4. Kapitel: Punkt 1
4. Kapitel: Punkt 1
Als Liam zuhause ankam sprang seine Mutter überrascht aus der Küche.
„Hallo mein Schatz, was machst du denn so früh zuhause?“, flötete sie neben der Musik die aus der Küche drang. Sie hatte eine Schürze um die Hüfte gebunden und war offensichtlich gerade dabei, das Abendessen vorzubereiten.
„Ich hatte heute früher Schluss…“, murmelte Liam und zog seine Jacke aus, die er an den Kleiderständer hing der sich neben der Haustür befand.
„Früher aus? Wie kommt das denn?“, fragte seine Mutter und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Sie bemerkte, so wie immer, sofort das irgendwas mit ihrem Sohn nicht in Ordnung war.
„Du hast dich doch nicht etwa wieder mit Jenna gestritten oder? Ach Schatz, warum könnt ihr euch nicht einfach mal vertragen?“, fragte sie und kam auf ihn zu, doch er schüttelte den Kopf.
„Nein, oder doch eigentlich schon, aber ich bin nicht sauer wegen irgendeinem beschissenen Streit!“
„Achte auf deine Wortwahl Liam!“, schimpfte seine Mutter, wartete jedoch ansonsten ab, dass ihr Sohn weiter sprach.
„Wir müssen an so einem blöden Projekt teilnehmen und Mrs. Star fand es anscheinend logisch, mich und Jenna in ein Team zu stecken. Jetzt darf ich mit dieser behämmerten Kuh mein ganzes letztes Semester verbringen…“, erzählte Liam und hob seinen Rucksack, den er in die Ecke gepfeffert hatte, wieder auf um ihn sich über die Schulter zu legen.
„Ein Semesterprojekt? Das hört sich interessant an! Was müsst ihr denn da machen?“, wollte seine Mom wissen und sah erwartungsvoll zu ihrem, im Vergleich zu ihr äußerst hochgewachsenen Sohn, hinauf.
„Das Positive ineinander finden…“, sagte er kurz und bündig und ging dann die ersten Stufen hinauf.
Katelyn Welsh war nicht dumm und aus diesem Grund verkniff sie sich in diesem Moment jeglichen Kommentar. Sie wusste, warum Jenna und ihr Sohn sich seit Anbeginn nicht verstanden und sie wusste auch, dass sie ihren eigenen Teil dazu beigetragen hatte. Obwohl sie ihre Feindschaft mit der Familie Carson schon lange beigelegt hatte, waren ihre Kinder dazu nicht im Stande gewesen und jetzt machten sie sich das Leben zur Hölle. Sie kannte ihren Sohn und sie kannte auch Jenna. Keines der Kinder war schlecht, doch beieinander ließen sie die übelsten Charaktereigenschaften aus sich heraus. Vielleicht konnte solch ein Projekt dazu beitragen, dass beide endlich aufhörten sich ständig zu bekriegen. Katelyn hoffte es jedenfalls inständig, denn ihr Sohn war in der letzten Zeit nur noch wütend, häufig wegen Jenna. Ihre Streitereien gerieten so langsam außer Kontrolle und keinem fiel etwas ein, was sie dagegen tun konnten. Offenbar hatte das Schicksal, oder auch Mrs. Star von der sie wusste, dass sie diese Projekte konzipierte, die Sache in die Hand genommen.
Als Liam in seinem Zimmer ankam, schmiss er den Rucksack in die Ecke und beabsichtigte nicht, ihn heute noch einmal hervorzuholen. Er konnte gar nicht beschreiben wie wütend er über die Zuteilung war. Immer noch hoffte er, dass jeden Moment das Telefon klingelte und sich herausstellte, dass das alles nur ein dummes Missverständnis war.
Er steckte seine Hand in seine Jeanstasche und zog den zerknüllten Zettel heraus, den er nach wie vor bei sich trug. Alleine schon die Tatsache, dass Jenna ihn angefertigt hatte zeigte, zu was sie fähig war! Er hatte sich auch schon einige Sachen geleistet, doch so weit war er noch nie gegangen und er hatte auch niemals beabsichtigt es jemals zu tun. Bis heute! Jenna Carson erschwerte ihm sein Leben und dies wurde nicht unbedingt dadurch erleichtert, dass sie in der Nachbarschaft lebte und sie sich ständig über den Weg liefen. Ihre Wege kreuzten sich täglich und jedes Mal konnte Liam nicht widerstehen und sprach Dinge aus, die er eigentlich gar nicht sagen hatte wollen doch ihre gesamte Präsenz schien ihn zu provozieren.
Jenna Carson strahlte die Dummheit schon aus! Mit ihren braunen, äußerst gewöhnlichen, Haaren die sie sich zu einem Bob hatte schneiden lassen und ihrer Körpergröße, die schon vollkommen übertrieben für ein Mädchen war, stolzierte sie täglich an ihm vorbei und zeigte ihm, dass sie die Überlegene war. Sie hielt sich eindeutig für etwas Besseres.
Sie hatte keinen Stil, trug ständig irgendwas, was sie einfach nur lächerlich aussehen ließ und bewegte sich, als habe sie ihren ein Meter siebzig Körper nicht unter Kontrolle.
Dieses Mädchen strahlte die Dummheit aus, ja, doch vielmehr strahlte sie Ignoranz und Arroganz aus!
Liam wusste nicht, warum er so häufig über Jenna nachdachte, täte er dies nämlich nicht, würde sich sein Leben erheblich erleichtern doch die Schnepfe nervte ihn so sehr, dass er sie immer wieder vor sich sah. Ihr hämisches Grinsen, ihre eingebildete Art ihn anzusehen, ihre Mimik und Gestik die ihn zur Weißglut brachten. Und jetzt durfte er die ganze restliche Zeit, die ihm auf der High School noch geblieben war mit ihr verbringen! Da konnte man ihm auch gleich einen Strick geben!
Während Jenna zuhause an ihrem Laptop saß und versuchte, einen Aufsatz für Englisch fertig zu stellen den sie Ende der Woche abgeben musste, hämmerten ihre Finger so stark auf die Tastatur ein, dass sie Angst hatte sie könnte sie jeden Moment zerstören. Das alles war doch absurd! Man konnte sie einfach nicht dazu zwingen bei solch einem Projekt teilzunehmen, wenn sie nicht wollte. Niemand konnte ihr vorschreiben, mit wem sie ihre Zeit zu verbringen hatte davon war sie fest überzeugt!
„Liebes, möchtest du runter kommen und etwas essen?“, hörte sie ihre Mutter rufen und so stand sie auf, um sich auf den Weg nach unten zu machen. Ihre Mutter hatte sie gar nicht erst gefragt, was vorgefallen war, sie hatte es irgendwie schon gewusst. Natürlich nicht das von dem Projekt sondern mehr das es etwas mit Liam zu tun hatte. Jenna hatte es auch nicht für nötig empfunden ihre Mom einzuweihen und so saßen sie jetzt still am Esstisch und warteten darauf, dass Chris, ihr Bruder, und ihr Dad endlich nachhause kamen. Das Haus war immer so furchtbar ruhig, wenn die Beiden ausgeflogen waren.
Chris besuchte das heimische College, auf das auch Richard, Jennas Ex ging. Wie es der Zufall so wollte, waren ihr Bruder und ihr Ex auch noch sehr eng befreundet. Obwohl, so konnte man das gar nicht sagen, schließlich hatte Jenna überhaupt erst so viel Zeit mit Richard verbracht WEIL die beiden so gut befreundet waren. Chris war zwar nicht sonderlich begeistert gewesen, als Richard ihm mitgeteilt hatte, dass er jetzt mit seiner kleinen Schwester zusammen war, doch er hatte sich zurückgehalten. Seitdem jedoch Schluss war, war wohl auch die Freundschaft der Beiden ein wenig belastet.
Zwei Jahre lang war Jenna mit Richard zusammen gewesen und sie hatte geglaubt, dass es noch viel länger werden würde doch Richard hatte das anders gesehen. An dem Tag, an dem Liam ihm zugerufen hatte, er solle schnell mit ihr Schluss machen, war Richard tatsächlich gerade genau dabei gewesen, was Liam natürlich nicht hatte wissen können, das war auch Jenna bewusst geworden und trotzdem verband sie Liam unweigerlich mit diesem Ereignis. Vielleicht hätte Richard es sich doch noch anders überlegt, wenn Liam diesen Spruch nicht abgelassen hätte.
Jenna merkte gar nicht, wie fest sie den Löffel umklammerte hatte, in dem sich ein wenig Suppe befand, die sie noch immer nicht aufgegessen hatte. Erst als ihre Mom ihr die Hand auf die eigene legte blickte sie auf und ließ den Löffel sinken.
„Liebes, alles in Ordnung mit dir? Du wirkst äußerst angespannt!“, fühlte sich Rose Carson verpflichtet zu fragen und betrachtete ihre Tochter besorgt.
„Alles in bester Ordnung!“, log Jenna und wischte sich den Mund mit der Serviette ab, die ihre Mom neben dem Teller drapiert hatte.
„Kann ich bitte gehen? Ich wollte noch in die Bibliothek!“, erklärte Jenna und obwohl beide wussten, dass dies gelogen war, sagte keiner der Beiden etwas um das klarzustellen. Ihr Mom nickte lediglich und blickte ihrer Tochter besorgt hinterher. Als sie die Haustür ins Schloss fallen hörte erhob sie sich und ging auf das Telefon zu, welches sich in seiner Ladestation befand und wählte die Nummer der Familie Welsh. Katelyn wusste bestimmt was geschehen war, sie konnte solche Dinge immer schon besser herausbekommen.
„Welsh…“, ertönte es am anderen Ende der Leitung nach einigen Sekunden.
„Hallo Katelyn, ich bins Rose. Hast du ebenfalls ein zorniges Kind zuhause sitzen?“, kam sie gleich zum Punkt. Einige Sekunden verstrichen und Rose wusste, dass Katelyn sich gerade in eine sichere Zone begab. Entweder Liam oder ihr Ehemann waren in der Nähe.
„Ja habe ich…“, sagte sie schließlich und zeigte Rose so, dass sie sich in einen anderen Raum zurückgezogen hatte.
„Weißt du was passiert ist?“
„Ja, so ungefähr. Es gibt ein neues Semestersprojekt bei welchem die Kinder das Positive in anderen finden müssen und Liam und Jenna wurden in ein Team verfrachtet….“, erklärte Katelyn kurz und bündig.
Rose schluckte einmal schwer, bevor sie etwas erwiderte.
„Sollen wir etwas unternehmen?“, fragte sie und hörte durch den Hörer hindurch einen resignierten Seufzer.
„Rose, ich denke wir sollten das erstmal einfach so laufen lassen. Wir können unseren Kindern nicht immer alles abnehmen! Irgendwann müssen sie lernen, dass sie auch mit Menschen zusammenarbeiten müssen die sie nicht ausstehen können. Ich glaube, dass es schon irgendwie gut gehen wird….hoffe ich zumindest! Und wenn nicht, haben wir immer noch Zeit uns einzuschalten!“, stellte Katelyn ihre Meinung dar.
„Ich denke, du könntest Recht haben. Aber ich will nicht, dass sie sich noch mehr zerkriegen als sowieso schon!“, erklärte Rose besorgt und dachte kurz nach.
„Wir haben wirklich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann, oder?“, meinte sie schließlich in den Hörer hinein.
„Vielleicht, doch wir haben noch Zeit es wieder gut zu machen, denke ich!“, erwiderte Katelyn. „Jetzt warten wir einfach mal ab, es geschehen ja schließlich auch noch Wunder!“
„Du hast wohl recht. Und wie sieht es ansonsten bei euch so aus?“, fragte Rose und wechselte so das Thema.
Katelyn hatte ja eigentlich recht. Sie konnten ihren Kindern nicht immer alles abnehmen. Liam war mittlerweile Volljährig und Jenna hatte in zwei Wochen Geburtstag. Sie waren alt genug, um das selber zu regeln.
Liam hörte sein Handy in der Hosentasche klingeln und zog es heraus. Eric.
„Ja?“
„Hey, Bock auf ne Session Burger?“, ertönte es am anderen Ende ohne große Umschweife. Liam dachte einen kurzen Augenblick nach und erhob sich.
„In zehn Minuten bei Darcys!“
Er legte auf schnappte sich seinen Rucksack, nur für den Fall, dass er ihn benötigte, und lief polternd die Treppe hinunter. Als er in das Esszimmer kam, saß sein Dad dort und aß.
„Wo ist Mom?“, fragte Liam ihn und ohne etwas zu sagen deutete er in Richtung Speisekammer.
„Sie telefoniert?“, fragte Liam und sein Dad nickte.
‚Wow, mal wieder äußerst gesprächig heute, was?’, ging es ihm durch den Kopf, doch er sagte nichts, stattdessen teilte er seinem Dad mit, dass er sich mit Eric traf und meinte, Mom solle nicht auf ihn warten. Ohne auf eine Reaktion zu warten, ging er davon, zog sich seine Jacke über und trat in die bitterkalte Luft nach draußen. Der Winter hatte Einzug gehalten, doch noch hatte es nicht geschneit. Obwohl es bereits Februar war, hatte sich der Winter bisher stark zurückgehalten doch jetzt würde er kommen, so prognostizierten es zumindest die Wetterfrösche. Liam atmete einmal die kühle Luft tief ein und lief dann auf seinen Wagen zu, in den er einstieg und davon brauste.
Als er vorm Darcys ankam sah er schon, dass sich viele Mitschüler von ihm darin tummelten und so war er froh, als er Eric an einem Tisch sah den er ergattert hatte. Ihr Stammplatz, direkt am Fenster.
Liam zog die Jacke aus, schmiss sie auf die grüne gepolsterte Bank und setzte sich direkt daneben.
„Und hab ich was verpasst in der Schule?“, fragte er seinen Kumpel, der vollkommen vertieft in Angry Birds war, das er auf seinem Tablet spielte.
„Ne nicht wirklich…ihr seit Gesprächsstoff Nummer eins, also du und Jenna.“, meinte Eric und ließ dann entnervt von seinem Tablet ab. Es war offenbar nicht gut für ihn gelaufen.
„Warum das denn?“, fragte Liam gespielt gelangweilt und legte seinen Arm auf der Lehne ab um sich im Raum umzusehen. Viele bekannte Gesichter waren in seine Richtung gewandt.
„Ach komm schon, du weißt genau warum! Jeder weiß bereits, dass ihr ein Team bei dem Semesterprojekt von Mrs. Star seid und dabei die positiven Seiten des Anderen präsentieren müsst.“, erklärte Eric und blickte auf. Er hatte das Tablet in seinem Rucksack verstaut und richtete jetzt seine volle Aufmerksamkeit auf Liam.
Darcy, die Besitzerin des Diners kam an ihrem Tisch vorbei und Liam gab seine Bestellung auf.
„Keine Ahnung, warum alle so interessiert sind an Carson und mir, es geht sie alle eigentlich gar nichts an!“, sagte Liam jetzt, da er es leid war den Idioten die hier rumstanden und wegen ihm tuschelten Beachtung zu schenken, also stützte er beide Arme auf dem Tisch ab und schirmte den Rest ab.
„Weil du und Jenna euch vielleicht nicht einmal die geringste Mühe gebt eure Abneigung zu verstecken? Schon mal daran gedacht? Ich verstehe ja wirklich, dass ihr euch nicht leiden könnt, aber müsst ihr euren Krieg ständig so öffentlich austragen? Beide ärgert ihr euch über die Gaffer, doch ihr geht ihnen auch nicht aus dem Weg. Also entweder ihr verlagert eure Streitereien irgendwo anders hin ODER ihr lasst es einfach.“, erklärte Eric, der eigentlich nicht wirklich was gegen Jenna Carson einzuwenden hatte. Er hatte ein paar Mal mit ihr gesprochen und nichts bemerkt was erklären würde, was für ein Problem Liam mit ihr hatte. Ok, sie hatte sich schon ein paar Schnitzer seinem Kumpel gegenüber erlaubt, doch Liam sollte erwachsen genug sein darüber endlich einmal hinweg zu sehen.
„Ich glaube, dass keines der Beiden möglich sein wird mein Freund, denn Carson schafft es einfach nicht. Mit jedem Schwachsinn muss sie mich immer sofort konfrontieren…“
„Sagt derjenige, der heute selber in der vollen Cafeteria auf sie losgegangen ist. Sorry Kumpel, aber du bist keinen Deut besser als Jenna. Vielleicht ist es gar nicht so übel, dass ihr endlich mal zusammenarbeiten müsst dann lernt ihr vielleicht zumindest, wie ihr miteinander umgehen könnt ohne euch den Kopf abzureißen. Entweder das, oder du hast grausame vier Monate vor dir!“
Liam dachte über das, was sein Kumpel ihm gerade gesagt hatte, nach. Eric kannte ihn schon sehr lange, sie waren seit der zweiten Klasse miteinander befreundet und so hielt er sich auch niemals in der Äußerung seiner eigenen Meinung zurück. Meistens war ihm Liam dankbar dafür, heute jedoch wünschte er sich, dass Eric ihm zumindest ein bisschen Raum zum beklagen gab. Liam wusste es jedoch besser denn Eric war noch nie einer gewesen der es gemocht hatte, wenn Liam über Jenna herzog. Oder überhaupt wenn irgendjemand über wen anders herzog.
„Ok, mal sehen. Ich werde mir Mühe geben, ok?“
Gerade als Darcy Liams Bestellung an den Tisch brachte bemerkte Liam, dass es einen kleinen Aufruhr zu geben schien und blickte auf. Einige Tische weiter weg konnte er Emma erkennen, die den Kopf eingezogen hatte, während Vince mit ein paar Kumpels auf sie einredete. Wenn sich Liam auf ihn konzentrierte, konnte er verstehen was dieser sagte.
„Komm schon, letztes Mal hast du dich auch nicht davor gescheut mir in aller Öffentlichkeit einen zu blasen!“, gab Vince von sich und lehnte sich dabei so sehr an Emma an, dass diese zurückzuckte.
„Lass mich in Ruhe Vince…“, wimmerte sie schon beinahe. Liam fühlte ein beklemmendes Gefühl in der Brustgegend. Das was da vor sich ging war nicht rechtens, das war auch ihm bewusst.
„Stell dich nicht so an. Du tust ja grad so als wärst du die Unschuldige, dabei kannst einfach unglaublich Dinge mit deinem Mund…“, weiter kam Vince nicht, denn plötzlich wurde er zurückgezogen. Das alles ging so schnell, dass Liam im ersten Moment gar nicht mitbekam wer sich da jetzt eingemischt hatte.
„Halt dich fern von ihr du Idiot!“, ertönte eine ihm bekannte Stimme und für einen Moment war Liam absolut sprachlos, während Eric bereits aufgestanden war und sich nun in die Richtung des Konfliktes bewegte.
Jenna stand da und funkelte den über zehn Zentimeter größeren und locker zwanzig Kilo schwereren Vince an, der zunächst ebenfalls überrumpelt schien sich jedoch schnell wieder fasste.
„Du kleine Bitch solltest dich da lieber raushalten!“, erklärte er und ordnete seinen Pullover neu, der bei dem Angriff ein wenig verrutscht war.
„Ich halte mich mit Sicherheit nicht raus wenn du ein Mädchen aus unserer Schule in aller Öffentlichkeit so belästigst!“, sagte Jenna. Mittlerweile war Eric bei dem Geschehen angekommen, Liam saß immer noch stocksteif da löste sich jedoch aus der Erstarrung als ihm sein eigenes Verhalten bewusst wurde. Da sprang ein Mädchen für eine andere in die Bresche obwohl zig Kerle in dem Diner saßen und mittlerweile alle auf das Spektakel aufmerksam geworden waren.
„Ich belästige hier niemanden, kapiert? Halt dich aus Sachen raus, die dich nichts angehen!“, erklärte Vince und funkelte Jenna an.
„Was sonst?“, fragte sie ihn und dabei kam Liam das Szenario vom Mittagessen in den Sinn. Als Außenstehender betrachtete man Jenna ganz anders, wie wenn man in einen Streit mit ihr vertieft war. Seine Beine bewegten sich von alleine in ihre Richtung und so kam er ihnen immer näher.
„Sonst knall ich dir so eine, dass du nicht mehr weißt wo vorne und wo hinten ist, hast du es jetzt verstanden?“, entgegnete Vince und trat auf Jenna zu, die sich beschützend vor Emma gestellt hatte.
„Du kannst mir nicht drohen du Vollpfosten! Wir sind umgeben von lauter Schülern die an unserer Schule sind. Glaubst du wirklich, du würdest einfach davon kommen?“, fragte ihn Jenna herablassend. Liam war sich sicher, dass sie hier einen taktischen Fehler begangen hatte und obwohl er Jenna auf den Tod nicht ausstehen konnte so wünschte er sich natürlich nicht, dass sie sich von Vince eine einfing, nur weil dieser sich provoziert fühlte. Liam beeilte sich, noch schneller bei dem Geschehen anzukommen, doch er konnte bereits sehen, wie Vince auf Jenna zuging und ihr einen Stoß verpasste, der sie zunächst wanken, dann fallen ließ. Das alles ging so schnell, dass nicht einmal Eric darauf reagieren konnte, obwohl er neben ihr gestanden war. Hart landete sie auf dem Boden neben der bepolsterten Bank und sah schockiert zu ihm hinauf, während alle anderen nur erschrocken aufstöhnten ansonsten jedoch nichts taten.
„Bist du bescheuert??“, sagte Jenna empört und rieb sich die Schulter, mit der sie gegen die Bank geknallt war.
Bevor Vince sie erneut erreichte, ging Liam schließlich dazwischen, während Eric sich gerade darum bemühte, Jenna aufzuhelfen und sie aus der Schussbahn zu nehmen.
„Ernsthaft? Du vergreifst dich an Mädchen, die schwächer sind als du?“, fragte Liam Vince mit ruhiger, jedoch atemloser Stimme. Er war wütend. Wütend auf sich selber, weil er nicht früher eingegriffen hatte und wütend auf Vince, weil genau solche Vollidioten täglich dafür sorgten, dass die Männer in dieser Stadt einen solch schlechten Ruf hatten. Ein klein wenig war er auch auf Jenna wütend, denn sie hätte die Sache jemand anderen regeln lassen und Vince gar nicht erst so provozieren sollen.
„Boah, hau ab Welsh, du hast rein gar nichts mit dieser Sache zu tun. Außerdem wünschst du dir doch, dass die dumme Kuh endlich mal eine Abreibung bekommt! Ständig mischt sie sich in Angelegenheiten ein, die sie einen Scheißdreck angehen…“, sagte Vince und deutete abfällig mit seinem Arm in Jennas Richtung. Um Emma ging es hier schon lange nicht mehr, das wurde Liam klar.
„Das tut sie vielleicht und trotzdem hast du nicht das Recht sie anzugreifen. Verpiss dich Vince oder ich schwöre dir, ich vergesse mich noch!“, sagte Liam und spürte das unkontrollierte Zittern seines Oberkörpers. Dies passierte ihm immer dann, wenn er kurz davor stand einen riesengroßen Fehler zu begehen.
„Ernsthaft, du nimmst die Fotze in Schutz?“, fragte Vince ihn vollkommen perplex. „Wahrscheinlich fickst du sie noch zwischen euren Streiteinheiten oder?! Du bist doch genauso krank wie der Rest dieser Bagage…“, fügte er hinzu und sah sich um. Liam erkannte sofort, dass er aufgegeben hatte und jetzt versuchte, mit diesen Worten noch ein wenig Raum zu gewinnen.
„Und selbst wenn es so wäre, so geht es dich ja wohl einen Scheißdreck an, oder?“, konterte Liam und nahm Vince dadurch auch den letzten Wind aus den Segeln.
„Wie du meinst, aber denk an mich, wenn du das nächste Mal kurz davor bist ihr eine mitzugeben!“ Vince spuckte die Worte aus und richtete einen letzten Blick auf Jenna, die sich immer noch mit der Hand über die Schulter fuhr, und ging davon während er nichts anderes als Stille hinter sich ließ.
„Alles klar bei dir?“, fragte er Emma, die hinter ihm saß und verwirrt zwischen all den Personen hin und her sah. Offenbar war sie es nicht gewohnt, so viel Aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen und offenbar, war sie es auch nicht gewohnt, Hilfe zu bekommen denn sie wandte sich an Jenna und sagte ein leises „Dankeschön!“, bevor sie sich abwendete und sich erhob.
Liams Blick wanderte zu Jenna, die gerade im Begriff war „Kein Problem…“, zu antworten. Sie bekam es nicht ganz heraus, denn Emma hörte ihr gar nicht mehr zu. Stattdessen verließ sie das Diner.
„Ich geh ihr mal hinterher…nur zur Sicherheit!“, meinte Eric, der sich kurz bei Jenna erkundete ob alles in Ordnung war und dann ebenfalls nach draußen stürmte. Danach kehrte langsam das stetige Treiben im Laden zurück, während Jenna, ohne Liam Beachtung zu schenken, auf ihren Tisch zuging dann jedoch inne hielt und sich zu ihm umdrehte.
„Dankeschön….“, sagte sie leise. So leise, dass Liam es nicht einmal richtig verstand, doch er nickte um ihr zu verstehen zu geben, dass er es gerne getan hatte. Glaubte er zumindest, denn dies war das erste Mal gewesen, dass nicht er ihr Kontrahent gewesen war, sondern ein anderer.
„Das nächste Mal, solltest du dich vielleicht nicht mit einem Typen anlegen, der dir haushoch überlegen ist!“, sagte er ruhig bezog eben gesagtes jedoch nicht auf sich selber. Er wäre, egal wie wütend er schon auf Jenna gewesen war, niemals im Stande sie so wie Vince zu behandeln.
„Was, soll ich mich darauf verlassen, dass irgendjemand sich irgendwann doch dazu entschließt einzugreifen?“, fragte sie ihn und sah zu ihm hinauf, während er darüber nachdachte. Er schüttelte den Kopf.
„Nein, aber du könntest dir das nächste Mal Hilfe holen anstatt den Kampf selber zu führen!“, entgegnete er und wandte sich ab.
„Es muss dir doch eine gewisse Genugtuung gegeben haben, dass Vince mich fertig gemacht hat!“, provozierte Jenna, warum wusste sie selber nicht genau doch seine Antwort interessierte sie brennend. Er drehte sich nicht um, während er sprach.
„Nein, hat es nicht! Ich hab dir schon vieles an den Hals gewünscht doch seine Überlegenheit sollte kein Typ mit körperlicher Gewalt ausdrücken. Das ist meine Meinung! Egal was du von mir hältst, ein solches Arschloch bin ich nicht!“, dann ging er davon, legte einige Scheine auf den Tisch, schnappte sich seinen Rucksack und verließ den Laden ohne sich noch einmal umzudrehen. Währenddessen stand Jenna da und fragte sich, was Liam damit bezweckte, wenn er sich so verhielt. Irgendwas MUSSTE er doch aushecken.
Als Jenna am Abend noch an ihrem Schreibtisch saß und vor sich ein leeres Blatt Papier liegen hatte, war sie zu keiner Lösung auf ihre Frage gekommen, was Liam aushecken könnte. Sie glaubte tatsächlich, wenn auch nur mit einem kleinen Teil ihres Körpers, dass Liam ihr tatsächlich einfach nur hatte helfen wollen.
Sie kaute an ihrem Bleistift, während sie mit der rechten Hand das Blatt zu sich zog auf welchem sie sich Notizen hatte machen wollen bezüglich dieses bescheuerten Projektes. Pläne, wie sie diesem entkommen konnte waren ihr Ziel gewesen, stattdessen schrieb sie ein paar Worte hin die der erste Schritt zur Lösung des Problems waren:
Punkt 1: Liam Welsh setzt sich für Menschen ein, die er auf den Tod nicht ausstehen kann.
Liam hingegen saß in seinem Bett und balancierte seinen Block auf den Knien während er mit seinem Kugelschreiber klickte, weil er so besser nachdenken konnte. Papa Roach dröhnte durch seine Kopfhörer und er dachte über den heutigen Tag nach. Er sollte das Positive in Jenna finden? In Ordnung, einen Punkt konnte er schon nennen, auch wenn er es nicht für möglich gehalten hätte so begann er zu schreiben:
1. Jenna Carson legt sich mit anderen, sogar Überlegenen, an um Menschen zu helfen die keine Hilfe erwarten.
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