37. Kapitel: Retourkutsche
37. Kapitel: Retourkutsche
„Sorry wegen vorhin!", Jenna zuckte zusammen, als sie Liams Stimme hinter sich hörte, als sie sich gerade mit Toby unterhielt. Langsam und überrascht drehte sie sich um und vergaß Toby beinahe zeitgleich.
„Was meinst du?", fragte sie versucht gleichgültig, doch ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Was war nur aus ihr geworden? Jetzt schaffte sie es nicht einmal mehr wütend zu sein auf Liam? War das ihr ernst?
„Du weißt genau was ich meine Jenna.", meinte Liam, der seine Hände in den Hosentaschen versteckt hatte. Offenbar war er noch nicht wieder runtergekommen, denn sein Blick war nicht klar und kess sondern lauerte hinter seinen Haaren, die ihm ins Gesicht fielen, weil er nicht ganz aufrecht stand. Jenna runzelte die Stirn.
„Liam, stimmt irgendwas nicht?", fragte sie deswegen frei heraus und ging dabei auf ihn zu, um ihn ein wenig zur Seite zu ziehen. Sie legte ihre Hand an seinen Arm und blickte zu ihm hinauf, doch er wich ihrem Blick aus. Was war nur los mit ihm? Er war doch zu ihr gekommen?
„Alles bestens, ok? Ich wollte mich nur entschuldigen, dass ich mich vorhin wie ein Vollidiot verhalten habe!", meinte er, ließ sich jedoch auch weiterhin von Jenna führen, bis sie an einer Bank angekommen waren, die ein wenig abseits von dem allgemeinen Trubel lag. Heute war der letzte Abend und alle feierten ihn, bis auf Jenna die ständig damit beschäftigt gewesen war, nach Liam Ausschau zu halten.
„Liam, ich weiß genau, dass nicht alles bestens ist. Jetzt hör auf mit dem Scheiß, du machst mir noch Angst!", meinte Jenna lächelnd, die gerade eine wahre Krise vor sich sah. Liam sah mittlerweile nicht mehr nur so aus wie damals als Rebell, nein, er näherte sich seinem Zustand danach.
Liam verdrehte die Augen und lächelte, doch es war kein echtes Lächeln, das konnte sie genau sehen. Egal was sie jetzt tun oder sagen würde, sie würde ihn sowieso nicht erreichen denn Liam war verdammt stur. So wie sie auch.
„Lass uns über etwas anderes reden Carson, komm schon. Ich bin einfach nur ein bisschen schräg drauf, was aber nichts heißen muss. Lass uns unseren letzten Abend hier genießen, morgen geht's wieder nachhause und damit wieder in den tristen dunklen Alltag.", er zwinkerte ihr zu und lehnte sich zurück, was für Jenna beinahe nicht auszuhalten war da sie einfach wusste, dass das alles nicht echt war. Doch sie beschloss darauf einzugehen, jedoch nicht bevor sie noch eine Sache sagen konnte.
„Ok Liam, ich weiß genau, dass irgendwas nicht in Ordnung ist mit dir. Das ist ok, es geht mich nichts an. Ich habe kein Recht mich bei dir einzumischen, aber ich mache mir Sorgen um dich! Also bevor du irgendeinen scheiß baust, kommst du bitte zu mir, versprochen? Ich weiß, dass wir uns in den letzten Jahren nicht nahe standen aber das heißt noch lange nicht, dass du mir egal warst! Also versprich es mir, bitte.", die letzten Worte glichen mehr einem Flüstern doch Liam hatte jedes einzelne Wort verstanden. Er wünschte sich, er könnte es ihr sagen, wünschte er könnte sich öffnen, doch das konnte er nicht. Er stand sich selber im Weg. Carsons nächste Worte überraschten ihn deswegen.
„Alec Mensury wollte mir vorhin an die Wäsche, kannst du dir das vorstellen? Das ist nicht unbedingt das, was ich mir unter einem tollen letzten Abend vorstelle.", Jenna lehnte sich zurück und zog die Beine an, während ihr Blick über die Menge schweifte. Sie war seiner Bitte nachgekommen.
„Na Mensury hat einfach einen verdammt guten Geschmack Carson, das kannst du ihm ja wohl kaum verübeln!", meinte Liam und entspannte sich beinahe augenblicklich. Er wusste, dass das alles noch nicht ausgestanden war, doch er hatte beschlossen diesen einen letzten Abend im Camp noch auszukosten und zu genießen. Er würde sich seinen Dämonen noch früh genug stellen müssen, er musste nicht alles heute tun.
„Willst du mich verarschen?", meinte Carson und Liam machte sich gefasst auf eine ihrer, auf ihrem fehlenden Selbstbewusstsein basierende, Tiraden doch ihre nächsten Worte überraschten ihn.
„Mensury hat vielleicht einen guten Geschmack aber es tut mir Leid, dieser Junge ist ne männliche Schlampe!", sie verkreuzte ihre Arme, gespielt verärgert, vor der Brust und sah zu Liam hinüber, der sie verblüfft ansah bevor er zu Lächeln begann. Ein echtes Lächeln.
„Du bist zwar auch eine männliche Schlampe, aber dafür siehst du zumindest besser aus!", erklärte sie und Liam rechnete es ihr hoch an, dass sie sich so sehr um ein anderes Thema bemühte, obwohl er wusste, dass sie sich Sorgen machte.
„Heißt das, ich dürfte dir schon an die Wäsche im Gegensatz zu Mensury?", fragte Liam deswegen und spürte das ihm mittlerweile bekannte Wohlbefinden das sich in seinem Körper ausbreitete, wenn er mit Carson rumplänkeln konnte.
„Darüber wurde noch nicht entschieden, aber deine Chancen stehen zumindest besser!", sagte sie scherzeshalber, hatte jedoch keinen blassen Schimmer, welche Gefühle sie damit in ihm auslöste. Diverse Bilder jagten durch seinen Kopf von denen er definitiv niemandem jemals erzählen würde.
„So und wann wird darüber abgestimmt? Ich würde schonmal dafür stimmen!", meinte er und hob seine Hand, doch Carson drückte sie wieder hinunter. „Nur leider zählt deine Stimme nicht!", sagte sie und lächelte dabei. Sie lächelte nicht wirklich, sie machte sich immer noch Sorgen, doch verstand sie einfach nicht, dass es nichts gab worüber sie sich Sorgen machen musste. Niemand konnte voraussagen was geschehen würde, nicht einmal Liam. Er hatte kaum einen Einfluss darauf. Es gab Dinge in seinem Leben, die liefen mechanisch ab. Darüber hatte er keine Kontrolle, doch er hatte über das hier Kontrolle. Über diesen Moment, und den wollte er mit Carson teilen.
„Ich glaube wir haben noch etwas zu erledigen Jenna.", flüsterte er ihr zu, während er seine Hand an ihr Kinn legte und sie so zu sich aufschauen ließ. Jennas Augen wurden groß und sie formte ein wortloses „Oh", war jedoch noch mehr überrascht als Liam aufstand und sie hinter sich herzog. Er ließ ihre Hand nicht los. Nicht einmal, als sie sich all ihren Mitschülern näherten. Jenna zischte, er solle aufhören, doch Liam hatte noch nicht einmal ansatzweise vor, ihrem Wunsch nachzukommen. Heute Abend würde Steph endlich lernen, dass sie keine Konkurrenz für Jenna darstellte. Zumindest nicht für Liam.
„Was zum Teufel hast du vor Liam?", zischte Jenna und versuchte mit ihm Schritt zu halten. Einige ihrer Mitschüler sahen sie bereits an, was Jenna die Röte ins Gesicht trieb. Liam war ja vollkommen durchgeknallt! Mitten auf dem Sandstrand hatte sich eine spontane Tanzfläche ergeben, wo sich einige ihrer Mitschüler zur Musik bewegten. Genau darauf steuerte Liam zu.
„Liam hör auf!", flüsterte Jenna erneut und zog an seiner Hand, doch Liam drehte sich nur um und lächelte sie an. Ein echtes Lächeln was Schauer durch Jennas Körper jagte. Bei der Tanzfläche angekommen wandte sich Liam um und legte seine Hand an Jennas Rücken, die andere folgte eine Sekunde später.
„Das ist der Moment, in dem du deine Hände in meinen Nacken legen solltest Carson!", erklärte er zwinkernd. Jenna sah sich kurz um und bemerkte all die Blicke die auf ihnen lasteten. Wenn sie sich jetzt weigerte, dann wäre dies noch peinlicher als wenn sie einfach mitmachte also schloss sie ihre Hände in Liams Nacken und begann sich gemeinsam mit ihm zur Musik zu bewegen.
„Warum tust das?", fragte Jenna jetzt wieder ernst und blickte zu Liam auf, der immer noch lächelte.
„Weil ich A) der Meinung bin, dass du dich nicht hinter Steph verstecken musst. Anstatt ihr gehörig die Meinung zu sagen bleibst du trotz allem nett zu ihr obwohl du, und leugne es nicht, ihr am liebsten die Augen ausgekratzt hättest als sie sich heute im Wasser mal wieder an mich rangeschmissen hat. B) denke ich, dass du nach wie vor zu wenig von dir selber hältst, was ich einfach nicht verstehen kann weil du, entschuldige den Ausdruck, einfach Hammer bist und C) einfach weil es wollte.", erklärte Liam. Jenna wollte gerade eben noch etwas zu Punkt B sagen bevor sie verstummte, als die letzten Worte Liams Lippen verließen. Er hatte es gewollt. So einfach war das also. Sie spürte all die Blicke auf ihr lasten, entdeckte Maria einige Meter weiter die sie sorgsam beobachtete.
„Jenna, hör auf darüber nachzudenken, was die anderen denken könnten!", er zog sie noch enger an sich, so dass bald nicht mal meine flache Hand zwischen ihre Oberkörper passen würde. Jenna Wangen glühten als sie nickte und versuchte, sich auf Liam zu konzentrieren. Ihr war klar, und das war es Liam auch, dass sie Gesprächsthema Nummer eins waren. Zwei Menschen, die sich bis vor ein paar Monaten noch bis auf Blut bekriegt hatten tanzten gemeinsam. Jenna entdeckte Steph ebenfalls einige Meter weiter weg und dabei verengte sich ihr Blick. Liam hatte Recht. Steph war der Meinung gewesen, das eventuell irgendwas zwischen ihr und Liam laufen könnte und trotzdem hatte sie ständig versucht sich an ihn ranzuschmeißen. Natürlich, sie hatte gefragt und Jenna hatte diese Frage verneint, doch wäre Steph ein klein wenig feinfühliger gewesen, hätte sie bemerkt, dass es Jenna nicht recht war. Außerdem war es nicht so, als hätte Steph irgendwelche Gefühle für Liam. Von wegen, sie hatte einfach nur mit ihm ins Bett gehen wollen!
„Das ist mein Mädchen. Ich merke an, dass man dir deine Gefühle manchmal wirklich von den Augen ablesen kann!", meinte Liam leise und sah Jenna dabei durchgängig an. Er wusste selber nicht was er hier tat, aber er hatte sich geschworen, dass niemand mehr mit Jenna umgehen würde, als wäre sie minderwertig. Denn das war sie nicht und Steph wäre die Erste, die dies endlich checken musste. Liam hatte niemals die Illusion gehabt, eine Zukunft mit Jenna zu haben, aber er hatte ihr ihr Leben so schwer gemacht in den vergangenen Jahren, dass er zumindest hoffte, ihr ein bisschen dabei helfen zu können ihren Platz zu finden.
„Ach was Welsh, halt einfach die Klappe, ok??", meinte Jenna und endlich hatte Liam das Gefühl, dass er die alte Jenna wieder zurück war. Schlagfertig und direkt. So wie er sie....mochte. Nicht mehr und nicht weniger.
Neben ihm hörte er ein Räuspern und wurde somit von Jenna abgelenkt, die sich gerade in seinem Blick verloren hatte. Beide wurde aus einer Art Trance heraus gerissen und das von niemand geringerem als Steph höchstpersönlich.
„Macht es dir was auf, wenn ich dich ablöse?", fragte sie Jenna unschuldig und legte die Hand auf Liams Arm. Jenna konnte es nicht fassen. Nein, bis jetzt hatte sie nie wirklich Probleme mit ihr gehabt, doch das jetzt war wirklich unter aller Sau. Jenna war derart perplex, dass sie nicht fähig war auch nur ein Wort zu sagen, während Liam sie beobachtete. ‚Komm schon Mädchen, gibs ihr!', ging ihm durch den Kopf, doch er wollte es ihr selber überlassen. Leider würde sie es versauen, denn sie ließ sich tatsächlich von Steph beiseite drängen und beinahe hätte Steph es auch geschafft ihren Platz einzunehmen, als Liam es nicht mehr aushielt.
„Falls du es nicht gemerkt hast Steph, du hast gestört, ok?", meinte Liam direkt und herablassend. Er hatte die Schnauze derart voll von diesem Mädchen, dass er sich nicht mehr anders zu helfen wusste. Manchmal musste man eben doch einfach nur direkt sein. Stephs Lächeln erstarb.
„Wie bitte?", fragte sie irritiert und merkte offensichtlich, dass Liam nicht beabsichtigte, ihr seine Arme auf den Rücken zu legen. Sie stand da, als würde sie ihn anflehen.
„DU STÖRST Mädchen!", wiederholte Liam und ließ seine Hand zu seinem Nacken wandern, wo er ihren Griff löste und schließlich um sie herum ging. Jenna hatte sich verdrängen lassen und stand immer noch perplex am Rand, während sie die ganze Situation beobachtet hatte. Ihre Lippen waren ein wenig geöffnet, fast so als wolle sie irgendwas von sich geben, was sie selber noch nicht wusste und aus einem Instinkt heraus, packte Liam sie an ihrem T-Shirt und zog sie zu sich heran.
„Lass das nie wieder mit dir machen, verstanden?", flüsterte er ihr zu, für andere sah es wohl eher aus als ginge es um etwas anderes. Sie nickte langsam und bei der Nähe, die zwischen den Beiden entstanden war, spürte sie die Hitze in sich aufkommen. Sie leckte sich einmal mit der Zunge über die Lippen, was Liam beinahe verrückt machte. Und ohne zu zögern berührten seine Lippen ihre, während ein großer Teil der Abschlussklasse die beiden dabei beobachtete. Jennas Atem stockte, sie wusste nicht wie sie reagieren sollte, doch als sie Liams Zunge spürte, waren ihr all die Mitschüler vollkommen egal. Sie legte ihre Hände in Liams Nacken während er seine an ihrem Rücken positionierte. Schon wieder hatte er sie gerettet, schon wieder war er für sie eingestanden. Jenna wurde ganz schwindelig von dem Kuss und bei dem Gedanken, wie oft er sich jetzt schon für sie eingesetzt hatte. Was er alles aufs Spiel setzte. Was er für sie tat. Doch küsste er sie gerade nur weil er Steph eins auswischen wollte, oder weil er es, wie vorhin, einfach gewollt hatte? Als er sich von ihr löste und sein Atem nur noch stoßweise ging wusste Jenna, dass es letzteres gewesen war, denn er legte seine Stirn an ihre und schloss die Augen, während sie sich wie selbstverständlich wieder zur Musik bewegten. Jetzt da der Kuss beendet war, strömten auch die Stimmen wieder auf Jenna ein, doch das einzige was für sie zählte waren in diesem Moment Liams nächsten Worte.
„Einfach perfekt...", sie waren nur gemurmelt gewesen und sie war sich sicher, dass diese Worte nicht dazu gedacht waren, laut ausgesprochen zu werden, doch sie jagten ihr eine Gänsehaut über den Körper. Sie musste zustimmen, dieser Moment war einfach perfekt.
Jenna dachte an ihre Liste, die zuhause in der Schublade ihres Schreibtisches verstaut lag. Sie hatte kaum noch Platz darauf, doch sie musste einen Punkt hinzufügen, den sie für sich behalten würde: Liam Welsh tat alles für die Menschen die ihm wichtig waren. Er hatte das größte Herz, dass Jenna bisher jemals an jemandem gesehen hatte und er glaubte, dass niemand es bemerkte. Er forderte dafür keine Anerkennung. Liam Welsh war einfach perfekt und egal ob Jenna bereit war es sich einzugestehen oder nicht: Sie begann sich in ihn zu verlieben.
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