Kapitel 2
• J O S H •
Ich hole aus und schleudere meinem besten Freund meinen Drink ins Gesicht.
Normalerweise neige ich nicht zu Wutausbrüchen. Ich würde sogar sagen, dass ich ziemlich friedvoll bin und einen kühlen Kopf bewahren kann. Doch dieses Mal ist es nicht so.
Aus Reflex werfe ich das Glas hinterher.
"Josh!", schreit Tristan empört und duckt sich gerade noch rechtzeitig. Das Glas zerbricht geräuschvoll an der Wand hinter ihm.
"Was habt ihr euch bei euren bescheuerten Aktion eigentlich gedacht?", rufe ich wütend aus und wende mich ab, um mir einen neuen Drink zu mischen. Der Dunkelhaarige wischt sich währenddessen den Whiskey aus dem Gesicht.
"Kein Grund, so auszurasten. Außerdem war es Gavins Idee", meint er und setzt sich an die Bar. Anstatt mir nach Feierabend beim Aufräumen zu helfen, kommt der werte Herr extra später, um sich auszuruhen.
Es ist ja nicht so, dass ich die Nacht gearbeitet habe und nun erschöpft bin.
"Das ist nicht dein beschissener Ernst, Tris. Mir ist es scheißegal, wessen blödsinnige Idee das war! Du hättest ihn schließlich aufhalten können. Immerhin weißt du, wie sehr ich diesen Travis hasse!"
Als ich gestern Morgen wach wurde, war Travis bereits verschwunden. Ich habe auf der Couch übernachtet, wollte so viel Abstand von ihm nehmen wie möglich.
Das, was zwischen uns passiert ist...ich kann nicht erklären, wie es dazu kommen konnte. Selbst wenn es nur Sex war, warum haben wir uns dazu verführen lassen?
Sicherlich nicht, weil es der beste Zeitvertreib war in dieser Situation.
Mein Verstand hat sich in diesem Moment einfach so verabschiedet. Es ist nicht so, dass ich ihn nun weniger unsympathisch finde. Da hat sich nichts geändert.
Aber an diesem Tag wollte ich ihn für mich haben. So absurd das auch klingt.
"Ist denn etwas passiert?" Tristan reißt mich aus meinen Gedanken. Augenblicklich schüttle ich den Kopf. "Was soll denn bitte passiert sein? Denkst du etwa, dass wir beide, ähm, du weißt schon..."
Ich kann es nicht aussprechen. Nicht einmal mehr daran denken will ich.
Mein bester Freund lacht. "Um ehrlich zu sein, das täte euch beiden sicherlich ganz gut, euch gegenseitig die Klamotten von euren Leibern zu reißen", unbemerkt schlucke ich den großen Kloß in meinen Hals herunter, "Aber ich kenne dich. Du würdest Travis wahrscheinlich nicht einmal mit der Kneifzange anfassen. Wenn du einmal jemanden nicht leiden kannst, ändert sich deine Meinung nicht mehr so schnell."
Wenn es doch aber so ist, wieso habe ich dann...Man, scheiße!
Seufzend kippe ich den gesamten Inhalt meines Glases hinter, verziehe dann das Gesicht, als es im Hals brennt.
Als ich ihn anschaue, mustert mich Tris skeptisch. "Waren die Stunden mit ihm alleine so schlimm, dass du sie nur noch durch Alkohol vergessen kannst?"
Vergessen. Verdrängen. Aus meinem Gedächtnis verbannen.
Anstatt ihm zu antworten, stelle ich ihm einen Eimer mit einem Lappen vor die Nase. "Weniger quatschen, mehr putzen." "Josh-" "Beweg deinen Arsch, alter! Ich möchte heute noch nach Hause und schlafen."
Ich verschwinde im hinteren Teil, um seinen Fragen zu entkommen.
Was Travis und ich getan haben, sollte nicht mehr erwähnt werden. Ich will wirklich nicht einmal mehr daran denken.
Nach etwa einer halben Stunde, die ich die meiste Zeit weit weg von Tristan und seinen Fragen verbracht habe, höre ich ihn mit jemand sprechen. Augenblicklich habe ich ein ungutes Gefühl.
Jemand ruft nach mir. Reflexartig sehe ich mich nach einem Versteck um. Doch bevor ich im Schrank verschwinden kann, stößt Gavin die Tür auf.
"Was versuchst du da zu tun?", fragt er skeptisch und mustert mich, wie ich mit nur einem Bein im Schrank stehe. "Ähm, ist unwichtig", schnell steige ich raus, "Was machst du hier?" "Ich wollte euch zu einem schönen Brunch einladen." "Musst du nicht arbeiten?" Er winkt ab. "Solange ich einen guten Job mache, kann ich arbeiten, wann ich will."
Mein Freund verschränkt die Arme vor der Brust, blickt mich an, als ob er irgendwas von mir wollte. "Was ist?" "Du bist irgendwie komisch. Hast du etwas?" "Nein, ich...bin nur müde. Von der Nachtschicht. Wollte eigentlich gleich nach Hause-" "Ach komm schon, Josh", schmollend kommt er auf mich zu, "Bitte bitte! Tue es für mich."
Ich lache auf. "Nachdem du mich mit deinem tollen Freund über Nacht eingesperrt hast, bin ich dir überhaupt nichts schuldig, Idiot." "So schlimm war es doch gar nicht. Du hast friedlich auf der Couch geschlafen. Und außerdem hast du meine schöne Vase kaputtgemacht! Also bist du mir sehr wohl etwas schuldig."
Das Ding war sowieso hässlich.
"Komm schon. Travis und Tristan warten schon." Bei der Erwähnung seines Namens spanne ich mich unwillkürlich an. "Travis ist auch hier?" "Wir sind zusammen gekommen. Und er muss auch bald auf der Baustelle sein, also sollten wir jetzt los..." Unfähig, mich selbst zu bewegen, lasse ich es zu, dass er mich hinter sich herzieht.
Und da ist er. Der Afroamerikaner ist mit seinem Smartphone beschäftigt, hat mich also bisher noch nicht bemerkt. Oder aber er ignoriert mich.
Während Gavin sich zu seinem festen Freund gesellt und dieser ihm lächelnd einen Kuss auf die Wange drückt, stehe ich hier wie festgewurzelt. Mein Atem weicht aus meiner Kehle, als sich unsere Blicke treffen.
Die Ursache meines stetig wachsenden Dranges, ihm nicht zu begegnen, ist ganz einfach der Tatsache geschuldet, dass ich diese Gefühle, die allein sein Anblick bei mir auslösen könnte, hasse.
Ich verabscheue das Kribbeln in meinem Bauch, das sich weniger wie Flügelschlagen eines Schmetterlings anfühlt, als mehr wie tausende Ameisen auf ihren jährlichen Wandertag. Es ist unangenehm!
Und ich verfluche es, dass meine Augen wie automatisch den Raum nach ihm absuchen, bis sie ihn gefunden haben, nur um dann wieder wegzuschauen. Ich hasse es, ich hasse all das!
Es ist doch immer noch Travis, ein totaler Mistkerl. Ich werde ihn sicherlich jetzt nicht mit anderen Augen sehen, nur weil wir miteinander geschlafen haben.
Immerhin gehe ich ihm offensichtlich auch so ziemlich am Arsch vorbei.
"Wollen wir dann los?", fragt Tristan. Hand in Hand gehen er und Gavin Richtung Ausgang. Travis folgt ihnen, ohne mich weiter zu beachten.
Idiot.
Ein guter Liebhaber wäre er definitiv nicht! Erst reißt er jemandem den Arsch auf und lässt ihn danach einfach fallen. So einer ist er! Ihm ist es wahrscheinlich vollkommen egal, wie sich sein Freund fühlen würde...
Moment. Ich sollte mir darüber nun wirklich keine Gedanken machen.
Schließlich bin ich kein pubertärer Teenager, der nun bockig ist, nachdem er einen One-Night-Stand hatte. Nein, ich bin ein durch und durch reifer Mann - erwachsen, gutaussehend - verdammt, ich könnte jeden haben!
Er interessiert mich also absolut nicht.
Nun zufrieden mit mir selbst setze ich mich auch in Bewegung, krame auf dem Weg nach draußen den Schlüssel für den Club aus meiner Hosentasche. Nachdem ich abgeschlossen habe, werfe ich ihn Tristan zu, der ihn verwirrt fängt.
"Du denkst doch nicht ernsthaft, dass ich das alleine aufräume. Du bist zu spät gekommen, deshalb musste ich schon anfangen. Also erledigst du nach dem Brunch den Rest-" "Aber ich wollte-" "Gavin kann auch gut ohne dich zurechtkommen", unterbreche ich ihn augenblicklich, als ich weiß, was er sagen will.
Brummend setzt Tris sich ins Auto. Als ich zusehe, wie Gavin um den Wagen zum Beifahrersitz geht, packt mich wieder ein Gefühl des Unwohlseins.
Falls er ebenfalls so denken sollte wie ich, lässt es sich Travis nicht anmerken. Er setzt sich kommentarlos nach hinten und knallt die Tür zu.
"Erwachsen. Du bist erwachsen, Josh Murray", wiederhole ich mehrere Male in meinem Kopf, während ich schließlich ebenfalls ins Auto steige.
Ich hatte, während ich das Kapitel geschrieben habe, die ganze Zeit über ein Schmunzeln auf den Lippen 😂
Josh macht sich so viele Gedanken darüber, Travis zu hassen.
Ihm sollte wohl klar sein, dass es garantiert nicht so verlaufen wird, wie er es sich denkt 😏
Und wie sieht es wohl in Travis aus? Wie fühlt er? Sicherlich macht er sich nicht so verrückt wie sein zukünftiger Blondie 😂
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