❀16
"Luisa?" Suchend nach meiner besten Freundin rief ich durch die Wohnung.
"Hier" ertönte es aus der Küche, weshalb ich den Weg dorthin einschlug.
Nebenher pfiff ich gut gelaunt vor mich hin. Nach dem Besuch im Gefängnis war mir ein Stein vom Herzen gefallen. So viel, um das ich mich sorgte, war noch nicht mal ansatzweise ausgesprochen worden. Aber dennoch hatte mir das Gespräch mit meinem Vater geholfen einiges an Gefühlen aufzuarbeiten.
Als ich mich schließlich in der Küche auf die Arbeitsplatte hiefte, blickte mich Lu fragend an.
"Ich werde jetzt wieder nach Hause ziehen." warf ich meine Entscheidung in den Raum, ohne weiter darüber nachgedacht zu haben.
Eine Woche hab ich bei ihr gewohnt und das auf engstem Raum. Da rückt man sich mit der Zeit einfach auch mal zu sehr auf die Pelle.
Irritiert ließ sie von ihrem Laptop ab "Wie jetzt?"
Ein selbstbewusstes Grinsen hatte sich in meinem Gesicht breit gemacht. "Na, du kannst nicht verleugnen, dass ich dir auf den Taschen liege. Außerdem hab ich fast keine Klamotten mehr und ewig kann ich mich auch nicht an dich Klammern." erklärte ich ihr, woraufhin sie mir optimistisch zustimmte.
"Ich wollte dich nicht rausschmeißen, aber ich bin schon ganz froh, dass du das jetzt selbst entschieden hast." meinte sie ehrlich und schloss ihre Arme um mich.
"Du weißt ja, dass du dich trotzdem immer melden kannst" deutete Lu schließlich ihre Hilfe an, die ich mit einem dankbaren Nicken abtat.
Glucksend löste ich mich aus ihren Fängen "Spätestens, wenn ich verzweifelt vor der Waschmaschine stehen sollte, werde ich auf dich angewiesen sein."
Fast eine Stunde später stand ich dann mit der bepackten Reisetasche im Fahrstuhl, in der anderen Hand außerdem die Tüte mit Leons Jacke und die Tüte von unserem Shopping-Trip letzten Samstag. Da meine Tasche geplatzt wäre, wenn ich auch nur noch ein Kleidungsstück hinein gepackt hätte.
Der Abschied zwischen Luisa und mir war eher spärlich ausgefallen, wir würden uns, in einigen Tagen, ja so oder so wieder sehen.
Mit Ach und Krach hatte ich es bis zu meinem Auto geschafft, das eine Straße weiter geparkt war. Zuerst hatte die Freude, endlich wieder meine eigenen vier Wände zu sehen, überwogen, doch mittlerweile wurde ich doch ein wenig nervös. Das machte sich auch auf der Fahrt bemerkbar, mit meinen Fingern trommelte ich unentwegt auf dem Lenkrad umher und an einer Ampel würgte ich sogar den Motor ab.
Bisher war mir das auch erst ein Mal, in meiner ersten Fahrstunde, passiert.
Als ich dann endlich vor der weißen Fassade unseres Hauses vorfuhr, machte sich ein unangenehmes Prickeln in meinem Magen breit, fast so als würde jemand tausende kleine Schrauben dort hinein bohren. Ich ignorierte das grässliche Gefühl und machte mich lieber daran mein Gepäck vor die Türe zu schleppen. Ächtzend hatte ich jenes geschafft und kramte nun den Schlüssel hervor, der in den Tiefen meiner Handtasche verschwunden war. "Da bist du ja" murmelte ich, als ich den Schlüsselbund endlich zwischen den Fingern hielt.
Bevor ich jedoch die Tür öffnete atmete ich langsam und vorallem tief ein und wieder aus, drückte dann aber die Klinke hinunter.
Vor mir erstreckte sich leise und leer der hell gehaltene Eingangsbereich. Einige bedruckte Blätter lagen verwahrlost auf dem Boden und der Kommode herum, Überreste der Polizei-razzia.
Auf leisen Sohlen schlich ich zur Kommode, zog meine Schuhe aus und legte meine Schlüssel ab.
Danach machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer, meine Schritte hallten im ganzen Haus wieder. Es war unheimlich still hier. Das war es vorher zwar auch schon, aber so leblos wie jetzt hatte ich es wirklich noch nie erlebt.
Die Gewissheit, dass mein Vater immer wieder nach Hause kommen würde war nun nicht mehr da.
°°°
Um kurz nach Zehn hatte ich mich bereits in meinem Bett verkrochen, zuvor hatte ich vorsorglich die Kleider für das Vorstellungsgespräch herausgelegt.
Den Wecker hatte ich mir sicherheitshalber auch schon gestellt, ich wollte wirklich alles richtig machen.
Eine Weile war ich noch auf Instagram, ehe ich beschlossen hatte mich aufs Ohr zu hauen.
Es dauerte nicht lange bis ich ruckartig aufschreckte.
Das knallen einer Tür.
Ich hatte doch alles abgeschlossen. Oder etwa nicht?
Mir wurde sofort schlecht und meine Haut kreidebleich.
Kurz dachte ich mir, dass ich nicht so paranoid sein sollte. Aber da ertönte schon wieder ein Scheppern, lauter und näher.
Mein Herz raste. Sollte ich nachschauen?
Eigentlich weigerte ich mich vehement dagegen, doch wenn nicht würde ich heute kein Auge mehr zu bekommen.
Leise stand ich auf und schlich zur Tür, die ich vorsichtig öffnete. Das Obergeschoss war dunkel und als ich eine Weile im Türrahmen verharrte war ich mir sicher, dass hier oben alles in Ordnung war.
Also lief ich zum Treppengeländer und lugte vorsichtig darüber.
Die Stille erdrückte mich fast, doch ein erneutes Rascheln würde mich vermutlich noch ängstlicher machen.
Ich ging die Treppe vorsichtshalber erst einige Stufen nach unten, blieb dann stehen und schaute mich um.
Stockte an dem bodentiefen Fenster.
Etwas bewegte sich dort.
Ein Schatten, der vorbei huschte.
Da war ich mir ganz sicher. Beleuchtet von dem spärlichen Licht, das die Straßenlaterne dorthin warf.
Keuchend wandte ich mich um, rannte den Weg zurück in mein Zimmer und verbarrikadierte atemlos die Tür hinter mir.
Schwer atmend lehnte ich mich gegen die Tür. "Alisa du spinnst doch" flüsterte ich mir ungläubig selbst zu.
Ich rieb mir energisch über das Gesicht.
Was wenn hier wirklich jemand war? Die Angst packte mich.
Vielleicht Einbrecher. Oder. Schlimmer. Ein wimmern entwich mir.
Völlig am Ende griff ich nach meinem Handy und suchte Luisas Kontakt. Hielt jedoch inne. Sie schlief bestimmt schon, da sie Morgen früh raus musste.
"Scheiße" fluchte ich leise und presste zitternd das Handy gegen die Brust.
Wen könnte ich denn noch anrufen?
Irgendjemand musste es doch geben.
Ich dachte gar nicht weiter darüber nach, sondern klickte einfach dem Hörer an.
Es klingelte lange und als ich fast schon wieder auflegen wollte meldete er sich.
Ein einfach fragendenes "Ja", doch seine Stimme besänftigte mich direkt ein wenig.
"Leon, gottseidank" hauchte ich völlig erleichtert.
"Was ist denn?" brummte er, eher wenig begeistert. Hatte er wohl doch schon geschlafen.
Zittrig sog ich die Luft ein "Ich glaube bei mir im Haus ist jemand." flüsterte ich, plötzlich den Tränen nahe.
Ich vernahm ein Rascheln "Was?" seine Stimme klang aufgeweckter. "Bist du dir sicher." hakte er erneut nach, während ich mir das Handy noch näher ans Ohr presste, um mehr halt zu bekommen.
"I-Ich weiß es n-nicht." stotterte ich panisch vor mich hin "Ich hab was gehört und ein Schatten gesehen. Ich bin hier alleine und-" ich schluckte schwer "Ich habe eine heiden Angst" gestand ich, mit gebrochener Stimme.
Leon murmelte etwas, ich wischte mir angsterfüllt über die Augen.
"Gib mir deine Adresse, ich bin so schnell da, wie ich kann." räusperte der Fußballer sich sofort und ich konnte hören, wie er seine Schlüssel packte.
Ein Stück Last viel von mir ab. Stotternd teilte ich ihm meine Adresse mit. Als er dann auflegen und losfahren wollte unterbrach ich ihn.
"Kannst du bitte dran bleiben." bat ich ihn leise, fast schon verunsichert.
Ich wollte um keinen Preis alleine bleiben, selbst wenn mir Leon momentan nur in digitaler Weise bei stehen konnte.
Leon entriegelte sein Auto "Klar" meinte er, seine Stimme so sanft und Rau, dass mein Atem noch unregelmäßiger ging.
"Hey, atme mal tief ein und wieder aus." wies der braunhaarige mich an, während er sein Wagen startete. Ich tat wie gehießen und atmete tief ein und wieder aus. Jenes wiederholte ich einige Male. "Es ist nicht mehr weit, ich bin gleich da" meldete sich Leon wieder zu Wort und entlockte mir ein befreiendes Seufzen.
Ich starrte auf meine Hände und öffnete meinen Mund, wisperte ein kaum hörbares "Danke"
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