❀28
"Na, du hast schon verstanden. Ich habe uns grade einen Flug gebucht." Leon stand langsam auf und quetschte sich dicht an mir vorbei, in die Küche.
"Uns?" stieß ich noch immer total perplex hervor. Er wollte mich doch sicherlich auf den Arm nehmen.
Der Münchner hatte sich abgewandt, um seine Tasse in die Spülmaschine zu stellen.
"Ja. Uns." er betonte jedes Wort einzeln.
Ich hatte meine Finger so fest um meine Tasse gekrallt, dass ich Angst hatte sie würde jeden Moment platzen
"Aber...Warum?"
Leon zuckte mit den Schultern "Du brauchst sicherlich ein bisschen Unterstützung und ich hätte Ablenkung nötig. Klingt doch nach einem Deal, oder?" fragte er, nachdem er sich wieder zu mir gedreht hatte und sich an der Spüle anlehnte.
"Außerdem hast du noch knapp zwei Wochen, bis du deinen Job anfängst und ich muss ja auch noch über eine Woche aussetzen." schob der braunhaarige bekräftigend hinterher.
Seine Haare hingen Leon wirr in die Stirn. Sofort musste ich mich daran erinnern, wie es sich gestern angefühlt hatte meine Hände in ihnen zu vergraben.
Sie waren weich. An den enden lockten sie sich leicht und außerdem waren die Haare schon ein wenig zu lang geworden. Vor ein paar Tagen hingen sie ihm aufjedenfall noch nicht so sehr in der Stirn.
"Ist das ein Ja?" ich zuckte leicht zusammen. So sehr war ich schon in meinen Tagtraum verfallen.
"Ähm-" zögerlich schaute ich den Münchner an "Hab ich eine andere Wahl?"
Augenblicklich zogen sich seine Mundwinkel nach oben, ehe er sich räusperte "Nein. Eigentlich nicht."
°°°
"Wo ist nochmal die Schwimmweste?" panisch tastete ich die Fläche unter meinem Sitz ab. "Und der Notausgang?" ich wollte aufstehen, um über die anderen Sitze hinüber zu blicken, aber der verschlossene Gurt riss mich ruckartig wieder zurück in meinem Sitz.
"Fuck" stöhnte ich schmerzverzerrt auf.
Ich spürte eine Hand auf meiner "Alisa, beruhig dich doch mal!"
Leon saß seelenruhig neben mir, er hatte bereits für einen kurzen Moment seine Augen geschlossen gehabt. Naja, bis mich gerade die Angst gepackt hatte, als sich das Flugzeug angefangen hatte zu bewegen.
Er hielt meinen rechten Arm auf der Lehne zwischen uns fest und packte den anderen noch dazu. "Du kannst mich auch gleich in eine Zwangsjacke stecken. Kommt aufs gleiche raus." feixte ich ihn an, was dem Fußballer ein kleines Lachen entlockte.
"Erinner mich vor dem Rückflug nochmal daran." meinte er grinsend und lockerte seinen Griff wieder ein wenig.
Ich nutzte diese Chance und entwand ihm meine Hand ruckartig, nur um ihm kräftig gegen die Brust zu schlagen. "Hallo?" empört atmete Leon aus. Gerade als ich etwas erwidern wollte, fing das Flugzeug dann aber an zu beschleunigen und ich wurde mit einer enormen Kraft in den Sitz gedrückt.
"Oh mein Gott" stieß ich erstickt hervor und griff nach Leon's Unterarm, um Halt zu finden.
Ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Es war schrecklich. Hinzu kam, dass mir von jetzt auf gleich kotz übel wurde.
"Mach die Augen zu." wies mich Leon lautstark an, um den Lärm des Getriebes zu übertönen.
Ich ging seiner Anweisung nach und kniff meine Augen fest aufeinander. Schreckliche 30 Sekunden später wurden meine Wünsche erhört. Das beklemmende Gefühl löste sich plötzlich und ich konnte endlich wieder richtig atmen.
Meine Glieder entspannten sich nach und nach und mit einem leisen Seufzen waren die letzten Zweifel verschwunden.
"Du kannst die Augen wieder auf machen." ich spürte Leons warmen Atem an meinem Hals und öffnete langsam die Augen.
Ich musste heftig blinseln, als ich merkte, wie hell es plötzlich war.
Die Sonne schien. Nicht so, wie noch vor einigen Minuten. In München hatte es geregnet.
Der braunhaarige hatte sich ein wenig über mich gebeugt und mit einer Hand stützte er sich etwas über meinem Knie ab.
Sofort fühlte sich mein Körper wieder wie elektrisiert an.
Seit letzten Sonntag war es das erste Mal, dass er mir wieder so nah war. Wir waren uns eigentlich größtenteils aus dem Weg gegangen. Keiner wollte ansprechen, was an diesem Abend passiert war.
Wir hatten es verdrängt, aber ich spürte deutlich, dass die ganze Sache noch zwischen uns stand.
"Sieh mal, da." Leon zeigte auf das Fenster, das sich auf meiner linken Seite befand.
Erst jetzt bemerkte ich den strahlend blauen Himmel, der uns umgab. "Wow" hauchte ich und beugte mich weiter nach vorne, um auch nach unten sehen zu können.
Weiße gehäufte Wolken. Weiter als das Auge reichte.
Ich konnte mich gar nicht satt sehen. Immer mal wieder tauchte ein wolkenloser Fleck auf, wo ich bis auf den Erdboden sehen konnte, der so weit weg schien.
Es war ein fabelhaftes Gefühl. Ich fühlte mich so groß und unzerstörbar.
Mit einem breiten grinsen im Gesicht ließ ich mich in den Sitz fallen, doch das Fenster ließ ich nicht aus den Augen.
Irgendwann wagte ich einen Blick zu Leon, der aber die Augen geschlossen hatte und vor sich hin döste. Auf seinen Lippen hatte sich ein leichtes Lächeln abgebildet. Er sah einfach so friedlich aus.
Also wandte ich mich wieder ab und beschäftigte mich eine Weile mit Musik hören. Doch nur nach kurzer Zeit riss ich die Kopfhörer aus meinen Ohren und drehte mich aufgeregt zu dem Münchner um.
"Oh mein gott. Leon." ich rüttelte an seiner Schulter, drückte aber keine Sekunde später schon wieder meine Nase an der Scheibe platt.
"Das Meer!" jubelte ich leise und merkte Leons Präsenz dicht hinter mir. Leicht drehte ich meinen Kopf und machte etwas Platz, damit er auch raus sehen konnte.
"Das Meer." bestätigte er verschlafen und schmunzelte.
Die Wolken waren aufgebrochen und unter uns glitzerte in den verschiedensten blau Tönen das Wasser.
Das war fast noch besser als die Wolken.
"Denkst du wir können schwimmen gehen?" fragte ich den braunhaarigen aufgeregt.
Als wir uns eine Unterkunft gebucht hatten, hatte ich erfreut festgestellt, dass Christchurch unmittelbar am Meer lag. Und egal was Leon sagen würde, ich würde ganz bestimmt schwimmen gehen.
Der Münchner verzog auf meine Frage hin das Gesicht "Das Wasser ist bestimmt arschkalt"
Schmollend sah ich ihn an, er war mir immer noch so nahe. Ich konnte zum ersten Mal die goldenen Sprenkel in seinen Augen ausmachen. Sie standen wunderbar im Kontrast zu dem dunklen braun.
Mein Magen begann zu flattern.
"Hab dich nicht so. Tu's für mich." bettelte ich und zog eine Grimasse, die Leon zum grinsen brachte.
"Wie könnte ich dir jemals einen Wunsch ausschlagen." er seufzte ergiebig und lehnte sich wieder in seinen Sitz zurück.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und hielt sie siegessicher in die Höhe, dazu jubelte ich leise.
Leon schüttelte lachend den Kopf.
Als ich wieder aus dem Fenster sah, konnte ich bereits die Küste unter uns erkennen. Lange weiße Strände. Es sah aus wie in einem der unzähligen Urlaubs Prospekte, die ich früher immer angeschaut hatte.
Plötzlich begann jedoch das Flugzeug zu ruckeln und meine entspannte Miene wich einem extrem besorgten Ausdruck.
Panisch schaute ich zu dem braunhaarigen, der mich beobachtet hatte.
"Kein Stress, das ist normal. Wir setzen zum landen an." erklärte er und schnallte sich daraufhin an.
Ich hatte mich gar nicht erst abgeschnallt, als es erlaubt wurde. Dafür war ich zu paranoid.
Tief atmete ich durch. Wenn ich den Start überlebt hatte, würde ich die Landung ganz bestimmt auch noch unversehrt überstehen.
"Wie kannst du nur so entspannt bleiben?" fragte ich, während sich meine Hände schon wieder fest um die Lehnen geklammert hatten.
Leon zuckte mit den Schultern "Ich bin schon zig Mal geflogen, da ist das leider gar nichts besonderes mehr." ich nickte leicht.
Klar, er flog ja ziemlich oft zu Spielen. Dennoch konnte ich nicht nachvollziehen, wie soetwas langweilig werden konnte.
Mein Gegenüber räusperte sich "Aber ich muss sagen. Mit dir zu fliegen ist nochmal was ganz anderes." er grinste breit.
"Na Danke aber auch." schnaubte ich und bemerkte wie das Flugzeug langsam in den Sinkflug überging. Die Landschaft kam immer ein Stückchen näher und langsam, aber sicher konnte ich einzelne Straßen und große Häuser erkennen.
Leon protestierte "Hey, das meinte ich doch als etwas gutes."
Ich lachte auf "Na, das hoffe ich für dich."
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