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Geziert schob ich mir den voll gefüllten Löffel in den Mund. Ich hatte schon ganze zwei Portionen von der Lasagne gehabt, die Leon noch vom Vortag übrig gehabt hatte, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Es war zu gut.
Er musste mir unbedingt das Rezept dafür geben.
Nicht, dass ich die Hoffnung hatte ich würde das selbst hinbekommen, aber vielleicht würde ich ja jemanden finden der die Lasagne für mich zubereiten würde.
Der Fußballer nippte an seinem Glas Wasser, ließ seinen Blick jedoch nicht von mir ab. Im Hintergrund lief der Fernseher, doch Leon hatte sich zu mir an den Tisch gesetzt und sah mir explizit beim essen zu.
Ich bemühte mich wirklich enorm, gescheit zu essen, aber Leon's starrer Blick machte mich extrem nervös.
"Was ist denn?" seufzte ich schließlich und legte den Löffel vor mir ab. Auf dem Gesicht des braunhaarigen zeichnete sich augenblicklich ein Lächeln ab. "Nichts-" er stellte sein Glas ab "Ich habe bloß noch nie jemanden Lasagne mit einem Löffel essen sehen." erklärte er anschließend.
Ich rümpfte meine Nase und schob den leeren Teller ein paar Zentimeter von mir weg. "Das ist ein Muss." protestierte ich sofort, woraufhin Leon bloß belustigt mit den Schultern zuckte.
"Außerdem-" setzte Leon wieder an "hast du Soße an der Backe kleben." ein amüsiertes Lachen drang aus seinem Mund.
Woraufhin ich mir hektisch mit dem Handrücken über die Backe wischte und gleichzeitig ein genervtes Seufzen meinen Mund verließ.
"Es ist immernoch da." meinte er, fast schon ein wenig zurückhaltend und mit einem frivolisch unterdrückten grinsen. Als würde er ahnen, dass ich ihn am liebsten anspringen würde.
Verzweifelt versuchte ich den Fleck zu finden, scheiterte jedoch kläglich unter Leons Blicken.
"Lach nicht so blöd" keifte ich ihn beleidigt an und schob daraufhin mein Stuhl zurück "Ich geh schnell ins Bad."
Schnurstracks lief ich durch den Wohnbereich auf das große Badezimmer zu.
Der Fußballer hatte mich zuvor ein wenig rumgeführt und mir außerdem eine Zahnbürste, sowie ein paar Klamotten zur Verfügung gestellt.
Da ich heute morgen guten Gewissens aus dem Haus gegangen bin und nicht damit gerechnet hatte irgendwo unter zu kommen, hatte ich natürlich auch überhaupt nichts dabei.
Außerdem waren wir beide zu faul gewesen, um noch einen Abstecher zu mir zu machen.
Jedenfalls hatte ich jetzt ein altes Shirt und eine viel zu große Hose an, die aber total bequem war.
Vor dem Spiegel beseitigte ich endlich erfolgreich den Soßen Fleck und bürstete mir anschließend noch die Haare, damit ich wenigstens ein wenig annehmbar aussah.
Danach schloss ich noch mein Handy an das Ladekabel an und entdeckte schon die ersten Nachrichten die mir Luisa geschrieben hatte.
Jedoch quittierte ich diese nur mit einem Seufzen und ging gar nicht näher darauf ein. Dafür hatte ich jetzt echt keinen Nerv.
"Alisa?" laut und deutlich klang Leon's Stimme durch die offene Tür.
Schnell checkte ich nochmal mein Aussehen, ehe ich wieder in den Wohnbereich spazierte.
Ich räusperte mich "Ja?"
Der Münchner saß mittlerweile auf der schwarzen Couch und drückte irgendwelche Knöpfe auf der Fernbedienung, bevor das Netflix Logo auf dem Fernseher aufploppte.
"Willst du noch einen Film schauen?" fragte er, diesesmal etwas leiser.
Ich nickte etwas unschlüssig und setzte mich an das andere Ende des Sofas.
Es war mir nicht ganz wohl dabei, mich direkt neben Leon zu setzen, deshalb blieb ich in der Ecke und stopfte mir ein Kissen in den Rücken.
"John Wick?" fragte mich der braunhaarige und deutete auf den Fernseher, wo bereits das Bild in den Trailer überging.
Unbeholfen zuckte ich mit den Schultern "Weiß nicht, hab ich noch nie gesehen." ich zog eine flauschige Decke über meine Beine und seufzte wohlig ein.
Merkte danach erst Leon, der sein Kopf schräg gelegt hatte und mich sanft grinsend ansah.
"Gut." brummte er nur und startete dann entschlossen den Film.
Mit einer schnellen Handbewegung legte er die Fernbedienung auf den Glastisch und zog die Beine an. "Machs dir ruhig bequem." lachte Leon.
Er hatte wohl bemerkt, dass ich mich genierte, mich ganz zurück zu lehnen.
Müde lächelnd erwiderte ich seine Aufforderung und legte meine Füße auf die Couch.
°°°
"Hey" ich spürte eine Hand an meinem Oberarm "Alisa?" ein leichtes rütteln daran.
Schweren Herzens öffnete ich meine Augen und verließ die heile Traumwelt, in der ich mich bis gerade noch befunden hatte.
Meine Glieder fühlten sich schwer an und ich sehnte mich nach nichts mehr, als einfach nur weiter zu schlafen.
"Ey, aufwachen." das rütteln wurde mit einem rauen Lachen bekräftigt.
Als ich jedoch endlich meine Umgebung erkennen konnte, erschrak ich zutiefst. Keine zehn Zentimeter vor meinem Gesicht nahm ich Leon's Umrisse war.
Sogar seinen warmen Atem spürte ich auf meiner Haut. Eine Gänsehaut zog sich über meinen ganzen Körper.
Kurz verharrte der Fußballer so und ich konnte für einen Moment seinen unverkennbar herben Duft einatmen.
"Oh-" er trat wieder einen Schritt zurück "Ich dachte schon du wärst im Tiefschlaf."
Auf dem Fernseher lief gerade wohl der Abspann zu dem Film.
War ich tatsächlich so müde gewesen und eingeschlafen?
"Sorry, war wohl ein bisschen müde." entschuldigte ich mich, mit einem leicht beschämten Lächeln auf den Lippen.
Leon ließ sich wieder auf das Sofa fallen, diesesmal aber direkt neben mich. "Willst du ins Bett?" fragte er leise und schaltete gleichzeitig auf die Startseite von Netflix zurück.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es erst kurz nach Zehn war, deshalb schüttelte ich träge meinen Kopf. Ich war schlichtweg zu faul, um jetzt aufzustehen und mich zu bewegen.
Die Nähe zu dem Fußballer bescherte mir eine angenehme Wärme und unauffällig bewegte ich meine Beine so, dass sie Leon's Oberschenkel berührten.
Ich wusste auch nicht wirklich, was da in mich gefahren war, aber er machte keine Anstalten, sich weg bewegen zu wollen.
Ich meinte sogar zu sehen, wie er seine Mundwinkel ein Stück nach oben zog.
"Darf ich dich was fragen?" der braunhaarige drehte seinen Kopf ein Stück zu mir.
Auf dem Fernseher lief mittlerweile irgendeine Comedy Show, doch Leon hatte die Lautstärke runter gedreht, sodass das lachende Publikum nur noch gedämmt zu hören war.
"Klar." antwortete ich etwas unsicher und richtete mich ein Stück auf, sah den Münchner aber bewusst nicht an.
Er schien nach den richtigen Worten zu suchen "Was ist eigentlich mit deiner Mutter?" rückte er dann direkt heraus.
Erstarrt hielt ich die Luft an.
Das war vielleicht doch ein wenig zu direkt.
Meine Finger verkrampften sich um die flauschige Decke und meine Knöchel liefen weiß an.
"Du musst nicht-" setzte Leon an und legte vorsichtig seine Hand auf meinen Unterarm.
Sofort ließ mein fester Griff ein wenig nach.
Stotternd atmete ich aus und ignorierte seinen besorgten Blick. Mein Atem ging ungewöhnlich schnell.
"Sie ist eine Verräterin" presste ich nach kurzer Zeit hervor.
Es war mir ganz und gar nicht wohl darüber zu sprechen, vorallem nicht mit Leon, den ich erst seit knappen zwei Wochen kannte.
Aber die Atmosphäre die hier gerade vorherrschte gab mir Sicherheit und den Ansatz von Mut.
Der Fußballer unterbrach mich gar nicht erst, sondern saß einfach nur neben mir, seine Hand wohlbemerkt immernoch auf meinem Unterarm platziert, und hörte aufrichtig zu.
"Als ich elf Jahre alt war, da ist sie einfach gegangen-" tief atmete ich ein "Es war ein Tag wie jeder andere, kurz vor den Sommerferien. Ich bin ausgelassen von der Schule nach Hause gekommem, bloß war niemand zuhause. An sich war das nichts neues, meine Eltern waren vielseitig beschäftigt, aber als am Abend noch immer niemand zuhause war, hatte ich es mit der Angst zu tun bekommen." zum Ende hin wurde meine Stimme immer leiser. Alleine der Gedanke an die angsterfüllte und schlaflose Nacht, trieb mir eine Gänsehaut über den Körper.
"Ich will gar nicht daran denken, was gewesen wäre, wenn unser Koch nicht da gewesen wäre.
Der hatte mich nämlich ein wenig besänftigt, wusste allerdings auch nicht wo meine Eltern sind.
Am nächsten Morgen bin ich dann gegen sechs Uhr aufgewacht, weil ich ein lautes Klirren gehört hatte.
Daraufhin habe ich meinen Vater in der Küche gefunden, völlig betrunken, kaum ansprechbar." zitternd atmete ich ein. Ich wagte es nicht weiter zu sprechen.
Ich spürte die nasse Spur die sich von meinen Augen über die Wange gebahnt hatte.
Vorsichtig schaute ich nach rechts, Leon's Miene war undurchdringlich. Doch er zog mich keine Sekunde später näher zu sich, legte einen Arm um mich und hielt mich an den Schultern fest.
"Du musst nicht weiter erzählen." flüsterte er beruhigend, aber ich schüttelte zaghaft den Kopf.
Es tat gut das alles mal rauszulassen. In den ganzen zehn Jahren hatte ich die komplette Geschichte kein einziges Mal erzählt. Nicht mal Luisa. Mit meinem Vater hatte ich sowieso nie wieder darüber geerdet.
"Mein Vater hatte mir irgendwelche undankbaren Worte an den Kopf geworfen, die ich zu diesem Zeitpunkt kaum verstanden hatte.-" fuhr ich leise fort, erst Jahre später hatte ich das alles kapiert und es tat mir bis heute im Herzen weh.
"bis er dann auf Mama zu sprechen kam, sie eine verwöhnte 'Schlampe' nannte." Ich zierte mich diese urteilenden Worte auszusprechen, doch es war haargenau das, was mein Vater gesagt hatte.
"Der ganze Anblick wurde mir zu viel und ich bin weggelaufen, ich hatte mich auf einem Spielplatz verkrochen und dort den ganzen Tag geweint. Ich hatte meinen Vater noch nie so erlebt, er war eigentlich immer ganz ausgeglichen und ruhig." die Betonung lag auf war, denn seitdem hatte ich ihn nie wieder so ruhig erlebt.
"Abends bin ich dann zurück nach Hause gegangen, mein Vater saß an unserem Esstisch, ein Glas Wasser vor sich.
Er hatte mich total streng angesehen und mich aufgefordert Platz zu nehmen." Leon brummte etwas, war dann aber wieder ruhig und streichelte über meine Schulter.
"Ich roch noch ganz deutlich die Alkohol Fahne, wusste damals aber natürlich nicht von was das kam.
Papa hatte versucht sachlich zu erklären, dass ihn Mama für einen anderen sitzen hat lassen." sprach ich nun klar und deutlich aus
"Sie ist einfach gegangen, nach England gezogen, ohne sich auch nur im Ansatz zu verabschieden und hat meinen Vater für einen Mann verlassen, den sie vielleicht einen Monat kannte." der Fußballer neben mir atmete scharf ein, ließ die Sache aber noch unkommentiert.
"Naja, und von da an ist einfach alles bergab gegangen. Ich habe meinen Vater kaum noch zu Gesicht bekommen, habe mich hinter Büchern versteckt, um der Wahrheit nicht ins Auge blicken zu müssen.
Als ich 14 wurde hatte ich überraschenderweise einen Brief von meiner Mutter geschickt bekommen, aber ich hatte mich geweigert ihn zu öffnen, auch sonstige Kontaktversuche habe ich nicht annehmen wollen."
Heftig stieß ich die angestaute Luft aus.
"Sie hat einfach alles kaputt gemacht und das werde ich ihr niemals verzeihen können."
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