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Haareraufend stand ich vor dem Spiegel in Luisas kleinem Badezimmer.
Nach unseren Feierlichkeiten vorgestern hatte sich meine beste Freundin für den vergangenen Tag tatsächlich krank melden lassen.
Das war etwas, dass ich niemals von ihr erwartet hatte, aber sie meinte, dass ihr das sicherlich auch gut tun würde.
Nachdem wir den gestrigen Tag also ganz relaxt im Bett verbracht hatten, mussten wir heute beide ein wenig Produktiv sein.
Luisa hatte vorgeschlagen ein wenig shoppen zu gehen, zu mal ich am Morgen ungeduldig versuchte die Zeit zu überbrücken, bis mir der Anwalt zurück rief.
Und weil ich außerdem gut neue Kleider für das Vorstellungsgespräch gebrauchen könnte, nachdem ich schon Lu's Bluse ruiniert hatte.
Übrigens hatte ich Leon's Jacke noch immer nicht gewaschen. Sie roch einfach zu sehr nach ihm und war sowieso nicht muffig geworden.
Ich hatte jene auf einem Kleiderbügel zum trocknen aufgehängt, der bis jetzt noch im Badezimmer hing.
"Zeig nochmal." rief die Blondine mir durch die geschlossenen Türe zu.
Augenrollend trat ich hervor, da ich jetzt mindestens zum Fünften mal zwischen Zwei verschiedenen Outfits switchen musste.
Luisa strahlte, als ich mich einmal um die eigene Achse drehte.
"Das ist es" stellte sie betont laut fest.
Ich nickte. Endlich.
Somit flog die schlichte Bluse und Jeans aus dem Rennen und wir kürten die marineblau-weiß gestreifte Paperbag Hose, in Kombination mit einem weißen Volant Top und einem Blazer zum Sieger.
Natürlich dazu; meine hohen Hacken.
Ich musste ehrlich sagen, dass ich mich sehr wohl fühlte. Aufgebrezelt war ich relativ häufig, aber noch nie zu solch einem Anlass.
Diese positiven Gefühle bildeten sich als erste sichere Grundlage für ein selbstbewusstes Auftreten und mittlerweile freute ich mich sogar auf das Gespräch mit der Buchhandlung.
Ich wäre unfassbar glücklich wenn das klappen würde. Das würde mich ein ganzes Stück selbstständiger machen und ich war überzeugt davon, dass das der erste große Schritt in Richtung Unabhängigkeit und Selbstfindung war.
"Dann hätten wir das ja auch endlich erledigt" gluckste ich erfreut und widmete mich Luisas Blick, die mich fast schon stolz anschaute.
"Manchmal kommt es mir so vor, als ob du meine Mutter wärst." lachte ich schließlich, worauf ihre Augenbrauen belustigt in die Höhe schossen.
"Muss ja schauen, dass mein Schätzchen auf dem richtigen Weg, zu einer emanzipierten Frau, ist." säuselte sie und kniff mir dabei in die Wange.
Lachend schlug ich ihre Hand weg "Lass das Mutter" keifte ich sie an und betonte extra spöttisch das Wort Mutter.
Im nächsten Moment klingelte dann mein Handy. Erschrocken war ich aufgesprungen und ins Bad gehetzt, wo ich erstmal mein Smartphone finden musste.
Zum Glück fand ich dieses noch rechtzeitig und nahm außer Atem den Anruf an.
"Guten Nachmittag Frau Weber, ich hörte, sie würden gerne über Ihren Vater erfahren." meldete sich die strenge Stimme des Anwalts.
"Ja genau, ich wäre Ihnen sehr verbunden wenn Sie mir noch einmal erklären könnten, was jetzt alles festgehalten wurde." ich versuchte mich äußerst explizit und erwachsen auszudrücken.
Im Hintergrund nahm ich Papas Anwalt in Unterlagen knisternd wahr "Ach hier habe ich es-" er räusperte sich "Entschuldigen Sie, ich war gerade noch in ein anderes Gespräch verwickelt und musste die Akte von Herrn Weber noch bereit legen."
Ich nickte und schob noch ein "Mhm" hinterher.
Schnell stellte ich den Anruf noch auf laut und begab mich zu Luisa in die Küche, wo ich das Handy auf den Tisch legte.
Daraufhin verging fast eine halbe Stunde, in der der Anwalt nochmals alle wichtigen Informationen für uns zusammenstellte.
Es war ein wenig schwer zu folgen, da er hauptsächlich von irgendwelchen Paragraphen und Absätzen aus dem Gesetz sprach, doch immer wieder gab ich ein 'Ja' oder 'okay' von mir.
Bis ich ihn dann endlich nach einem Besuch fragte, blieb das Gespräch ziemlich eintönig.
"Kann ich ihn denn-" unsicher druckste ich herum "naja, besuchen?" fragte ich schließlich.
Sofort antwortete der Mann mit einem "Ja natürlich. Dein Vater hatte sich schon ergebens nach dir erkundigt, aber ich konnte ihm nichts darüber berichten." meinte er schließlich und ich konnte förmlich hören, wie seine verhärteten Gesichtszüge lockerer wurden.
"Oh" machte ich, Lu neben mir nickte nur anerkennend.
"Jedenfalls wird dein Vater die erste Zeit in der Justizvollzugsanstalt hier direkt in München absitzen. Bei guter Führung ist davon abzusehen, dass er nach Aichach versetzt wird, da es dort einfach ruhiger ist." erklärte er mir und ich war recht froh, dass Papa doch noch relativ in der Nähe war.
"Sonntags ist dort Besuchertag. Also wenn du direkt morgen dort hin möchtest, könnte ich dir sofort einen Termin machen."
Mir stockte der Atem. Morgen schon? Zögernd blickte ich zu Luisa, die mir aufmunternd zu nickte. Also straffte ich meine Schultern "Das wäre überaus nett von Ihnen, aber wäre es möglich, dass meine Freundin mich begleiten könnte?" hakte ich nach.
Gespannt lauschten wir seiner Reaktion "Naja, ungewöhnlich, aber das wird schon möglich sein." brummte er, wieder in seine tonlose Stimme verfallen.
Zufrieden quetschte ich den Oberarm meiner besten Freundin.
"Ich werde Ihnen dann nochmals Bescheid geben und wenn Sie wollen, könnte ich Sie Morgen auch abholen. Dann kann ich den Papierkram übernehmen." bat der Anwalt nun sehr höflich an.
Überrascht schwenkte mein Blick wieder zu Lu, die nur wild nickte, jedoch mindestens genauso überrascht über seinen Vorschlag war.
"Vielen Dank, das wäre für uns wirklich sehr angenehm" nahm ich das Angebot an. Dass er sogar seinen freien Tag dafür opfern würde, machte mir umso mehr klar, dass er der absoluten Elite der Anwälte angehören musste.
°°°
Es war schon spät am Abend, ich war gerade aus der Dusche gestiegen, als mein Handy kurz die, über Lautsprecher laufende, Musik unterbrach.
Klar eine Nachricht. Ich hatte mir nicht viel mehr dabei gedacht und fuhr mit meiner Abendroutine fort.
Nachdem ich meine Haare vollständig getrocknet hatte und meine Haut eingecremt war, machte ich mich auf den Weg in die Küche. Luisa saß dort vor ihrem Laptop und arbeitete einige Aufgaben aus der Uni nach.
Mein Bauch meldete sich verdächtig laut zu Wort. Suchend blickte ich mich nach etwas essbaren um. "Hast du noch Semmeln?" fragte ich Lu schließlich.
Sie hob ihren Kopf und zog die Augenbrauen in die Höhe.
"Brötchen meinst du?" meinte sie schnippisch und öffnete ihren Dutt.
Schmunzelnd verzog ich mein Gesicht "Das heißt hier Semmel, du Kulturbanause" erwiderte ich spielerisch.
Argwöhnisch warf sie mir einen Blick zu "Nur weil ich in München lebe heißt das nicht, dass ich gleich auch den Dialekt annehmen muss" lachte die Blondine nun, deutete aber auf die Schublade.
"Ich sag ja, Kulturbanause." triumphierend grinste ich und öffnete den Schrank.
"Sagt die, die meiner Heimat gegenüber immer Späße macht und noch nie dort war" Luisa ließ nicht locker. Sie kam aus dem Ruhrgebiet, genauer gesagt aus Altendorf, einem Vorort von Essen. Und außerdem war sie fest davon überzeugt, dass das die schönste Gegend Deutschlands war. Aber als ich das mal auf Google Maps abgecheckt hatte, war ich mir ziemlich sicher, dass ich noch nie etwas hässlicheres gesehen hatte.
"Ja, brauch ich doch auch nicht sehen, wenn ich es schon auf Google Maps so hässlich gefunden habe" protestierte ich, konnte das Lachen auf meinen Lippen jedoch nicht verhindern. Es machte einfach zu viel Spaß Luisa damit aufzuziehen.
Beleidigt verschränkte sie die Arme und ein Schnauben verließ ihren Mund. "Wenn du erst einmal dort gewesen bist, willst du nie wieder fort." Sie konnte es einfach nicht lassen, sich nicht rechtzufertigen.
"Deshalb bist du hier?" fragte ich sarkastisch nach und kassierte dafür in sekundenschnelle einen Schlag in den Bauch.
"Ach sei doch still" Lu versuchte grimmig zu klingen. Aber das belustigte Lachen verriet, dass sie mir echt nicht böse war.
"Schon gut, schon gut. Ich hör auf" schnaufte ich kichernd und wandte mich von meiner Freundin ab, um mir meine Semmel zu beschmieren.
Luisa widmete sich, nach dieser kurzen Meinungsverschiedenheit, auch wieder ihren Unterlagen.
"Ich geh schonmal ins Bett" verabschiedete ich mich anschließend von ihr, da sie schon gemeint hatte, es würde bei ihr noch länger gehen.
"Gute Nacht" rief sie mir noch hinterher, als ich fast schon verschwunden war.
Auf dem Weg holte ich mein Handy aus dem Bad und schaltete es an, als ich gerade auf das Bett kletterte.
Doch da traf mich auch schon der Schlag.
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