26 » Mittelschwere Katastrophen
C H A R L I E
Kilmore, Februar 2016
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„Das muss doch hier irgendwo sein."
Hätte ich vorher gewusst, dass Aaron mindestens genau so schlecht darin war eine Karte zu lesen, dann hätte ich mich wahrscheinlich dagegen entschieden, ihn am heutigen Tag mitzunehmen. Andererseits hatte Hannah mich förmlich dazu gedrängt. Seit gestern ließ sie einfach nicht locker und ich ließ es nach einer langen Diskussion über mich ergehen. Denn morgen trennten sich unsere Wege und ich hatte erst einmal Ruhe.
Was passierte, wenn Hannah und ich wieder in London waren und sie mich dazu überreden würde, dass wir uns gemeinsam mit Aaron und Kenoah irgendwo trafen, wollte ich mir gar nicht erst ausmalen. So nett ich Aaron auch fand, ich war einfach nicht der Typ dafür, der sich schnell auf jemanden einließ. Sobald sie das Wort Doppel-Date auch nur kurz erwähnen sollte, wäre ich über alle Berge; so viel stand fest.
Da ich mich jedoch nicht wieder mit Hannah streiten wollte, lief ich nun durch die Straßen in Kilmore, was eine Stunde vom Großstadt Trubel entfernt lag. Auf einer der letzten beiden Karten, die mein Vater aus Australien geschickt hatte, schrieb er, dass er fast einen ganzen Tag in einem Laden verbracht hatte, in dem der Besitzer Antiquitäten und alten Ramsch verkaufte. Auf der Karte hatte er geschrieben, dass Luke und er weiter nach Brisbane reisen wollten und keinen Cent mehr für die Reise dorthin hatten. Kurzerhand hatte Onkel Luke die Armbanduhr, die er von Grandma geschenkt bekommen hatte, verkauft, damit sie sich das Zugticket leisten konnten. Mein Vater hatte allerdings viel zu viel Freude daran, den Laden unter die Lupe zu nehmen und so kam es dazu, dass der Besitzer ihnen anbot, die Bücherregale alphabetisch zu ordnen, sodass die beiden sich ein bisschen Kleingeld dazu verdienten.
Ich erhoffte mir nicht im Geringsten, die Uhr meines Onkels in dem Laden wiederzufinden. Immerhin lagen nun knapp drei Jahrzehnte dazwischen und die die teure Armbanduhr hatte sicherlich schnell einen neuen Besitzer gefunden. Jedoch wollte ich trotzdem in den alten Laden, einfach, weil ich bis jetzt nichts ausgelassen hatte, was meinen Vater beeindruckt hatte. Außerdem liebte ich alte Dinge und ich freute mich wahnsinnig darauf, durch den Laden dort zu stöbern. Vorausgesetzt er existierte noch, denn als Aaron und ich an der Adresse ankamen, standen wir vor einem leeren Gebäude.
Schlagartig sank meine Laune und wäre Aaron nicht dabei gewesen, hätte ich sicher angefangen zu fluchen. Stattdessen hielt ich einfach die Klappe und ignorierte sein Lächeln, das mir mitteilte, wie sehr er gerade mit mir mitfühlte; oder es wenigstens versuchte. Ich hatte ihm nichts von den Postkarten erzählt; das fehlte mir auch noch. Nicht nur, dass Aaron nicht verstand, wenn ich ihn versuchte mit Ironie aufzuziehen, ich war mir sicher, dass er seine Weisheiten preisgegeben hätte, hätte ich es ihm erzählt. Ich konnte ihn gut leiden, jedoch fühlte ich mich seltsam in seiner Gegenwart. Er schien auf jede Frage eine Antwort zu haben, egal über welches Thema ich gerade mit ihm sprach. Auf irgendeine Art und Weise schüchterte er mich ein.
Wäre Niall hier gewesen, hätte er mich sicher zum Lachen gebracht und mich dann dazu überredet in einem Imbiss etwas total ekelhaftes zu probieren. Ich dachte immer noch an die merkwürdigen Quinoa-Burger zu denen er mich überredet hatte.
Wir hatten sicher einige Strapazen hinter uns und es lief bei weitem nicht alles so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ed hing immer noch in den Seilen und zu allem Überfluss hatte er sich heute morgen mit Hannah in den Haaren gehabt. Ich hatte nicht verstanden worum es ging, aber Hannah schien wirklich wütend auf ihn zu sein und dabei ging es nicht darum, wer wem nun die letzten Cornflakes vor der Nase weggeschnappt hatte.
Und obwohl ich mit Aaron einfach sorglos durch die Straßen ziehen konnte - mit Niall und Ed war das manchmal einfach unmöglich -, hätte ich jetzt lieber Niall bei mir, als ihn. Während ich mit Aaron den Laden suchte, hatte Niall Ed zu einem Golfclub in Broadford mitgeschleppt. Ed war zwar einige Male Golf spielen gewesen, soweit ich wusste sogar ein paar mal mit Harry, aber es war nicht wirklich die Art von Beschäftigung, der er eifrig hinterher jagte. Niall konnte es gar nicht erwarten den Golfschläger zu schwingen. Schon heute Morgen beim Frühstück hatte er pausenlos davon geredet, wie sehr er sich darauf freute.
Hannah war mit ihrem Angebeteten schon zu unserer Unterkunft für die nächste Nacht vorgefahren. Dort lag eine kleine Anlage mit verschiedenen Häusern die man für einige Nächte beziehen konnte. Ich wusste davon, weil mein Dad damals daran vorbei gefahren war und sich damals unsterblich in die Gegend verliebt hatte. Er konnte Luke zwar nicht dazu überreden eine Nacht dort zu verbringen, doch auf seiner letzten Postkarte aus Australien schrieb er, dass er eines Tages seine zukünftige Frau mit dorthin nehmen würde.
Ich hatte ihn nie darüber reden hören und ich fragte mich, ob er Mum wirklich dorthin entführt hatte. Die beiden waren viel gereist, hatten eine Menge Orte gesehen, während Nathan und ich bei unseren Großeltern blieben. Ich konnte es kaum erwarten dorthin zu fahren.
Doch Hannah zu Liebe hatte ich mich breitschlagen lassen und stand nun mit Aaron vor dem leeren Gebäude in Kilmore. Heute Morgen erst hatten wir uns von Martha und Earl verabschiedet und den beiden als Dank einen romantischen Abend im edelsten Restaurant in Melbourne geschenkt. Wir hatten zusammen geschmissen; darauf hatte ich bestanden, auch wenn Ed und Niall mit den Augen rollten und sich ein Grinsen verkneifen mussten.
Ich hatte Martha meine Adresse gegeben, denn sie fand es absolut entzückend - so hatte sie es jedenfalls ausgedrückt -, dass ich es mochte, wenn jemand mir einen Brief schrieb. („Ihr jungen Hüpfer mit dieser ganzen futuristischen Technologie treibt mich noch in den Wahnsinn.")
Umso mehr freute ich mich, dass ich weiterhin den Kontakt zu Martha hielt und Briefe von ihr erhalten würde. Sie hatte sogar versprochen, dass sie in naher Zukunft nach London kommen würde. Sie war noch nie dort gewesen und da ihr Patenkind dort wohnte, hatten sie und Earl gleich zwei Gründe dorthin zu verreisen.
„War einen Versuch wert. Was willst du stattdessen machen? Hast du Lust auf einen Kaffee?" Aaron zuckte mit den Schultern und schaute mich fragend an. Sein Gesichtsausdruck verleitete mich noch mehr dazu, mir zu wünschen, dass ich mit Niall hier wäre und nicht mit ihm. Mir fehlte sein Lächeln und die gemeinsame Zeit.
„Warum nicht", erwiderte ich. „Hast du was von Kenoah gehört?"
Heute morgen hatten wir uns einen Mietwagen geholt, wo wir alle reinpassten. Niall und Ed schienen nicht davon begeistert zu sein, dass Aaron und Kenoah uns begleiteten. Jedoch hatten sie sich schnell damit abgefunden, da sich Morgen unsere Wege sowieso trennten.
Niall und Ed hatten uns hier in Kilmore raus gelassen und waren nach Broadford weiter gefahren. Die anderen beiden Turteltauben waren dann von hier aus mit dem Zug zum Flowerdale Estate vorgefahren, um einzuchecken. Die Zimmer hatten wir spontan in aller Herrgottsfrühe gebucht, da wir uns noch nicht sicher waren, ob wir die letzte Nacht bei Martha verbrachten und einfach für einen Tag einen Ausflug dorthin machten, oder tatsächlich dort blieben, bis wir nach Thailand flogen. Glücklicherweise waren noch ein paar Zimmer frei und wir hatten direkt drei gebucht. Da Hannah sich das Zimmer sicher mit Kenoah teilen würde, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, blieb mir wohl nichts anderes übrig, als mit einem der anderen drei ein Zimmer zu beziehen. Wahrscheinlich würde es daraus hinauflaufen, dass ich einen schnarchenden Ed neben mir liegen hatte.
Die Gedanken an die Zimmerverteilung schob ich erst einmal zur Seite und folgte Aaron, der auf der Suche nach einem Kaffee war. Allerdings waren wir zwei mal in die gleiche Richtung abgebogen und standen nun hinter dem leeren Gebäude, in dem der Laden hätte sein sollen, den ich aufsuchen wollte. Einerseits zerrte es an meinen Nerven, dass keiner von uns beiden einen guten Orientierungssinn hatte, andererseits war ich froh, dass es mir erspart blieb, dass ich mich mit Aaron allein an einen Tisch setzte und in Stille einen Kaffee mit ihm trank. Ich kannte ihn immerhin nur flüchtig und wusste absolut nicht, über welches Thema ich mit ihm reden sollte.
Seufzend beobachtete ich ihn dabei, wie er planlos durch die Gegend schaute, als mein Handy klingelte und ich Nialls Namen auf dem Display erkannte. Ein kleines Grinsen erschien auf meinem Gesicht, als ich den Anruf entgegen nahm, ihn begrüßte und fragte, wie Ed sich beim Golf schlug.
„Wir warten immer noch darauf, dass wir anfangen können", meckerte er los. „Außerdem glaube ich, dass sie Sonne mich gleich zu Asche verwandelt. Das habe ich mir echt entspannter vorgestellt. Ed ordert gerade Limonade, wir schlagen ein paar Bälle und dann machen wir uns wieder auf den Weg."
„Na, das war ja ein langes Vergnügen", erwiderte ich amüsiert.
„Passt schon", sagte er darauf, „dann muss ich eben drauf verzichten. Hier hält mich nichts, das Personal ist grauenhaft und wir sind nicht einmal eine Stunde hier."
„Was?", sagte ich gespielt empört. „Sie servieren euch die Golfbälle nicht auf dem Silbertablett?"
Ich hörte ihn lachen, dann räusperte er sich und sagte: „Wie läuft es bei dir und Obergeneral von Schnösel?"
Mein Blick wanderte zu Aaron, der mich aufmerksam musterte. Er lächelte als unsere Blicke sich trafen und ich musste mir wegen Nialls abfälliger Bemerkung ein Grinsen verkneifen. Niall und Aaron kamen nicht gut miteinander aus, das war kein Geheimnis. Warum, war mir allerdings ein Rätsel. Er hatte nur ein paar flüchtige Worte mit ihm gewechselt. Und trotz der Tatsache, dass Aaron eher der ernste Typ Mann war, konnte ich mir nicht erklären, warum Niall ihm gegenüber so skeptisch war.
„Das Gebäude ist wie leer gefegt", seufzte ich. „Wir sind gerade auf der Suche nach einem Café, aber wir verlaufen uns ständig."
„Wird Zeit, dass wir dich abholen", entgegnete er uns entlockte mir somit ein Grinsen. „Ed kommt wieder, ich glaube wir können loslegen. Wir sind in einer Stunde da, wo wir euch raus gelassen haben", fügte er hinzu. Mit dem Auto betrug die Fahrzeit nur ungefähr siebzehn Minuten. Eine Stunde würde ich sicher gut überbrücken können.
Er verabschiedete sich knapp und ich sah auf dem Display ein paar verpasste Anrufe. Heute morgen hatte ich das Handy einfach achtlos in die Hosentasche gesteckt. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich drei Anrufe in Abwesenheit hatte und ich erkannte die Nummer von unserem Festnetztelefon Zuhause. Sicher wollte mir meine Mum wieder einen Zwischenfall aus der Galerie erzählen, oder Amy hatte wieder eines ihrer Fangirl-Anfälle. Darauf konnte ich jedoch gerade herzlichst verzichten. Wäre es wichtig, dann würden sie sicher nochmal anrufen; dann konnte ich immer noch ran gehen. Während ich auf mein Handy starrte, erschien eine Nachricht, die ich sofort öffnete.
Niall:
Der Laden ist umgezogen und liegt jetzt vier Straßen weiter. Schnapp dir Professor Schnösel und wir holen dich in einer Stunde da ab. Pass auf dich auf.
N.
Grinsend las ich die Nachricht, denn danach folgte eine weitere mit der aktuellen Adresse des Ladens. Ich war Niall unheimlich dankbar und wünschte mir ein weiteres Mal, dass er hier gewesen wäre. Es war fast so, als hätte er immer eine Lösung parat und keine vernünftige Antwort auf alles, so wie Aaron. Oder wenigstens hatte er etwas an sich, dass mich zum Lachen brachte.
Schnell hatte ich Aaron von den guten Nachrichten erzählt und zog ihn hinter mich her, bis wir endlich unser Ziel fanden und ich euphorisch hinein trat.
In einer Art kleinen Halle, die von außen unscheinbar wirkte, stapelten sich alte Bücher, Blechschilder, Schallplatten und unzählige anderer Gegenstände. Es roch nach alten, vergilbten Buchseiten und Mottenkugeln; ein bisschen so wie im alten Keller meiner Großeltern, in denen sich über die Jahre Dinge angesammelt hatten, die wohl nie wieder das Tageslicht erblicken würden.
Die Gänge waren eng und voll gestellt, der Boden war von vielen Teppichen mit orientalischen Mustern bedeckt und im Laden war außer Aaron und mir keine Menschenseele. Ein paar ausgestopfte Tiere standen fast schon versteckt zwischen dem anderen Trödel und hinter der altmodischen Kasse an der linken Seite schaute eine graue Haarpracht hervor.
Der alte Mann erhob sich und richtete sich die Brille, die krumm und schief auf seiner Nase sitze. Ein dichter, hellgrauer Vollbart zierte sein Gesicht und die Enden seines Schnurrbarts waren leicht nach oben gezwirbelt. Er lächelte freundlich zu uns hinüber, begrüßte uns und legte anschließend die Zeitung auf den voll gestellten Tresen.
„Kann ich euch weiter helfen?", fragte der Mann. Seine Stimme war so tief, dass ich ihn kaum verstanden hatte.
„Vielen Dank Sir, aber wir wollen uns nur umschauen", nahm Aaron mir zuvor und ich lächelte, statt etwas zu sagen.
Ich schlenderte durch die engen Gänge und ließ meine Finger über die alten Bücher streichen. Ich wusste sofort, warum mein Dad so begeistert gewesen war. Sicher hatte sich einiges verändert, doch ich war mir sicher, dass der Laden über die Jahre nichts an seinem Charme verloren hatte.
An einer alten Schreibmaschine kam ich zum stehen und erinnerte mich daran, dass meine Grandma Zuhause auch noch so eine stehen hatte. Sie war nicht mehr funktionstüchtig, doch als Kind hatte ich immer so getan, als würde ich etwas Wichtiges schreiben. Stolz hatte ich dann ein weißes Blatt bekritzelt und meinen Großeltern eine erfundene Geschichte erzählt. Als Kind liebte ich das Klicken der Tasten.
„Wusstest du, dass es die erste funktionierende Schreibmaschine bereits gegen 1808 gab?", holte Aaron mich aus meinen Gedanken. Ich erschrak und riss dabei fast eine alte Vase um, die ich in letzter Sekunde noch vom Fallen abhalten konnte. Aaron riss die Augen auf und half mir das Teil wieder zurück zu stellen. Anschließend fuhr er fort.
Ich fand es beeindruckend, wie viel er wusste. Und das ganz ohne dabei zu prahlen. Im machte es augenscheinlich Spaß darüber zu reden und ich hörte ihm aufmerksam zu. Anschließend gingen wir zu den Blechschildern, die quer an die Wände genagelt waren und er konnte jedes einzelne davon seiner Herkunft zuordnen. Bei den Schallplatten trennten sich unsere Wege, denn Aaron steuerte zielstrebig die analogen Fotoapparate an und machte sich lächelnd daran, die uralten Kameras genau unter die Lupe zu nehmen.
Währenddessen kniete ich mich auf dem Boden zu einem niedrigen Regal und durchwühlte die Schallplatten. Eine Rote weckte meine Aufmerksamkeit und sofort schossen Erinnerungen an meinen Vater in meine Gedanken. Kurz darauf hielt ich Peter und der Wolf in den Händen. Ein musikalisches Märchen, das ich immer noch in und auswendig kannte. Jedes Instrument repräsentierte dabei eine Figur aus dem Musikstück. Und ich konnte schwören, dass wenn ich es mir nach all den Jahren wieder anhörte, dass ich genau sagen konnte, welches Instrument gerade spielte und zu welcher Figur dieses gehörte. Mein Vater hatte es mit uns so oft gehört, dass ich über die Jahre mitsprechen konnte. Ich wollte sogar mal eine Zeit lang Violine spielen, hatte jedoch nach ein paar Monaten nicht mehr genügend Motivation.
Ich erinnerte mich daran, wie mein Vater den alten Plattenspieler zum Laufen gebracht hatte und wie er mit mir auf dem Schoß den leichten Klängen der Streichinstrumente gelauscht hatte. Er musste jedes mal lachen, wenn ich mich erschrak, weil die Pauken so laut erklangen.
Ein paar Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich blinzelte einige Male, damit ich nicht mitten im Laden in Tränen ausbrach.
Genau das hatte ich mir von dieser Reise erhofft. Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass ich mich an all die kleinen Dinge erinnerte, die mich an meinen Vater erinnerten. Ich nahm mir vor, die Schallplatte unbedingt mitzunehmen; ganz egal wie viel sie kostete.
In einer Holzkiste fand ich noch einige Platten von Fats Domino, über Buddy Holly, bis hin zu Bob Dylan. Besonders hatte mir allerdings eine Schallplatte von Elvis aus dem Jahr 1957 angetan. Als ich mir interessiert die Rückseite durchlas, hörte ich Schritte hinter mir. Ich hob meinen Kopf und sah den Besitzer des Ladens hinter mir stehen, der mich lächelnd musterte.
„Sowas sieht man selten", sagte er. „Es ist toll, wenn sich junge Leute noch so für Schallplatten interessieren. Ist das für Jungspunde wie ihr es seid nicht wertlos?"
Ich erwiderte sein Lächeln. „Ich mag das leichte Kratzen und Knacken, das erinnert mich an meine Kindheit. Wie viel sollen die denn kosten?"
„Mit drei Kröten pro Stück bist'e dabei", erwiderte er.
Ich schaute erstaunt zu ihm hoch und konnte gar nicht glauben, dass solche alten Schätze heutzutage fast genau so viel kosteten, wie ein plumper Kaffee. Überglücklich suchte ich mich weiter durch die Regale und legte mir unzählige Platten auf einen Stapel. In Gedanken kreuzte ich die Finger, dass in meinem Koffer noch genügend Platz war, um sie zu verstauen.
Zufrieden legte ich meine Errungenschaften an die Kasse und stöberte weiter durch den Laden. Neben alten Maschinen und Büchern, fand ich in einer Vitrine einen kleinen Anhänger in Form eines kleinen Flugzeuges. Sofort dachte ich an Hannahs Armband, das ich ihr noch immer nicht zurück gegeben hatte. Der freundliche Besitzer schloss die Vitrine auf und hielt mir den Anhänger unter die Nase. Schnell wühlte ich in meiner Umhängetasche nach dem Armband und wurde schnell fündig. Es passte perfekt an Hannahs Armband und ich entschied mich dazu, ihn mitzunehmen. Dann hatte meine beste Freundin immer etwas von mir bei sich und der kleine Flieger passte perfekt zu unserer gemeinsamen Zeit in den letzten Wochen.
Zwischendurch warf ich einen Blick auf die Uhr und lugte zwischen den Sachen, die im dunklen Schaufenster standen umher, damit ich sehen konnte, wenn Niall und Ed hier aufschlugen. Mehr als eine Stunde war vergangen, doch das sollte mir recht sein. Ich hätte mich hier stundenlang aufhalten können und ich konnte die Worte meines Dads von Sekunde zu Sekunde mehr nachvollziehen.
„Du bist gerade auf deinem eigenen Planeten, habe ich recht, Charlie?", hörte ich Aaron hinter mir sagen und ich drehte mich zu ihm um. Gerade hatte ich einen kleinen, weißen Emailletopf in der Hand, den ich meiner Mum mitbringen wollte. Zuhause fand man die Teile überall. Zig Blumen hatte sie eingetopft, selbst im Garten stolperte man fast darüber.
„Natürlich", erwiderte ich. „Überleg mal, wie alt die Sachen hier sind und was sie vielleicht für eine Geschichte haben. Stell dir vor, wem all diese Dinge gehört haben und welche Diskussionen darüber geführt worden."
Aaron lächelte mich und stellte sich dicht neben mich. Unsere Arme berührten sich und ich fühlte mich unbehaglich. Das alles ging mir irgendwie zu schnell und ich könnte Hannah dafür den Hals umdrehen, dass sie auf Biegen und Brechen wollte, dass ich Zeit mit ihm verbrachte.
Aaron war charmant und aufmerksam, dennoch kannte ich ihn erst sehr kurz und war insgeheim froh, wenn diese dämliche Stille zwischen uns endlich ein Ende hatte. Oder, dass mir wenigstens ein zündender Gedanke kam und mir ein Thema einfiel, über welches ich mit ihm reden könnte. Doch stattdessen stand ich stumm neben ihm und schaute auf den schlichten Emailletopf.
Wie gerufen sah ich durch die dunkle Scheibe, zwischen dem Kram hindurch, dass der große, silberne SUV vorfuhr. Sofort entspannte ich mich und war den beiden anderen dankbar, dass sie mich unbewusst aus dieser merkwürdigen Situation retteten.
Erleichtert bezahlte ich die Schallplatten, den kleinen Anhänger und den Topf. Anschließend verabschiedete ich mich höflich von dem netten Mann an der Kasse und wünschte ihm einen schönen Tag. Er quittierte das mit einem aufrichtigen Lächeln und bedankte sich bei mir für mein Interesse. Danach wartete ich geduldig darauf, dass Aaron seine Sachen bezahlte und ging dann schnurstracks aus dem Laden.
Mit einer großen Tüte in der Hand ließ ich mich glücklich auf den Rücksitz hinter Ed fallen und begrüßte die beiden überschwänglich. Nialls Grinsen konnte man ihm sogar am Hinterkopf ablesen und als ich in den Rückspiegel sah, trafen sich unsere Blicke. Seine Stirn war leicht gerötet, seine Arme ebenfalls. Als Aaron eingestiegen war, drückte er aufs Gas und seine Miene veränderte sich.
„Der verfluchte Golfplatz war total überfüllt", jammerte Niall. „Außerdem haben wir zu lange in der Sonne gestanden."
Das erklärte, warum er aussah wie eine Tomate. Als mein Blick auf Ed fiel, den es noch schlimmer getroffen hatte, musste ich schmunzeln.
Während der Fahrt unterhielt Aaron sich mit Niall; jedenfalls versuchte er es. Als Aaron ihn nämlich darüber ausfragte, wie gut Niall Golf spielen konnte, da antwortete der Blonde kurz angebunden und starrte auf die Straße. In den nächsten Minuten sah ich immer wieder durch den Spiegel, um Nialls Gesichtszüge zu deuten und es schien ganz so, als hätte er sich mit jedem Menschen auf diesem Planeten lieber unterhalten, als mit Aaron.
Amüsiert schaute ich Aaron dabei zu, wie er versuchte Niall in ein Gespräch zu verwickeln, während ich Ed eine Schallplatte nach der nächsten nach vorne reichte und er sich diese eingehend durchlas. Ed selbst hatte eine beachtliche Sammlung Zuhause und teilte meine Leidenschaft.
Als ich Niall erleichtert aufatmen hörte, schweifte mein Blick nach vorne und ich sah das große Schild, dessen Aufschrift mir verriet, dass wir angekommen waren. Augenblicklich klappte meine Kinnlade herunter.
Das Gelände war riesig, überall ragten massive Bäume in die Höhe, die sicher schon einige Jahre auf dem Buckel hatten. Die Kulisse die sich mir bot, war atemberaubend. In der Ferne sah man Berge und weite Felder. Auf dem Gelände selbst standen zwischen etlichen Bäumen und Büschen, die wild wucherten, ein paar flache Häuser, die mit ihrem weißen Anstrich der Umgebung das gewisse Etwas verliehen. Ich sah kleine Terrassen, die mit Lampions geschmückt waren. Zahlreiche Blumentöpfe standen überall herum und ich fühlte mich sofort willkommen.
Niall parkte auf dem großen Schotterplatz und wir wuchteten anschließend gemeinsam das Gepäck aus dem geräumigen Kofferraum. Zusammen nahmen wir die kleinen Steintreppen zur einer Wiese hinauf und liefen über einen schmalen Weg zum Hauptgebäude. Innen angekommen wurden wir empfangen vom freundlichen Personal, die uns nach einigen Formalitäten den Schlüssel in die Hand drückten.
Nicht nur, dass es hier anstatt Schlüsselkarten noch echte Schlüssel aus Messing gab, freute mich, sondern auch die liebevoll eingerichteten Zimmer, die wir zwei Häuser weiter bezogen.
Aufgeregt klopfte ich an die Tür mit der Nummer Dreiundzwanzig, da uns sie nette Dame an der Rezeption mitgeteilt hatte, dass der Rest von uns schon die Zimmer bezogen hatten. Doch mir öffnete niemand die Tür und ich ging davon aus, dass Hannah und Kenoah die Gegend begutachteten.
Kurz darauf verfielen die restlichen vier von uns in eine Diskussion, denn eines der drei Zimmer war das kleinste und niemand von uns wollte so schnell nachgeben. Schnell klärte sich allerdings, wer mit wem das Zimmer teilte.
Nialls Nasenflügel begannen zu beben, als Aaron sich anbot, sich mit ihm ein Zimmer zu teilen. Ich war froh, dass Aaron so ein Gentleman war und ungefragt davon ausging, dass ich mir mit ihm, nach so kurzer Zeit, kein Zimmer teilte. Doch Ed schien Nialls Ablehnen sofort zu erkennen und bezog kurzerhand mit Aaron das größere Zimmer. Somit blieben nur noch Niall und ich übrig, worüber ich heilfroh war.
Als ich mit Niall allein war, atmete ich tief durch und setzte mich auf die Bettkante. Der Raum war nicht zu klein, sogar ein kleiner Kamin fand darin Platz. Alles hier war so liebevoll eingerichtet, dass man gar nicht anders konnte, als sich wohlzufühlen.
„Was eine Ausbeute", hörte ich Nialls Stimme sagen. Er setzte sich neben mich und hielt den Stapel Schallplatten in der Hand. Aufmerksam und mit einem Lächeln auf dem Gesicht schaute er sich jede einzelne an. „Ist es okay, dass wir uns ein Bett teilen?"
Verwundert schaute ich den Iren an und hob eine Augenbraue, bevor ich sagte: „Nein, Niall, das ist nicht okay. Du hast gesehen, wie ich nackt aussehe, aber das Bett zu teilen geht etwas zu weit." Prompt brach ich in schallendes Gelächter aus und Niall stieg in mein Lachen mit ein.
„Wann wirst du dir die Schallplatten anhören?", fragte er dann.
„Sobald ich Zuhause den alten Plattenspieler aus dem Keller geholt habe", erwiderte ich. „Ich hoffe, meine Mum hat den nicht entsorgt."
„Und dann schmeißt du dich in dein Petticoat und tanzt durch die Wohnung?", sagte er belustigt.
„Du bist ein Idiot, Horan", sagte ich. „Aber manchmal wünsche ich mir, ich könnte in einem Diner sitzen und Pommes mit Milchshakes verdrücken", fügte ich lachend hinzu.
Wir hatten mit den anderen abgemacht, dass wir abends in das Restaurant auf dem Gelände gehen würden. Dort gab es separate, offene Räume und wir hatten bereits einen Tisch für sechs reserviert. Während ich mich im Bad fertig machte und anschließend zurück ins Zimmer ging, knöpfte sich Niall gerade das hellgraue Hemd zu und ich erhaschte einen Blick auf seine blanke Brust. Eigentlich war ich kein Fan von Brusthaaren, doch zu Niall passte es wunderbar und ließ ihn unverschämt sexy aussehen.
Seine blauen Augen musterten mich für einen Moment und er begann zu schmunzeln. Mir stieg die Hitze in den Kopf, am liebsten hätte ich ihm jeden Knopf wieder einzeln geöffnet, doch so mutig war ich nicht.
Stattdessen betrachtete ich mich kritisch im Spiegel und fühlte seinen Blick auf mir ruhen. Ich war mir nicht sicher, ob das beige Sommerkleid, dass Hannah mir aufs Auge gedrückt hatte zu mir passte. Ich trug selten Kleider und fühlte mich in Jeans und Tshirt einfach wohler. Hohe Schuhe sparte ich mir; mal abgesehen davon, dass ich mit denen wahrscheinlich alle naselang auf dem Boden landen würde, standen mir die Chucks in meinen Augen besser.
Ich drehte mich um und der Blondschopf stand unmittelbar vor mir. Das sanfte Lächeln auf seinem Gesicht verunsicherte mich und als er plötzlich ernst wurde und mein Gesicht in seine Hände nahm, da wurde ich nervös.
Ich konnte mir in diesem Augenblick kein schöneres Gefühl vorstellen, als er seine Lippen sanft auf meine legte. Mein Herz klopfte unaufhörlich in meinem Brustkorb und es fühlte sich an, als könnte man es kilometerweit hören. Seine Fingerspitzen fuhren durch mein Haar und ich gab mich dem Kuss vollkommen hin.
Das Klingeln meines Handys ließ mich erschrecken und ich fluchte innerlich. Es sei mir doch wohl gegönnt einmal das zu Ende zu bringen was wir angefangen hatten. War mein Karma wirklich so schlecht? Oder hatte das Schicksal einfach etwas gegen mich?
Niall forderte mich wortlos auf, den Anruf entgegen zu nehmen und als ich mir das Handy ans Ohr hielt, hörte ich jemanden schwer atmen. Gerade wollte ich fragen, wer am anderen Ende war, als ich Amys Schniefen vernahm. Bei mir läuteten sämtliche Alarmglocken und sofort überkam mich das schlechte Gewissen, da ich die vergangenen Anrufe verpasst hatte.
„Was ist passiert?", fragte ich sofort. An eine Begrüßung dachte ich erst gar nicht.
„Nichts", sagte sie. „Ich bin erkältet und wollte nur deine Stimme hören."
Das ungute Gefühl ließ nicht nach und ich merkte sofort, dass etwas im Busch war. Ich fragte sie aus, doch sie wollte einfach nicht mit der Sprache rausrücken. Sie schien wütend zu sein, schnaufte einige Male in den Hörer und als ich sie auf Lucas ansprach, da fing sie an zu weinen.
Still lauschte ich meiner kleinen Schwester, doch sie schien so aufgelöst zu sein, dass sie sich nicht mehr einkriegte. Einige Minuten redete ich auf sie ein, während sie immer wieder in ein Taschentuch schnäuzte. Niall kramte zeitgleich an seinem Koffer und öffnete die Tür, als es klopfte. Im Türrahmen stand Ed und drängte uns dazu zu gehen, da die Tischreservierung in zehn Minuten angesetzt war.
„Jetzt sag schon", sagte ich schließlich sanft. „Wann haben wir aufgehört miteinander zu reden? Wir erzählen uns doch immer alles."
„Du kannst mich mal, Charlie", erwiderte sie wütend. Erschrocken über den plötzlichen Emotionswechsel hielt ich das Handy kurz vom Ohr weg und runzelte ungläubig die Stirn. „Du willst mir weismachen, dass wir einander immer alles erzählen? Wie kommt es dann, dass ich nichts davon wusste, dass Niall bei dir ist? Weißt du wie enttäuschend das ist, wenn man davon erfährt, ohne dass du vorher auch nur ein Sterbenswörtchen darüber gesagt hast? Wieso hast du es mir nicht gesagt? Dachtest du ich verbreite in allen sozialen Netzwerken, dass meine Schwester so dicke mit Niall Horan ist, dass sie zusammen um die halbe Erdkugel reisen?"
Dieses Mal raste mein Herz nicht vor Glücksgefühlen, sondern wegen der Vorwürfe meiner Schwester, die so sehr an mir nagten, dass ich wie festgefroren war. „Amy, ich-"
„Lass mich ausreden!", blökte sie ins Telefon und ich konnte ihr wutentbranntes Gesicht förmlich vor mir sehen. „Du spinnst doch! Glaubst du wirklich, ich würde dich verpfeifen?"
„Das ist kompliziert, du bist immer so euphorisch und da wusste ich einfach nicht, wie ich es dir schonend beibringen soll."
„Weißt du, eigentlich wollte ich nichts sagen. Ich bin nicht blöd Charlie, ich habe mir das schon gedacht. Ich wollte warten, dass du es mir erzählst, aber als Hannah sich gestern verplappert hat, war ich echt enttäuscht von dir."
Einerseits war ich erleichtert, dass Amy es von Hannah erfahren hatte und nicht irgendwo im Internet, andererseits war ich unheimlich wütend auf meine beste Freundin. Mein Herz wurde schwer, weil Amy mir all die Dinge an den Kopf warf, die ich so lange hatte verhindern wollen. Ich wusste, dass es irgendwann rauskommen würde und trotzdem hätte ich es ihr lieber von Angesicht zu Angesicht erzählt. Jetzt bereute ich, dass ich sie nicht eingeweiht hatte und sie war wütend. Und das zurecht.
„Amy, lass mich das erklären", versuchte ich sie zu besänftigen.
„Ich wünschte, du hättest mir was davon gesagt", sagte sie. „Tschüss!"
Dann vernahm ich das Tuten am anderen Ende der Leitung und ließ mein Handy sinken. Tränen bildeten sich nun zum zweiten Mal an diesem Tag in meinen Augen und Niall kam besorgt einige Schritte auf mich zu. Wortlos nahm er mich in den Arm und ich erzählte ihm, was passiert war.
„Sie hasst mich", schniefte ich, bedacht darauf, dass ich sein schönes Hemd nicht ruinierte.
„So ein Quatsch", entgegnete er. „Die kriegt sich schon wieder ein, dafür sorge ich. Lass uns was essen und dann gucken wir weiter."
„Ich möchte nichts essen", sagte ich und löste mich aus seinem Griff. „Mir ist der Appetit vergangen."
„Dann bleiben wir beiden eben hier."
„Nein, du gehst mit den anderen, ich muss Amy zurück rufen."
Seufzend gab sich Niall geschlagen und war kurze Zeit später aus dem Zimmer verschwunden. Immer wieder wählte ich Amys Nummer, versuchte Zuhause anzurufen, doch niemand nahm meinen Anruf entgegen. Selbst als ich ein paar Nachrichten an meine Schwester schrieb, reagierte sie nicht.
Ganz allein saß ich am anderen Ende der Welt, steckte in einem Kleid, in dem ich mich nicht wohl fühlte und hatte riesiges Heimweh. Alle Viere von mich gestreckt lag ich auf dem großen Bett und wischte mir die Tränen von der Wange. Im Minutentakt versuchte ich erneut, sie zu erreichen, doch nach einer halben Stunde des Versuchens, hatte ich nur noch die Mailbox dran.
Plötzlich klopfte es an der Tür und ich erhob mich schwerfällig. Verwundert starrte ich in Nialls grinsendes Gesicht, als ich die Tür öffnete. In der Hand hielt er eine braune Papiertüte, in der anderen zwei Pappbecher mit Strohalm. Gut gelaunt spazierte er an mir vorbei und nahm sich den Stapel Schallplatten, die noch auf dem Bett lagen, lief dann wieder auf mich zu und zog mich hinter sich her. Elegant balancierte er die Papiertüte und die Becher auf den Platten in einer Hand, während er mein in seine andere nahm und mit dem Fuß die Tür zumachte.
„Wo willst du hin?", fragte ich ihn irritiert und hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten.
„Wirst du schon sehen", sagte er grinsend.
Mühsam stiefelte ich hinter ihm her. Meine Hand ließ er jedoch nicht los und er zog mich einfach weiter hinter sich her. Er ging zielstrebig nach draußen und wir gingen schnellen Schrittes über das weiche Gras, geradewegs auf ein weiteres Gebäude zu. Draußen blies ein lauer Wind und die Sonne verschwand langsam aber sicher hinterm Horizont. Doch Niall steuerte weiter auf das kleine Haus zu und schubste mich schon quasi in das Gebäude.
Innen war es hell und freundlich. Mit alten, massiven Möbeln und dicken Teppichen, die unsere Schritte verschluckten, war der Raum dekoriert. Niemand war hier und Niall zog mich eine schmale Wendeltreppe hoch. Oben angekommen blieb ich verwundert auf einem roten Teppich stehen, der fast den gesamten Boden des Dachgeschosses verdeckte. Kaum ein Möbelstück war hier zu finden, der Raum sah recht kahl aus. Nur ein paar Schränke standen an den Wänden und ich fragte mich, warum Niall mich hier hin mitgenommen hatte.
Niall schien meine Verwunderung zu bemerken, legte die Sachen auf dem Boden ab und öffnete eine der Schranktüren. Zum Vorschein kam ein moderner Plattenspieler und langsam konnte ich mir den Rest selbst zusammen reimen.
„Et voilà", sagte er lächelnd und zeigte erst auf den Schrank, dann auf die Papiertüte und die Becher. „Plattenspieler, Pommes und Milchshake. Du hast doch nicht gedacht ich lasse dich heute Abend allein, oder?"
„Warum tust du das?", fragte ich und setzte mich im Schneidersitz auf den weichen Teppich.
Niall lächelte sanft und nahm wahllos eine der Platten aus dem Stapel. Anschließend pustete er den Staub von dem alten Gerät und kurz darauf ertönte Chuck Berrys Johnny B. Goode. Er setzte sich mir gegenüber und reichte mir den Milchshake und die Pommes, dann sprach er: „Vielleicht tu' ich das, weil ich es nicht leiden kann, wenn du nachdenkst und traurig bist."
„Aber-", setzte ich an, doch er unterbrach mich.
„Nichts aber", sagte er. „Klar, das ist scheiße gelaufen mit Amy, aber glaub mir, Charlie, das ist halb so schlimm. Du solltest deswegen nicht gleich wieder den Kopf in den Sand stecken und einfach so viel lachen wie es geht. In zwei Wochen ist all der Ärger wie weggeblasen, das verspreche ich dir."
Niall lenkte mich an diesem Abend ab von all den Gedanken. Hin und wieder wanderten meine Gedanken jedoch immer noch zu Amy. Als er merkte, dass ich abschweifte, brachte er mich zum Lachen oder pikste mich in die Seite, bis ich vor lachen nicht mehr konnte und nach Luft schnappte.
Zwei ganze Platten hörten wir in der Zwischenzeit. Niall hörte sich sogar geduldig den Anfang von Peter und der Wolf an und lachte, als ich mitsprach. Nachdem die Sonne untergegangen war und die einzige Lampe in der hinteren Ecke als Lichtquelle diente, legten wir uns Seite an Seite auf den Teppich und starrten an die Decke.
„Du, Niall?", durchbrach ich die Stille. „Denkst du wir werden uns nochmal sehen, wenn wir wieder in London sind?"
Er neigte seinen Kopf zur Seite und musterte mich. „Klar. Was denkst du denn? Das Abenteuer ist doch noch lange nicht zu Ende. Du hast gerade mal fünf Postkarten abgehakt."
„Heißt das, du willst mit mir kommen, wenn ich vorhabe noch weiter zu reisen?", fragte ich. „Ich meine, irgendwann in der Zukunft."
„Wenn du mich so lange aushältst", erwiderte er schmunzelnd.
Wenn er nur wüsste, dass ich nichts dagegen hatte. Ganz im Gegenteil. Denn ich hätte ihn Tag und Nacht um mich haben können.
Und als ich ihn betrachtete, wurde mir auf einen Schlag bewusst, was es war, das mich in seiner Nähe so glücklich machte. Warum gerade er mich immer wieder zum Lachen brachte und warum ich es so sehr zu schätzen wusste, dass er diese kleinen, aufmerksamen Dinge für mich tat.
Ich hatte mich in Niall verliebt.
Mit allem was dazu gehörte. Den dämlichen Schmetterlingen in meinem Bauch, dem verflucht lauten Klopfen meines Herzens und dem Lächeln, das sich auf meinen Lippen bildete, wann immer er bei mir war.
»«
Stellt euch einfach vor, wie ich hier stehe und mit einer weißen Fahne winke. Es tut mir furchtbar leid, dass ich er so spät update. Dafür ist dieses Kapitel extra lang und extra süß :)
Wie ihr seht, hat Postcards ein neues Cover und ich bin wahnsinnig verliebt. Danke an theundeniallable
Du bringst mich immer wieder zum Lächeln
Und mein ganz besonderes Dankeschön geht an horansuniverse für diese unglaublich tollen, wunderbaren, absolut (wie die Faust aufs Auge) passenden Collagen. Sie sind so schön geworden und ich bin dir wirklich dankbar.
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