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1 » Der Kunde ist König

C H A R L I E

London, Dezember 2014

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Es nahm einfach kein Ende. Meine Schicht hatte vor acht Stunden begonnen und ich konnte es kaum erwarten, endlich meine Schürze an den Haken zu hängen und von hier abzuhauen. Die Zeit zog sich wie Kaugummi und ich hetzte von einem Tisch zum anderen, balancierte die gestapelten Tabletts durch die schmalen Gänge und versuchte, das hochnäsige Pärchen an Tisch Sieben zufrieden zu stellen.

„Was muss man hier eigentlich tun, um seinen Tee zu bekommen? Das kann doch nun wirklich nicht so schwer sein." Die unfreundliche Stimme hallte durch das ganze Cafe. Ich lächelte den unfreundlichen Glatzkopf höflich an und gab ihm zu verstehen, dass sich schnellst möglichst darum gekümmert wurde. Während er theatralisch die Augen verdrehte, fummelte seine Begleitung ihm ungeniert an der Krawatte herum und himmelte ihn verträumt an.

Mein Blick schweifte rüber zur Theke, an der Hannah die Nase rümpfte und den beiden einen angewiderten Blick zuwarf. Kopfschüttelnd widmete sie sich anschließend wieder dem Trockentuch in ihrer Hand und wischte über das dunkle Holz.

„Mir kommt das Frühstück gleich wieder hoch, wenn ich mir das noch länger angucken muss", sprach ich, als ich das Tablett unsanft auf die Theke stellte.

Hannah nickte zustimmend, ohne den Blick von der Anrichte zu nehmen: „Ich kann es nicht oft genug sagen, aber ich bin froh, dass ich nur drei Stunden am Tag hier sein muss. Wie du das Tag für Tag hier aushältst, ohne das Handtuch zu schmeißen, ist mir immer noch ein Rätsel."

Manchmal beneidete ich Hannah dafür, dass sie studierte und nur nebenbei im Cafe aushalf. Von Zeit zu Zeit fragte ich mich, wohin mein Weg mich wohl geführt hätte, hätte ich studiert. Doch ich war zufrieden, so wie es war. Das Cafe war mein zweites Zuhause, auch wenn es nicht genau das war, was ich mir immer gewünscht hatte.

„Frag mich was Leichteres", seufzte ich und lehnte mich für einen kurzen Augenblick an die Theke, bevor ich weiter sprach. „Die Turteltauben an Tisch Sieben warten übrigens auf ihren Tee. Ich will dich nicht hetzen, aber wenn Blicke töten könnten, könntest du mich jetzt vom Boden kratzen." Sie verstand sofort, ließ das Trockentuch sinken und drehte sich um, um eine frische Kanne Tee zuzubereiten, die ich dann wenige Minuten später mit dem freundlichsten Lächeln das ich gerade zustande bringen konnte, an den Tisch brachte.

„Das wurde auch Zeit", stöhnte die blonde Ziege und schüttete sich elegant eine Tasse Tee ein. Gegenüber beschwerte sich Meister Proper über den bescheidenen Service und gab seinen Senf dazu: „Als man mir dieses Cafe empfohlen hat, habe ich mir wirklich mehr erhofft." Er wischte sich hastig mit der gelben Serviette über die glänzende Stirn und fächelte sich anschließend mit der Speisekarte Luft zu.

Sein Kopf glich eher einer glänzenden Bowlingkugel und gleichzeitig fragte ich mich, warum das auffällige Make Up seiner Freundin bei der Hitze nicht schon längst einen Abgang gemacht hatte. Es war wirklich furchtbar warm hier drin. Mrs Clark hatte es anscheinend mal wieder zu gut gemeint und versuchte uns nun alle samt bei lebendigem Leibe zu garen. Sie hingegen stand freudestrahlend, eingehüllt in eine dicke graue Strickjacke, ein paar Tische weiter und unterhielt sich mit der jungen Frau, die jeden Samstag hier her kam und nach zwei Cappuccino mit extra viel Sahne wieder verschwand.

Eigentlich fühlte ich mich ziemlich wohl hier. Das einzige Problem war, dass Mrs Clark eisern an ihrer Routine festhielt. Als sie mich damals eingestellt hatte, hatte ich mir erhofft meiner Kreativität freien Lauf zu lassen und hin und wieder bunte Törtchen und kleine verzierte Cupcakes zuzubereiten, die wir dann im Laden verkauften. Aber im Gegensatz zu mir fand die alte Mrs Clark die Ideen, die ich ihr Anfangs noch fröhlich präsentierte, alles andere als abwechslungsreich und interessant. Viel mehr schüttelte sie lächelnd den Kopf, klopfte mir auf die Schulter und ließ mich wissen, dass es die letzen Jahre auch so funktioniert hatte und man keine albernen, bunten Kuchen brauchte, um erfolgreich einen Laden zu führen. So fügte ich mich meinen Schicksal, stand nun fast tagtäglich in aller Hergottsfrühe in der kleinen Küche und machte jeden Tag den gleichen langweiligen Apfelkuchen, öde Sandwiches und den Kaffee, der mir mittlerweile zum Hals raus hing. Jedoch verdiente ich hier gutes Geld und ich sah darüber hinweg, dass ich mich nicht hundert prozentig ausleben durfte. Ich war froh, dass ich ein fester Bestandteil des Cafes war. Mit Mrs Clark kam ich immer äußerst gut zurecht und durch Hannahs Anwesenheit wurde es hier nie langweilig. Die Stammkundschaft bestand größtenteils aus Senioren oder Familien. Wirklich modern und angesagt war es hier nicht, doch das kam mir zugute, denn ich hatte nicht wirklich viel mit Teenagern am Hut. Keine Gespräche über jugendlichen Leichtsinn und den neusten Klatsch und Tratsch, stattdessen nette Damen mit Filzhüten und flotten Sprüchen.

„Miss? Sind Sie schwerhörig? Wir würden gerne zahlen", riss mich die nervende Stimme der Blondine abrupt aus meinen Gedanken und sie winkte mir hektisch mit ihren perfekt manikürten Fingern vor der Nase herum. Kommentarlos machte ich auf dem Absatz kehrt und ging im Stechschritt zurück zur Theke, um die Rechnung zu holen.

„Nur noch eine halbe Stunde, dann kannst du in deinen wohlverdienten Urlaub", munterte Hannah mich auf. "Hast du was geplant, oder verkriechst du dich wieder in deinem Bett, stopfst dich mit Eis und Chips voll und überlegst, welchem Serienmarathon du dich hingebungsvoll widmen sollst?"

„Du kennst mich einfach zu gut."

„Mal im Ernst, Charlie, du solltest wirklich mehr unternehmen. Das Angebot von letzter Woche steht noch, weißt du?" Erwartend wackelte sie mit ihren Augenbrauen und starrte mich hoffnungsvoll an.

Sie hatte zig mal versucht mich zu irgendwelchen Parties mitzuschleppen, aber im Gegensatz zu ihr, war das einfach nicht mein Ding.

„Danke, aber ich verzichte." Ich riss ihr grinsend die Rechnung aus der Hand und fuchtelte damit vor ihrem Gesicht herum. "Wenn ich daran denke, wie oft du verkatert zur Arbeit kommst, dann verschimmel ich lieber in Ruhe und Frieden vor meinem Fernseher." Mit diesen Worten ließ ich sie verdattert stehen, zwang mich zu einem weiteren überfreundlichem Grinsen und legte dem Glatzkopf an Tisch Sieben die Rechnung vor die Nase.

Nachdem er seiner überaus reizenden Begleitung in den knatschroten Mantel geholfen hatte, verließen sie gemeinsam das Cafe und ich zählte in Gedanken langsam bis Zehn, als ich das mickrige Trinkgeld auf dem Tisch liegen sah.

Langsam leerten sich die Tische und auch ich entspannte mich wieder. Zur Weihnachtszeit war hier einfach die Hölle los. Alle waren überaus freundlich und zuvorkommend zueinander, die Menschen lächelten sich ununterbrochen an und der klebrige Lebkuchen von Mrs Clark verkaufte sich hervorragend. Überall stapelten sich die Einkaufstüten, der Duft von Zimt lag in der Luft und vor den kleinen Fenstern des Cafes fielen dicke Schneeflocken vom Himmel.

Doch all das reizte mich nicht. Nicht mehr.

Als Kind war die Weihnachtszeit immer meine Lieblingszeit im Jahr gewesen, doch mittlerweile hatte Weihnachten für mich all seine Magie verloren. Das traute Zusammensein mit der Familie machte Platz für den Alltag und man machte sich in letzer Minute auf den Weg, um Geschenke zu suchen, die nach spätestens ein paar Wochen sowieso in der Ecke herum lagen und nie wieder angefasst wurden. Die Hektik und der Stress saßen einem in den Knochen und spätestens nach den Feiertagen setzte man sich das Ziel, nächstes Jahr viel früher mit allem anzufangen, rechtzeitig das Haus zu dekorieren und bereits im Herbst anzufangen nach ein paar passenden Geschenken Ausschau zu halten. Doch im Endeffekt war es jedes Jahr das Gleiche.

Ungeduldig räumte ich das Geschirr von den Tischen und schob die Stühle zusammen, als Mrs Clark mich endlich erlöste und beinahe eigenhändig aus dem Cafe schob. Durch die Glastür winkte ich Hannah ein letztes mal zu, wickelte mir den Schal fest um den Hals und machte mich auf den Weg zu meinem Auto, das ich einige Häuser weiter weg geparkt hatte. Mein kleiner schwarzer Polo hatte seine besten Jahre zwar schon hinter sich, aber solange er mich zuverlässig und nicht all zu laut schnaubend zur Arbeit und zurück brachte, hatte ich keinen Grund mich zu beschweren. Die Straßen waren wie leer gefegt, eine dünne Schneeschicht bedeckte den Asphalt und hin und wieder zierten bunte Lichter die Vorgärten der Nachbarschaft. Es wurde allmählich dunkel, als ich in unserer Einfahrt parkte.

Als ich den Schlüssel im Schloss rumdrehte und die Tür öffnete, wurde ich empfangen von einem unglaublichen Lautstärkepegel, der mir fast das Trommelfell sprengte. Hastig hing ich meinen Mantel am Haken im Flur auf und stiefelte ins Wohnzimmer. Dort stand Mason auf dem Couchtisch und klimperte unbeholfen auf den Saiten einer schwarzen E-Gitarre herum. Ein Verstärker stand auf dem Teppich neben ihm und es wunderte mich, dass die Teelichtgläser im Umkreis von fünf Metern noch nicht in alle Einzelteile zersprungen waren. Entschlossen stürmte ich auf ihn zu und drehte die Lautstärke runter: „Was zur Hölle ist hier los?"

„Ist das nicht cool? Grandma hat mir die geschenkt!" Freudestrahlend sah mein kleiner Bruder mich an und grinste bis über beide Ohren. Anschließend ignorierte er meinen verwunderten Gesichtsausdruck, stellte die Lautstärke wieder höher und hampelte auf dem Tisch herum.

„Wo ist Mum?", versuchte ich gegen den Lärm anzubrüllen und er nickte Richtung Küche, in der ich sie auch fand und kurzerhand die Tür hinter mir schloss.

„Haben wir Grandma irgendwas getan, dass sie uns so bestraft? Waren wir nicht artig? Haben wir dieses Jahr ihren Geburtstag vergessen oder einmal zu wenig angerufen?", platzte es aus mir heraus und ich setzte mich stöhnend zu meiner Mutter an den Tisch. Ohne vom Tisch aufzusehen schnippelte sie die Paprika auf dem Holzbrett vor ihr weiter in kleine Würfel und zuckte abwesend mit den Schultern. „Ich meine, Weihnachten ist doch erst in ein paar Tagen, oder hab ich irgendwas verpasst?", fügte ich hinzu und nahm wie selbstverständlich das zweite Brett und ein Messer in die Hand um ihr zu helfen.

„Sie war vorhin kurz da um die Geschenke dazulassen. Sie hat irgendwas davon gesagt, dass sie mit Grandpa spontan auf die Bahamas fliegt um den Feiertagsstress hinter sich zu lassen, bevor sie irgendwann alt und verkümmert sind und sie nichts anderes mehr tun können, als im Park Enten zu füttern", sprach sie gelassen und schob die Paprikastücke in die große Glasschüssel in der Mitte des Tisches.

Ein kleines Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen, als ich mir vorstellte, wie Grandma in ihrem auffällig gepunkteten Badeanzug am Strand lag, einen Cocktail schlürfte und sich gemeinsam mit meinem Grandpa über die viel zu kurzen Badehöschen der Touristen aufregte. Dass die beiden einfach so für eine Zeit verschwanden, war für uns nichts Neues. Ich zählte schon gar nicht mehr mit, wie oft Grandma mit Lastminute-Flugtickets vor unserer Nase herumwedelte und stolz verkündete, sie würde für eine Zeit mit Grandpa aus dem Staub machen.

„Bleibt immer noch die Frage, warum die beiden einem achtjährigen, ohne jegliches Taktgefühl, eine E-Gitarre schenken", unterbrach Mum meine Gedanken.

„Ich hab ja gesagt, sie will uns für irgendwas bestrafen", erwiderte ich und versuchte das schreckliche Gerumpel und das ohrenbetäubende Geräusch im Nebenzimmer auszublenden. Routiniert schnitten wir den Rest des Gemüses in kleine Würfel für den Salat und ich deckte anschließend den Tisch.

„Du brauchst nur für uns drei zu decken, Amy schläft heute bei einer Freundin," verkündete meine Mutter und ich starrte sie ungläubig an. Meine kleine Schwester hatte noch nie bei irgendjemandem übernachtet, geschweige denn hatte ich je eine von ihren Freundinnen kennengelernt. Das sah ihr gar nicht ähnlich und innerlich ärgerte ich mich darüber, dass ich in den letzten Wochen kaum Zeit mit ihr verbracht hatte.

„Und welche Freundin? Hast du sie kennengelernt?", wollte ich wissen.

„Keine Ahnung, das hat sie nicht gesagt", teilte Mum mir unverblümt mit und legte behutsam die Spaghetti ins kochende Wasser.

„Bin ich die einzige, die sich ein bisschen Sorgen macht? Ich meine, hast du sie wenigstens hingefahren um sie abzusetzen?" Meine Stimme schnellte einige Oktaven in die Höhe und ich wurde unbeabsichtigt nervös. Ich wäre bei diesem Augenblick einfach furchtbar gern für sie da gewesen.

„Entspann dich einfach, Charlie. Ihr geht es gut, sie ist kein kleines Kind mehr." Mum verdrehte die Augen und widmete sich wieder dem Herd. Sie hatte gut reden. Ich nahm mir vor ihr nachher eine Nachricht zu schreiben um sicher zu gehen, dass es ihr wirklich gut ging und um nach der Telefonnummer der Familie ihrer Freundin zu fragen.

Abrupt hörte Mason im Nebenzimmer auf zu spielen und ich hörte ihn quer durch das Wohnzimmer stapfen, bis er anschließend die Küchentür aufriss und mir mein klingelndes Handy unter die Nase hielt. Einige Sekunden starrte ich auf das Display um es anschließend im meiner Hosentasche verschwinden zu lassen: „Wie hast du das eigentlich gehört bei dem Lärm?"

„Ich hab einen sechsten Sinn", verkündete Mason und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich hab auch gehört was ihr über Grandma gesagt habt und ich hab sehr wohl Taktgefühl," empörte er sich.

„Darüber reden wir, wenn du es jemals schaffen solltest ein ganzes Lied zu spielen", erwiderte ich grinsend. Er streckte mir seine Zunge raus und ließ sich beleidigt auf die Eckbank am Küchentisch fallen.

„Wer hat angerufen?", wollte meine Mum wissen und sie musterte mich neugierig.

„Tom. Er will wahrscheinlich, dass ich heute einspringe, aber das kann er vergessen. Ich hab Urlaub." Das ließ ich mir von niemandem nehmen. Auch nicht von Tom, der eigentlich zur Familie gehörte und nach dem Tod meines Vaters seine heißgeliebte Kneipe übernommen hatte. Gelegentlich half ich ihm aus wenn alle Stricke rissen. Hin und wieder blieb ich bis spät in der Nacht, spülte die Gläser, schenkte reichlich Bier aus und stellte die Stammgäste zufrieden.

Als mein Handy nochmal klingelte und ich stöhnend auf das Display hinab sah, ermutigte meine Mutter mich dazu ranzugehen.

Charlie?" Tom wirkte eigenartig gestresst und er atmete schwer durch den Hörer. Ich konnte die pochende Ader auf seiner Stirn förmlich vor mir sehen. „Du weißt, dass ich nicht anrufen würde, wenn es nicht wichtig wäre. Hier ist der Teufel los, ich bin allein. Meinst du, du könntest für ein paar Stunden einspringen?" Bevor ich jedoch irgendwas erwidern konnte, setzte er hinzu: „Ich weiß, du hast Urlaub. Aber ich flehe dich an. Hier geht gerade alles drunter und drüber."

Es dauerte keine fünf Minuten, da hatte ich meinen Mantel bereits angezogen und die Schlüssel in der Hand. Ich stapfte durch die dünne Schneeschicht die zwei Straßen zur Kneipe und wurde von Tom empfangen, der wild mit den Armen in der Luft rumfuchtelte, als er mich sah.

Ich konnte Tom wirklich gut leiden, er war der beste Freund meines Vaters gewesen und ein unglaublich zuverlässiger Zeitgenosse. Wenn Mum oder ich verhindert waren, holte er wie selbstverständlich Amy und Mason von der Schule ab, oder griff uns unter die Arme, wenn bei uns Zuhause das Chaos ausbrach. Tom war für einen Mann ziemlich klein, er überragte mich nur um wenige Zentimeter und ich war gerade mal knapp eins sechsundsechzig. Außerdem geriet er immer viel zu sehr ins Schwitzen wenn er gestresst war, was vermutlich daran lag, dass er zu neunzig Prozent in der Kneipe wohnte und seit dem mein Vater nicht mehr da war, er alles allein managte. Da blieb kaum Zeit für sportliche Aktivitäten und es war nicht verwunderlich, dass er immer rundlicher wurde und seine Hemden mittlerweile ziemlich am Bauch spannten.

„Du hast was gut bei mir", sagte er erleichtert und schloss mich in eine kurze Umarmung. Ich musste unweigerlich grinsen, als ich sah, wie rot sein Gesicht angelaufen war. Schweiß stand ihm auf der Stirn und sein blaues Hemd war furchtbar zerknittert. Gestresst lief er schnurstracks hinter die Zapfsäule und füllte hastig ein paar Gläser mit Bier. Immer wieder tupfte er sich mit seinem Stofftaschentuch über die Stirn oder fuhr sich mit den Fingern durch die pechschwarzen, kurzen Haare.

Als ich meinen Mantel achtlos über einen der wenigen freien Hocker an der Bar schmiss, ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Er hatte wirklich nicht übertrieben. Die Bar war regelrecht überfüllt. Neben den bekannten Gesichtern die schon seit Jahren hier her kamen, hatten sich einige unbekannte gesellt und alle quasselten fröhlich durcheinander.

Schon früher war ich gerne hier her gekommen. Die Bar war der ganze Stolz meines Vaters gewesen und er hatte mich immer mit hier her genommen, wenn meine Mum sich mit ihren Freundinnen traf. Zugegeben war das kein Ort an dem man seine minderjährige Tochter mitnahm, aber ich habe es genossen mich auf die Theke zu setzen, einen Kirschsaft zu schlürfen und gespannt den Geschichten meines Dad's und seinen Freunden zu lauschen. Seine Geschichten waren die reinsten Abenteuer und auch als er zum zehnten Mal die Geschichte erzählte, als er in sich Kanada fast mal mit einem ausgewachsenen Wildschwein angelegt hatte, hing ich gebannt an seinen Lippen. Ob die ganzen Spinnerein der Wahrheit entsprachen, wusste ich bis heute nicht. Aber das war mir egal, solange er von seinen Reisen erzählte und seine Augen dabei vor Freude nur so strahlten hatte es für mich nichts Schöneres gegeben.

Und nun war alles, was von ihm blieb, ein paar Fotos an den Wänden und gerahmte Portraits seiner Idole. Von Elvis, über Johnny Cash, bis hin zu Buddy Holly. Ich erinnerte mich gerne daran, wie er die alte Jukebox angeschmissen hatte und gut gelaunt durch die alte Kneipe getanzt war. Früher war mir das oft peinlich gewesen, wenn er mich auf der Tanzfläche umherwirbelte. Jetzt würde ich alles dafür geben, noch einmal mit ihm herum zu albern oder mit ihm alte James Dean Filme zu gucken, so wie wir es früher oft getan hatten.

Fast blind bugsierte ich die schweren Biergläser durch die Bar, summte gelassen die vertrauten Lieder mit und schrieb zwischendurch eine Nachricht an Amy. Ich bat sie den Eltern ihrer Freundin meine Handynummer zu geben, damit sie mich erreichten wenn irgendwas sein sollte. Meine Mum würde mir sicher sagen, ich würde überreagieren, aber ich wollte einfach nur sicher gehen, dass ich für meine kleine Schwester da war, wenn irgendwas sein sollte.

Fast war ich enttäuscht als Tom mir mitteilte, dass ich gehen könnte, da die Kneipe sich kurz nach Mitternacht leerte und nur noch ein paar restliche Stammgäste verdächtig schwankend die Tische zur Seite rückten, um das alte Parkett kurzerhand zur Tanzfläche umzufunktionieren.

Geschafft machte ich mich auf den Heimweg. Es war still, weiter weg hörte man ein paar Autos hupen und Zuhause angekommen kämpfte mich mühevoll aus meinen Chucks, die ich nun mittlerweile seit geschlagenen siebzehn Stunden trug. Es war stockduster im Haus und ich war heilfroh, als ich mich stöhnend auf mein Bett fallen ließ. Meinen knurrenden Magen ignorierte ich gekonnt und ich streifte mir die Jeans über die Beine.

Gerade als ich die Augen schließen wollte, leuchtete das Display meines Handys auf das auf dem Nachttisch lag und der Vibrationston auf dem Holz ließ mich erschrecken. Ächzend streckte ich meinen Arm aus, riss unbeholfenen mit meiner Hand das Handy vom Nachttisch und stieß mir anschließend den Ellenbogen am Kopfteil meines Bettes. Stöhnend lehnte ich mich über das Bett um nach meinem Handy zu greifen, als ich die unbekannte Nummer auf dem Display sah.

Ich hasste es ranzugehen, wenn ich sie Nummer nicht kannte, doch wenn mich so spät nachts jemand anrief, dann musste es was wichtiges sein.

Bitte, lass Amy nichts passiert sein.

Hastig nahm ich den Anruf an und hielt mir das Handy ans Ohr, während ich unvorteilhaft halb über dem Bett hing und nach Luft schnappte.

„Ja?", meldete ich mich gepresst und versuchte krampfhaft das Gleichgewicht zu halten, um nicht unsanft auf den Boden zu knallen.

„Charlie? Gott sei Dank, du bist noch wach. Du musst uns helfen, wir stecken irgendwie in der Klemme."

„Ed?"

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