gekramt hatte. Ich kutschierte den Wagen aus dem Parkhaus und Charlie koordinierte mich durch die Straßen, bis wir auf einer langen Straße angelangt waren, der wir einige Kilometer folgen sollten. Währenddessen las Charlie einen Flyer vom Nationalpark durch, bis sie inne hielt und auf die Straße schaute.

„Das ist Oscar", sagte sie plötzlich und zeigte auf den Straßenrand rechts vor uns.

„Wer ist Oscar?", fragte Ed auf der Rückbank skeptisch.

„Er saß im Flugzeug neben mir und hat pausenlos geredet; was ich nicht schlimm fand", erwiderte sie. „Wir haben fast die ganze Zeit geredet. Er macht eine Weltreise und hat kaum einen Cent in der Tasche."

„Idiot", entgegnete Hannah darauf und Charlie runzelte die Stirn.

Der ältere Mann, der einige hundert Meter vor uns her lief, trug einen großen Wanderrucksack auf dem Rücken. Ich drosselte das Tempo auf ein Minimum und schaute nach vorne. Als er sich umdrehte und das Auto sah, hielt er ein großes Pappschild mit der Aufschrift 'Khao Sok Nationalpark' darauf hoch.

„Nehmen wir ihn mit?", fragte Charlie lächelnd. „Wir müssen doch eh in die Richtung."

„Spinnst du?", quiekte Hannah los. „Du kennst ihn doch gar nicht. Was weiß ich, was er vor hat. Vielleicht bringt er uns alle um."

„Also bist du nicht mit Kenoah direkt am ersten Abend ins Hotel mitgegangen?", mischte Ed sich ein und brachte mich damit zum Grinsen.

„Das ist was anderes", erwiderte Hannah. „Kenoah war sehr charmant und vor allem in unserem Alter."

„Natürlich", sagte Ed. Im Rückspiegel sah ich, wie er theatralisch die Augen verdrehte.

Kurz entschlossen hielt ich direkt neben Oscar am Straßenrand und Charlie machte lächelnd das Fenster auf. Hannah zischte etwas unverständliches nach vorne und ich gab ihr zu verstehen, dass ich das Auto gemietet hatte, also konnte ich auch entscheiden, wer mitfahren durfte. Sie gab erst Ruhe, als ich ihr damit drohte sie am Straßenrand auszusetzen.

„Wir nehmen dich mit, Oscar", ließ Charlie den Mann wissen und stieg dann aus, um ihm den Beifahrersitz zu überlassen. Als Oscar sie erkannte, strahlte er über das ganze Gesicht.

Er trug eine runde Brille, seine Haare waren schon leicht ergraut. Dass er mit seiner schmächtigen Figur den großen Rucksack überhaupt tragen konnte, war ein Wunder. Die braune Kordhose und das Senffarbende Shirt passten zu ihm. Er schielte leicht und seine gräulichen Haare standen kreuz und quer von seinem Kopf ab. Würde er einen weißen Kittel tragen, würde er sicher aussehen, wie ein zerstreuter Professor.

Überglücklich stieg Oscar in den Wagen, nachdem Charlie seinen Rucksack in den Kofferraum bugsiert hatte. Er bedankte sich gefühlt tausend mal und Charlie hatte recht gehabt: Er redete wirklich viel. Als ich ihn fragte, ob er es nicht komisch fand, per Anhalter zu fahren, erzählte er seine halbe Lebensgeschichte.

„Weißt'e, mein Junge. Ich hab' schon mein ganzes Leben davon geträumt, einfach durch die Länder zu bummeln. Jeder warnt einen immer davor, aber weißt'e was? Was soll mir schon großartig passier'n? Dann sterb' ich halt; Pech gehabt, wa? Als junge Frau würde ich jetzt auch nicht unbedingt per Anhalter fahren, aber bei mir ist doch nichts zu hol'n. Ich bin jetzt schon so lang' unterwegs. War in den Staaten, wo ich herkomme, in Kanada, Südamerika und zuletzt Australien. Nie ist was passiert. Man muss den Menschen auch vertrauen", sagte er mit seiner rauen Stimme.

Er redete so viel, dass die Zeit wie im Flug verging. Interessiert beugte sich Charlie nach vorne, obwohl ich mir sicher war, dass sie seine Erzählungen nun zum zweiten Mal zu hören bekam.

Oscar hatte keine Kinder, keine Frau und seit acht Monaten noch nicht einmal einen Wohnsitz. Er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, indem er sich durch die Gegend fragte. Ich fand es beeindruckend, wie frei er war. Er sprühte nur so vor Lebensfreunde und Tatendrang.

Kurz bevor wir dort ankamen, wo wir ihn rauslassen sollten, erzählte er uns, dass er an einem Survival-Training teilnehmen wollte. Für einen kleinen Geldbetrag verbrachte man eine ganze Nacht im thailändischen Dschungel und bekam danach ein Zertifikat. Es gab viele dieser Trainings, erzählte er. Ein Einheimischer und ein Dolmetscher machten sich für fast vierundzwanzig Stunden mit einer Kleingruppe von sechs Leuten auf den Weg.

„Das ist ja cool", sagte ich daraufhin.

Ich wollte so etwas schon immer mal machen, bisher hatte sich jedoch keine Gelegenheit dazu geboten. Ein Blick in den Rückspiegel reichte, um zu sehen, dass Charlie mindestens genau so begeistert davon war, wie ich.

„Wo kann man sich dafür anmelden?", fragte Charlie interessiert.

„Ausnahmsweise hab ich mal das Internet benutzt, obwohl ich ja nicht so der Fan davon bin. Ich kann euch gerne aufschreiben, wo ich das gefunden hab'."

Charlie kramte in ihrem Rucksack nach einem Stift und Oscar kritzelte etwas auf ein Stück Papier, das er aus der Hosentasche hervor holte. Kurz darauf hatten wir das erste Ziel auch schon erreicht und Charlie stieg aus dem Auto, um sich von Oscar zu verabschieden.

Auf der Rückbank gähnte sich Ed einen zurecht und Hannah checkte fast pausenlos ihr Handy. Dass Kenoah sich erst meldete, wenn er in London gelandet war, schien sie nicht zu interessieren. Sie könnte ja etwas wichtiges verpassen.

Auf dem kleinen Schotterparkplatz auf dem wir standen, war es wie leer gefegt. Oscar begrüßte den Thailänder, der neben einem gut gebauten jungem Kerl stand. Als Charlie wieder zum Auto zurück kehren wollte, rief Oscar sie zurück.

Keine fünf Minuten später kam sie euphorisch zum Fahrerfenster herüber und grinste mich an.

„Es sind Plätze frei, Niall", sagte sie. „Siebenhundert dreiunddreißig Thai Baht, das sind vielleicht siebzehn Pfund. Lächerlich, oder?"

Von hinten hörte ich Hannah zischen und als ich mich umdrehte, schaute sie ihre beste Freundin ungläubig an. Ich allerdings fand die Idee super. Wir mussten die Zeit ohne unser Hab und Gut eh bis morgen überbrücken und wir konnten noch so einiges dazu lernen.

„Ich bin dabei", verkündete ich fröhlich und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss.

„Ihr habt sie doch nicht mehr alle", blökte Hannah uns von hinten an. „Wir haben nichts dabei."

„Das ist doch das, was ein Survival-Training ausmacht, du Hirnpfirsich", fuhr Ed sie an. Daraufhin stolperte er aus dem Wagen und zog seinen Rucksack aus dem Fußraum.

Während wir drei uns unsere Rucksäcke auf den Rücken schnallte, schmollte Hannah auf dem Rücksitz vor sich hin und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.

Entweder wurden die nächsten vierundzwanzig Stunden die reinste Katastrophe werden, oder das beste, was uns an diesem Tag passieren konnte.

Ich allerdings tendierte zur ersten Möglichkeit.

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Halli, Hallo. Hat etwas länger gedauert, aber jetzt ist es so weit. Als Entschädigung kommt morgen direkt das nächste Kapitel. Ich danke euch für die tollen Kommentare beim letzten Kapitel, ich finde es so schön, wie viele von euch so sehr mitfiebern :)

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