Kapitel 5
• J O S H •
Mit einem mulmigen Gefühl klingle ich an der Haustür meiner Eltern.
Alyssa, meine Halbschwester, rief mich heute Morgen an und erzählte mir unter Tränen, dass sich Dad und Kylie ständig streiten würden.
Und das, obwohl die beiden wie ein Herz und eine Seele sind.
Da ist irgendwas faul.
Als die Tür geöffnet wird, blicke ich in das überraschte Gesicht meiner Stiefmutter. "Liebling, was machst du denn hier?" Sie macht einen Schritt zur Seite, damit ich reinkommen kann.
"Brauche ich denn einen Grund, um meine Familie zu besuchen?" "Natürlich nicht!", sie umarmt mich, "Ich freue mich, dich zu sehen."
Obwohl Kylie mich nicht auf dir Welt gebracht hat, ist sie immer meine Mutter gewesen. Ich kannte es nicht anders. Als sie und Dad geheiratet haben, war ich noch recht klein.
"Wollen wir in die Küche gehen?" Ich folge ihr in den besagten Raum und setze mich an den Tisch, während sie die Kaffeemaschine anwirft.
"Wie läuft es bei dir, Josh? Gibt es etwas Neues?" "Nicht wirklich. Ich schlage mich so durch im Leben."
Mein Vater war damals enttäuscht, als ich ihm sagte, nicht studieren zu wollen. Aber ich wusste nicht, in welche Richtung ich gehen wollte. Wozu also aufs College gehen?
Und nun arbeite ich schon seit langer Zeit im Club, bin damit auch sehr zufrieden. Mir gefällt der Lebenstil.
"Lass das nicht deinen Vater hören. Er regt sich dann nur wieder darüber auf, wie du es ausgedrückt hast." Augenzwinkernd stellt sie mir eine qualmende Tasse vor die Nase und gesellt sich dann neben mir an den Esstisch.
"Wie geht es Tristan?", erkundigt sie sich und pustet in ihren...Tee? "Er ist glücklich, seinen Gavin zu haben-" "Kaum zu glauben, dass ihr euch mal um einen Mann streiten würdet." Lachend schüttle ich den Kopf. "Also bitte! Das hätte ich mir auch niemals ausgemalt. Aber ich denke, so wie es jetzt ist, ist es ganz gut. Die beiden passen wirklich gut zusammen."
Ich mustere meine Stiefmutter. Irgendwas ist anders. Sie wirkt verändert. Unter ihren Augen zeichnen sich leichte Augenringe ab. Die eigentlich jung gebliebene Frau sieht ziemlich mitgenommen aus.
"Sag mal, Kylie. Wie geht es dir eigentlich?" "Warum fragst du?" "Weil es mich interessiert. Du wirkst vollkommen fertig." Sie winkt ab. "Keine Sorge, es geht mir gut."
Wenn sie tatsächlich seit letzter Zeit ständig Streit mit unseren Vater hat, verstehe ich Alyssas Sorge.
Man sieht es unserer Mutter nämlich an, dass auf jeden Fall nichts gut ist.
"Lüge mich bitte nicht an. Wir sind doch unter uns", ich lege meine Hand auf ihre, "Mum, rede mit mir. Ich mache mir Sorgen um dich."
Seufzend weicht sie meinem besorgten Blick aus und fährt sich mit ihrer freien Hand durch das Gesicht.
"Mum-"
Unser Gespräch wird unterbrochen, als die Haustür geöffnet wird. Ich höre die Stimmen meiner Geschwister und meines Vaters.
"Mum, ist Josh hier?", ruft meine kleine Schwester aufgeregt durchs Haus. "In der Küche!", antworte ich stattdessen und stehe grinsend auf, als der Teenager einen Moment später erfreut auf mich zugelaufen kommt.
Sie fällt mir um den Hals. "Du bist endlich da, Bruderherz." "Ich habe dich auch vermisst."
Obwohl Colton und ich doppelt so alt sind wie Aly, verstehen wir uns phantastisch. Wir können unserer kleinen Schwester kaum einen Wunsch abschlagen. Das weiß sie natürlich auch.
Deshalb sollte sie sich nicht wundern, dass ich tatsächlich hier bin, nachdem sie mich angerufen hat.
Als wir uns voneinander lösen, umarme ich auch kurz meinen Stiefbruder zur Begrüßung, der offenbar auch von ihr herbestellt wurde.
"Wie geht's denn Kindern?", frage ich ihn nach meinen Neffen. Die beiden sind momentan ziemlich anstrengend, meinte er einmal, als wir miteinander telefoniert hatten.
"Sie wollen immer noch Grenzen austesten. Kinder halt."
"Jetzt, wo wir alle beisammen sind, können Mum und Dad endlich mit der Sprache rausrücken, warum sie ständig streiten!", ruft auf einmal Aly dazwischen und sieht abwartend zwischen den beiden hin und her.
Unser Vater stellt seufzend die Einkaufstaschen beiseite und legt seine Hände auf die Schultern seiner Frau.
"Es ist nicht sehr einfach, Schätzchen. Wir wissen selbst noch nicht, wie wir mit dieser Situation umgehen sollen." "Deshalb solltet ihr ja wohl erst recht mit uns reden!", erwidert sie gekränkt.
Colton und ich werden nun auch neugierig. "Wollt ihr euch etwa scheiden lassen?", wirft der ältere in den Raum. Kylie schnappt erschrocken nach Luft. "Großer Gott, nein! Darum geht es definitiv nicht." "Worum dann?"
Unsere Eltern schauen sich gegenseitig an - scheinen unter sich zu kommunizieren, was sie preisgeben wollen - und schließlich wenden sie sich ihren Kindern zu.
"Wir erwarten...Nachwuchs."
Meine Kinnlade fällt herunter. Damit habe ich nun gar nicht gerechnet.
"W-wie...ihr erwartet Nachwuchs?" Alyssa deutet auf Kylie. "Du bist sch-schwanger?" Diese nickt. "Wie kann das sein?" "Wir haben es definitiv auch nicht kommen sehen. Aber wir waren vor einer Woche beim Arzt und er hat es uns bestätigt."
"Und ihr habt gestritten, weil-" "Eure Mutter und ich haben darüber diskutiert, wie es nun weitergehen soll. Wir wollen uns allen nichts vormachen. Ein weiteres Kind in unserem Alter...das ist wirklich unwahrscheinlich."
Ich habe schon öfter davon gelesen, dass es immer mehr Ehepaare gibt, die mit fünfzig Jahren nochmal Kinder bekommen. Aber dass es meine eigenen betrifft, ist wirklich heftig.
Dieses Geschwisterchen könnte genauso gut mein eigenes Kind sein...
"Also...was macht ihr jetzt?", frage ich vorsichtig. Kylie erwidert meinen Blick. "Wir wissen es ehrlich gesagt nicht. Noch hätten wir die Möglichkeit einer, ähm-" "Ihr denkt darüber nach, abzutreiben?!" Der Teenager sieht fassungslos in die Gruppe.
"Schatz, eine Schwangerschaft in meinem Alter wird von Risiken begleitet, unter anderem einer Fehlgeburt-" "Aber-" "Ich würde vorschlagen, wir beruhigen uns alle erstmal", ergreift Colton das Wort. Wofür ich ihm mehr als dankbar bin.
Er hält seiner Mutter seine Hand hin, die sie ergreift. "Du solltest dich ein wenig ausruhen. Lege dich hin, Mum." Dad führt sie aus der Küche raus ins Wohnzimmer, Alyssa geht ihnen hinterher.
Wir Brüder bleiben noch geschockt zurück. Colton schließt die Tür und deutet dann auf die Einkaufstaschen. Ich mache mich daran, sie auf den Tisch zu hieven, als mein Handy klingelt. Tristan ruft an.
"Alter, wo bist du? Muss ich den Laden alleine schmeißen? Es muss noch so viel vorbereitet werden!", fragt er ihnen jegliche Begrüßung. Seufzend reibe ich mir die Stirn. "Sorry, Tris. Ich bin bei meinen Eltern." Er wird hellhörig. "Ist etwas passiert?" "Irgendwie. Es ist schwer zu erklär-"Eine Tür wird zugeknallt.
"Gott, dieser Typ denkt echt nur mit seinem Schwanz!"
Das war eindeutig Gavin.
"Warte mal kurz", bittet mich Tristan und wendet sich dann seinem Freund zu. Ich versuche erst gar nicht, wegzuhören.
"Was ist denn los?"
"Erinnerst du dich an den jungen Kellner im Café, wo wir gestern waren? Travis hat ihn abgeschleppt!"
Das...ernsthaft?!
"Bist du sicher?"
"Ich habe vorhin mit ihm telefoniert. Und da war er gerade dabei, diesem Jungchen Frühstück zu machen."
Frühstück also? Das klingt nicht wirklich nach etwas...einmaliges.
Oder macht man das heutzutage so? Mit einem One Night Stand frühstücken?
Ich bin oftmals davor verschwunden, also weiß ich es nicht.
"Ihm war es auch vollkommen egal, dass ich mir Sorgen gemacht habe, weil er auf keine meiner Nachrichten geantwortet hatte! Ich hasse diesen Kerl manchmal", meckert Gav weiter.
Im Augenwinkel sehe ich, dass mein Bruder mich neugierig beobachtet. Wahrscheinlich deshalb, weil ich zwar telefoniere, aber nichts sage.
"Mache dich nicht verrückt, Babe. Setze dich an die Bar, ich mache dir erstmal Kaffee", meint nun Tristan. Ein paar Sekunden herrscht Stille, dann ertönt seine Stimme wieder in der Leitung.
"Josh?" "Er hat ernsthaft mit diesem Teenager geschlafen?", kommt es über meine Lippen, bevor ich es kontrollieren konnte. "Er war sicherlich schon volljährig. Außerdem kann Travis tun, was er will. Er geht schließlich niemandem fremd und...okay, ob er jemandem wehtun würde, das könnte ich mir durchaus vorstellen."
Boshaft lache ich auf, ernte dafür nochmals die Aufmerksamkeit von Colton, der sich mittlerweile ein Bier gönnt.
Dieser Anblick lässt mich augenblicklich an Travis denken, er erscheint vor meinen Augen, was mich nur noch wütender macht.
"Als ob dieser Idiot die Macht über die Gefühle eines Menschens hätte..."
Das ist ja lächerlich.
Travis interessiert sich für niemanden mehr als für sich selbst. Mich wundert es sowieso, dass er irgendwelche soziale Kontakte hat, so wie er sich immer wieder aufführt.
"Körperlich, Josh. Dass er jemanden durch Gewalt verletzen würde." "Achso...ja, das glaube ich auch", meine ich und beiße mir auf die Unterlippe.
Mir gehen die Bilder von ihm und dem Kellner nicht aus dem Kopf.
Natürlich habe bemerkt, wie die beiden gestern miteinander geflirtet haben. Und das hat mich auch nicht weiter interessiert.
Travis kann machen, was er will.
Aber er muss sowas nun wirklich nicht vor mir machen, das ist ekelhaft. Vor allem, wenn es mir einen Denkzettel geben sollte, dass er jeden haben könnte.
Deshalb hat er es sicherlich gemacht.
Und ich sollte ihm echt nicht noch in seinem Glauben recht geben, dass mich irgendwas davon interessiert.
"Hör mal, Tris. Colton braucht meine Hilfe bei etwas. Ich melde mich nachher bei dir, wenn ich losfahre." "Alles klar. Bis später. Und grüße deine Familie von mir."
Mit einen genervten Grunzen lege ich auf und werfe mein Smartphone auf die Ablagefläche.
"Du hättest ruhig weiter telefonieren können. Es wurde gerade so spannend", zieht mich mein großer Bruder auf. "Was meinst du?"
"Dich scheint es ja ganz schön zu nerven, dass irgendwer mit einen...Teenager geschlafen hat?" Er lehnt sich interessiert an den Kühlschrank und beäugt mich.
Wenn er jetzt auch noch mit irgendwelchen Behauptungen anfängt, werfe ich mich vor den nächsten Bus.
"Es gibt da bloß einen Kerl, den ich nicht ausstehen kann-" "Ist das so?" "Warum fragst du so dämlich?", fahre ich ihn an und wende mich der Einkaufstüte zu, mache mich daran, sie auszupacken.
"Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man fast denken, dass du eifersüchtig bist."
In mir wächst der Drang, ihm dieses absolut dämliche Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen.
"Ich glaube, dir ist das Bier jetzt schon zu Kopf gestiegen", meine ich augenverdrehend, um meine Aussage zu untermauern.
Auch wenn mein Inneres es nicht leugnen konnte, dass er Recht hat. Und das ist ihm durchaus bewusst, so wie er grinst.
Gott verdammt, wer war er? Die Katze von Alice im Wunderland?
Mich quält auch nicht die Eifersucht deshalb, weil er nach mir so schnell jemand anderes gefunden hat.
Es ist schwer zu erklären, was in mir vorgeht...
Ein kleiner Einblick in das Familienleben von Josh 🙃
Der arme Josh...hat nur Stress.
Er kann mit diesem Gefühlschaos nicht umgehen 😅
Aber...er ist definitiv eifersüchtig 😏 Ob er es wahrhaben will oder nicht 😂
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