Kapitel 19
• J O S H •
"Das erste Mal, als ich dich sah, hätte ich nicht gedacht, dass du mir mal so wichtig sein wirst."
"Was sagst du da?"
"Es ist die Wahrheit, Josh. Ich mag dich."
Verdammt!
Ich habe es komplett versaut. Warum zur Hölle bin ich bloß aus dem Krankenhaus abgehauen? Travis hat mir seine Gefühle gestanden und ich habe nichts besseres zu tun, als zu flüchten, nachdem er eingeschlafen ist.
Ich bin so ein Idiot!
Der Afroamerikaner hat Bindungsängste. Es ist nichts, woran man nicht gemeinsam daran arbeiten könnte. Und Travis möchte mich bei ihm - an seiner Seite haben - das hat er deutlich gesagt.
Wie denkt er denn jetzt von mir? Nach all dem Theater würde ich niemals noch etwas mit jemandem wie mir zu tun haben wollen.
Kann ich ihm überhaupt noch unter die Augen treten?
Hinter mir fallen Holzbretter um, sodass ich aus meinen Gedankengang gerissen werde.
Colton und ich drehen uns zur selben Zeit zu Tristan um, der fluchend die Bretter gegen die gestrichene Wand aufstellt.
Er hilft uns dabei, das Babyzimmer für unser kommendes Geschwisterchen herzurichten, obwohl es bis dahin noch einige Monate sind.
Alyssa und Kylie haben die Einrichtung gekauft, sie wurde heute Vormittag geliefert. Seitdem arbeiten wir hier. Dafür haben wir uns extra frei genommen.
Allerdings scheint mein bester Freund mit seinen Gedanken woanders zu sein. Vorhin hat er sich den Hammer auf seinen Finger gejagt. Anstatt eine Pause einzulegen, wollte er aber gleich weiter machen.
Dass er und Gavin zur Zeit Stress haben, weiß ich bereits. Aber ich habe das Gefühl, dass noch etwas dahinter steckt, dass er so neben sich steht.
Und Colton scheint das genauso zu sehen, als er den Schraubenschlüssel weglegt und Tristan fragt: "Was ist mit dir los? Du bist mit deinen Gedanken ganz woanders."
"Ist egal", gibt dieser brummend von sich, kehrt uns aber noch den Rücken zu.
Mein Stiefbruder wirft mir einen verwunderten Blick zu, da ich aber auch keine Ahnung habe, zucke ich nur mit den Achseln.
"Haben du und Gavin euch wieder gestritten?", frage ich dieses Mal. Erst scheint es, als würde er nicht antworten wollen. Nach einem Moment der Stille wendet er sich uns zu und wirkt total mitgenommen.
"Wir legen eine Pause ein", meint er dann auf einmal, was mich schockiert nach Luft schnappen lässt. "Ist nicht dein Ernst?! Warum denn das?" "Josh, du hast es doch mitbekommen, es gibt in den letzten Wochen ständig Krach zwischen uns. So sollte eine Beziehung doch nicht sein!"
"Und wie soll es jetzt weitergehen?", möchte Colton wissen, der ebenso verwirrt wie ich zu sein scheint. Unser Freund rümpft die Nase. "Nun, er hat gestern die Wohnung mit ein paar Klamotten verlassen und ist wahrscheinlich zu Travis geflohen." Er spricht seinen Namen voller Verachtung aus, was mich zusammenzucken lässt.
"Was habt ihr denn alle mit diesem Kerl?" Colton verschränkt die Arme vor der Brust und lehnt sich gegen die Wand. "Weshalb hat er die Macht dazu, sich in eure Beziehung einzumischen? Ihr solltet da mal einen klaren Cut machen-" "Aber wir haben doch gar nicht-" "Tris, wie ich das als außenstehende Person beurteilen kann, ist es so, dass ihr definitiv ihm den Raum dazu gebt, ein Teil eurer Beziehung zu sein. Und das sollte nicht so sein."
"Das habe ich Gavin doch auch schon Dutzende Male gesagt!", ruft der Dunkelhaarige verärgert aus. "Aber er hat es immer zu verneint." "Wie ich das sehe, ist dieser Streit zwischen euch total dämlich. Vor allem ist es eine blöde Aktion von dir gewesen, deinen Freund gehen zu lassen."
Tristan sieht meinen Bruder verdutzt an, als könne er nicht verstehen, wie er so etwas sagen kann.
"Es ist jetzt auch nur mein Empfinden, Leute. Aber ich habe die beiden kennengelernt und kann schon behaupten, dass es offensichtlich ist."
"Was denn?"
"Ihr vier", er deutet auf uns beide, "steckt in einem ziemlichen Liebeschaos. Dich stört es, dass dieser Travis und Gavin sich so nahe sind. Es macht dich wahnsinnig eifersüchtig, obwohl die beiden einfach nur Freunde sind. Gavin scheint ein wirklich toller Fang zu sein, aber das rückt irgendwie bei dir in den Hintergrund. Warum auch immer. Du liebst ihn doch oder etwa nicht?"
"Natürlich! Was ist das denn für eine Frage?", entgegnet Tris säuerlich.
"Anstatt mit ihm vernünftig über alles zu reden, lässt du es aber zu, dass er zu seinem Exfreund geht. Und ja, er spielt eine große Rolle in Gavins Leben. Die beiden scheinen sich unglaublich wichtig zu sein. Aber ist dir auch noch etwas anderes aufgefallen?"
Sowohl mein bester Freund als auch ich warten darauf, dass Colton weiterspricht. Er wiederum sieht uns an, als wären wir Wesen von einem anderen Planeten.
Schließlich schüttelt er seufzend den Kopf, nachdem von keinem von uns eine Antwort zu erwarten ist.
"Ich habe echt nur mit Idioten hier zu tun, ey." Ich verfolge jede seiner Bewegungen, wie er nach den Schraubenzieher greift und ihn ein paar Male in die Luft wirft und dann gekonnt auffängt.
"Travis ist total verrückt nach Josh, verdammt!"
Mein Magen zieht sich bei diesen Worten zusammen. In meinem Inneren spielen meine Gefühle wieder einmal verrückt.
Wieder versuche ich gegen meine Schuldgefühle anzukämpfen, dass ich ihn habe alleine gelassen. Nicht einmal eine Nachricht habe ich hinterlassen.
"Es gab ja wohl Gründe, weshalb ich mich als seinen Lover ausgegeben hatte. Natürlich um zu testen, wie der Kerl darauf reagieren wird. Und er hätte mich am liebsten erwürgt, jedes Mal wenn ich Josh nur ein wenig zu nahe kam."
"Ja, aber-"
"Tristan, hör einfach auf, dir Dinge einzureden, die nicht wahr sind. Wirklich, so läufst du in die Gefahr, deinen wundervollen Freund zu verlieren. Gavin hat es nicht verdient, dass du ständig an ihm zweifelst."
"Das tue ich ja aber nicht! Ich vertraue lediglich Travis nicht."
Mein Bruder verdreht die Augen und wendet sich ab. Das Gespräch scheint für ihn vorbei zu sein, er geht seiner Arbeit weiter nach.
Bevor Tristan noch etwas sagen kann, meine ich: "Ich glaube, keiner von uns weiß auch, was die beiden verbindet. Sie haben Zeiten miteinander durchgestanden, die ihre Beziehung zueinander gestärkt hat. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich nochmal ineinander verlieben müssen. Ihre Freundschaft ist einfach nur verdammt stark."
"Aber wenn Travis so sehr an ihm interessiert sein soll, entschuldige Josh, warum behandelt er ihn dann immer wie den letzten Dreck und stößt ihn von sich, heh? Es ist ja nicht so, dass Josh es nicht versucht hat."
Colton geht nicht auf seine Worte ein, sondern schraubt seelenruhig an der Wickelkommode weiter.
Auf der Lippe kauend trete ich ein paar Schritte nach vorne und kratze mir nervös am Hinterkopf. "Ehrlich gesagt, hat Travis mir irgendwie seine Gefühle für mich gestanden..."
Zwei Augenpaare richten sich überrascht auf mich, was mich erröten lässt. Die beiden Männer sehen mich an, als könnten sie nicht glauben, was sie gehört haben.
"Moment. Travis hat dir gesagt, dass er dich liebt?"
Ich schüttle den Kopf. "Er meinte, er würde mich mögen, und dass ich ihm wichtig bin."
"Wann war das?"
"Vorgestern, als ich bei ihm im Krankenhaus geblieben bin. Da hat er es mir gebeichtet." Ein kleines Lächeln schleicht sich um meine Lippen. "Und er meinte, ich solle an seiner Seite bleiben. Das wünscht er sich."
Mein Bruder klatscht begeistert in die Hände. "Sie stehen also beide voll aufeinander! Warum überrascht es mich kein bisschen?"
"Aber warte", sagt Tristan, der mich verwirrt mustert, "Was soll das denn jetzt bedeuten?" Ich zucke mit den Achseln. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber eines weiß ich mit Sicherheit. Du solltest dich dringend mit Gavin aussprechen und vertragen."
Gäbe es Colton nicht, wären die beiden wirklich aufgeschmissen 😂
Er muss für Klarheit sorgen, die eigentlich so offensichtlich ist! 😥
Sie machen es sich aber auch unnötig schwer...
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