Kapitel 6 {Mein Leben}
Es lief leise Musik aus Lautsprechern, die ich allerdings nirgends ausmachen konnte.
Die drei Männer standen da und hatten sich über das Tablet gebeugt, während der Arzt ihnen flüsternd erzählte was die Auswertung wohl bedeutete.
Ich stand wieder am selben Platz wie zuvor, in dem grossen, modern eingerichteten Raum mit dem Ausblick ins Nichts. Alec stand etwas hinter mir.
Er hatte meinen Arm ermutigend gedrückt, das war wahrscheinlich der einzige Grund wieso ich noch so gerade stand, ich klammerte mich einfach gedanklich an ihm fest. An einem Wildfremden der vor kurzem noch meinen Tod vorgeschlagen hatte. Ich sollte es wirklich besser wissen. Aber momentan war er das kleinste Übel.
Einmal schnaubte Marco herablassend, aber ansonsten war die Unterhaltung der Männer so ruhig und kühl dass sich das kochende Blut in meinem innern und die Zimmertemperatur bekämpften wie Godzilla und King Kong.
Das Ticken der Uhr wirkte dabei wie Hammerschläge in meinem Kopf und ich atmete langsam aus, sodass sich mein Puls etwas runter schraubte bevor er noch meine Adern sprengte.
Es war so surreal, dass ich kurz hoffte es wäre nur ein Traum. Und dass ich nicht gerade innerhalb von einem Tag mein Leben in die Scheisse geritten hatte.
Dann drehten sie sich nickend um und Michael wies den Doktor an, vorzutreten. Somit stand er mir ziemlich genau gegenüber.
"Verkünde das Ergebnis Dimitri."
Sagte Malthael, in seiner Stimme war nicht zu Erkennen, ob es ihn auch nur im geringsten berührte.
Anscheinend nicht, fühlten diese Menschen überhaupt etwas oder waren sie darauf trainiert worden wie eine Maschine zu handeln? Waren sie vielleicht sogar Maschinen?
Der Doktor sah mich zögernd an und ich hing an seinen Lippen.
Es war ein komisches Gefühl, so nahe an der Schwelle des Todes zu stehen.
"Deine Testergebnisse sind gut. Das kann sich auch auf deine Nachkommen auswirken. Du hast den Test bestanden."
Keine Ahnung ob sie erwarteten, dass ich jetzt dankbar vor ihnen auf die Knie sank oder ihre Füsse küsste, aber das würde ich nicht tun. Was gingen sie überhaupt meine Nachkommen an? Hätten sie mich also ohne Skrupel getötet, wenn ich nicht genau ihren Kriterien entsprochen hätte? Das konnte doch keine Welt sein, in der man sich wohl fühlte.
Trotzdem, dass ich weiterleben durfte war schonmal gut. Das hiess dass sich mir irgendwann vielleicht auch eine Fluchtmöglichkeit bieten würde, die ich nutzen konnte.
Langsam sah ich von einem zum andern, Marco schien nicht sehr zufrieden, Malthael sah mich mit einem, wusste ich es doch, Blick an und Michael schien das ganze sowieso nicht all zu sehr zu interessieren.
"In dem Fall würde ich deutlich empfehlen sie aufzunehmen." meldete sich Dimitri, der Doktor im weissen Mantel, zu Wort.
„Es gibt ohnehin schon zu wenig Frauen hier."
Michael winkte mit der Hand.
"Danke Dimitri, du kannst gehen."
"Ja Sir."
Sagte der etwas ältere, nach vorne gebeugte Mann und verliess das Zimmer. Dabei lief er an mir und Alec vorbei. Er lächelte mich an, doch in seinen Augen stand ein ganz anderer Ausdruck. Irgendetwas bereitete ihm Sorgen, ich wusste nur nicht was.
Beim Versuch, es mir auszumalen, schmetterten sic meine Gedanken gegenseitig an meine Gehirnwand, jedenfalls fühlte es sich dem Pochen Nach so an.
Dann knallte die Tür leise und ich fuhr zusammen, was mir einen abwertenden Blick von Marco einbrachte.
Ich wich ihm aus.
Ich musste meine Gedanken nun ordnen, mitspielen bis sich eine Gelegenheit bot hier weg zu kommen.
Ich durfte nicht falsch handeln, ich musste mich so gut es ging über alles informieren, um mir dann einen gut durchdachten Plan zurecht zu legen.
Kaum hatte ich den Entschluss gefasst veränderte sich meine Körperhaltung.
Entschlossener, aufmerksamer.
"Nun denn, wie lautet dein Name?"
Michael tippte gelangweilt auf dem Tablet herum, bevor er wieder zu mir hoch sah. Er hob eine Braue als ich weiterhin schwieg.
Seine Schwarzen Augen zeigten mir sogleich deutlich , dass ich für seinen Geschmack zu langsam reagierte.
In diesem Blick lag so viel Dominanz und Macht dass er nicht einmal etwas sagen musste, um mich dazu zu bewegen etwas zu sagen.
"Amara O'Conner."
Sagte ich, meine Stimme war nicht zu leise und nicht zu laut, wenigstens funktionierte das noch perfekt.
Und wenn ich mich schon in dieser Lage befand blieb mir nichts anderes übrig, als das Beste daraus zu machen.
"Alter?"
Ich runzelte die Stirn.
"Zwanzig."
Kurz tauschten Marco und Malthael Blicke aus, doch Michael schrieb es nur auf, als wäre ich keine Person sondern eine Statistik, die es zu lesen galt.
Unruhig sah ich zu Alec, doch sein Blick streifte meinen nur kurz ermutigend, danach war sah er wieder verhärtet und konzentriert nach vorne.
"Du wirst mit Kelly in ein Zimmer eingeteilt, lass dich von ihr herum führen und einweisen, in ein Paar Tagen suchen wir dir eine Aufgabe hier."
Malthael blinzelte mehrmals, während er redete.
"Aufgabe?"
Ich hatte die Frage nicht zurückhalten können.
Marco knurrte.
"Jeder hier trägt seinen teil zur Gemeinschaft bei, denkst du für dich gelten andere Regeln?"
Michael sah ihn warnend an und Marco schwieg sofort. Innerlic machte es mich wütend, wie respektlos er mit mir redete, aber um zu Marcos Zufriedenheit zu reagieren machte ich einen Schritt zurück und schwieg. Ich musste mich ja nicht gleich am ersten Tag schon unbeliebt machen.
"Alec, bring sie zu Kelly. Genug Zeit verschwendet."
Michael nickte vielsagend bevor er sich ohne mich zu verabschieden Marco zuwandte und scharf auf ihn einredete. Als würde er einen kleinen Jungen zurechtweisen.
Malthaels Blick jedoch verfolgte mich bis zur Tür, die mir Alec öffnete.
Ich ging aus dem Zimmer, und war für eine Sekunde doch unendlich froh dass ich zu Fuss hier wieder raus ging. Und nicht getragen werden musste.
Kaum hatten wir die Wachen einige Schritte hinter uns gelassen, drehte ich den Kopf zu Alec.
Er sah mich nicht an, führte mich aber weiter durch den Gang.
Den Kurzen Marsch zum Trakt der Frauen kannte ich zwar, nachdem ich ihn zweimal abgelaufen war, aber dennoch war es gut den schwarzhaarigen Jungen mit den grauen stürmischen Augen bei mir zu haben.
"Was wird meine Aufgabe sein Alec?"
Fragte ich.
Wahrscheinlich hätte ich ihn mit Sir ansprechen müssen, aber in seinem Blick lag jetzt, wo wir nicht mehr unter Beobachtung waren, keinerlei Kälte mehr, sondern nur einen normalen jungen Mann.
Er sah mich von der Seite an, bei diesen widerspenstigen Strähnen juckte es mich in den Händen, sie zurecht zu streichen, aber das käme ganz und gar falsch an, also liess ich es sein.
"Ich kann es nicht gut erklären, bei mir hört es sich wahrscheinlich total schlimm an, ich bin in solchen Sachen nicht gut."
Abwehrend hob er die Hände hoch.
"Mir egal."
Sagte ich ehrlich, ich wollte lieber die harte Wahrheit wissen als die schmackhafte Version.
Er atmete aus und überlegte wohl kurz ob er einfach nicht antworten sollte.
"Unsere Organisation hat nicht so viele Frauen. Frauen sind aber nötig, um Kinder mit guten Genen zu gebären. Denn wir hier unten kämpfen für die Gerechtigkeit. Weswegen wir unsere Familien vor allfälligen Racheaktionen schützen müssen."
Alec kratzte sich am Nacken. Ihm war wohl selbst klar, wie sich das in meinen Ohren anhören musste.
„Und weil alle die hier unten geboren werden in eine Welt von Gefahr hinein geboren werden, müssen sie gute Gene haben.
Deshalb werdet ihr Frauen den Besten von uns quasi...zugewiesen."
Ich schnappte empört nach Luft und blieb abrupt stehen.
„Was?"
„Zugewiesen ist das falsche Wort.... aber ich kann es nicht anders sagen. All die anderen Männer hier unten, solche ohne Frauen, die sind gewissermassen..auf Entzug. Noch ein Grund um gut auf unsere Frauen aufzupassen, denn sie sind wertvoll."
Ich verzog das Gesicht.
Schön dass die Frauen etwas Respekt bekamen. Das sollten sie aber so oder so bekommen. Für mich sah es jedoch immernoch so aus, als würden sie verteilt an den Meistbietenden. Und eine Stimme wenn es darum ging, die Organisation zu leiten, hatten sie ja auch nicht.
Sie waren schon fast im Mittelalter angekommen, da verhielt man sich auch so.
Ich wollte mich niemals so einer Gesellschaft unterwerfen.
Ich wollte für mich und meine Stimme kämpfen können. Ich wollte auf der gleichen Ebene behandelt werden wie ein Mann. Was nur fair war.
Auf keinen Fall würde ich so ein Leben akzeptieren, das man offensichtlich von mir erwartete zu führen.
Ich würde trotzdem lieber auf der Strasse leben als zuzulassen, dass Männer über mich bestimmten.
Dazu hatten sie nicht das Recht.
Ich war völlig überfordert mit der Art wie die Menschen hier lebten.
Und trotzdem hatte mich das kleine Wörtchen Gerechtigkeit in den Bann gezogen. Für Gerechtigkeit zu kämpfen, das war eigentlich ein recht guter Weg, sein Leben zu verbringen.Ich selbst hatte nie Gerechtigkeit erfahren und jetzt hatte ich die Möglichkeit, anderen zu helfen.
Aber wollte ich dafür wirklich einen so hohen Preis zahlen?
"Na dann Amara, man sieht sich irgendwann, spätestens wenn du etwas ausgefressen hast."
Alecs schiefes Grinsen wurde schelmischer und liess ihn etwas jünger aussehen.
Ich biss mir auf die Lippen, ein Lächeln war definitiv unpassend in meiner Situation, aber ich konnte es mir nicht verkneifen.
Zufrieden drehte Alec am Eingang des Gangs ab und ging weiter zum Lift, während ich über die unsichtbare Schwelle trat, die nur Frauen übertreten durften und den Finger ausstreckte um zu läuten, wie es Alec heute Morgen getan hatte.
Aber Kelly und eine andere Frau kamen mir zuvor.
Erfreut drehte die junge rothaarige Frau den Kopf zu mir. Die hübsche, schmal gebaute Asiatin neben ihr schwieg etwas distanzierter und beobachtete mich.
"Da bist du wieder!"
Stellte Kelly erfreut fest und umarmte mich, sodass mir ihr Ellbogen beinahe den Hals brach; aber sie merkte es nicht, so fröhlich schien sie zu sein.
Ich war verwirrt, wie konnte ein Mensch einen Anderen so schnell mögen?
Die Asiatin mit den langen glatten schwarzen Haaren schwieg, bis Kelly sie hervor zog.
"Das ist Kendra. Kendra, das ist..."
Ich hob den Blick und beeilte mich zu antworten.
"Amara."
Grinsend nickte sie.
"Ein sehr schöner Name."
Dann wandte sie sich zu ihrer Freundin die mich nur sehr unsicher angelächelt hatte.
"Ich muss sie noch einweisen, wir sehen und bestimmt beim essen, okay?"
Und schon zog sie mich mit sich davon und liess die junge Frau einfach stehen. Die schien es gewohnt zu sein, denn sie winkte mir nur zu.
"Ich wusste das du den Test bestehst, ich habe mich schon so lange auf eine Mitbewohnerin gefreut."
Gab sie zu und kicherte leicht.
„Und woher?"
„Naja ich hab das eben im Gefühl. Alleine in einem Zimmer zu leben hat seine Nachteile, also gut bist du jetzt hier."
Das glaubte ich ihr sogar, hier unten schien es ziemlich einsam, auch wenn die Frauen ja sich selbst hatten, aber irgendwann kannten sich ja alle, ich konnte es also verstehen dass sie auf neue Geschichten hoffte.
Und ich hoffte auf Infos.
"Eh..ja, wie es aussieht bin ich jetzt deine Mitbewohnerin."
Sagte ich leise, nicht ganz so begeistert wie sie aber mein Lächeln kam ziemlich überzeugend rüber.
Einerseits freute ich mich über solch freundliche Menschen und andererseits musste ich es tun, wenn ich hier erreichen wollte was ich konnte.
Sie öffnete eine Tür.
Z77.
"Für was stehen eigentlich die Ziffern vor den Nummern?"
Neugierig trat ich hinter ihr ein.
"Ach das ist ganz Leicht."
Sie lächelte. Schmerzte ihre Kiefermuskulatur eigentlich nicht langsam vom vielen Lachen?
„A steht für Arbeitszimmer, da wird alles geregelt, was nicht mit dem persönlichen Hab und Gut der Bewohner hier unten zu tun hat.
Und Z Steht für Zimmer, das wurde aus dem
deutschen übernommen. Z sind also unsere privaten Wohnbereiche."
Ich spitzte die Lippen, während ich mich umsah.
"Achso, klingt Logisch."
Sagte ich und beobachtete weiterhin die Einrichtung, due jetzt mein Zuhause sein sollte.
Das Zimer war identisch, zu beiden Seiten standen dieselben Möbel. Nur standen bei ihr noch Bilder herum und sie hatte irgendwelche Postet an der Wand kleben.
Mein Bett sah weich aus, eine gepolsterte Decke und zwei Kissen, ein Nachttisch der eine helle Lampe darauf stehen hatte.
Das Gestell des Bettes war verziert, sodass es beinahe etwas warmes in das neutrale Zimmer brachte.
Der Schreibtisch mit dem Tablet darauf war erstaunlich.
Ich strich mit dem
Finger über die Glasplatte und danach drückte ich auf den Knopf des Tablets, das sich hell strahlend anstellte.
"Hier schlafen wir, der Schrank ist in der Wand, aber abgesehen von dunkeln Kleidern und ab und zu Hosen und Tops haben wir nicht viel. Luxus ist hier ungern gesehen. Aber das hier reicht ja, um gut auszusehen. Nicht?"
Grinsend zog sie ein Regal aus der Wand, wo allerlei Kleider und Mäntel hingen, fein geordnet, sogar in meiner Größe.
"Ja."
Murmelte ich und strich über den Stoff. Es war der Hammer, wie viele Kleider plötzlich mir gehörten. Von einem Moment auf den anderen hatte sich mein Leben von Grund auf verändert.
Ich konnte meine Kleidung wechseln, duschen und trotzdem nannte Kelly das noch wenig. Für mich war das schon Luxus.
Vielleicht lohnte es sich doch, hier zu bleiben. Zumindest vorerst. Die Aussicht auf solch ein Leben hatte mich schon ziemlich beeinflusst. Aber der Preis der Unmündigkeit wollte ich trotzdem nicht bezahlen.
"Gefällt es dir? Ich kann auch dafür sorgen dass du etwas bunteres bekommst, man bringt uns allerlei Dinge aus den Ausseneinsätzen mit."
Eifrig erzählte sie mir, was sie schon alles von Verehrern geschenkt bekommen hatte. Sie schien wirklich nett zu sein und ich fühlte mich das erste Mal seit langem behandelt wie eine normale Frau. Eine Gesprächspartnerin.
Ein normaler Mensch.
"Danke."
Sagte ich, und meinte es auch so.
Sie grinste schief, bevor sie mich wieder aus dem Zimmer hinaus zog, bevor ich mich auf das weiche Bett hatte setzen können.
"So meine Liebe, jetzt lernst du dein neues Zuhause kennen.
Dein neues Leben."
Sternchen, das nächste Kapitel ist hier und mit ihm eine Frage; Wie findet ihr Kelly? Alles dazu und sonstige Gedanken in die Kommis ❥
Ich freue mich schon weiter zu schreiben ;)
Love ♡
Tala
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