Lass mich nicht los.
Wirst du mich wieder fallen lassen? Das ist die Frage, die meine Gedanken komplett vereinnahmt. Meinen Kopf leer fegt. Mir immer und immer wieder in den Sinn kommt.
„Wirst du mich wieder fallen lassen?”, schreie, rufe, frage, murmele, flüstere ich in die Nacht. Wirst du mich wieder fallen lassen, wie du es schon einmal getan hast? Ich hing. Und vertraute dir. Vertraute dir zu sehr. Ich ließ alles los und vertraute auf deinen Halt, doch du? Du ließt mich fallen, ließt mich nicht nur fallen, sondern gabst mir noch den entscheidenden Stoß. Und dann drehtest du dich einfach um und gingst. Ich erinnere mich an alles, an jeden einzelnen Moment.
Den Moment des Falls.
Den Moment, den kurzen und doch allzu verführerischen Moment der überbordenden Freiheit.
Den Moment, in dem mir mein Ende so unglaublich bewusst war.
Den Moment des Aufkommens.
Den Moment des Schmerzes.
Den Moment der Schwärze, der sanften Schwärze, die mich die Schmerzen vergessen ließ.
Den Moment des Aufwachens. Des Aufwachens im Krankenhaus. Der Fall war vielleicht nicht tief genug gewesen, um mich zu töten, aber doch, um mir den Arm zu brechen. Und noch etwas brach an dem Tag. Mein Herz.
Jetzt, sechs Monate später braucht mein Arm keine Schlinge mehr und die Bandagen, die ich für mein Herz geknüpft hatte, sind fort, doch es ist verwundbar wie eh und je. Erneut hänge ich. Ich will nicht sterben, doch erneut stieß mich jemand über den Rand. Und erneut muss ich die Entscheidung treffen, dir zu vertrauen. Mich nur auf deinen Halt zu verlassen, mich von allem anderen zu entbinden und nur auf dich zu hoffen. Tatsächlich, du ziehst mich hoch, bis ich an der Brüstung hänge. Streichelst meine Wange vorsichtig und sagst leise: „Ich muss dir etwas sagen.” Meine Gedanken schwirren, mir wird heiß und ich kann nicht klar denken. Dann fährst du fort: „Eigentlich hasse ich dich”, und mit einem Lächeln auf den Lippen lässt du mich los und drehst dich um und gehst. Und dieses Mal musst du mich nicht einmal mehr stoßen, langsam kippe ich nach hinten und nur ein Wort, ein Gedanke findet noch seinen Weg über meine Lippen, bevor ich endgültig falle. Auch dieses Mal ist mir jeder Moment überdeutlich bewusst.
Der Moment des Kippens.
Der Moment des Falls, diesmal berauschender als je zuvor.
Der Moment des Aufpralls.
Der Moment der Schwärze, keine weiche Schwärze, sondern eine, die alles erstickt. Dann nichts mehr.
„Warum?”
Meine Seele ist frei, doch mein Herz ist endgültig gestorben.
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