16 - Herbst
Mit einem lauten Knall schlug die Tür des Arbeiterschuppens auf. Richard sprang erschrocken von seinem Bett und Aveline setzte sich kerzengerade auf.
„Hjalmar?"
„Die Pferde müssen gezügelt werden. Schnell!", donnerte dieser und verschwand aus der Tür.
Richard schlüpfte hastig in seine Hose. Aveline zog sich ihr dunkelbraunes Kleid über den Kopf.
„Was hat er denn?", wollte sie fragen, doch Richard eilte bereits hinaus zum Pferdestall, der etwas abseits hinter dem Wohnhaus lag.
Aveline folgte ihm, während sie sich im Lauf die Haare im Nacken zusammenband und die Müdigkeit aus dem Gesicht wischte. Die Pferde liefen ungezügelt auf der Weide herum, als Richard über den Zaun sprang und sich einem der Tiere näherte.
Die Stute schnaubte nervös, doch Richard sprach ihr mit tiefer Stimme gut zu. „Ruhig, ruhig", murmelte er auf Nordisch, dabei zog er die Worte in die Länge.
Die gefleckte Stute musste seine Stimme erkannt haben, denn sie kam mit hochgereckten Ohren auf ihn zu.
„Warum diese Hast so früh schon?", fragte Aveline hinter ihm.
Richard führte die Stute zum Stall und band ihr die Zügel um den Schopf. „Hjalmar will sich nicht verspäten", antwortete er.
Aveline runzelte die Stirn. „Verspäten? Wohin geht er denn?"
„Zum Thing", erwiderte Richard und klopfte dem Tier auf die Brust. „Holst du bitte Haski?"
„Zum was?" Aveline glaubte, sich verhört zu haben.
Richard schnaubte. „Jetzt ist nicht die Zeit, um Fragen zu stellen", meckerte er und deutete mit dem Daumen auf die Weide, auf welcher Ruriks Pferd stand. „Hol Haski und bereite ihn vor." Mehr sagte er nicht, sondern wandte sich den Hufen der Stute zu, die, zu seinem Erschrecken, arg verschlammt waren. Er liess er ein entnervtes Grollen hören.
Haski war Ruriks Pferd, was bedeutete, dass — wohin Hjalmar auch immer gehen wollte — Rurik ihn dorthin begleiten würde. Aveline lief über die Weide.
Von Weitem sah sie den schwarzen Hengst am Zaun entlanglaufen. Es war ein majestätisches Tier. Ein grosser Bursche, mit langem Schweif. Er wirkte aufgekratzt und das Donnern seiner mächtigen Schritte war über den Boden spürbar. Womöglich witterte er, dass sich seine Besitzer in Aufbruchstimmung befanden.
Seit ihrer Ankunft bei den Jarsons hatte es Aveline nicht geschafft, den wilden Hengst zu bändigen. Sie konnte nicht so gut mit Pferden. Richard hatte ein besseres Händchen für diese sensiblen Tiere.
Ruriks Hengst war besonders widerspenstig. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn überhaupt zu sich heranlocken konnte.
Mit fliessenden Schritten näherte sie sich dem Tier und versuchte, ihn mit ihrer Stimme zu besänftigen. Ihre Hände hielt sie leicht vor sich ausgestreckt, als wolle sie zeigen, dass sie keine Bedrohung darstellte. Haski stand seitlich am Zaun und peitschte mit dem Schweif, die Nüstern nach hinten gezogen und die Ohren angelegt.
„Shhh, alles gut", flüsterte Aveline auf Fränkisch.
Beim Klang der fremden Sprache zuckte Haski zusammen und galoppierte auf die andere Seite der Weide. Aveline fluchte laut, doch da hörte sie einen schrillen Pfiff hinter ihr und — wie auf Kommando — trabte Haski heran. Als sei nichts gewesen, näherte er sich seinem Besitzer.
Aveline drehte sich um und erkannte Rurik, der hinter ihr stand, die Hände in die Hüfte gestützt. Sie verwarf die Arme.
„Der hört mir nicht zu!", klagte sie.
Ein Grinsen zeichnete sich auf Ruriks Gesicht ab und als Haski neben ihm Halt machte, setzte er sich mit Schwung auf den Hengst. „Du hast ihm nicht zärtlich genug zugesprochen!", spottete er.
Aveline hob den Blick. Rurik trug eine grüne Tunika und eine schwarze Hose. Den Bart hatte er kurz gestutzt, die blonden Haare zusammengebunden. Obwohl er seine Haare normalerweise offen trug, wirkte er an diesem Tag rauer. Als hätte er sich für ein heidnisches Ritual angezogen. Er wirkte so ... gepflegt. Auf eine nordische Art.
Rurik merkte, wie sie ihn musterte und legte den Kopf schief, ein belustigter Ausdruck zog über sein Gesicht.
„Du brauchst doch einen Sattel!", stiess Aveline aus, um von der Tatsache abzulenken, dass sie ihn und seine zeremonielle Kleidung etwas zu lange angestarrt hatte. „Ich soll ihm die Zügel anlegen."
Er lachte trocken auf. „Später", sagte er und trieb Haski in den Galopp.
Pfeilgerade ritt er auf den Zaun zu und klammerte sich an der schwarzen Mähne fest. Mit einem kraftvollen Sprung überwand Haski den Zaun und landete sicher auf der anderen Seite. Aveline hätte schwören können, sie hätte die Erde beben gespürt.
Sie schüttelte den Kopf. Ruriks Reitkünste waren durchaus beeindruckend. Sie selbst konnte nicht reiten. Der Gedanke, auf solch einem eleganten Tier einmal zu sitzen, war schon verlockend. Nur hatte sie nie die Möglichkeit dazu gehabt. Ihr Vater hatte nie ein Pferd besessen, denn sie waren zu arm gewesen, um ein so teures Tier besitzen und füttern zu können.
Sie seufzte, während sie Rurik dabei beobachtete, wie er in die Stadt ritt. Ihr würde der Wunsch, jemals reiten zu können, wahrscheinlich für immer verwehrt bleiben.
„Aveline. Komm her!", riss Hjalmar sie aus ihren Gedanken.
Sie kletterte über den Zaun und lief zum Hofplatz. Hjalmar stand beim Brunnen und rollte ein paar Wolfsfelle. Er hatte sichtlich Mühe, die Felle eng zusammenzuhalten und sie mit der Schnur zu binden.
„Hilf mir mal", meinte er.
Sie ging seiner Bitte nach und schnürte die Felle geschickt zu gerollten Bündeln zusammen.
„Wozu braucht ihr die?", wollte sie wissen. Es fiel ihr schwer, die überwältigende Neugierde, die unter ihrer Zunge kitzelte, nicht offenzulegen.
„Na, zum Schlafen", erwiderte Hjalmar.
„Wo geht ihr denn hin?", hakte Aveline nach.
„Zum Thing nach Thisted."
„Was ist der Thing?"
Hjalmar blickte überrascht hoch, als hätte er sich bereits so sehr an Avelines Anwesenheit und ihr akzentfreies Nordisch gewöhnt, dass er manchmal ganz vergass, dass sie noch nicht all ihre Sitten und Bräuche kannte.
„Der Thing ist eine wichtige Versammlung", begann er zu erläutern. „Jarl Ragnar hat ihn in Thisted einberufen. Die Männer aller Sippen aus der Gegend treffen sich dort und besprechen während zwei Tagen wichtige politische Angelegenheiten."
Er füllte einen Trinkbeutel mit Wasser aus dem Brunnen. Die Luft blubberte aus dem Beutel.
„Wo werdet ihr schlafen?"
Aveline biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte so viele Fragen stellen, doch musste sie sich zurücknehmen. Nicht, dass ihre Neugierde Hjalmar merkwürdig vorkam. Doch er schien so vertieft in seine Aufgabe zu sein, dass er nicht merkte, wie Aveline nach Antworten lechzte.
„Wir übernachten unter freiem Himmel, darum die Felle", erklärte er bereitwillig und machte eine nickende Bewegung auf etwas, das neben ihr auf der Brunnenmauer lag. „Reichst du mir den anderen Beutel da drüben, bitte?"
Aveline streckte ihm den zweiten Wasserbeutel hin. Auch diesen tauchte Hjalmar ganz in den Eimer, sodass die Luftblasen ihren Weg nach draussen suchten. Das Wasser sprudelte.
„Ihr lasst eure Frauen und Kinder für zwei Tage alleine", kam Aveline zum Schluss. Sie liess es dennoch wie eine Frage klingen.
Hjalmar schmunzelte. „Ich glaube, das können wir unseren Frauen zumuten. Die freuen sich, wenn die nutzlosen Männer endlich mal weg sind."
Aveline lachte etwas zu laut auf.
Das könnte die Gelegenheit sein — früher als erwartet!
Wenn alle Männer für zwei Tage die Gegend verliessen, um sich zu versammeln, dann hätte sie ja fast freie Bahn, um zu fliehen! Sie fühlte die Aufregung in sich aufsteigen.
Niemals hätte sie damit gerechnet, dass alles so schnell gehen könnte. Sie musste schleunigst in den Wald, um Proviant zu sammeln!
Ihr Herz schlug schneller. Ihre Freiheit war plötzlich zum Greifen nahe.
„Tust du mir einen Gefallen?", holte sie Hjalmar wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Er stopfte die Wasserbeutel und die Felle in einen grossen Jutesack.
„Hm, was?" Aveline war ganz in ihre Gedanken vertieft.
„Bleib die nächsten zwei Tage auf dem Hof", sagte er. „Salka war gestern noch in der Stadt und hat genügend Lebensmittel gekauft, um euch drei bei Laune zu halten." Avelines Kopf schoss in die Höhe. „Ich will nicht, dass du wieder in Schwierigkeiten gerätst, während wir weg sind."
Hjalmars Blick sagte alles, doch sie hatte nur eines gehört: Euch drei ...
„Geht Richard denn nicht mit euch mit?", bohrte sie nach.
Sie hatte damit gerechnet, dass alle Männer zu diesem Thing gingen. Sicherlich brauchten sie doch einen Sklaven, der sie bei der Reise unterstütze!
Hjalmar lachte und schüttelte den Kopf. „Sklaven sind am Thing nicht erlaubt. Er bleibt hier und sorgt dafür, dass dir nicht langweilig wird."
Die Enttäuschung kroch in ihr hoch. Sie hatte gehofft, mit Salka alleine zu sein. Wenn Richard auf dem Hof blieb, bedeutete das für sie, dass sie zwei Menschen überlisten musste — und einer davon war ihr guter Freund und Leidensgenosse. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn er mitgegangen wäre und sie ihn nicht dermassen in den Rücken fallen müsste.
„Ich hab Richard übrigens gesagt, dass er dich in den Wald begleiten soll, falls du auf Wanderschaft gehen solltest", fügte Hjalmar hinzu, als hätte er geahnt, dass Aveline seine Regeln irgendwie umgehen würde. „Du spazierst mir nirgendwo alleine hin, hast du gehört?" Sein Blick war streng. „Nicht nach dieser äusserst freundlichen Begegnung beim Tempel."
Aveline blinzelte ihn empört an, doch Hjalmar liess keine Widerrede zu.
„Ich meine es ernst", untermauerte er seinen Standpunkt. Er wartete, bis Aveline ein ergebenes Nicken zeigte, dann wandte er sich dem Wohnhaus zu. „Und jetzt genug geredet", seufzte er. „Ich muss noch einen zweiten Sack mit Nahrungsmitteln füllen. Audgisil und Loki reisen nämlich mit uns mit. Die essen so viel wie ein Rudel Wölfe!"
Mit diesen Worten stampfte Hjalmar zurück ins Wohnhaus.
・・・
Aveline setzte sich auf den Brunnenrand und grübelte. Sie musste schleunigst ihre Fluchtpläne überarbeiten! Es hatte sich jetzt alles so rasch geändert. Vielleicht würde sie gar nicht bei Nacht fliehen müssen, sondern könnte bei helllichtem Tag durch die Felder springen. Als Proviant würde sie Pilze sammeln. Davon gab es genug, denn es hatte die letzten paar Tage geregnet und der darauffolgende Sonnenschein hatte dafür gesorgt, dass der Wald nur so vor Pilzen spross.
Aber wie konnte sie bloss Richard austricksen?
So gehorsam wie Richard war, würde er Hjalmar natürlich beim Wort nehmen und ihr auf Schritt und Tritt folgen. Sie musste eine Ausrede finden oder davonschleichen, wenn er gerade beschäftigt war. Sie würde schon einen guten Zeitpunkt finden — hoffentlich.
Pferdegetrampel war von Weitem zu hören. Aveline sah, wie Rurik auf seinem schwarzen Pferd herangeritten kam, dicht gefolgt von seinen beiden Freunden Loki und Audgisil. Audgisil trug sein braunes Bärenfell über den Schultern, was ihn noch grösser und breiter erscheinen liess. Lokis blonde Locken wippten im Takt des Trabs seines gefleckten Hengstes.
Rurik winkte Aveline zu sich, sein Blick war frostiger als zuvor.
„Was sitzt du da rum? Komm her!", bellte er.
Aveline kletterte vom Brunnenrand und kam ihm langsam entgegen. Er sprang von seinem Pferd, während es noch trabte, packte es an der Mähne und brachte es direkt vor Aveline zum Stillstand. Sie wich einen Schritt zurück. Dieses Pferd überragte sie um eine ganze Körperlänge.
Ruriks Augen funkelten. Er streckte ihr die Mähne hin.
„Hier nimm!" sagte er mit einem spöttischen Unterton in der Stimme. „Darfst ihn reiten. Wenn du Glück hast, wirft er dich nicht vom Rücken." Er lachte leise. Auch seine zwei Freunde kicherten hinter ihnen.
Aveline blickte ihn unsicher an, doch nahm sie die Mähne in die Hand. Haski schnaubte laut, liess sie jedoch gewähren.
„Ich kann nicht reiten", murmelte sie, sodass nur Rurik es hören konnte. „Ich bin noch nie auf einem Pferd geritten ..."
Er lachte laut auf. „Du kannst nicht reiten?", rief er und warf einen belustigten Blick zu seinen Freunden.
Aveline senkte den Kopf. Ihre Hand ballte sie zu einer Faust, sodass die strähnige Mähne gegen ihre Haut rieb. Was sollte das? Rurik schien wie ausgewechselt. Sein Umgangston mit ihr war normalerweise nicht so ... herablassend.
„Du kannst wirklich nicht reiten?", fragte er abermals. Sie spürte seinen Blick von der Seite, doch schaffte sie es nicht, ihm in die Augen zu schauen. Sie nickte stumm.
„Hat dir dein Vater denn nichts beigebracht?", machte er in seinem Spott weiter.
Aveline presste die Zähne aufeinander. Hinter ihr hörte sie Audgisil und Loki scherzen. Sie fragten sich, ob die Väter im Frankenreich ihren Kindern überhaupt irgendetwas beibringen würden, oder, ob nach Erbarmen flehen alles sei, was sie könnten.
Ihr schossen die Tränen in die Augen an den Gedanken an ihren Vater. Sie schluckte leer. Nur nicht weinen. Keine Schwäche zeigen! Sie knirschte mit den Zähnen, die Wut kochte in ihrem Bauch.
„Wenn ihr Bastarde ihn nicht getötet hättet, hätte er die Möglichkeit gehabt, mir das Reiten beizubringen!", platzte es aus ihr heraus.
Ihre Augen funkelten, als sie es wagte, Rurik ins Gesicht zu starren. Für einen Wimpernschlag meinte sie Überraschung und Bestürzung darin zu sehen, doch dann verdunkelten sich seine eisblauen Augen. Unsanft packte er sie am Arm und riss sie an sich.
Sie krachte gegen seine harte Brust.
„Wie bitte?", knurrte er mit mahlendem Kiefer. „Was bist du so frech zu mir, Sklavin?" Aveline wimmerte. Seine kräftigen Finger bohrten sich schmerzhaft in ihren Arm. Doch dann liess er sie los und machte eine energische Handbewegung. „Jetzt geh!", donnerte er. „Striegle und zügle mein Pferd. Wir müssen gleich los. Zack zack!"
Aveline drehte sich trotzig um, sodass es ihre Locken herumwirbelte und führte Haski zum Pferdestall. Sie blickte nicht zu den Wikingern zurück. Sie brodelte vor Wut, das spürte sie in ihren Wangen, als brenne sie von innen. Mit wenigen Handgriffen brachte sie Haski an seinen Platz und begann, den Hengst unsanft zu striegeln. Das Pferd tappte hin und her.
„Der muss ich mal Manieren beibringen", hörte sie Rurik hinter ihr sagen. „Hjalmar ist viel zu nett mit ihr."
Aveline bearbeitete weiterhin Haskis Fell, schwer darum bemüht, nicht ein zweites Mal abfällig zu werden.
„Eine Tracht Prügel hat bei meinem Sklaven geholfen", sprach Audgisil hinter ihr. Sie hörte, wie er von seinem Pferd sprang. „Manchmal denken sie, sie seien zu gut für die Arbeit. Dann muss man ihnen die Vernunft nun mal einbläuen."
Ihre Finger verkrampften sich um ihre Bürste. Bloss keine Prügel.
„Sie denkt wohl, sie sei uns gleichgestellt." Das war Loki, der das gekichert hatte.
Aveline schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Bewegungen ihrer Hände. Sie konnte es wirklich kaum erwarten, von hier zu verschwinden.
„Kannst du Haski bitte etwas zärtlicher behandeln?", rief Rurik ihr zu, was sie in ihrer Arbeit innehalten lies. „Der mag es nicht so grob!"
Schon wieder dieser Spott in seinen Worten, als wolle er sie provozieren. Sie drehte den Kopf in seine Richtung und begann, das Pferd übertrieben langsam zu striegeln. So würde sie natürlich nie zeitig fertig werden.
„Ist es so etwa besser, mein werter Herr?", zickte sie zurück.
Ruriks Ausdruck war Belohnung genug. Er liess die Hände sinken, stand beinahe wie erstarrt da. So frech war sie noch nie zu ihm gewesen, das wusste sie. Erst tat er nichts, stierte bloss feurig zurück, doch dann setzte er sich in Bewegung und stampfte auf sie zu.
Aveline blieb das Herz stehen, doch da baute er sich bereits vor ihr auf und schlug zu.
„Ah!"
Ihr Kopf wurde ab der Wucht seiner Ohrfeige zur Seite gerissen. Die Bürste fiel ihr aus den Händen. Jäh schoss es das Blut in ihre Wange, dort, wo sie getroffen worden war.
Sie bückte sich, um die Bürste aufzuheben, aber Rurik kickte sie mit seinem Fuss weg.
„Wage es ja nicht mehr, so mit mir vor meinen Freunden zu sprechen!", zischte er, den Zeigefinger drohend ausgestreckt. Seine Augen funkelten aufgebracht. „Jetzt mach, dass du fertig wirst. Und lass deine Wut nicht an meinem Pferd aus!"
Sie schwieg und hob die Bürste auf. Ihre Wange brannte. Doch war ihr keine Träne in die Augen gestiegen. Immerhin ein kleiner Sieg gegen ihn.
Rurik marschierte zu seinen Kameraden zurück.
„Mutig, die Kleine", meinte Loki und verschränkte die Arme vor der Brust. „In der steckt eine Kämpferin. Die sagt dir bald, wo's lang geht."
„Ach, halt den Mund", knurrte Rurik und brachte seine Freunde ins Wohnhaus.
・・・
Einige Zeit später kamen die Männer aus dem Haus und verabschiedeten sich von Salka.
Haski stand sauber und gesattelt draussen auf dem Platz. Aveline hielt den Hengst an den Zügeln. Rurik marschierte auf sie zu, mit demselben wütenden Schritt, wie davor und riss ihr die Zügel aus den Händen. Leichtfüssig sprang er auf sein Pferd.
Aveline wich einen Schritt zurück, damit er sein Pferd wenden konnte. Sie spürte seinen Blick auf ihr, auf ihrer Wange, die rot leuchten musste. Der Abdruck seiner Bezichtigung schmerzte noch immer auf ihrer Haut.
„Benimm dich", fauchte er und ritt sein Pferd an.
In dem Moment hob sie ihre Lider. Ihre Blicke kreuzten sich für einen Wimpernschlag. Sie hoffte, dass er den Triumph, den sie in ihrem Inneren spürte, im Glitzern ihrer goldbraunen Augen sah.
Diesen Kampf würde sie gewinnen — sobald er den Hof verlassen hatte.
Ruriks grimmiger Ausdruck veränderte sich schlagartig, als er ihr verschmitztes Lächeln erkannte.
Doch er schloss mit den anderen auf. Die Reitergruppe machte sich auf in Richtung Norden und als sie in den Wald ritten, schaute Rurik ein letztes Mal zum Hof zurück, als ob er spürte, dass etwas nicht stimmte. Aveline reckte den Kopf weiter in die Höhe.
Stolz und unbesiegbar.
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